Sonntag, 27. September 2015

Tipps vom 21.09. - 27.09.2015

Doch nicht das letzte Mal für die Hans W. Geißendörfer-Retrospektive auf CEREALITY.NET! Es kamen nämlich noch drei weitere Filme ins Postfach, von denen zwei nach ihrer Erstsausstrahlung nicht mehr wirklich gezeigt wurden. Heute geht es aber erstmal um die zwei folgenden Filme in chronologischer Reihenfolge. Film ab!




JUSTIZ - "[...] Die Verdrängung von Tatsachen ist im Werk Geißendörfers ein häufig auftretendes Thema [...] In diesem Film nun geschehen jene Mechanismen auf nationaler Ebene und verschieben damit in schöner Regelmäßigkeit das Vertrauen des Zuschauers in seine Charaktere. [...] Es wird zum Whodunit eingeladen, obwohl der Mörder schon längst gesehen wurde, auch auf der Leinwand. Dafür entwirft Geißendörfer nicht noch im Nachhinein einen doppelten Boden, aber er spielt durchweg mit der emotionalen Wahrnehmung des Zuschauers, die umso stärker ins Ungewisse gesteigert wird, sobald das „Warum?“ seine Erklärung erhält. Ein zweischneidiges Schwert, an dem das Gewissen reibt. [...]"


(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




SCHNEELAND - "[...] Die Bilder schwedischer Landschaften nehmen in ihrer unerbittlichen Ferne gefangen, in den Herzen der dort wohnenden Charaktere vergraben frostige Stürme die Hoffnung. Im narrativen Sinne geschieht dies auf zwei Zeitebenen, die in ihrem abgekoppelten und doch parallelen Leiden eine Wechselwirkung erzeugen. [...] Die Gefühle geschehen dennoch in ehrfürchtiger Stille, gefolgt von geradezu animalischen Eruptionen. Empathie und Wut bewerkstelligen Menschliches wie Unmenschliches, zeugen aber von (auch filmischer) Ehrlichkeit. Ob das Herz unter dem Eis erfroren liegt oder hinaus gebrochen wird: Es bleibt tot, aber es hat auch gelebt und lebt in anderen weiter. [...]"


(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




CAROL - Er ist zum Ersticken, dieser gesellschaftliche Druck mit seiner aufgezwungenen Glückseligkeit in urbaner Anonymität. Die Verhaltensregeln im Amerika der vierziger Jahre atmen Konformität, alles andere wäre Bearbeitungsmaterial für McCarthy. Nicht bloß Therese (Rooney Mara) fühlt sich unter Beobachtung, auch der Zuschauer merkt dieses klaustrophobische Drängen in jenen Einstellungen, in denen immer etwas in Bewegung ist und der Headroom weiter nach oben belassen wird, um das Gefühl der Kontrolle von oben spürbar zu machen. Privatsphäre ist nur im Innern möglich oder, wie man öfters sehen wird, hinter Glasscheiben - abgeschottet in eine freiwillige Einsamkeit. Das hat auch was durchaus Schönes an sich: auf 16mm gedreht, fasert das Bildmaterial rau und milchig zugleich durch die Lichter von New York um die Weihnachtszeit herum; schaut intensiv auf die Haut und gibt ihr einen brüchigen Teint, während die Augen zur Sehnsucht schauen. Was für eine Pracht, von Carter Burwells Tönen zur Symphonie der Seele stilisiert, aber weder als prunkvolles Melodram noch in gesteltzter Trägheit aufgelöst. Todd Haynes schafft die Balance, um in seine Menschen zu sehen und findet die ersten nervösen Begegnungen, die unschuldige Annäherung und die zärtliche Zweisamkeit jenseits aufdringlichen Filmgestus.


