Sonntag, 31. August 2014

Tipps vom 25.08. - 31.08.2014



DIE MAD MAX TRILOGIE - Bis Mai 2015 ist es zum Zeitpunkt dieses meines Schreibens noch etwas hin und da man nach solch einem furiosen Trailer der Marke MAD MAX: FURY ROAD ungern wartet, muss und sollte man auf die nächstgelegene Alternative zurückgreifen: alle anderen zuvor erschienenen Mad-Max-Streifen. Nicht, dass es eine mühsame Obligation wäre, oh nein, in vielerlei Hinsicht dürfte das gepflegte Baby von Regisseur George Miller und Produzent Byron Kennedy als eine der grandiosesten Actionfilm-Reihen aller Zeiten gelten. Natürlich denkt man dabei hauptsächlich an den zweiten Teil, der so ziemlich im Alleingang die große Welle des postapokalyptischen Films ab Anfang der 80er Jahre in der Kinowelt anzettelte. Doch alles nahm 1979 als lupenreines Ozploitation-Vehikel seinen Anfang, in einem Debütwerk des zu jener Zeit 34-jährigen Millers, welches in seiner Darbietung Stunt-fixierter Energien und Karossen-Rasanz schon einige Jahre zuvor vom ebenso australischen Brian Trenchard-Smith und Filmen wie DER MANN VON HONGKONG vorweggenommen wurde, jedoch in sich eine krasse verdorbene Welt aufschlug, die das Rebellentum von CLOCKWORK ORANGE in einen tribalen Fleischwolf verwandelte. Die einleitenden Momente von MAD MAX 1 weisen das wilde, noch mit der normalen Welt wiedererkennbare Territorium als "A few years from now..." ein, insgesamt herrscht noch eine Grundfassung vom kontemporären, zivilisierten Leben in Australien, doch allmählich zerbröselt dies an allen Ecken, wird von raubenden und mordenden Raser-Banden terrorisiert und von Miller zudem so überladen und abwegig in Szene gesetzt, dass man jenes Szenario teils nur schwer erfassen kann. Doch den Zorn der Straße, den gnadenlosen Horror des Anarchischen und die Abstumpfung gesellschaftlicher Konsistenz spürt und sieht man durchweg wie eine Achterbahn durchs Hirn jagend, mit einem pausenlosen Brian-May-Score am bedrängenden Dröhnen. Die einzige erdende Eigenmacht bildet sich mit Polizist 'Mad Max' Rockatansky und seinem Nitro-Dienstwagen vom Modell Interceptor (dieser scheppernd-zischende Sound des Motors: HALLELUJA!) - einer dieser ganz heißen Schlitten, die bis Teil 2 hin und offenbar auch im neuen Kapitel der Serie aufgetuned werden -, die nicht nur gewissenhaft und blitzartig, vorallem aber nicht minder brachial das Verbrechen, vertreten durch Figuren wie den 'Nightrider' (Vincent Gil), aufhalten, sondern zudem an eine junge Familie mit Frau und Sohn gekoppelt sind. Max's Frau Jessie (Joanne Samuel) trägt dabei die meiste Sorge um ihren Gatten mit sich, doch noch ist er sicher bei der ehrenvollen Sache, seinen Job durchzuziehen, ganz charmant und unverbraucht wie der junge Gibson eben auch dabei aussieht. Anhand seines Kollegen Jim Goose (Steve Bisley), der in der ersten Hälfte des Films sogar stärker und öfter auftritt als Max, jedoch von der berüchtigten Bande des Toecutters (Hugh Keays-Byrne) monströs entstellt wird (was Miller nicht explizit zeigt, aber bei Max's Anblick dessen durch einen geschickten Jumpcut inkl. wabernder "Hitzewellen" suggeriert), erkennt unser Titelheld jedoch die desaströsen Gefahren, die der rechtschaffenen Seite des Gesetzes zuteil werden, und quittiert bei seinem wahrhaft exzentrischen Vorgesetzten Fifi (Roger Ward aus INSEL DER VERDAMMTEN) vorzeitig seinen Dienst. Dass letztgenannter dabei mit freiem Oberkörper seine Blumen gießt, ist nur eine der vielen kleinen Irrwitzigkeiten, die der Film unterbreitet und besonders im abgefahrenen Spiel der Darsteller eskalieren lässt. Schließlich wird damit eine filmisch unberechenbare Brutalität erschlossen, die den psychischen Faktor der Angst klaustrophobisch-bizarr auf die Leinwand bannt, sich ebenso in maßloser, chaotischer Zerstörung von Karren und Körpern entlädt. Kein Wunder, dass Max sodann die Ruhe und den Frieden trauter Zweisamkeit auf dem Land sucht, sich so ziemlich von der urbanen Gefahr abzukapseln und die modernen Nicht-Nur-Mittelschicht-Ängste der nihilistischen und rücksichtslosen Endzeit-Stimmung hinter sich zu lassen. Doch kaum anders wie in jeden anderem klassischen Rachefilm bleiben die Zurückgezogenen auch davon nicht verschont, speziell Jessie, die von den Raudis wie jede Frau als sexuelle Beute erspäht wird. Die grenzenlose Jagd des Vandalismus führt in die intimste Zelle der ängstlichen Familie und der stärkste theoretische Verteidiger Max kann das Übel nicht aufhalten. Ab jenem Zeitpunkt aber wird der Zünder der menschlichen Bombe für die gesamte Reihe aktiviert, brennt nach Rache und zieht mit dem pechschwarzen Interceptor eine explosive Linie in den horizontalen, in die endlose Weite streckenden Staub, womit auch der ultimative Henker angesetzt wird - trotzdem keine einfache Sache für unseren innerlich zerstörten Helden: ein Bein wird für immer zerschossen, eben ein knallig-rotspritzender Ausdruck all dieser inneren Wunden, die Max zugeführt wurden und in der Reihe auch garantiert nicht die letzte. Dennoch wird Max schier unaufhaltbar auf seinem direkten und aus dem Innern dynamischen Weg der Vergeltung - ein tragischer Mordskerl, der unweigerlich in diese Welt des Chaos eintaucht, die er sowieso nicht mehr aufhalten oder neutralisieren kann (wie das Sequel beweist), welche aber immerhin markig seinen Zorn zu spüren bekommt. Man muss schon sagen: so sehr Miller uns mit seinen anfänglich sperrigen Konzepten einer dystopischen Welt und der dazu kommenden filmischen Sprache befremdet, so monolithisch etabliert er einen tief getroffenen Charakter, der mit der ungebändigten Wut der Kamera und des kompromisslosen Stuntwork eine neue Ära der filmischen Bewegung und Eruption einleitete. Doch trotz dieser ikonischen Besonderheit der Figur Mad Max und dem inszenatorischen Drive drum herum sieht man noch immer einen Menschen; einen Familienmann; einen Kollegen, der in seiner Dienststelle auch mit Minderbemittelten und bei der Suche nach seiner Frau später mit Zurückbebliebenen arbeitet (was im dritten Teil nochmals die empathische Verschonung vom 'Blaster' motiviert); allerdings auch einen, der immer weiter zum Unmenschlichen getrieben wird und deshalb für die universelle Gerechtigkeit den Wahn der Gewalt übernimmt, für sich einsetzt, aber nicht mehr zurückkommen kann. Eine Konsequenz, welche noch heute die Indizierung des Films in Deutschland erklären dürfte.



