Sonntag, 28. Juni 2015

Tipps vom 22.06. - 28.06.2015



RÜCKFÄLLE - Der konsequente Abstieg eines Mannes im Wohlstand der BRD, aufgrund von Alkoholkrankheit, war sicherlich kein gern angesprochenes Thema - wie so vieles im Nachkriegsdeutschland bewusst verdrängt und/oder verharmlost wurde. Ohnehin scheint es fraglich, ob überhaupt der gegenwärtige Umgang mit Alkohol viel ernsthafter angegangen wird als es zu der Zeit gegeben war. Peter Beauvais' Film wirkt da von der thematischen Relevanz her nur bedingt in der Vergangenheit verordnet - wenn auch die Methoden der Therapie nicht unbedingt mehr heutigen Standards entsprechen dürften, ist das Verständnis Außenstehender für die Problematik des krankhaften Alkoholikers auch weiterhin nicht die Regel. Bei solch einer Einleitung könnte man jetzt vermuten, dass sich „Rückfälle“ unter Umständen als mahnendes Plädoyer verstehen müsste; vielleicht sogar als reißerisches Aufklärungs-Melodram, an dem spekulative Extreme unvermeidbar sind. Glücklicherweise ist dem nicht so. Die Inszenierung von Beauvais zeichnet mit behutsamer Beobachtung und gänzlich ohne stilisierendes Beiwerk ein geradliniges Alltagsbild, an dessen natürlichen Begebenheiten das eine zum anderen führt und sich bei Hauptcharakter Manfred (Günter Lamprecht) allmählich zum Rückfall in die Alkoholsucht manifestiert.


Anfangs legt er es noch darauf an, diese in der Vergangenheit zu belassen, doch die Vorsicht ist sein ständiger Begleiter wie auch der Reintegration in eine soziale Festigkeit mit Zerbrechlichkeit begegnet wird. Und während er seine bescheidene Fassung aufrecht zu erhalten versucht, pflegt jeder vor ihm (gar nicht mal böse gemeint) den normalen freimütigen Umgang mit Alkohol; redet seine Probleme im Vergleich mit der eigenen Erfahrung zum Spiritus klein und versucht Verständnis, ohne es eben wirklich versuchen zu können. Stützende Lebenspfeiler wie Job und Ehe sind ihm gegenüber dementsprechend ebenso brüchig. Vor allem Ehefrau Eva (Veronica Bayer) trägt merklich die Ungewissheit der Zukunft mit sich; im Verhältnis mit Manfred kommt es somit unausweichlich zu Konflikten wie er gleichsam in eine seelische Sackgasse gerät. Es ist nun mal schwierig, Mut zu fassen, wenn alles im Argen liegt; wenn man dem gängigsten Ventil zum Frustabbau entsagen muss, um sich selbst retten zu können, obwohl es von überall auf einen einschlägt. Beauvais muss gar nicht mal gesondert darauf hinweisen, wie die Zeichen der alkoholisierten Verlockung auftauchen - die hängen schlicht omnipräsent im Detail herum, gehören zum öffentlichen Bewusstsein wie Verkehrsschilder und sonstige Reglements des Alltags.


Rückfälle“ legt es eben auch nicht darauf an, dass der Alkohol möglichst propagandistisch als Wurzel allen Übels erkannt und eliminiert wird. Abhängigkeit ist nun mal eine menschliche Eigenschaft, weshalb hier nah am Menschen gearbeitet und gezeigt wird, wie sich die unausweichliche Selbstdestruktion anbahnt; wie trotz Ansatz zur Hilfe nicht genug Entschlossenheit geübt wird, um eine Veränderung zu erwirken. Eine Lösung kann der Film in dem Sinne auch nicht anbieten, sondern schlicht zeigen, wie tief es geht und wie wenig man sich auf sich selbst und andere verlassen kann, dass alles irgendwann gut wird. Da kann man „Rückfälle“ unter Umständen Pessimismus ankreiden, nicht aber Voyeurismus. Er stellt nur genauso hilflos dar, wie seine Charaktere hilflos sind; verdeckt weder den Schmerz Manfreds noch jenen, den er seinen Mitmenschen antut. Beachtlich ist, dass die Regie dabei aber auch ohne Drastik oder Aufgeregtheit vorgeht. Günter Lamprecht ist es da zu verdanken, das seine Figur in keinen leichten moralischen Kästen identifizierbar wird; weder Märtyrer noch Testsubjekt darstellt. Sein Charakter sucht schlicht Anschluss und Hilfe, findet nur das Menschenmögliche und verliert allmählich den Halt zu sich selbst. Die Abhängigkeit hält ihn dabei eben gefangen, meldet sich wie ein Reflex zurück und zerstört psychisch wie physisch. Schuld und Willenskraft spielen da gewiss auch Rollen, doch unter den realistischen Bedingungen des Films bleibt der dramaturgisch absehbare Verlust derer glaubhaft und nicht einfach nur narratives Mittel zum Zweck.


Was vielleicht nicht vollständig überzeugt, ist der Gebrauch von Manfreds Filmrissen, bei denen er erst zum wiederholten Male im Nachhinein seine destruktive Seite erkennt und in passend konfrontierenden Momenten einen Schock über sich selbst erfährt, wie es eher dem berechenbaren Drama zuzuordnen ist. Abgesehen davon fesselt die TV-Produktion durchweg mit respektvoller Methodik und einer Empathie, die nicht anbiedern oder konstant im Elend betteln muss, um die brutale Lage der Hauptfigur vermitteln zu können. Dass zum Ende hin nochmal verstärkt gelitten wird, kratzt dann vielleicht doch etwas am größtenteils gemäßigten Ton. Gleichsam entgeht man aber auch einem Kompromiss, durch den der Ernst der Lage sonst nicht offen genug behandelt würde. Es macht den Film gewiss nicht einfacher zu verdauen; bemüht arbeitet er sich dadurch aber noch lange nicht ab. Wenn man will, kann man sich auch einfach im Zeitkolorit verlieren, das Ensemble kennen lernen und den Weg zur menschlichen Entgleisung umso stimmiger nachvollziehen - Genug Gelegenheit wird einem dafür ja geboten. Solange man als Zuschauer von der eigenen Welt und ihren Menschen einigermaßen Bescheid weiß, wird das Verständnis zum Film so oder so gelingen. Eine Überwältigung wird man vielleicht nicht erfahren, doch die strebt er auch gar nicht an, wie er auch weder etwas verspricht noch irgendetwas aufdeckt, was man nicht schon längst von selbst erkennen müsste. Gerade deshalb muss es ihn geben - auch, weil sein Abbild der Vergangenheit noch keineswegs gänzlich der Vergangenheit angehört.