Er gibt dabei Luft in seiner Kadrierung der Individuen und fokussiert ein stilles Verständnis, je tiefer Therese und Carol (Cate Blanchett) sich ineinander verlieben. Letztere kann mit ihrer Präsenz ohnehin einen ganzen Raum einnehmen, viel wichtiger ist ihr aber, mal eine ganze Stadt für sich allein zu haben - frei von der Einkesselung der Massen mit der wahren Liebe unterwegs. Wie ein Schatten hängt aber noch Ehemann Harge (Kyle Chandler) über ihr und streitet um das Sorgerecht zur Tochter - Carols Ein und Alles, für das sie so manches Opfer bringen würde/muss. Sie ist von Vornherein schuldig, weil sie sie selbst ist. Dass sie schlicht wie jeder andere Mensch auch liebt, steht permanent auf dem entmenschlichten Prüfstand, selbst in intimer Sicherheit. Therese weiß in diesen Ungewissheiten gar nicht, wie ihr selbst geschieht, aber schon, was richtig ist und was den Willen ihres Herzens ausmacht. Schließlich gibt es nur eine, mit der sie die Einsamkeit hinter dem Glas teilen will. Es folgt der Fluchtgedanke, abseits der Kontrolle und vor allem gemeinsam gegen den Schmerz, mit der Faszination und Liebe zum Seelenpartner im Gepäck. Die Vorlage hierzu stammt von Patricia Highsmith; die Bewährung von Identität, Widerstand und Ergänzung im sozialen Komplex wird wieder ein wichtiges Thema.


Andere Regiekollegen könnten mit jenem dargestellten Schicksal der hilflosen Liebe bestimmt noch plakativere Weisheiten und Symboliken auftischen, doch das Geschick von Haynes verbietet dies zugunsten einer schlicht empathischen Erfahrung, die sich so bitter im Zuschauer verselbstständigt, dass kein Tearjerking mehr vonnöten ist. Beobachtung, Menschlichkeit und Gefühl sind doch noch wahrhaftig darstellbar - es erfordert lediglich einen Erzähler mit Respekt, der Inhalt und Empfänger seiner Geschichte sowie die Stadt, die Natur und alles dazwischen versteht. Der vermitteln kann, wie schwer Abstände wirken und verändern können, wie Berührungen befreien oder auf die Pelle rücken, wie die Erinnerung aus einem Bild den Schauer in der Seele entfacht. „Carol“ schafft es als einer der wenigen Filme dieses Jahres, sein Medium von der ersten Sekunde an zu vermenschlichen sowie Schmerz und Wonne fern jeder Abstraktion oder Übererklärung direkt zu vermitteln, als würde man seine Venen ans Zelluloid anschließen. Thereses verständnisloser Hofmacher Richard (Jake Lacy) hat da insofern schon recht, dass Liebe den Unterschied macht. Im Gegensatz zum dies im Film sagende Herr kann Todd Haynes das allerdings auch beweisen.




AMERICAN ULTRA - "[...] Überhaupt würgt er sich einen ab, herauszufinden, zu welchem Genre er jetzt als Erfüllung seiner selbst kommen will. Er versucht gleich alle auf einmal, doch es gelingt ihm meistens nur per Zufall, seine Euphorie auch auf den Zuschauer zu übertragen. Nun soll man ja nicht über Filme schimpfen, die mit Ecken und Kanten gegen den Konsens arbeiten; die in ihrer Vielfalt um Sehgewohnheiten kaspern und für sich selbst einstehen. „American Ultra“ hat in seinem kruden Mix aus Action, Identitätskrise, Identitätskomödie, Geheimdienstmachenschaften und Liebesdrama aber nur bedingt einen Plan davon, wie er sein Konzept umsetzen kann. [...] Man kann noch von Glück reden, dass Eisenberg und Stewart den Film im Alleingang souverän auf ihren Schultern tragen können und mehr als Menschen wirken denn als Karikaturen. [...]"