Nichtsdestotrotz wurde das Teil ein weltweiter Knüller, so ziemlich ein Kassenerfolg, abgesehen von den USA, drum kam 2 Jahre später, wie auch heute üblich, die Fortsetzung. Doch damit entfesselte sich ein Fegefeuer am filmischen Horizont, welches seitdem kaum zu lodern aufhörte - aus dem normalen und letzten Endes von der Leine gelassenen Max ist schlichtweg eine Legende geworden, ist bereits von Anfang an das Zentrum einer episch-mythischen Sage nach dem Formate CONAN's, weshalb Miller hier auch die Umstände des Settings nacherzählt und einen schnellen Rückblick auf die Tragödie von Max dazu spendiert (u.U. für das amerikanische Publikum, welches diesen Film und seine Welt als THE ROAD WARRIOR ganz neu kennenlernte) - mit dieser pointierten Einleitung als Unterstützung präsentiert sich sodann aber auch ein Film, der in seinem Narrativ, seiner stilistischen Funktion und dem Aufbau seiner inneren Macht geradezu vollkommen eigenständig wirkt. Zwar noch immer überrannt von mordenden und raubenden Motorbanden, ist die Landschaft nun komplett neues, offeneres und auch gleichzeitig konzentriertes Terrain: desolater, abstrakter, feindlicher. Darin verbuddelt liegt eine frisch zusammengeraufte Sozialität der Post-Apokalypse, welche filmisch komplett von Grund auf zubereitet und uns peu à peu zugeführt wird. Nur eben Max (jetzt mit Bart und grauen Schläfen) und sein Interceptor (begleitet von einem toll spielenden Hund) sind vom letzten Teil wirklich übrig geblieben sowie die Sehnsucht der Anderen nach dem Wiederaufbau der Menschlichkeit - doch Max als einsamer, meist schweigsamer Wanderer jenseits von gut und böse funktioniert auch ohne große Erklärung als klassischer Outlaw und Antiheld einer Welt, mit der er eigentlich nichts zu tun haben will, stets eher um sein eigenes Überleben denkt: Clint Eastwood lässt grüßen. Mit dem Hintergrund seiner Vergangenheit wird die einschlagende Dimension seiner konkreten, doch zurückgezogenen Persönlichkeit natürlich weit sinnlicher und sinniger, aber seine Konzentration auf das Wesentliche und Nötige steht ihm als Anziehungsfaktor der Interessen von Seiten des Zuschauers und der Nebencharaktere aus außerordentlich gut. Millers Film tut es ihm daher gleich und reduziert seine Zukunftsvision auf eine einzige, intensive Belagerung von überlebten Neu-Zivilisierten durch den bunten Höllenschlund bestialischer und verdieselter Fieslinge, noch bekloppter und destruktiver als in Teil 1, angeführt vom undefinierbaren, doch furchteinflössenden Obermotz Humungus (Kjell Nilsson). Und das Einzige, was alle in solch unsicheren und gesetzlosen Zeiten antreibt, ist das wertvolle Benzin, welches die Eingekesselten nun mit letzten Kräften horten. Max ist da in seiner abgeklärten Mentalität, gleichzeitig demütig und schnauzend gegenüber seinem Schicksal in diesem wüsten Inferno, nicht anders und wittert seine Chance, sich mit Rohstoffen für seine Maschine abzusichern - gemäß seiner dennoch weiterhin vorhandenen, inneren moralischen Gutmütigkeit im Austausch für riskante Hilfestellung der Nicht-Assigen, auch weil sich unter ihnen ein flinker, primitiver, aber für ihn sicherlich hart ins Herz treffender Bub befindet, der ungefähr so alt ist, wie es Max's eigener verstorbener Sohn sein sollte. All das will er unabhängig davon trotzdem schnell über die Bühne bringen, doch bei seinen Fähigkeiten verwundert es nicht, dass sich das kleine Volk allmählich auf seinen neuen Helden verlässt, es in die Freiheit anzuführen. Da will er sich jedoch gründlich zurückhalten, der Schatten des Verlustes hängt ihm nachvollziehbarer Weise wohl noch immer trüb hinterher, weshalb er der Wiederholung dessen schleunigst zu entziehen gedenkt. Doch die Gewalt der neuen (Un-)Ordnung in Millers krassem Kosmos holt ihn dauernd wieder ein, wickelt sich um die Leiber und nimmt auch den Zuschauer schweißtreibend in die Mangel. Zum Schweiß gesellen sich das Blut, der Rost, das in alle Himmelsrichtungen zerspringende Metall und das gnadenlose Einsacken in den hart traktierenden Wüstensand - mit einem noch höheren Tempo als jemals zuvor. Es wird ein filmischer und atmosphärischer Wahnsinn signalisiert, der sich haltlos vor einem aufbaut, durchschüttelt, in den Shredder wirft und sich dabei noch selbst zu zerreißen droht, solange die wohl heißeste Action-Maschine auf Erden auf Zelluloid gebannt werden kann. Das macht auch keinen Halt vor dem bisschen, was Max als einziges noch geblieben ist, es stößt ihn nochmals in den feurigen Abgrund und schießt weitere Löcher in seine gepeinigte Seele - doch darauf folgt die brennende Wiederauferstehung, der Weckruf eines wütenden Giganten, eines stählernen Straßenkriegers, der in seiner ultimativen Rolle des Beschützers Wiedergutmachung leisten, aber vorallem ausgleichende Gerechtigkeit walten lassen will. Was dann auf den Pfaden der Vergeltung und Zerstörung, der Jagd und der Verteidigung losgetreten wird, spottet jeder Beschreibung, hat aber auf eigene Faust schier unerreichte Maßstäbe gesetzt, die das Risiko des Leinwandgeschehens so risikoreich und fühlbar-granatenhart wie noch nie in die Sitze des Publikums drückte. Mad Max wurde endgültig zur Legende, letztendlich in der kompromisslosen Verausgabung für vermeintliches Benzin - ein bittersüßer Sieg, denn schließlich ist nur ein Tag, nicht die Zukunft gerettet. Aber aus seinem Willen heraus, für die Menschheit, für den Funken der lodernden Ambition, entsteht ein ewiges Vorbild - eben die Ikone im Untergang (mit einem im Vergleich zu Teil 1 weit polierteren Brian-May-Score dafür in petto), für die Überlebenden des Films und auch für zahllose Trittbrettfahrer sowie Hommagisten des internationalen Kinos. Doch das Feuer in Max selbst war noch längst nicht gestillt.



Ein dritter Teil seiner Geschichte sollte schließlich folgen, nun erstmals mit amerikanischer Finanzspritze und einem massentauglichen PG-13-Rating im Rücken (EXPENDABLES 3, ebenfalls mit Gibson, kann davon auch ein Lied singen). Eine inhaltliche und gewalttechnische Reduktion war abzusehen, Max und Miller mussten sich schein- und sichtbar einem Publikums-freundlicheren Appeal unterordnen (Maurice Jarres Score packt dafür sogar platt ein Didgeridoo auf der Tonspur aus), allerdings war der Film an sich zunächst wirklich als Kindergeschichte gedacht und wurde offenbar erst im Nachhinein mit der Figur und Welt von Max verbunden. Man kann dem kreativen Team jene Entscheidungen also nicht ganz so hart zur Last legen, erst recht, wenn man bedenkt, dass Miller seinen alten Kollegen Byron Kennedy während Locationscoutings bei einem Hubschrauberunfall verlor und wahrscheinlich deshalb auch einen großen Anteil der Regie an George Ogilvie abwarf. Da kann man die Einbußen in der Bösartigkeit der Gewalt und des Settings gut nachvollziehen und sich umso besser auf die versöhnliche Entwicklung von Max konzentrieren, der allmählich endlich seinem seelischen Martyrium zu entkommen scheint, auch wenn die ganz entscheidenden emotionalen Momente wohl auch unterm Schneidetisch gelandet sind (siehe die natürlich allwissende imdb-Quelle). Nichtsdestotrotz stellt man schnell fest, dass der dritte Streich der Trilogie den wohl aufwendigsten Look inne hat: die Kinematographie ist feinste Sahne, aus den Kostümen und Sets suppt geradezu ruppige Verlebtheit und so ziemlich der gesamte filmische Aufbau verläuft super-sauber - eine meilenweite Abkopplung von der schönen Eigensinnigkeit des Erstlings, aber dennoch ordentlich kurzweilig. Allerdings kann er nicht die einfache Eleganz des Vorgängers aufweisen, dafür quartiert er sich ausgiebigst in die zentrale Barter Town des Films ein, mit all ihren angehenden Regenten (Machtspiele zwischen Tina Turner als Auntie Entity und Angelo Rossitto als 'Master', Paul Larsson als sein 'Blaster'), unterirdischen Versorgungs-Rohstoffen (Schweinekacke en masse), den dazugehörigen Untergebenen und Versklavten sowie dem Austragungspunkt von schicksalhaften kämpferischen Konfrontationen, der Donnerkuppel. Letztgenannte Arena stellt nach der Infiltration von Max - der eigentlich nur seine jüngst gestohlenen Wertsachen zum Überleben wieder herausholen wollte, jedoch unweigerlich Deals und Intrigen in die Wege setzte, um damit voran zu kommen -, das erste von wenigen Action-technischen Highlights im Film dar: hier wird mit Waffen gekämpft, die das Publikum von den äußeren Rangen ab weiterleitet und so einen gladiatorischen Wettkampf herbeigröhlt, bei dem die Kontrahenten zudem an Gummibändern durch die Luft geschleudert werden. Die Fantasie der Dystopie hat Miller offensichtlich noch längst nicht verlassen, da macht der Film keinen Hehl draus, jedoch lässt er in seinem Prozedere der Handlung Stück für Stück langsam durchsickern, dass man hier nicht in jene Extreme und Bewegungen vordringen wird, die der Vorgänger eröffnete - stattdessen verschlägt es Max im Kinder- und Teen-kompatiblen Abenteuer auf ein Exil in die Wüste (übrigens in atemberaubend verschlingenden Landschaftsaufnahmen eingefangen, so völlig verloren im Sturm des Bewusstseins), wo er dem Verdurstungstod nahe von einer Gruppe wilder Waisenkinder aufgefunden wird, welche ihn für den lange verschollenen Captain Walker halten, der sie als prophetischer Erlöser ins Tomorrow-Morrow-Land führen soll. Peter Pan lässt grüßen und allein vom Design her bekommt man hierbei selige Flashbacks an Spielbergs HOOK. Auf jeden Fall eine ungewöhnliche Situation für unseren Max, der aber auch in jedem seiner Filme ganz neue Perspektiven der verlorenen (hier explizit post-nuklearen) Welt erlebt. Doch auch da gibt er den zurückhaltenden Eigenbrötler, der die Hoffnungen der Kids etwas ernüchternd in Perspektive setzen muss - allerdings auch nur, weil er weiß, welche Gefahren da draußen auf sie lauern würden und, das sollte seit Teil 1 schon klar sein, ein Herz für Kinder hat er ja sowieso. Die enttäuschte, es jedoch-nicht-wahrhaben-wollende Semi-Anführerin des Kinderstammes, Savannah (gespielt von einer 22-jährigen Helen Buday), macht sich dennoch auf, das gelobte Land zu entdecken - und da kann Max einfach nicht anders als hinterher, erst recht, nachdem er gesehen hat, wie sehr die Kids an eine bessere Zukunft mit einem zivilisierteren Lebensstandard glauben (siehe die ergriffen inszenierte Präsentation ihres Flugzeugwracks). Fortan ist die Erfüllung dieses Traumes aus der Mitte feindlicher Zonen heraus sein oberstes Ziel und da waltet diesmal nicht der Zorn beim Beweis seiner Wiedergutmachungs-Bestrebungen, welche die Balance zwischen Recht und Unrecht wieder einpegeln will. Selbstaufopferung kommt aber erneut zum Einsatz, hinterlässt jedoch erstmals keine neue Narbe (die letzte erkennen wir noch an seinen unterschiedlichen Augenfarben - soviel Detail ist löblich) und auch das Böse und Anarchische scheint die Blutrünstigkeit ausnahmsweise in der Tasche stecken zu lassen, denn die Jägerin Auntie Entity hat noch immer irgendwie auf die eine oder andere Art ihr Wort gehalten (scheint aber auch so, als ob sie Max ganz reizvoll findet). Das ist nun mal ein versöhnlicher Schlusspunkt und da spricht das ruhige Ende durch den beklemmend-stillen roten Sandsturm hindurch, quasi schon etwas auferstanden aus Sydneys Ruinen, Bände. Max selber hat wie immer nicht Teil daran, doch sein Wille ist sichtlich geschehen, seine Funktion als Vertreter der Gerechtigkeit hat sich endlich gewissenhaft (zurück zur Menschlichkeit des ersten Teils) erneut erfüllt und jene als Rächer hat wohl endlich ihren Frieden gefunden. Doch welchen Weg wird er jetzt, knapp 30 Jahre später, in Form von Tom Hardy gehen, wieder hineingeworfen in die reißenden Fänge der hinterherjagenden Zerstörung? Wie auch immer es laufen (oder besser gesagt fahren) wird: für einen Straßenkrieger gibt es immer eine Spur nach vorne und solange das zieht, springen wir gerne mit drauf.