THE NIGHTMARE - Rodney Ascher kehrt nach seinem kontroversen Verschwörungs-Spaß „Room 237“ mit einer Dokumentation über Schlafparalyse zurück, wie sie nur von ihm kommen kann. Acht Opfer der Störung im Traum melden sich dabei zu Wort, während Ascher die Eindrücke und Geschichten mit intensiven Nachbildungen an den Zuschauer heranträgt. Der Horror der Machtlosigkeit gegenüber Schatten, Formen und Geräuschen in jener intimen Sphäre des Bettes, welches im Kopf zur unfreiwilligen Falle wird, ist eben auch nicht nur ein gruseliger Gedanke, sondern auch audiovisuell recht ergiebig. Die Spannung erbaut Ascher somit ganz natürlich aus der stationären Beobachtung, welche in der steten Erwartung des Unbekannten sowie immens real wirkender Traumgebilde nimmer zur Ruhe kommt und sich den Schlafgestörten wie dem Zuschauer bemächtigt.


An dem aufrichtigen Erfahrungsaustausch der Befragten, zu denen Ascher ebenso als Leidtragender beitragen kann, kommt sodann auch zum Vorschein, wie sich spezielle Eigenschaften der mentalen Erscheinungen bei jedermann gleichen und auch in so ziemlich jeder Kultur auftauchen. Sowieso bleibt die Suggestion, das es jeden treffen und sich eben auch wie eine fixe Idee bei solchen einnisten kann, denen man im Detail von dieser Erfahrung berichtet: Eine vierte Dimension, aus der man teilweise glaubt, nimmer erwachen zu können (Todesfälle sind nämlich auch keine Seltenheit). Dieser angsteinflößenden Form des Kopfkinos kommt Ascher gerne unterstützend nach und macht dabei allzu effektiv darauf aufmerksam, wie ein derartiges Erlebnis verstören kann und warum jene davon befallenen Individuen in der Hinsicht ernst genommen und Hilfe erhalten müssen - ohne dabei nochmal gesondert anbiedernd auf die Nötigkeit derer hinweisen zu müssen; der erhaltene Eindruck sollte schon reichen. Denn die Selbsttherapie, wie sie ebenso thematisiert wird, verstärkt den Impuls der Paralyse nur, da dieser sich anpassen kann. Kein Wunder, wenn dies vom eigenen Hirn und dem unweigerlich ständigen Gedanken daran in Gang gesetzt wird.


Nun ist Aschers Film aber weder Plädoyer noch melodramatisches Rührwerk. Stattdessen erklärt er den Horror eben auch mit dem (geschickt genutzten) Regelwerk des Horrorfilms, weil die Befragten ebenso eine Verarbeitung und Verbundenheit im Horrorfilm finden - ob nun bei „A Nightmare on Elm Street“, „Insidious“ oder sogar „Natural Born Killers“. In dem Sinne legt es Ascher vor allem dementsprechend darauf an, den Schrecken in all seiner Unschlüssigkeit und Härte zu veräußerlichen, teilweise mit pointiert surrealen Sequenzen wie auch mit Jumpscares und äußerst expliziten Schockmomenten - eben so, wie es erlebt und nacherzählt wird. Wäre da eine subtilere Aufarbeitung nicht genauso wirkungsvoll? Wahrscheinlich ja. In dieser mitreißenden und ganz bestimmt auch bewusst reißerischen Form zieht die Erfassung des Phänomens auf jeden Fall ihre schauderhaften Register auf und hinterlässt auf jeden Fall reichlich Ermattung.




FLASHDANCE - Gib Adrian Lyne ein Tanzdrama und es wird das erotisch aufgeladenste Genre-Werk seiner Ära. „Flashdance“ ist in dem Sinne schon ein optisch schwüler Genuss, an dem die Ekstase der choreographierten Bewegung ihr Ventil findet. Dafür steigen mehrere Variationen jener Kunst ins Blickfeld und reißen sich mit einer Handvoll knackiger Hits um die Erfüllung der individuellen Herzenssache. Zentral dafür versucht die achtzehnjährige und immens sympathische Alex (Jennifer Beals) einen Start aus der Nachtbar und dem Stahlwerk hinaus; kämpft aber auch mit Selbstzweifeln und bürokratischen Hürden wie auch ihre Freundinnen mit ähnlicher Begabung am Traum zerbrechen. Das Drehbuch von Tom Hedley und Joe Eszterhas zeigt ein dementsprechend sleaziges Milieu als Alternative wie auch das sonstige Ambiente in Pittsburgh dem Zerfall entgegen läuft. Es geht unmissverständlich bitter zu, doch ein Film namens „Flashdance“ strebt natürlich nicht nach überbordender Traurigkeit, wie er auch kein Glück vorheuchelt. 


Liebe lässt sich für Alex in Vorarbeiter Nick (Michael Nouri) finden; ihr Loft in einer verlassenen Fabrik ist geräumiger als meine Wohnung; Mentorin Hanna (Lilia Skala) bekräftigt sie, das Tanzen weiter zu verfolgen und zumindest die Annahme beim Konservatorium zu versuchen; Pitbull „Alter“ hat für jede Situation die goldigsten Reaktionen parat; Kollege Richie (Kyle T. Heffner) dafür richtig lumpige Polenwitze. Die kann eine erstklassige Berliner Synchro noch retten wie ohnehin ein ungezwungener Dialog zwischen allen Parteien zustande kommt. Das erfrischt ganz nach der Methode einiger unbedarft eingestreuter Breakdance-Sequenzen und Spiele mit Polizei-Lotsen; zudem ist Alex nicht verlegen, ihre Hormone auszuleben. Regisseur Lyne nimmt solche Avancen mit kecker Erotik wahr, wobei seine Inszenierung durchweg mit Luftfeuchtigkeit punktet - ob nun anhand von nassen Straßen, schwitzigen Gesichtern und Körpern oder herunterstürzenden Wassereimern: Es geht heiß zur Sache und mit rhythmischer Energie in das Lichtgewitter der achtziger Jahre.