DAIMAJIN - Die filmische Lust auf geradezu göttliche Rache findet im steinernen Kriegsgott der DAIEI-Studios seine effektive Manifestation. Dafür baut Kimiyoshi Yasudas Film anhand eines klassischen Dramas im mittelalterlichen Japan eine grob finstere Atmosphäre auf, die allmählich auf eine rechtschaffene Entladung mit übernatürlicher Macht hinarbeitet. Anfangs schon legt man großen Wert auf Glaubensriten, bei denen man gemeinsam mit der alten weisen Priesterin Shinobu den DAIMAJIN zu ehren und besänftigen versucht. Verräter im herrschenden Hause Hanabasa jedoch nutzen die Situation aus, um den Regenten zu stürzen und die Macht zu erlangen. Lediglich ein paar Vasallen und die Kinder des Clans können mithilfe des Samurai Kogenta entkommen, werden dank der Hilfe von Shinobu zur einzigen Zufluchtsstelle, einer Höhle am Wasserfall, auf dem die titelgebende Statue ruht, gebracht - für die nächsten 10 Jahre wird das ihr Zuhause, in der Zeit herrscht unten im Dorf allmählich unter Leitung des tyrannischen Odate und seiner Gefolgsleute ein alltäglicher, willkürlicher Terror von Sklaverei, Folter und Verfolgung gegen potenzielle Verräter und Ronin.


Familien stehen da auch nur im Wege, weshalb einer der armen Dorfjungen um Hilfe bei Shinobu sucht, während Kogenta und der herangewachsene Hanabasa-Erbe Tadafumi ebenfalls in Bedrängnis und Gefangenschaft geraten. Es geschieht noch so einiges mehr an brutalen Ereignissen, auf jeden Fall führt alles schließlich dazu, dass die Schwester von Tadafumi, Kozasa, den Daimajin tränenreich um Hilfe und Rettung bittet - und da die Schergen von Odate ihn ohnehin mit Hämmern und Meißeln zerstören wollten, bricht er endgültig los und waltet als 10-Meter-großer Golem mit stampfender Erbarmungslosigkeit seines Amtes in der Ausbalancierung der Verhältnisse. Letztgenanntes Ereignis nimmt so knapp die letzten 20 Minuten des knackigen 80-Minuten-Films ein, der im stilsicheren Cinemascope ein glaubwürdiges Bild historischer Vergangenheit vermittelt und gerade dann in jenen Highlight-Augenblicken gehörig zum monströsen Staunen der konkreten, effektvoll-dargebotenen Rache einlädt.


Die Bluescreen-Technik dafür ist schon außerordentlich gelungen, doch selbst eine Maßstab-getreue, bewegliche Figur wird zum wahr gewordenen Zorn der Götter eingesetzt - man hat wahrlich keine Mühen gescheut, Ehrfurcht in den Zuschauer zu jagen, wohlgemerkt bei einer Geschichte, welche die konspirative Abkehr und das anarchische Disrespektieren von Traditionen, Mythen und Religionen lehrsam als Wurzel des Bösen darstellt und entsprechend bestraft. Im Rahmen der für jene Zeit schon konventionellen Gestaltung verwundert das wenig, wird daher auch passend zur Genre-Mentalität melodramatisch und melancholisch von Akira Ifukubes teils auch urig mit Orgeln hantierenden Score untermalt (wobei man manche Stücke anders arrangiert aus weiteren Monsterfilmen unter seiner Führung kennen dürfte) und von der Kamera Fujio Moritas stimmungsvoll in dichten Wäldern, zeitgenössischen Kulissen und schön tristen Nebelwänden eingefangen.


Daraus entwickelt sich ein äußerst tugendhafter Handlungsaufbau, jedoch einer, der sich seinem Setting so demütig zeigt, dass er der Tiefe der quälenden Tragik und dem bitteren Streben nach Gerechtigkeit in seiner begrenzten Laufzeit gelungen respektvoll und empathisch nachkommt - ganz zu schweigen vom gewissenhaft-sinnlichen Eintauchen in die natürliche und auch von Geistern heimgesuchte Umgebung, in die religiöse Verzweiflung der Unterdrückten, in den selbstsüchtigen Horror der Fieslinge und letzten Endes in die unaufhaltbare krasse Vernichtung des Bösen unter verdunkeltem Himmel. Eben eine klassische, für unser Verständnis schon biblische Sage nach dem Format des alten Testaments, dabei emotional und dramaturgisch bewegend, nicht unbedingt komplex in moralischen Grauzonen unterwegs, aber nichtsdestotrotz eine befriedigende Angelegenheit - erst recht, sobald der Daimajin den stoischen Vollstrecker mit stets wütenden Gesichtsausdruck gibt. Lohnenswertes für die Freunde des japanischen Genrekinos.




HERKULES - Luigi Cozzi erzählt die Sage des tapferen Muskelhelden griechischer Antike neu und beginnt dabei schon mit der Erschaffung des gesamten Universums - scheinbar unabhängig von altbekannter Theologie, aber nicht minder mythisch, entwirft er ein elementares Chaos, aus dem ein ebenso aus dem Nichts entstammender Konzil an Gottheiten beim "Schachspiel" um das Schicksal der jungen Menschheit aus den Sternen heraus eine superstarke Saat erschafft, mit der auf Erden eben jener Titelheld geboren und à la Kal-El, ferner natürlich auch Moses, von einer Adoptivfamilie an die nächste gereicht wird - auch, weil seine schicksalhafte Präsenz des Guten und die Konkurrenz des Bösen das Maximum an tödlicher Tragik heraushaut. Doch Cozzis Film will sich nicht auf jenen düsteren Pfaden ausruhen, sondern probiert die Magie des eskapistischen Filmabenteuers klassischer Schule, mit einem romantisierten, sympathischen Helden am Steuer, der viele Herausforderungen zu meistern hat und vorallem seine dabei gefundene Liebe Cassiopea (Ingrid Anderson) mithilfe der Zauberin Circe (Mirella D'Angelo) aus den Fängen der Bösen, König Minos (William Berger) und Ariadne (Sybil Danning), zu befreien gedenkt - letztgenannte wollen sie nämlich für die Obermacht des Universums dem Feuergott Phoenix opfern, soweit ich das mitgekriegt habe.


Eigentlich für sich eine ordentlich kino-taugliche Geschichte mit Hang zum Fantasy-Epos, aufgrund des nicht gerade erheblichen Budgets aber eben nur minimal so atemberaubend umgesetzt, wie Cozzi es gerne hätte. Jeder Effekt ist durchschaubar, Sets, Kostüme und Darstellerfundus bewegen sich auf zeitgenössischem Italo-Niveau - selbst Brad Harris und Gianni Garko dürfen dabei mitmischen - und versuchen mehr herunter zu schlucken, als sie überhaupt kauen dürften. Doch das ist natürlich die grundsympathische Chuzpe dieses 'HERKULES': seine Ambitionen sind eben so phantastisch, dass sie durchweg den Rahmen sprengen und dennoch jede Idee, mag sie noch so unfassbar sein, umsetzen. Alleine schon das Mammut-Muskel-Paket von Lou Ferrigno im Zentrum der Aufmerksamkeit zu haben, macht manche Manöver schon aufregend, doch dann kann man erstmal staunen, wenn er zahllose Sachen ohne Weiteres ins Weltall schleudern, Sternenbilder erschaffen und Fluten heraufbeschwören, zudem mit der Hilfe Circes zu gigantischer Größe anwachsen und Kontinente zerteilen kann.


Cozzi kennt da als Regisseur UND Drehbuchautor keine Grenzen seiner Fantasie und erfüllt ganz offensichtlich sein hungriges Kinderherz, selbst wenn er dafür halbwegs detaillierte Miniaturen, irre Crossfades, massig funkelnde Lichter, urig-klobige Props und am-Rande-des-Negativ-Zerreißens-überlagerte Rückprojektionen braucht - für 1983 sieht das alles ziemlich mickrig aus, wenn man nebenan ILM-Zeugs laufen hat, aber auf seinem Level kommt er überraschend gut damit zurecht, allerdings ebenso mit der starken Hilfe des Pino-Donaggio-Scores, der jede visuelle Schwäche glaubwürdig als filmische Ehrlichkeit ausweisen kann. Vielleicht liegt es ebenso an den knappen Kleidern der Damen-Belegschaft, siehe Dannings ständige Semi-Nipslips bei ihrem beinahe platzenden Dekolletee und die kleinen Muscheln auf Cassiopeas Busen - lenkt halt auch gut ab. Doch nichts geht bei solchen Geschichten über einen nachvollziehbaren Hauptprotagonisten und obwohl Ferrigno mimisch nicht gerade überfordert wird, ist seine Präsenz unaufhaltsam prägnant und in den entscheidenden Momenten kindlich charmant - man siehe die Sorge um seine Mutter, das neckische Herantasten zum Herzen Cassiopeas und das nur kurz überlegte Eingehen auf Circes Anfragen auf Hilfe.



Ganz klar: wenn es um die Ehre und Liebe der Frauen geht, ist Herkules voll bei der Sache und führt ohnehin zu reißerisch zornigen, kathartischen Kämpfen mit den Vertretern des Bösen - ein kosmischer Battle, der in diesem Film seit jeher auf die ultimative Entscheidung wartet. Das sollte man ebenso nicht außer Acht lassen: Cozzi zieht dabei ein paar wahnwitzig-psychedelische Szenarien und abwegige Bilder aus dem Hut - seien es interstellar-teleportierende Menschen (nicht Götter in diesem Fall!), Eier mit 3 unterschiedlich-temperierten Barrieren, welche Talismane in sich aufbewahren oder die Hölle, welche über einen Regenbogen überquert werden muss. Cozzis Interpretation der Sage beherbergt einen durchgehenden Wahnsinn jenseits narrativer Sinnigkeit, würde unter eventuellen Umständen mit heutiger Tricktechnik aber eigentlich durchaus für Aussehen sorgen - ist aber so oder so nicht ganz normal, auf erfrischende Weise. Kein Wunder, dass König Minos als erklärter "Wissenschaftler" seiner Zeit der große Antagonist des Films wird, welcher versucht in der universellen Ära des Chaos - aus dem die Welt und eben solche verrückten Schönheiten darin ja erst entstehen - die tyrannische Führung zu erlangen: Cozzi und sein grenzenloser Herkules aus buntem Zelluloid stellen sich ihm mit dringlicher Eigensinnigkeit entgegen und schöpfen sich selbst mit den geringsten Mitteln für den idealistischen Sieg vollkommen aus. Ein echt lustvolles Geschöpf aus den Weiten des naiven Jungskinos, nicht allzu oft geschickt oder wirklich dynamisch, aber eben doch eine herzliche Angelegenheit auf den Spuren des Blockbusters.

Sonntag, 24. August 2014

Tipps vom 11.08. - 24.08.2014

Ok, ich bin zurück aus dem Urlaub und ihr kennt mich ja: fast kein Tag vergeht, ohne mindestens einen Film gesehen zu haben. Deshalb habe ich in jener Zeit auch einige schöne Exemplare der cineastischen Vielfalt zu Gesicht bekommen, weiß aber nicht, ob ich für jeden die richtig großen Texte heranholen kann - man braucht eben immer eine Weile, um wieder in die Materie hineinzukommen, erst recht nachdem das neue Buch von Martin Hentschel über die Filme der Ruhrpott-Erotik-Reihe 'LASS JUCKEN KUMPEL!' mit einigen intensiven Texten von mir zu krassen Rip-Offs der Serie herausgekommen ist (welches man übrigens hier bestellen kann) und ich mich gleich darauf etwas weniger euphorisch um die Abhandlung zum dritten EXPENDABLES-Abenteuer kümmern musste, welche man auf CEREALITY.NET nachlesen kann. Nichtsdestotrotz möchte ich Euch, meine lieben Leser, nicht enttäuschen und hoffe, dass ich einige schöne Empfehlungen in Euer sehfreudiges Herz zielen kann.




MAGIC, MAGIC - Ich will nicht einmal anfangen, irgendwas an diesem Film zu rationalisieren - zu Beginn seiner Laufzeit hätte ich das unter Umständen noch probiert (erste Eindrücke: ausbaufähige, digitale Kamera; gewisse Genre-Tropes; Kompressionsfehler der Blu-Ray, etc.), aber zum Schluss hin hat mich sein Sog doch so verwegen hypnotisiert, wie es nicht mal der Amateur-Hypnotiseur Agustin bei Juno Temples Alicia versucht hatte. Ein kleiner Rekonstruktions-Versuch kann ja nicht schaden, auch wenn er im Vergleich zur filmischen Erfahrung doch simpler klingen könnte, als es in Wirklichkeit ist: oben genannte Alicia macht mit ihrer Cousine Sara (Emily Browning, wie immer eine gute Wahl) einen Ausflug nach Chile zu einigen ihr unbekannten Hipster-Freunden Saras (u.a.: Michael Cera am Hyper-Abräuden) - zusammen plant man die Tour zu einer Insel, auf dem Weg dorthin verlässt Sara aber kurzfristig die Truppe, um 'eine Klausur zu schreiben'.


Mit den Fremden allein gelassen, ist die schüchterne und innerlich offenbar sehr nervöse Alicia auf verlorenem Posten - in ihr türmen sich allmählich Stück für Stück Kleinigkeiten und Eindrücke auf, die in eine schwere Psychose münden, in der alle mit ihren kleinen unscheinbaren Sticheleien gegen sie zu sein scheinen. Geschickt vermittelt Regisseur Sebastián Silva eben jene winzigen Puzzleteile der aufgebauten Angst mit prägnanter Beiläufigkeit, so merkwürdig das auch klingen mag - die schleichende Suggestion dazu kommt dadurch eben zustande, dass er die Atmosphäre fast hauptsächlich aus Alicias sperriger, doch nachvollziehbar-furchtsamer Perspektive einfängt, die Natur des Ganzen teilweise in mystischer Zeitlupe auflöst, jedoch nicht darin schwelgt, sondern immer wieder eine unruhige Umkehrung darauf folgen lässt.


Diese Unsicherheit überträgt sich natürlich auf den Zuschauer, da der Film kein klares Ziel, stattdessen intensiv eine abstrakte Form von (auch sexueller) Bedrohung entwirft, allein auch anhand der abwegigen Darstellerleistungen. Man kann schlicht nicht voraussehen, was geschehen wird, der Handlungsraum nutzt auf jeden Fall die Gelegenheit, immer tiefer im siffigen, psychotischen Wahn zu versinken, ohne dass man wirklich irgendjemandem die genaue Schuld dafür zuweisen kann (na gut, Ceras Charakter trägt wahrscheinlich am Ehesten dazu bei) - es scheint, ob nun beweiskräftig oder nicht, eine Verschwörung gegen diesen einen Menschen stattzufinden, auch in sich selbst und da will das ungreifbare, aber aus Hilflosigkeit eingesetzte Übernatürliche keine Lösung zu Tage fördern = ewige Verlorenheit in der Nacht.


Mehr an 'MAGIC, MAGIC' erklären kann und will ich im Augenblick nicht, dafür weiß er ordentlich auf seine eigene Art zu verstören, eben immer Stück für Stück den Teppich unter den Füßen weg zu ziehen und dabei trotzdem noch in seinen nervösen Ekstasen aufregende Unterhaltung und langsam ins Rückenmark ziehenden Nervenkitzel der filmischen Zerstreuung anzubieten. Was man dabei in Reihenfolge sieht, mag an sich nicht so ungewöhnlich oder wirklich unerklärbar sein (Juno Temple nackt zu sehen, ist z.B. echt nichts Neues), doch bei so einer inszenatorischen Dringlichkeit und subversiven Verzerrung der gezeigten Eindrücke mit minimalsten Mitteln erlebt man dann doch wieder etwas äußerst Besonderes - was natürlich auch auf den individuellen Zuschauer ankommt, klar, aber ich bin drauf angesprungen, auf diese Hypnose. Den Silva muss ich auf jeden Fall wohl erstmal eine Weile im Auge behalten.