An Strobo-Effekten und Nahaufnahmen in der Hüft-Region wird dabei ganz nach Lyne's Art auch nicht gespart; der Schauwert der Körperbeherrschung ist dennoch stets formvollendet im Fokus, selbst wenn sich die Hoffnung in die Nacht entlässt. Dann laufen die Tränen nämlich den Hals runter und dürfen sofort zarte Hände des Verständnisses spüren. Solche einfachen und ehrlichen Gesten sieht man gerne bei einem gleichsam einfachen und ehrlichen Film, der Charaktere wie Stil liebevoll behandelt, ohne forcierte Bemühung auszustrahlen (abgesehen von der Bemühung, die unsere Protagonisten ansetzen). Manchmal lässt sich eben alles mit bescheidener oder eben stilsicherer Größe sagen, da ist Lyne so eigen wie aufregend und empathisch. Allzu bezeichnend reflektiert sich das im Songtext zu Irene Caras „What a Feeling“: „First when there's nothing, but a slow glowing dream, that your fear seems to hide, deep inside your mind - all alone, I have cried, silent tears full of pride, in a world made of steel, made of stone - well, I hear the music, close my eyes, feel the rhythm, wrap around, take a hold of my heart.




SINDBAD - HERR DER SIEBEN MEERE - Obwohl dieser Film nach einer verzwickten Vorproduktion in die Hände von Regisseur Enzo G. Castellari gelangte, ist die ursprüngliche Handschrift Luigi Cozzis durchweg zu spüren. Schließlich ist sein Herkules-Darsteller Lou Ferrigno prominent als Titelheld vertreten, während der Elan der eskapistischen Grenzenlosigkeit zum beglückenden Abenteuer zwischen Fantasie und Unvermögen einlädt. Der ungenierte Quatsch fängt da schon im Intro an, das Edgar Allan Poe als Ideengeber des folgenden Narrativs ausweist; führt sich sodann in einem milchigen Mädchenzimmer-Set fort, wo eine Mutter ihrem Kind zum Einschlafen vom eineinhalb Stunden langen Abenteuer des „Herrn der sieben Meere“ erzählt. Dieser kämpft fortan mit seinen plakativen wie vergnügten Freunden um das Wohlergehen der ehemals glückseligen Stadt Basra, die unter der magischen Fuchtel Jaffars (John Steiner) zum Trauertal verkommen ist, wobei dieser zudem die Liebe zwischen Sindbads Freund Prinz Ali und der Prinzessin Alina (zwei Namen wie zur Einigung geschaffen) gefährdet. Um der Übermacht Jaffars Einhalt zu gebieten, gilt es nun also vier magische Steine zu finden, die über die Weltmeere verteilt sind und größtenteils von Untoten sowie verzauberten Amazonen bewacht werden. Dabei geht es wohlgemerkt mit ruppigem Gestus zu, weshalb Ferrigno Muskeln wie Mimik drollig spielen lassen kann und vor allem im deutschsynchronisierten Sprüchelager für unschuldigen Machismo-Charme sorgt.


Seiner Kraft sind dabei scheinbar keine Grenzen gesetzt, kann er doch nicht nur Legionen von Zombies vermöbeln und selbstverständlich Lasersteine bedienen, sondern ebenso Schlangen zureden, dass sie ihm als Seilformation aus einer Höhle helfen. Da muss er es sich auch nicht verkneifen, indiskret siegessicher in die Kamera zu schauen und wie ein Wrestler seinem Rivalen Jaffar die Meinung zu geigen. Der verlässt sich als Gegner nun mal hauptsächlich auf seine dusselige Lache, Connections in der Unterwelt sowie schwarze Magie und versucht es daher gar nicht erst, mit Persönlichkeit oder gar einer nötigen Rasur zu punkten, so wie er das Herz von Alina erobern will. Stattdessen gedenkt er eine obskure Apparatur gebrauchen, durch die sie gefügig gemacht wird - doch wie alles an seinem Plan wird auch das schief gehen. Cozzis Konstrukt des Sindbad-Märchens gibt nun mal zu verstehen: Mit künstlicher Liebe zum Sujet bringt man es einfach nicht. Herrlich charakteristisch für einen Film, der mit einem frohlockend anpackenden Ensemble aufwarten kann, das sich durch schmucke Kulissen und marode Schergen durchboxt, selbst wenn oder gerade weil im Hintergrund anachronistische Kräne, Wolkenkratzer, Etiketten auf Sanduhren und Autowagen vorzufinden sind - dem exzellenten Blu-Ray-Bild sei dank.


Schließlich geht es um das Abenteuer an sich und das findet sich gerne in der Naivität klassischer Ray-Harryhausen-Epik wieder, wie auch überhaupt die Klammer der familiären Erzählung den Zauber des fantasiefördernden Geschichtenerzählens verinnerlicht (und gerne mal Charakterisierungen wie Handlungsentwicklungen beiläufig hinweg erklärt). Ganz gleich, mit welchen Mitteln man da auskommen muss: Der Enthusiasmus zur gutmütigen Heldenbildung behält seine Gültigkeit und kann gerade in diesem Rahmen einer italienischen B-Movie-Produktion goldig überzeugen. Und weil alles daran in seiner exaltierten Mickrigkeit reichlich Muskeln aufpumpen kann, gibt es zudem starke Synthie-Rhythmen wie schimmernde Zeichentrick-Effekte dazu, bei denen das Herz eines jeden Junggebliebenen aufgehen dürfte. Ferrigno hat dafür natürlich auch ein keckes Lächeln parat, wobei er sich ebenso entschlossenen Mutes in pappige Showdowns altertümlicher Mystik stürzt. Unter den Bedingungen wird aber auch jeder aufgeregter Zugriff zur Pointe, weshalb der Spaß eigentlich nur selten zum Halten kommt.