SUCKER PUNCH - Wird von Mal zu Mal besser - Snyders 'HEAVY METAL', so schön frei vom konventionell-logischen Kino, großspurig, intensiv und dennoch herzlich von Kopf bis (tanzenden) Fuß. Die REIZvollste und krasseste Visualisierung von Freiheitssucht, die Hollywood in den letzten Jahren erlaubte - "Extreme Cinema" in jeder Hinsicht, ekstatisch im Digitalen und Musikalischen, aber über allem steht die empathische und gerne auch schroffe Unschuld des weiblichen Geschlechts. Ein knalliges und fetischisiertes Musical - handwerklich, audiovisuell und schauspielerisch erhaben und so herrlich overpowered, sogar trotzdem noch immer pointiert. Und allein, wie Oscar Isaacs und Abbie Cornish hier abgehen - ganz zu schweigen von der Präsenz Emily Brownings, welche sie ja im Blockbuster-Rahmen schon ewig nicht mehr hervorbringen durfte (anders in MAGIC, MAGIC - siehe oben). Das alles und noch viel mehr liefert diese ausgezeichnete Wichsvorlage - wenn man Bock auf ekstatisches Kino hat. Bitte mehr davon wieder mal, ist schon eine Weile her.




DIE BMX-BANDE - Brian Trenchard-Smith hat es einfach drauf! Als kommerziell fokussierter Kinderfilm gedacht, verleiht er dem Abenteuer der titelgebenden Haudegen um BMX-Radler P.J., Goose und Judy (Nicole Kidman) - welche sich in den Sommerferien ein paar Kröten dazuverdienen wollen, um sich ihren langersehnten Traum einer eigenen Rennstrecke zu erfüllen - die von ihm gewohnte affenstarke Stunt- und Spektakel-Energie. Ganz fix ist das bunte, radlerische Treiben in der sonnigen australischen Strandstadt Manly (!) etabliert, in welchem einige ganz rabiate, aber chaotische Gangster einen Geldtransporter ausrauben wollen, ihre High-End-Walkie-Talkies jedoch an unsere pfiffigen Protagonisten verlieren. Ab da entwickelt sich der Film zu einer atemlos erfrischenden Non-Stop-Hatz fürs kindliche Gemüt - angefangen auf einem gruseligen Friedhof, wo die zwei größten, mit phantastischer Blödelsynchro (Tommi Piper und Oliver Grimm) ausgestatteten Räuber-Trottel Moustache und Whitey in Faschingsmasken dem BMX-Trio auflauern wollen, während dieses sich nicht nur äußerst authentisch schaurige Geschichten verschiedener Horrorfilme zuspricht, sondern auch gewisse Flirtversuche mit dem Mädel der Truppe unternommen werden, das zumindest behauptet, beide Jungs irgendwie zu mögen.


Später jedenfalls, als sie allesamt mit frischen Bikes, personalisierten Helmen und offiziellen BMX-BANDITS-T-Shirts (brauch ich auch) durch das flotte, Perspektiven-auslotende Schnittgewitter Trenchard-Smiths düsen, bringen ihre flexiblen Radelfähigkeiten äußerst euphorische Blicke und Zooms untereinander hervor - der jugendlich-groovige 80's Soundtrack pumpt da entsprechend mit ins glückselige Adrenalin. Nach einem missglückten Aushorchungsversuch der Fieslinge verlagert sich die Jagd hinter den Walkie-Talkies sodann in die Innenstadt, durch vollgepackte Supermärkte und Freizeitparks, in denen man mit dem Rad durch die Wasserrutsche schliddert - volles Rohr, da schreien die zuschauenden Massen ohne Unterlass: "BMX"! Schließlich mischt sich doch die Polizei noch mal ein und erklärt den Kids, dass man sich eine Menge Ärger hätte einhandeln können, aber wie es sich für einen unbedarften Superfilm von dieser Sorte gehört, nehmen die Leute von der Sitte die Sache nicht so ernst, schließlich sind unsere Helden (vollkommen unabhängig von den nicht präsenten Eltern offenbar) nun drauf und dran, die Bösen dingfest zu machen, versammeln dazu eine ganze Schar an Fahrrad-Bengels und -Mädels um sich, welche mit krassem Hurrah!-Elan eine Mehlschlacht gegen die Gangster entfesseln, welche schlussendlich im slapstickartigen Mega-Schaum endet.



Eine ganz simple Angelegenheit eigentlich, wie natürlich auch der Schlusspunkt mit dem Erhalt der fetzigen Rennbahn, unterlegt mit dem Titelsong der PAPERS. Aber so bleibt einem auch die pure Essenz genüsslichen Kinos, die sich hier einfach nur allzu gerne ins energetisch-eskapistische Getümmel hineinstürzt und konsequent die Power pusht - erst recht von audiovisueller Seite aus, die zudem stets der immer leicht abwegigen Urigkeit der australischen Filmsprache verpflichtet ist und besonders im extremen 80er-Jahre-Look bizarre Befremdlichkeit anbietet. Und dennoch steht über allem die jugendliche Naivität an vorderster Stelle, nicht gerade bösartig-anarchisch, aber schlagfertig, sympathisch und in unentwegt-knackiger Dynamik - so lebenslustig und akrobatisch wie in einem Hongkong-Stunt-Reißer jener Zeit, hier mindestens genauso ambitioniert im Umgang mit den versierten Gimmicks eingefangen. Da kommen insgesamt nicht nur viele rasante Manöver, sondern auch hochgradig-spaßige Laune zusammen - eben eine erneut grandios zusammengewickelte Ladung cineastische Zuckerwatte vom Altmeister des Outback-Entertainments, Brian Trenchard-Smith. Hier sollte man als interessierter Zuschauer unbedingt in die Pedale treten!




DROP ZONE - John Badham führt uns an die aufregende Welt des Skydivings anhand eines High-Concept-Actionthrillers klassischer 90er-Jahre-Schule mit Wesley Snipes als dringlichen Gesetzeshüter heran - was an sich schon urtümlich gut klingt, aber in der Umsetzung der Idee erst den besten Elan findet. Mit dem ekstatischen Antagonisten Gary Busey auf der Gegenseite muss sich Snipes nämlich überwinden, die riskanten Luft-Manöver des freien Falls zu verinnerlichen, um den Tod seines Bruders aufzuklären und auch dessen Namen reinzuwaschen, nachdem sie bei der Überführung eines Zeugen von einer angeblichen Terrorzelle im Flugzeug überwältigt und im Nachhinein dafür verantwortlich gemacht wurden, dass sie mit ihren Handlungen eine folgenschwere Explosion an Bord verursachten. Nun kommt er dafür unter die Fittiche von HARD-TARGET-Dame Yancy Butler, die im Vergleich zum John-Woo-Vehikel einerseits mehr reizende-Frau und andererseits auch weit taffer sein darf - gute Schlagabtausche mit dem zunächst etwas skeptischen Sympathen Snipes kommen da pointiert zustande, selbst ein Schlag ins Gesicht ist da in petto, je schneller sie sich gegenseitig gewitzt ins Risiko schmeißen.



So oder so entwickelt sich eine ehrenvolle und energiefreudige Kameradschaft, die auch davon profitiert, dass Snipes auch öfters hilfreich den rettenden Martial-Arts-Experten für seine Kollegen geben darf - auf jeden Fall ist er gerne dabei, so ausgelassen er im Verlauf des Films dem Glück des gelungenen Fluges hinterherfeiert, er ist eben auch ein wahrer Kumpelmensch. Bei Buseys Truppe sieht das Ganze nicht so rosig aus, klar sind eh alle etwas hämischer drauf, aber der Macker kennt auch kein Erbarmen, potenzielle Risiken in seinem Stab auszuschalten (wodurch auch Butlers Charakter noch ein Huhn mit den Baddies zu rupfen hat) oder diese ohnehin zu Extremen zu triezen - alles für den perfekten Einbruch zur Erbeutung von Drogen und korrumpierenden Daten. Dahingehend findet der Film allmählich seinen Klimax in einem Szenario, das verschiedene Stationen der STIRB-LANGSAM-Formel komprimiert und zu bombastisch-rockiger Hans-Zimmer-Musik (der in den euphorischen Flugszenen schon den Pathos seines MAN-OF-STEEL-Soundtracks vorgreift) Genre-gemäß pointiert, das Hauptaugenmerk aber vor allem auf die luftige Akrobatik des engagierten Stunt-Teams legt.


Da steckt reichlich Ehrfurcht und Respekt für das aerodynamische Kunstwerk, wird unter Umständen von den effekt-technisch, für die Entstehungszeit erwartbar sub-realen Zwischenschnitten auf die bodenständigen Hauptdarsteller vorm Greenscreen etwas abgelenkt - was aber insgesamt zum Film ziemlich homogen abläuft, da dieser stets eine etwas unwirklich-künstliche Beleuchtung inne hat. Abgesehen davon ist der Unterhaltungs-Faktor des souveränen Genre-Reißers nicht von der Hand zu weisen und auf narrativer Ebene zudem auf die Erfüllung von Gerechtigkeitsgefühlen und der Erbauung von eskapistischen Endorphinen ausgerichtet, mit durchgehend-kurzweiligem Spielspaß und Action-süchtiger Rasanz in der Vermittlung der sportlerischen Talente und Ekstasen ausgestattet.




I'M ALMOST NOT CRAZY: JOHN CASSAVETES - THE MAN AND HIS WORK - Auf der frisch bei CRITERION erschienenen und empfehlenswerten Region-A-Blu-Ray-Edition zum Film 'LOVE STREAMS' befindet sich diese knapp 1-stündige Dokumentation, welche anhand der Dreharbeiten zum besagten Film einen kleinen Einblick in die Schaffensart des Regisseurs John Cassavetes gewährt. Dabei wird er gerne seinem Credo gerecht, insbesondere auf den Aspekt des Lebens Liebe eingestellt zu sein, nicht unbedingt auf das formelhafte Handwerk des bloßen Filmemachens, das kann man ja schon von seinem Werk an sich erahnen. Nein, stattdessen porträtiert der Beobachter des Ganzen, Michael Ventura, hauptsächlich kreationale Charakterentwicklung im stets fließenden Einklang der brütenden und intensiven Macher in Sachen Cast & Crew - eine Transzendenz findet statt und das erklärt auf gar nicht mal so spektakuläre Weise (was auch gar nicht nötig wäre), warum seine Filme eine derartig ehrliche Kraft in sich haben.

In diesem Fall konnte Cassavetes schon von Glück und besonderer Unterstützung reden - dank der Zuspruchskraft des jüngst verstorbenen Kinomagiegläubigers Menahem Golan -, sich filmisch so ausdrücken zu können. Doch eine runde Sache wurde das erst durch den exemplarischen Katalysator der lebensliebenden Philosophie in Zelluloid, Gena Rowlands, weshalb der Film sich gleichsam-anteilig ihrem Approach und ihrer kreativen Leistungen widmet - immerhin steht sie ja als einvernehmende Präsenz der Cassavetes-Streifen meist schon allein für 'HIS WORK' oder besser gesagt 'THEIR WORK'. Da wird dann auch klar, wieviel Wert man als Regisseur aus seiner cineastischen Arbeit herausholen kann, wenn die menschliche Führung zum aufregenden Fokus gerät und da versteht man nochmals, warum Cassavetes in seinem Schaffen so eine rohe ungefilterte Filmsprache einsetzt, dafür ein großes Fass der wahrhaftigen Emotionen öffnen kann.

Erwarteter Weise lässt sich das eigenwillige Verrückte in dieser durchgehend auch hinter der Kamera praktizierten Methode nicht von der Hand weisen, dem Humor des Ganzen ist man sich dennoch bewusst, man lässt es eben sowieso geschehen, weil das Leben nun mal wilden Impulsen folgen, ausrasten will - es bleibt dabei nun mal trotzdem grundmenschlich und das in Filmform zu bannen, ist noch immer harte Arbeit, die es dann auch in kommerzieller Unterwerfung schwer hat, sich durchzusetzen, wovon Cassavetes ja ein Lied singen kann. Aber lieber aus dem letzten Loch pfeifen, um menschliche Erfahrungen und Liebe aufzusaugen und herauszusprühen, vor oder hinter der Leinwand, als gar nicht. Schon inspirierend - und auch schön temperamentvoll, wenn in privater Besprechung ein 'Fuck off with the camera!' entgegnet wird. Ehrlichkeit in der Kunst ist nun mal eine Tugend.




TAUSENDSCHÖNCHEN - Ausgelassener, formbrechender Dada-Slapstick und frivoler Vandalismus als genüsslich mädchenhafte Anarchie - als 60's-Pop-Art-Manifestation des rebellischen Zeitgeistes anhand eines neckischen Mädel-Duos in der damaligen Tschechoslowakei äußerst konsequent, fröhlich und visuell durchgehend kunterbunt. Mehr muss man dazu nicht sagen, denk ich mal.




CONEHEADS - Eines von Dan Aykroyds genüsslich merkwürdigen Passions-Projekten der 90er Jahre neben VALKENVANIA, basierend auf einem beliebten SNL-Sketch und randvoll mit jenen von dort stämmigen Cast-Mitgliedern besetzt - hat vielleicht nicht mehr die ganz großen Lacher auf seiner Seite, macht als absurde All-American-Familiengeschichte (inkl. Kontrast der Aliens und ihrer in der Menschenwelt aufgewachsenen Tochter) mit dem satirischen Hintergrund der US-Einwanderungspolitik eine noch immer gefällige Figur, welche von der souverän-pointierten und auch effekt-technisch geschulten Arbeiterhand des Regisseurs Steve Barron ('TURTLES', 'LIEBE AUF DEN ERSTEN BIT') ordentlich-quirlige Kurzweiligkeit verliehen bekommt, welche den Zuschauer anhand eines noch immer nachvollziehbaren Sozialfaktors gejagter und liebenswürdiger Minderheiten am Ball hält, auch wenn die wahre Herzensgüte des Kerns aufgrund der kompakten 90-Minuten-Laufzeit natürlich etwas kurz treten muss. In der deutschen Fassung gibt es dabei aber einen irre tollen Thomas Danneberg oben drauf, der die bizarre Einzigartigkeit des Konzeptes nochmals unterstreicht. Auf jeden Fall eine nette Wiederentdeckung wert.




2-HEADED SHARK ATTACK - Ich weiß, es ist inzwischen tristester Mainstream, die lieblosen Auswüchse des sogenannten Hai-Trashs zu unterstützen, doch im Falle dieses Films von Christopher Ray werde ich mal eine Ausnahme machen, da er ja verhältnismäßig wenig ironisch-gewollten Mickrigkeits-Humor einsetzt und allein durch seine schon so aufkeimende Unbeholfenheit glänzend unterhält. Hinzu kommt dabei aber immer noch der exploitative Genuss von schnieken Babes mit/ohne Bikini (= Carmen Electra) in selbstzweckhafter Fassung und der einigermaßen bemühte Versuch, eine Charakterentwicklung des Sich-der-Angst-Stellens anhand der Hauptdarstellerin Brooke Hogan zu skizzieren, was zumindest echte filmische Ambition erahnen lässt. Dass diese neben den abgesoffenen CGI-Effekten mit einem als rasant-gedachten, aber höchst plan- und orientierungslosen Schnittkonzept ausgestattet ist, gibt dem doppelköpfigen Hai-Schlemmer-Prozedere auf einer verlassenen, allmählich durch Seebeben untergehenden Insel aber erst den unterhaltsamen, faszinierend-perplexen Pfiff. Über allem steht aber die muskelbepackte Karikatur von Fratboy Cole, der ständig alle Chicks anmacht, nach Proteinen lechzt, selbstgefällige Fratzen schneidet und aus der ganzen Situation einen Witz macht, bis hin zum eigennützigen Verrat an seinen austauschbaren Teenie-Freunden. Natürlich ist er mein Favorit, allein auch daher, wie grenzgenial er von Geoff Ward aufgespielt wird. Abgesehen davon bleiben die Augen natürlich effektiv auf die großen Brüste, die blöden Biester-Effekte und das dringlich-tropische Blutgematsche fixiert - eben ein purer Spaß für den geneigten Tele5-Zuschauer, selbst wenn der Sender jetzt immer mehr in ekelerregenden Schubladen denkt (nach dem grundfalschen SchleFaZ-Konzept kommt jetzt auch die Kategorie AndersARTig für 'qualitativ hochwertigere Arthousefilme' = KOTZ!).




SPECIAL ID - Nicht wirklich der ruppig-straighte Intensiv-Martial-Arts-Thriller, den die ersten Trailer vermittelten, stattdessen eine geradezu kinderfreundliche, poppige (aber musikalisch ironischer Weise völlig billig-aufgesetzte) Variante eines geläufigen Undercover-Cop-Streifens, mit einem Donnie Yen, der ein flippiges, schon komödiantisches Image herausholt, wie er es seit den frühen 90ern nicht mehr benutzt hatte. Als vermeintlicher 'Hooligan' (Triaden werden der politischen Zensur wegen nie erwähnt) ist er aber zumindest ein netter Kerl, dessen höchstes Ziel neben der Wiedereinkehr in den normalen Polizeidienst der Schutz seiner eigenen Mutti ist, der er auch fröhlich lachend Bilder von der bildhübschen Skyline bei seinem Auftrag in Festland-China schickt. Dort muss er nämlich hin, um den Mord an einem anderen Gangster aufzuklären, hinter dem sein ehemaliger Schläger-Kollege Sunny steckt. Währenddessen streitet er sich aber auch mit seiner neuen Kollegin Amy rum, die weit effizienter und linientreuer als er arbeitet, ebenso ordentlich Arschtritte austeilen kann, aber auch von ihm einiges an Flexibilität und Tötungshärte lernen kann.


Eine Dynamik, die wie der gesamte Film an sich einen gewissen BEVERLY-HILLS-COP-Vibe ausstrahlt - allein der Wechsel von Hongkong in die Festland-Metropole Shenzhen (soweit ich mitgekriegt habe unter anderem Namen, um ja die Integrität der Stadt zu wahren, nehme ich mal an) kommt wie der Übergang von Detroit nach L.A. rüber, nur eben noch sauberer. Der großzügig von der Regierung gesponserte Streifen legt eben doch besonderen Wert darauf, dass ein gutes Bild vom kontemporären Wirtschaftszentrum China vermittelt wird: die City ist hochmodern und attraktiv, die gewissenhafte Polizei benutzt die neueste Supertechnik, die Autos für die Verfolgungsjagden haben benutzerfreundliche Sicherheitssysteme und alles, was mit der Unterwelt zu tun hat, fällt ausgesprochen verharmlost aus. Da der Film eh offensichtlich an ein jüngeres Publikum gerichtet ist, muss man solche Kompromisse wohl oder übel in Kauf nehmen, auch was die kalkulierbare Plattheit der Charakterzeichnung und den Mangel an fühlbarer Tension betrifft.