Für Cozzi-Verhältnisse könnte der unterhaltsame Wahn aber noch weiter gehen und sollte im ursprünglichen Drehbuch sogar zum Mond führen (landet hier ferner bei der eher mäßigen Liebesgeschichte mit Kyra und ihrem spackigen Heißluftballon-Dad). Unter den Sparmaßnahmen der Produzenten gibt es stattdessen leicht repetitives Faustgemenge, wozu die bunte Mischung von Sindbads Kollegium (u.a. ein Wikinger, ein Chinese und ein Zwerg) noch gewisse abwechslungsreiche Dresch-Varianten beitragen kann. Gleiches gilt für einige schleimige Monster und spekulativ vergrößerte Piranhas, wie sie erst Ende der achtziger Jahre von der italienischen Filmindustrie losgelassen wurden. Man merkt es auch am Gesamtfilm an sich, wie er beinahe schon als letztes Überbleibsel einer Ära steht: Unbeholfene wie ungenierte Genrekost für Liebhaber eskapistischer Sausen im Plumpformat; für ein internationales Publikum mit Schauwerten der dummdreisten Schaffensfreude ausgestattet, auf dass der Ernst krepiert, der ehrliche Spaß jedoch mitten ins Herz trifft. Ging bei Cozzis „Herkules“ aber noch stimmiger auf, da muss Castellari noch einiges (bzw. seit „Zwiebel-Jack räumt auf“ eigentlich gar nichts mehr) lernen.

P.S.: Diese Woche habe ich nochmal Luigi Cozzis „Astaron - Brut des Schreckens“ (1980) gesichtet, welcher in etwa dieselben eskapistischen Qualitäten eines jeden Cozzi-Werkes innehält und diese in ein angenehmes wie plakativ schockierendes Sci-Fi-Horror-Abenteuer zwischen New York und Kolumbien steckt. Längen werden dementsprechend mit Naivität erheitert und sorgen ansonsten im Trivial-Rock mit Wunder-Score von >>The Goblin<< für retroaktive Liebe. Mehr distinktives Schreibgut ist mir dazu jetzt nicht eingefallen, dennoch bleibt eine klare Empfehlung für diesen oft gesehenen Effektspaß der achtziger Jahre, nachdem man sich sagen wird: Das könnte ich auch! In diesem Fall möchte ich Euch zudem die alte Marketing-DVD ans Herz legen (ich bin selber recht schockiert!), welche die deutsche Kinofassung im schicken Transfer bereithält und in jener Fassung ein knackigeres Tempo verfolgt als das Original. Wie schön das Leben doch wäre, gäbe es jenes Master auf Blu-Ray. Dabei kommt der Film ohnehin demnächst als Import-HD, aber ohne die Synchro Harmut Neugebauers scheint es mir nur halb so schön. Aber erstmal genug davon, weiter zum nächsten Film.
 



ALLES STEHT KOPF - Ja, es ist wahr: Bei diesem offenbar allseits beliebten Neuling von Animations-Elite Pixar kann man irgendwie nur auf hohem Niveau meckern. Schließlich schafft der allgemein gehaltene Spaß für Jung und Alt in beachtlich fokussierter Effizienz genau das, was er durchweg mit respektvoller Note ansetzt und ausführt: Eine fantasievolle Visualisierung gedanklicher Prozesse als Abenteuer der Emotionen. Und was da alles für Gefühle reinpassen sowie im Wechselspiel clever abgestimmt und schlagfertig konfrontiert werden. Ohnehin: Was für ein kompaktes Drehbuch, an dem sich diese Umsetzung des ganzen Gedankensystems mit grenzgenialer Leichtigkeit vollzieht; wo die Stationen des Kindseins mit veständnisvoller Unterstützung aufgearbeitet werden. Insgesamt also eine geglückte Filmerfahrung, an dem die ganze Familie teilhaben kann. Doch an einigen Sachen hapert es ja immer irgendwo, selbst wenn die Oberleitung von Disney stets den Dreh raus hat, allgemein gelungen zu unterhalten. Wenn man aber als erwachsener Mensch über das Geschehen nachdenkt, kommt man nicht drum herum, einige mehr oder weniger subjektive Schwächen zu finden.


Jetzt kann man ja sagen: Ist eh ein Film für Kinder, nicht drüber nachdenken. Das Ding ist aber, dass „Alles steht Kopf“ mit seiner Verarbeitung des Ganzen und den Assoziationen, die man als Zuschauer im Umgang damit wiedererkennen soll, eben verstärkt Erwachsene anspricht. Da wird komplexe Psychologie in eine treffsichere Erklärung verpackt, die an Kindern allerdings eher vorbeigehen wird, weshalb denen schließlich nur das bunte Abenteuer bleibt. Und dieses vermittelt womöglich auch nicht die stimmigste Botschaft. Schließlich scheint es ja so, als ob man nach Theorie des Films nur bedingt die Kontrolle über seine Emotionen haben könnte; dass diese schlicht von fünf Wesen im Kopf gesteuert werden und sogar motorische Erinnerungen beeinflussen (und wo nur der erwachsene Zuschauer die metaphorische Funktion darin erkennt). Wobei nicht mal wirklich festlegbar ist, ob diese auf die selbstständigen Handlungen ihres Wirtskörpers reagieren oder dessen Reaktionen selbst auslösen. Da hat man es wieder: Ein Fantasy-Film, an dem man Logik überlegen will. Ich finde das ja an mir selber auch nervig und wünschte, ich könnte das Gezeigte einfach so akzeptieren - doch wenn es ein Film nun mal darauf anlegt, in unsere Köpfe zu steigen (nicht nur in den eines kleinen Mädchens) und das Abstrakte am menschlichen Gehirn derartig zu verallgemeinern, ist Wiederfindung unausweichlich.