Abgesehen davon sind die verschiedenen Kampfszenen von Yen selbst ordentlich choreographiert und gekonnt bunt in Szene gesetzt, mit dem Vorteil, dass man sich in diesem Rahmen auch mal den ein oder anderen visuellen Witz erlauben kann à la Jackie Chan. Letztendlich arbeitet 'SPECIAL ID' passabel auf solche souverän-unterhaltsamen Qualitäten hin, geht aber zu sehr auf Nummer Sicher in der Anbiederung an 'ordentliches Entertainment' fürs Festland, obwohl die Liebe zur filmisch festgehaltenen Kampfkunst noch immer engagiert zur Geltung kommt, auch wenn die digitale Kameratechnik dafür alles einfach zu glatt ins Licht rückt. Eben voll und ganz ein glattes Donnie-Yen-Vehikel, demnach auch weit ab von der Rohheit eines KILLZONE SPL, um mal ein in jeder Hinsicht interessanteres Beispiel seiner Karriere zu nennen - trotzdem mal nett, den Mann wieder mal so quirlig (und braungebrannt!), wenn auch nicht ganz so frech, wie man's gerne hätte, zu erleben. Hauptsache, er geht nicht irgendwann so hart auf solch ernüchternd-patriotische Pfade wie es Chan und Chow Yun-Fat jüngst nicht lassen konnten.

Sonntag, 10. August 2014

Tipps vom 04.08. - 10.08.2014

Ich entschuldige mich schon mal im Voraus dafür, dass ich diese Woche einen etwas schwächeren Output an Schreibkraft hinlege. Es ist ja nun nicht so, dass ich zu wenig Empfehlenswertes gesehen hätte - absolut nicht -, doch mangels Zeit habe ich nicht für jeden Film etwas Intensiv-Detailreiches zu schreiben. Aber ich möchte dennoch kurz versuchen, ein bisschen näher auf verschiedene Tipps einzugehen, bevor ich nächste Woche in den Urlaub gehe.




NACHTSCHATTEN - Dieser Debütfilm von Niklaus Schilling ist im wahrsten Sinne eine frühe Saat, aus deren minimale Mittel eine schöne kleine, atmosphärische Erfahrung entstanden ist. Gedreht auf 16mm im Dörflein Döhle (Landkreis Harburg), fängt 'NACHTSCHATTEN' wie ein ganz beschaulicher Besuch in norddeutscher Heimeligkeit an, getragen von sinnlicher Ruhe und Entdeckungslaune, die den ganzen Film umspannt. Recht methodisch wird dabei der Besucher Jan Eckmann (John Van Dreelen) eingeführt, der ein bestimmtes Landhaus zum eventuellen Kauf besichtigen möchte. Die Besitzerin Elena Berg (Elke Haltaufderheide) gibt sich aber sperrig und zurückhaltend, will keinen Preis nennen, bleibt aber gastfreundlich in der extensiven Schau der provinziellen 70er Jahre Einrichtung - im Spiel bleiben beide ebenso wie die Gesamtgestaltung ganz behutsam mit ihren Bewegungen, passend zum traumartigen Rhythmus des Films.


Jan bleibt dann auch über Nacht, doch ganz wie in einer Gruselgeschichte gotischer Prägung kommen mysteriöse Begebenheiten zum Vorschein: einerseits ist Elena nachts immer unterwegs, wird aber auch bei gemeinsamen morgendlichen Spaziergängen von der Dorfgemeinschaft gemieden, wobei manche Bewohner auch ab und an von draußen in ihr Haus reinschauen. Je unnahbarer sie wird, desto eher fühlt sich Jan ihr aber auch hingezogen - eben dieser unsterbliche Reiz des Geheimnisvollen - und da kommen sowohl sexuelle Obsessionen als auch Frustrationen zum Vorschein, als sie beinahe darauf eingeht und dann doch einen Rückzieher macht. Bei jener Konfrontation beichtet er ihr aber auch einen seltsamen Traum, in dem sie vor seinem Grab trauerte, welches 1968 datiert war, wobei der Film aber bereits 1971 spielt.


Was es damit auf sich hat, möchte ich hier nicht offenbaren, ist an sich zwar etwas merkwürdig (für den geschulten Genre-Freund jedoch nicht gerade ungewöhnlich), wird aber durchweg unaufgeregt aufgezeichnet und auch gar nicht direkt aufgelöst - schafft aber durchaus Gedankenansätze übernatürlicher Seelenverbundenheit, die hierin letztendlich nach friedlicher intimer Romantik des Zusammenlebens sucht, aber vom nahe gelegenen Moor (ein Leitthema des Heimatfilms, hier nochmals finster umspielt) und den Tönen von Edvard Griegs "Ase's Tod" überschattet wird, bis die Hoffnung schließlich verwelkt und Jan sowie der Zuschauer mit trüben Zweifeln übrig gelassen werden. Doch innerhalb dieser weiten Landschaften ringsherum gibt es dennoch reichlich geographische Schönheiten, Merkwürdigkeiten und urige Gesellen zu entdecken, die in der gemäßigten Sedierung der skizzenhaften Handlungsentwicklung einen angenehmen Sog entwickeln - auch weil sich das Mysterium an sich nicht so aufdrängen möchte, wir aber allmählich jede einzelne Schicht davor gerne abziehen wollen, die bodenständige Aufarbeitung des minimalistischen Films sei Dank.




HERCULES - "[...] (Brett Ratners) Herkules repräsentiert eine Ikonografie des ehrenvollen, einnehmenden und doch zugänglichen Strong Man – ein kraftvoller Freund der Menschen, wie er seit Jahrhunderten Groß und Klein begeistert und inspiriert, hierin sogar noch näher an die Menschen herangeführt wird, aber auch aus der Kraft der Humanität seine volle Stärke schöpft. Und selbst wenn der Rahmen in diesem Film dafür ein gewöhnliches Prozedere in der Handlungs-Etablierung durchläuft und jeder stilistische Einfall so ähnlich schon in anderen Werken gesehen wurde, bleibt trotz aller Formalitäten ein intensiv-schnörkelloser Genre-Reißer klassischer Handwerkskunst, der im Zentrum einem der grundsympathischsten Action-Darstellern unserer Zeit die beste Bühne für seine schwitzigen, knallhart-eskapistischen Fähigkeiten bietet, gar nicht unähnlich Liam Neeson im diesjährigen „Non-Stop“. Ein wahrhaftig einschlagender Brocken für genüsslich-knackige 98 Minuten Laufzeit!"

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)

Und nun möchte ich ein paar Filme vorstellen, die ich diese Woche verschlungen habe und unter Umständen an anderer Stelle nochmal näher besprechen werde:




WENN DIE MUSIK SPIELT AM WÖRTHERSEE - Die allererste MusicHouse-Produktion für die Leinwand, noch ohne den Billian'schen Input, aber von Ensemble, Setting und Humor her schon ein genüsslicher Prototyp für spätere, aberwitzigere Erzeugnisse. Mit Eddi Arendt im Cast zwar noch etwas in der Spießer-Mentalität der 50er Jahre verwurzelt, doch dafür mit reichlich jungem Gemüse (Margitta Scherr u.a. gegen ein strenges Internats-Mannsweib namens Frau Fingerl) und außerordentlich bekloppt-inszenierten Sketchen versehen (siehe die sinnfreie Verfolgungsjagd mit einem Schäferhund). Letzterer Faktor profitiert erheblich von Hubert Von Meyerincks zornig-ulkiger Performance eines Schreihalses, bei dessen brüllenden Tönen Bilder von den Wänden oder einfach mal Leitern ins Wasser fallen, ganz gerne à la NACKTE KANONE sogar nur pointiert im Hintergrund - doch wenn ihm eine Untertasse auf dem Kopf landet, kriegt er das gar nicht mal mit, urkomisch!


Abgesehen von einem Teddy-Parker-Auftritt ist der Film in Sachen Schlager-Einbindung allerdings meist ziemlich einfallslos und altbacken, mit ständigem Einsatz des Titeltracks und den immer selben Kulissen, sogar nicht mal mit den Original-Interpreten umgesetzt (Ted Herold und so), gegen Ende hin vorallem auf recht biederer Kitsch-Bühne aneinandergereiht. Aber sei's drum, genug Unterhaltungs-Faktor ist trotzdem gegeben und wie es sich für ein Max-Rottmann-Drehbuch gehört (siehe auch '...DENN DIE MUSIK UND DIE LIEBE IN TIROL'), ist die Dramaturgie der innewohnenden, selbstverständlichen Liebschafts-Verwirrungen teilweise herzlich dramaturgisiert, nur eben schlussendlich allzu wankelmütig und unnachvollziehbar-aufgelöst - was bei Drehbüchern von Hans Billian ja nicht anders ist, dank dessen konsequenter Unbeschwertheit jedoch wieder eher entzückt.


Ne, wenn man schon eine unerfüllte Romantik etabliert, sollte man sie auch kathartisch durchziehen, nicht mitten drin in der Wirkung abwürgen - dann lieber Anarchie mit vollem Schwung, aber die kam sowieso in anderen späteren Werken bei allen Faktoren nochmal besser zum Vorschein. Für den Anfang ist das aber eine ordentliche sonnige Saat des Genres und auch ab und an gar nicht mal so unsexy. Der richtig flotte Pep bleibt aber noch verhalten zurück.