Da merkt man auch, wie einfach es sich der Film macht, was am geradlinigen Konzept sicherlich noch die sicherste Variante ist, aber nun mal nicht die Schwelle zur Umkehrung der Erwartungen überschreitet. Hauptsächlich geht es nämlich darum, wie die anfangs entschieden plakativen Emotionswärter auf etwas reagieren, was sie sehen. Und da bleibt allein schon der Humor etwas zu sehr auf einer Pointe stecken, an der jeder nacheinander seinen kalkulierbaren Senf zu einer Situation abgeben darf. Humor ist natürlich subjektiv und wird hier im Rahmen des Handlungskonstrukts sowie seiner Möglichkeiten gut abgeglichen verarbeitet - doch das Arbeiten mit Grenzen ist nicht immer von Vorteil; speziell, wenn es noch darum geht, die Komplexitäten der Vorstellungskraft verständlich zu machen, was sie zwangsläufig einschränkt. Daraus wird dann auch wieder ein drolliger wie aufrichtiger Cartoon, der das Schwierige zum Einfachen transformiert. Doch irgendwann fragt man sich dann schon, ob das die richtige Methode ist; ob man nicht doch etwas daran offen lassen könnte, wie Menschen funktionieren und mit welcher Berechnung Gedanken wie Emotionen und Fantasien (und somit auch der Filmplot) zusammenkommen können.


Auf diesem Wege wäre es theoretisch auch gar nicht mal verkehrt, „Alles steht Kopf“ von Kindern fernzuhalten; allein daher, mit welcher Leichtigkeit er eigentlich jede Persönlichkeitsfindung pauschalisiert. Jedenfalls scheint das sein eingeschlagener Weg zu sein, der sicherlich gar nicht mal böse gemeint ist und trotz allem mit einem Gros an Kreativität ausgestattet ist. Der Film will nur helfen und vermitteln, warum das Leben angenehme wie unangenehme Gefühle braucht, um mit Eindrücken und Veränderungen zu wachsen. Wenn sich doch nur alles so einfach erklären ließe. Ist aber nun mal nicht so. Vielleicht erklärt das meine zwiegespaltene Haltung zu diesem wirklich mehr als souveränen Kunststück menschlicher Erfassung. Vielleicht versucht er auch einfach für meinen Geschmack zu sehr, ein Konzeptfilm zu sein, als wirklich etwas über seine Selbstdefinition der inneren Mechanismen hinaus erzählen zu wollen. Und gerade was er darin erzählt, sollte man nicht so einfach hinnehmen - bei aller Liebe zur wunderschönen Animationskunst. Mit diesen Gedanken im Sinn, möchte ich aber nicht von der Ansicht des Films entmutigen, selbst wenn ich meine Probleme damit hatte. Vielleicht hilft es, das Gesehene mit gleichgesinnter Leichtigkeit zu akzeptieren und einfach nicht genauer zu hinterfragen, was denn seine Absichten sind - wenn es denn geht.

P.S.: Wo wir schon bei überhypten "Meisterwerken" sind, muss ich mich leider auch dahin gehend outen, dass ich „Augen ohne Gesicht“ (Georges Franju, 1960) diese Woche gesichtet hatte und nicht allzu viel Zauber abbekam. Ich spür jetzt schon den Hass auf meine Filmkompetenz, aber wer den gesamten trockenen Leerlauf zwischen den wahrlich reizvollen Höhepunkten noch immer als atmosphärische Poesie bezeichnen will, der sollte sich doch lieber mal in die Wunderwelt Jean Rollins verlieren. Nicht, dass Franjus Film deswegen schlecht wäre oder als französischer Genrefilm nicht wegweisend wäre, doch einerseits verläuft er leider etwas doll saft- und kraftlos und lässt gerade die schönsten Sachen an sich vorläufig aus den Augen - siehe Christianne an sich sowie die Hunde im Keller -, um lediglich schleppendes Krimi-Prozedere aufzuzeichnen. Die Operationsszene hat natürlich noch immer Kraft, doch nach derartigen Ekstasen muss man hier schon betteln, trotz realtiv kurzer Laufzeit. Genug gemeckert, der nächste Film wartet schon:




BRADBURY UND DER FLUCH DER TODESHÖHLE - Ein italienischer Indiana-Jones-Verschnitt, welcher allerdings im gehetzten Unterhaltungspegel an fehlender Kohärenz und maximiertem Honk-Witz kaum zu überbieten ist. Unnachgiebig ausgestattet mit einer plakativen Bösewicht-Fraktion, einem haltlos naiven Weltbild der Geschlechter im Reißwolf des Dschungels sowie kostengünstiger Wahnsinns-Action, geht der Film aufs Ganze, ohne jemals einen Ruhepol zum Einfinden anbieten zu können. Statt dessen türmen sich markige Sprüche, Stimmungsschwankungen zwischen Abenteuer und Macho-Fantasie bis hin zur psychotronischen Hysterie und Selbstverständlichkeit erotischer Anziehungskraft sowie Gummi-Effekte am laufenden Band. Regisseur Gianfranco Parolini gibt seinem Comic-Menschen namens Clifton Bradbury III., auch bekannt als „Inka-Man“ (Luigi Mezzanotte), schlicht die Bühne frei und inszeniert um ihn herum ein haltloses Spektakel des spackigen Wahnsinns - Hauptdarstellerin Kelly London hat es da im Vergleich als Partnerin Linda Logan eher schwer, einen Eindruck jenseits ihrer erregenden Figur zu hinterlassen. In der dringlich bewegten (und trotzdem einigermaßen unschuldigen) Zusammenarbeit beider gilt aber auf jeden Fall: Je länger man mit drin hängt, desto erschöpfter wird man; je weniger man versteht, desto besser. Denn was dann an Lachern zusammenkommt, ist kaum zu beschreiben - erst recht, wenn Alkohol mit im Spiel ist, ja sogar im Spiel sein muss. Das einzige, was man in so einem Fall noch machen kann, ohne den ganzen Reiz toterklären zu müssen, ist erneut der Verweis auf den verdammt schönen Trailer, der hier in aller eskapistischer Schrägheit begeistert:






TURM DER SCHREIENDEN FRAUEN - Wie schnell Bert I. Gordon doch zur Sache kommt: Ehe eine stimmige Charaktereinführung von statten gehen kann, entfesselt „Der Turm der schreienden Frauen“ seine mörderischen Kräfte im reißerischen Schwarzweiß. Zumindest so reißerisch, wie es die ausgesprochene B-Movie-Produktion des Ganzen ermöglicht. Was dementsprechend an horriblen Effekten quälender Geister zusammenkommt, ist schon einigermaßen lachhaft wie beglückend charmant. Und weil jene Effekte befriedigend sowie spärlich eingesetzt werden, liegt der Fokus zur Entzückung aller auf Tom Stewart (Richard Carlson), welcher die Affäre mit der heißblütigen Vi Mason (Juli Reding) anhand unterlassener Hilfeleistung tödlich beendet und fortan von der Schuld sowie ihrem intriganten Geist verfolgt wird. Ganze 75 Minuten dauert sodann die spannende Verfolgung ums flache Strandgebiet, weshalb ein außerordentlicher Kurzweil die psychologische Hysterie Toms begleitet und mit plakativen, beinahe pointierten Dialogen aufwartet. Dabei belässt es der gepeinigte wie schuldige Tom nicht nur bei der spirituellen Vi, wenn es darum geht, der Weiblichkeit mit Schwäche, Lüge und egoistischer Mordlüsternheit entgegen zu kommen. Allen voran die Wahrung einer familiären Einheit mit seiner Verlobten Meg (Lugene Sanders) und ihrer kleinen Schwester Sandy (Susan Gordon) geht er so nervös und verdächtig an, dass selbst die blinde Nachbarin Mrs. Ellis (Lillian Adams) ihm ansieht, wie wenig Kontrolle er vorzeigen kann. Dieser kontinuierliche Zerfall moralischer Festigkeit beim „besten Jazz-Pianisten der Welt“ unterhält durchweg; findet eben auch seinen Spaß am Konzept ohne Ablenkung, das zwischen Pulp, Piano und Paranormalität als mörderischer Reigen filmischer Naivität bockt. Viel schöner als erklärende Worte zum Film dürfte allerdings dessen Trailer wirken, weshalb er hier in aller Schönheit präsentiert werden muss:






A DEADLY ADOPTION - Wirklich gelungene Parodien kommen zusammen, wenn bei der Emulation des ursprünglichen Subjekts auf Glaubwürdigkeit gesetzt wird - selbst wenn man dabei ein vollkommen entbehrliches Spielfilmformat derartig stimmig repliziert, dass alle dessen Schwächen mitgeliefert werden. In diesem Fall erlebt man also auf dem Lifetime-Sender einen waschechten Lifetime-Film, der aber von etablierten Komödianten erdacht und besetzt ist. Selbst wenn man sich hierzulande nicht speziell mit der Marke Lifetime beschäftigt, ist man mit derer Art von Output als erfahrener TV-Zuschauer längst vertraut: Das routiniert heruntergekurbelte Thriller-Prozedere, welches mit geringstem Widerstand auf den anspruchslosen Nervenkitzel abzielt und dabei mit flach eindeutigen Charakterisierungen wie Dialogen zum melodramatischen Klimax ansetzt - audiovisuelle Zweckmäßigkeit und spekulative Psychologisierung inklusive. „A Deadly Adoption“ ist sich dessen allzu sehr bewusst und kann daher vielleicht nicht denselben Charme einer unfreiwilligen Komik vorweisen. Doch anstatt dessen, dass der Film versucht, auf den Humor der schlechten Qualität hinzuweisen oder auf absurde Spitzen zu treiben, spielt er sich gnadenlos straight-faced durch.


Will Ferrell und Kristen Wiig arbeiten sich in dem Sinne per gemäßigten Spiel an ein Drehbuch heran, das bis zum Anschlag mit Klischees gefüllt ist wie es auch eine Zwischenmenschlichkeit aufzeichnet, in der jeder Satz geradezu ökonomisch zum nächsten Anhaltspunkt der dramaturgischen Relevanz kommt. Doch selbst jene Dialoge legen sich in all ihrer Unnatürlichkeit niemals als blanker Witz offen, wie auch die Zuspitzung der Ereignisse zwar hanebüchen, aber niemals zu absurd verläuft. Tatsächlich ist die innere Charakterentwicklung, mag sie noch so trivial sein, sogar stimmig aufgebaut - eben objektiv ein ganz legitimes Standardprodukt und kein gewollter Schrott-mit-Ankündigung. Der Spaß entsteht eben dadurch, dass sich Ferrell und Wiig dem Reigen der Einfältigkeit dermaßen anpassen, dass der Zuschauer unweigerlich zum brüllend komischen Kopfkino verleitet wird, inwiefern sich diese Epigonen der Komik zusammenreißen mussten, um dieses höchst kalkulierende Einwegdrama über die Bühne zu bringen. Ihr Schauspiel zu beobachten, ist dabei ein Genuss, der wohl nur von der ausgelebten Ironie übertroffen wird, mit welcher die Zwei ihre streng ironiefreien und somit umso gestelzteren Figuren auftragen.


Das gilt natürlich ebenso für den irrwitzig-konstruierten Kollegen voller Nettig- und Aufmerksamkeit, Charlie (Bryan Safi), wie auch für die Darstellerin der mysteriösen Leihmutter Bridget, Jessica Lowndes, welche ein ebenso glaubwürdiges Bild zu einer stetig hysterischeren Femme Fatale abgibt. In ihrer Qualität bestehen erst recht keine Unterschiede mehr zum real thing, weshalb sie sogar eher ins Programm reinpassen würde, als die bewusst absurde Note der Anwesenheit Ferrells und Wiigs. Wohl auch deshalb kommt der Eindruck bei „A Deadly Adoption“ irgendwie nie ganz soweit zustande, dass man ihn vom Restbestand der Lifetime-Schmiede auseinanderhalten könnte. In gewissen Zeitpunkten macht er eben auch dumpfe und lange Plätscher in Richtung Spannung; die Emulation kann eben nur in ihrer Vollständigkeit gelingen. Aber wenn sie gelingt, dann mit schallendem Gelächter aufgrund der meisterhaften Entbehrung zur Entbehrlichkeit. Und wenn das nicht reicht, beseitigt der Happy-End-Dance alle Zweifel.