WENN TÄUBCHEN FEDERN LASSEN - Richtig obskure Teutonen-Psychedelik aus dem Jahre 1969, von einem Mann namens Lothar Brandler, der sich zuvor und danach ausschließlich mit den Alpen beschäftigte, hier jedoch ein Nackedei-Roadtrip-Lustspiel versucht, bei dem die modernen Herren der Schöpfung trotz liberaler Happening-Ideologie schlicht nicht dulden, dass sich ihre zukünftigen Frauen (u.a. Karin Buchholz, Synchronsprecherin von Sigourney Weaver) als Nacktmodelle versuchen wollen, weshalb letztere mit eigenem Segelboot in einen sonnigen Urlaub an die französische Küste flüchten und eine Reihe frivoler Streiche und Missgeschicke entfachen - stets mit einem neckischen Lächeln und durchsichtigen Negligees in petto.


Das läuft inszenatorisch alles so freimütig und abwegig ab, dass man gewisse Ähnlichkeiten zum späteren 'SPRING BREAKERS' nicht verleugnen kann, wenn auch die Ergebnisse der emanzipatorischen Entlastung hier wohl kaum als einschlagend-provokant oder kriminell gewertet werden dürften. Sie strahlen eben eine Mädchen-hafte Fröhlichkeit der unbedarften Entdeckungslust aus, spielen dabei aber gegenüber dem männlichen Geschlecht ebenso mit ihren drallen Reizen - eine Kombination, die der offenbar bewusst unfokussierte/amateurhafte Brandler geschickt-enthemmend und sommerlich-blödelnd in Bild und Ton umzusetzen versteht, auch weil er sich genüsslich an der freizügigen Haut seiner flott-cruisenden Darstellerinnen erfreut.


Wie er dann auch im Verlauf immer wilder die Formen bricht, angebliche Filmemacher (u.a. Jochen Busse) als Mädchenhändler und daraufhin als Freunde der zukünftigen Gatten unseres Frauen-Trios (die ihren Mädels nur mal einen lehrreichen Trick spielen wollten) entlarvt, zermartert ebenso kurzerhand das alte, Narrativ-gewohnte Gehirn des Zuschauers und bröckelt eindrücklich in die ulkige, anarchische Besinnungslosigkeit dahin - eindeutig-sympathisch der eskapistisch-poppigen Atmosphäre verpflichtet, in die er sich gerne haltlos verirrt und manch einen Zuschauer schnell in den Wahnsinn treiben kann. Der Film kommt dabei nicht höchst clever oder besonders kunstvoll rüber, aber er besitzt einen ganz besonderen, unbeholfenen Charme, der sich keinen Kopf um die Regeln des Kinos macht und nur albern sein will. Darf auch mal sein und zieht einem mit seiner luftigen Gedankenlosigkeit teilweise ganz verrückt den Boden unter den Füßen weg.




OPERATION TODESSTACHEL - Aus Mexiko kommt dieser urige Vertreter des Bienenhorror-Subgenres. John Saxon versucht mit Bienen-Wissenschaftler Dr. Sigmund Hummel (!), gespielt von einem schon greisen John Carradine, und der Witwe eines weiteren Bienen-Forschers, Sandra Miller (Angel Tompkins), den Angriff einer neuen Rasse von Killerbienen aus Südamerika in den USA einzudämmen, welcher sich so gestaltet, als wäre er gleichzeitig eine parodistisch-überhöhte und technisch-minderbemittelte Variante des Monsterfilm-Konzepts, ähnlich 'ANGRIFF DER KILLERTOMATEN'. Genügend freiwilliger Humor ist an der Oberfläche des Dialogs schon vorhanden, doch die wahren Absurditäten erreichen den Zuschauer anhand des ständigen Einsatzgebietes der Bienen an austauschbaren Stränden sowie dürftigen Bienenschwarm-Effekten, gegenüber denen die engagierten Statisten haltlose Manie vortäuschen.


Und wer hätte z.B. gedacht, dass sich DEATH-WISH-artige Räuber derartig von Bienen verschrecken lassen, dass sie aus Fenstern springen und deren Raubopfer im Nachhinein gar niemanden mehr ihr erfahrenes Unglück mitteilen? Besonders ulkig bleibt aber jene Szene in Erinnerung, in der ein alter Mann ein paar Kinder engagiert, damit sie ihm einige Bienen gegen sein Rheuma an den Beinen einsammeln (die Stiche der Viecher lindern da wohl den Schmerz, unabhängig davon, ob's tatsächlich der Wahrheit entspricht) - natürlich mischen sich da die bösen Bienen unters Volk und bringen ebenfalls den hysterischen Tod. Doch warum machen die das überhaupt?


Nun, wie sich nach einer ausgesprochenen Zerstörungswut ihrerseits durch aneinander montiertes, explosives Stock-Footage herausstellt, fühlen sie sich schlicht ihrem natürlichen Lebensraum durch den Menschen beraubt und haben sich daher so weit verteidigend und intellektuell entwickelt, dass sie mit uns brummend kommunizieren können und aufgrund ihrer Überzahl wie bei einer Folge der SIMPSONS als neue Herrscher anerkannt werden müssen, wie Saxon in der UN-Versammlung zum Schluss fordernd zugibt. Die daraus resultierende Filmerfahrung der in groovigen Disco-Tunes gehüllten Bienen-Dystopie wirkt wirklich so dusselig, wie man sie sich vorstellt und sollte unbedingt auf Videokassette, inkl. stilecht-aufgesetzter Billig-Synchro, erlebt werden. Danach kann man immer noch für sich selbst entscheiden, ob Regisseur Alfredo Zacarías irgendwas davon ernst gemeint hat.




DIE ANGST DER VERLORENEN - Genrefilm-Enthusiast Don Dohler versucht sich hier nach einigen klobigen Alien-Invasionen auf niedrigstem Budget an einem atmosphärischen, übernatürlichen Thriller, in welchem ein satanisch-metaphysischer Parasiten-Dämon die Leiche eines bärtigen Kugelrunden (Don Leifert) wieder zum Leben erweckt und in der mittelamerikanischen Provinz zum mörderischen Würgen zahlreicher Opfer ansetzt, um seine äußerlich ständig verrottende Form am Leben zu erhalten. Dass er sich bei seiner fragwürdigen Existenz als ominöser Musiklehrer Eric Longfellow den Lebensunterhalt verdient und daher in einer ebenso bescheidenen, wenn auch verdunkelten 80's-Suburbia-Hütte haust, ist nur eine der ungewöhnlichen Zutaten, die diesem Film nicht nur thematisch, sondern auch inszenatorisch einen überwiegenden Gammel-Vibe verleihen - ganz zu schweigen vom farblich-übersuppenden, verschmierten VHS-Look der billigen DVD-Variante.


Unfassbar schleppend zieht sich sodann der herbstliche Amateur-Thriller, bei dem die Farbtemperaturen von Einstellung zu Einstellung unterschiedlich ausfallen, durch sein tristes Szenario der terrorisierten Nachbarschaft, in welcher nur der unzufriedene Arbeiterklasse-Biertrinker und ebenfalls dicker Bartträger Gary (Richard Nelson) Longfellow als Täter verdächtigt, während die Gemahlin Marsha (oder auch Mursha, laut Garys Handschrift - Elaine White) ihre Tage damit verbringt, einer Gruppe von Pfadfindern anhand von Dohlers eigenem Magazin 'FILM MAGIC' das Machen eines Sci-Fi-Filmes beizubringen. Letzteres sieht man nie, wird stattdessen im Dialog nur besprochen, so sehr fokussiert sich Dohler in seiner Unterbudgiertheit auf eine sumpfige, häusliche Drögheit, die geradezu hypnotisch den Lebenssaft des Zuschauers aussaugt, wie auch Longfellow seine Opfer.


Doch das passt auch vollkommen zum bizarren, hässlich-talentfreien Ensemble, das schon an sich natürlich keine Star-Power ausstrahlen kann, aber auch so kaum Sympathie entwickeln mag, sich stattdessen ebenso gedämpft und ineffektiv der versunkenen Alptraum-Logik des Films anpasst und den grottigen, planlos-zusammengeschnittenen Schrecken schlicht über sich ergehen lässt, unbedacht und schneckenhaft-langsam die finstersten Keller erforscht. Das beherbergt tatsächlich eine unkonventionelle, bizarr-sperrige Aura eines beknackten, schnarchigen Horrorfilms, wie er nur alle paar Jahre so ambitioniert-unbeholfen, dreckig und klobig auf Film gebannt werden kann (siehe auch 'MANOS - THE HANDS OF FATE', 'THINGS'). Wahre Spannung muss man leider woanders suchen, aber die beinahe unerklärliche Faszination derartig in sich selbst versinkender Genre-Erfahrungen aus den nebligsten Tiefen des versteckten, schrottigen Videobandes mag man einfach nicht missen.


So denn, hiermit stürze ich mich dann in den Urlaub! Ich hoffe, ich konnte Euch, liebe Leser, wieder ein paar schöne Empfehlungen aussprechen und wünsche weiterhin gute Unterhaltung mit dem Videoprogramm Eurer Wahl. Man sieht sich in zwei Wochen wieder^^