HAPPENING - Jemand muss mal die Musikauswahl der Filme Alan Vydras zusammenfinden. So wie er hier nämlich schon anfängt und seine Carolyn Grace im Neonlicht der urbanen Nacht nach der Ekstase suchen lässt, hat schon etwas Beschwörendes, das durch elektronische Impulse zur vereinnahmenden Sehnsucht wird. Dabei ist dieses Intro auch die dringliche Fantasie unserer Hauptprotagonistin, deren Ehe mit dem lyrischen, doch altertümlichen Gatten Paul stets in sexueller Langeweile endet. So flüchtet die schüchterne, doch unerfüllte brünette Schönheit in Eroberungsfantasien sowie Tagträume mit Männern wie Frauen, oftmals auch mit ihren aktiveren Freundinnen als Ersatzakteure ihrer insgeheimen Lust auf mehr. Vydras Inszenierung und Drehbuch stellt die hin- und hergerissene Verklemmtheit seiner Hauptdarstellerin angemessen dar und fällt in seiner natürlichen Grundierung nicht in jene beliebte Genre-Fallen, die jenseits der Charakterzeichnung auf plötzliche Geilheitsausbrüche im Männerfang setzen, nur um weitere lüsterne Szenarien aneinanderzureihen. Im Gegenteil: Sobald sich sogar potenzielle Sexszenen mit anderen Charakteren ergeben könnten, an denen Carolyns Figur nicht weiter teilnehmen wird, blendet der Film respektvoll ab und behält ihre Geschichte weiter im Fokus. 


Beispielhaft dafür sei jene Szene genannt, in der eine ältere Freundin (mit recht verdorbenem Mundwerk) ihr einen Klempner an den Hals schmeißt, der jedoch nicht das Liebesspiel mit ihr vollziehen kann, da sie sich zu unerfahren im Bett wälzt. So entzieht sie sich aus Scham, während sich die Freundin an ihn ran macht, doch darauf wird dann nicht mehr weiter eingegangen. Stattdessen zieht es sie auf den Dachboden, wo im stimmungsvollen Lichteinfall eine Bedienstete ihres Mannes masturbiert, was nach zartem Herantasten zum lesbischen Vergnügen führt. Und auch dort sind Montage sowie Musik von aufgeregter Schönheit gezeichnet und treiben sich wie die Darstellerinnen in ätherische Höhen, zu denen sogar Chöre à la Popul Vuh ihre Aufwartung machen, während in der Dunkelheit das viktorianische Schlafgemach zum Träumen einlädt. Sowieso ist die audiovisuelle Gestaltung Vydras gerne bereit, den Beischlaf geradezu zu pointieren; mit dringlicher Kraft auf den Höhepunkt hinzuarbeiten, der zuckende Glieder auf sanfte Haut und stöhnende Münder treffen lässt. Als Porno wird der bezeichnend betitelte „Happening“ seinem Genre nun mal gerecht, doch gerade die Konzentration auf die Funktion des Titels wird gar nicht mal unwirksam in Bezug auf Charakterstärke eingesetzt.


Carolyns Verhältnis zum Sex passiert eben hauptsächlich auf mentaler Ebene - wenn ihr Mann sie nur im Schlafmantel und mit Nachthäubchen begatten kann, bleibt ihr trotz aller gleichgültiger Duldung ihrerseits lediglich noch das Wandern in Fantasie-Momente, bei welchen sie auch gerne gröber und auch gleich von mehreren Herren genommen wird. Erst durch ihre Freundin motiviert, welche eine recht lockere Beziehung zuhause führt, begibt sie sich mit Vorsicht in einen leichtfüßigen Puff, in dem sich allerhand freie Paare zum Stelldichein finden. Nur sie bleibt dabei alleine zurückbleibt; traut sich nicht mal, sich selbst oder andere anzufassen. In dem Moment verliert Vydra aber auch ein Stück weit seine Entschlossenheit, den Fokus auf sie zu belassen und spielt sodann die spaßige Orgie aus, die ihr entgeht. Da wird ganz unbekümmert im flotten Rock-Beat gerammelt, so wie die Lust auf dem Höchststand gerät. Carolyn hingegen kann sich ihre Erfüllung weiterhin nur in kreiselnden Gedanken abholen, während ihr Blick vom malerischen Anwesen über das Gras in den lauen Horizont schweift. Solche Momente der atmosphärischen Ruhe beherrscht Vydra ebenso; lässt der charakterlichen Träumerei nach Verbesserung Luft wie er auch die Dialoge minimalistisch, respektvoll und auch fern vom Klamauk hält. 


Die Leere von Carolyns Leben in diesem Ambiente ist durchweg zu spüren und strahlt eine verschlossene Tragik aus, die auch dann nicht entwertet wird, sobald sie tatsächlich den reellen Vorstoß zum Beischlaf mit mehreren Mechanikern in einer Autowerkstatt vollzieht. Jedenfalls scheint er real, eine klare Abgrenzung zwischen Realität und Tagtraum schafft Vydra da nicht; suggeriert mit seiner intensiven Bild- und Tongestaltung allerdings eine Anspannung, die sich wirklich lange zurückhielt und nun in heißer Erwartung das Ersehnte geschehen lässt - eben ganz das „Happening“. Zum Schluss bleibt aber eine bittersüße Note, bei der Carolyn trotzdem in glückloser Ehe verharrt; zwar noch immer zaghaft ihre Liebe zu Paul eingesteht, aber mit lethargischer Haltung weiterhin nur ihre Lust in der Fantasie erblicken kann. Wie so vieles im Leben ändert sich ihre Situation nur bedingt, wenn auch ein Funken der Hoffnung überlebt und einigermaßen Empathie beim Zuschauer auslöst - jedenfalls mehr, als es beim gängigen Pornofilm der Fall ist und normalerweise auch weit zynischer behandelt wird. Carolyns Vorstellungen von Beinahe-Überfällen mehrerer Herren ist dabei sicherlich nicht ganz unproblematisch; der Wunsch danach geht aber immer noch von ihr aus, was sich im Rahmen des Films aber vor allem in seinem letzten Akt zur ambivalenten Auslebung eines inneren Zwanges stilisiert. 


Es gibt im Pornofilm vergangener Jahrzehnte eben auch ein paar andere Facetten abseits der entblößten Fleischeslust zu finden und da ist Alan Vydra mit seiner Ambition zur charakterbezogenen und filmisch motivierten Stilistik stets eine interessante Ausnahmeerscheinung inklusive Hang zum elliptischen Melodram (siehe auch „Abflug Bermudas“). Wem das alles zu hoch ist, kann sich jedenfalls auch weiterhin an schönen und flexiblen Frauen, herrlichen Dekors und Landschaften im Zeitkolorit sowie professionell aufbereiteter Sexualität erfreuen - dafür sind die 77 Minuten Laufzeit auch kurzweilig und befriedigend genug gehalten. Dann darf man aber auch umso angenehmer überrascht sein, wenn man sich mit der frustrierten und nach individuellem Glück strebenden Carolyn irgendwann sogar identifiziert.




ANDREA - WIE EIN BLATT AUF NACKTER HAUT - In diesem erotischen Melodram von Hans Schott-Schöbinger ist die spekulative Psychologie zur Nymphomanie nur ein bedingt einnehmender Antrieb für den Zuschauer und nicht mal zur unfreiwilligen Unterhaltung eines Aufklärungsfilms tauglich. Jedenfalls ist die laxe Handlungsentwicklung wie auch der immens beschränkte dritte Akt dazu nicht im Stande, jenseits des Reißertums zu fesseln und verfehlt damit allzu grob eine Identifikation mit der Hauptfigur, welche hinsichtlich des Entstehungsjahres 1968 zudem in sexuell recht konservativen Szenarien endet. Ein Leben mit jener dargestellten Form von Nymphomanie mag gewiss am Selbstwertgefühl kratzen wie auch die anstehende Aufgabe der bewährten Sicherheit durch Verkauf des Familienhauses an der inzwischen elternlosen Protagonistin nagt. Ihr Schicksal vermag der Film aber nicht allzu stimmig zu empathisieren, dafür fehlt ihm sowohl die Dringlichkeit zur inneren Veränderung wie auch die Glaubwürdigkeit dorthin.


Nicht gerade grundlos funktioniert er selber als sexuell aufgeladener Genussfilm, bei dem das karikierte Gesellschaftsbild mondäner Langeweile sowie der gemeine Pöbel seine erklärte Freude am Sex hat. Alle Szenarien spielen sich dabei im Ohrwurm-tauglichen Easy-Listening-Groove ab, ob Andrea nun proaktiv Stallburschen wie Arthur Brauss um die Finger wickelt oder von Herbert Fux per Ledergürtel im Neonlicht ausgepeitscht wird. Sleaze und Kolportage des Zeitgeists entwerten schlicht die Stärken der eigentlichen Charakterzeichnung und so muss man mit anderen, hauptsächlich ästhetischen Vorzügen vorlieb nehmen. Vorteilhaft für diesen Fall ist, dass eine junge Dagmar Lassander als omnipräsente Lustdame die Wimpern flattern und Negligees abblättern lässt. Im geradlinigen Fokus des Films auf ihre erregenden Abenteuer vom schicken Schlafgemach zum Moloch hin, ist die Kamera ihr bester Freund und ein Sprachrohr der sehnsüchtigen Haut, mit der sie sich auch stimmungsvoll ins Heu bei Mondlicht begibt und gerne auch in Gedanken verloren am Schilf umherschlendert.


Die Sinnlichkeit hat Schott-Schöbingers Gestaltung dabei ausgezeichnet drauf, wie sie sich auch in Tagträumen einfindet, auf deren Betten und Körpern die Herbstblätter niedergleiten. Gleiches gilt für jene Szenen, in denen Lassander um ihre Zukunft bangend in die nachdenkliche Bewegung flüchtet - mit die schönsten Momente, zusammen mit den lyrischen Liebesspielen, die während eines Gewitters mit Art Brauss vollzogen werden. Warum dann also hält der Film es für sinnvoll, die körperliche Lust als Last zu verinnerlichen; als zweifelhaften Umstand zu werten, bei dem ganz klar werden soll, dass Sex ohne Liebe nichts wert ist? Schließlich wird selbst der ruppige Charakter von Herbert Fux in all seiner manipulativen Schmiere zum selbstsicheren Dandy stilisiert, der zudem eine recht lockere und glückliche Beziehung mit seiner Freundin führt, obwohl er gerne einige Betthässchen mit nach Hause bringt. Der Film schafft es einfach nicht, sich zu entscheiden, wie ernst er sein Sujet angehen will, was letztendlich dazu führt, dass er mit verlogener Moral hantiert und jedes charakterliche Verständnis ad absurdum führt.


Dabei könnte man die Problematik der Nymphomanie gewiss stilsicherer hinterfragen, ohne den Widerspruch konservativer Engstirnigkeit im Reigen des Körperkults befürchten zu müssen. So aber ist der thematische Aufhänger trivial angesetzt und dennoch mit einem schlussendlichen Nervenzusammenbruch gezeichnet, der sich nur bruchstückhaft nachvollziehen lässt - was übrigens auch für andere leichtsinnige und devote Handlungen Andreas gilt, sofern man diese nicht bloß anhand der Geilheit begründen will. Eine schwierige Angelegenheit, dieser Film, erst recht, wo man(n) doch schlicht nicht umhin kommt, der Ausstrahlung Lassanders bedingungslos zu folgen. Daran hätte sich das Narrativ ein Beispiel nehmen sollen und ein liberales Glück finden können. In dieser Konstellation bleibt jedoch trotz aller gezeigter Schönheit ein Nachgeschmack des Frusts hängen.