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Sonntag, 20. September 2015

Tipps vom 14.09. - 20.09.2015

Die vorletzte Woche für unsere Hans W. Geißendörfer-Retrospektive auf CEREALITY.NET befasst sich mit den folgenden Filmen in chronologischer Reihenfolge:




BUMERANG - BUMERANG - "[...] Frechheit siegt mit Cleverness im sympathisierenden Cine-Protest. Geißendörfers Film wirkt ohnehin besonders lebhaft, wenn er mit seinen Teenagern sympathisiert, diese als bodenständigen Zeitgeist gegen die Verlogenheit der Obrigkeit zeichnet und im Coming of Age zwischen Kassettenrekordern, Aktionspostern und selbst gebastelten Funksprechanlagen aufnimmt. Dennoch bleibt eine unvermeidbare Distanz, die nicht nur vom Zeitkolorit ausgeht (Wackersdorf wurde im Nachhinein ohnehin als atomarer Standort fallen gelassen), sondern auch vom Ernst der Situation, dem Geißendörfer die nötige Portion Realismus einverleibt. Gerade dieser beißt sich aber (bewusst) mit dem lockeren Verständnis des Films zu seinen Protagonisten. Es hat etwas Ehrliches, aber auch Befremdliches inne, was durchaus als aneckende Qualität verbuchbar ist. [...]"


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GUDRUN - "[...] Selbst in Freundschaft und Verfolgung lauert das Ego, die Bewährung für eine indoktrinierte Aufgabe, der Drang zum Vorteil. Alles ist offen, doch man will geschlossen sein. So wie sich Fritz in den Reihen der HJ wissen will und darum betet, dass auch sein Vater die Wege des Führers einsieht, sehnt sich Gudrun nach der Familie, sprich der Rückkehr des Vaters oder Versöhnung von Mutter und Großmutter. Letztendlich müssen diese drei Generationen an Frauen ein Opfer durchstehen, das totgeschwiegen und doch eindeutig von jedem wahrgenommen wird. In aller Stille lässt sich auch alles hören. Im Nachhinein um Vergebung zu bitten, das Unrecht nicht gesehen zu haben und Märchen auftischen zu wollen, ist nur vergebene Mühe. [...]"


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CLARENCE - STAFFEL 1 - Bock auf irre Abenteuer zu haben, hat man Ende zwanzig schon fast vergessen, wie es scheint. Gut, dass ein Clarence da noch zeigt, wie verspielt und unbedarft man den Alltag angehen und sich sogar mit dem Schulraudi anfreunden kann (selbst wenn dieser das mal so gar nicht sieht). Nicht, dass die Serie deshalb fern von der Realität heranwachsender Veränderungen wäre, aber sie schafft es dennoch, jede Folge mit Komik und Kreativität in einen eigenwilligen bunten Rahmen zu setzen und dabei Erinnerungen ans lange Aufbleiben, Herumtollen, Idolisieren von Fernseher & Spielfiguren, das Abhängen mit Kumpels sowie die ersten Begegnungen mit Mädels zu wecken. Ob es nun nachts durch den Wald gegen den Schlaf geht; Doppel-Geburtstage auf der Bowlingbahn gefeiert werden; Clarence und Co. mit den Eltern zu einer Feier eingeladen werden und dort nach zuckriger Unterhaltung auf dem morschen Dachboden suchen; Videogames, Fahrräder, Fast-Food und Schwimmbäder die Freizeit im duften Sommer bestimmen:


Alles kennt man irgendwie und ist in den Augen von Clarence, dem wilden Sumo und dem übervorsichtigen Jeff ein Kaleidoskop der Kindheit, an dem man sich für elf Minuten pro Folge die Finger mit Fruchteis einsauen, die Knie aufschürfen und die Klamotten in der Modder dreckig machen darf. Fantasievoll, absurd und im Humor nicht schlicht auf einfache Kinderbeschallung geeicht (manche Pointen können Lachkrämpfe verursachen), geht die Sache ohnehin noch urkomisch von statten, solange alles möglich scheint und für liebenswertes Chaos sorgt. Wohlgemerkt in einem Zeichenstil, der gleichsam klobig, drollig und irre auf einmal sein kann. Soweit ich das beurteilen kann, am besten im Originalton schauen.




KID-THING - Die Zellner-Brüder schauen mit Kinderaugen in die texanische Einöde - nicht gerade mit der drolligen Unschuld jener heranwachsenden Menschenbrut, sondern mit einer Anarchie im provinziellen Trott unterwegs. Nicht, dass dieser Ansporn als Ader der Filmerfahrung wirklich ausgesprochen oder mit Outsider-Pathos untermauert werden muss, so einfach macht man sich es dann doch nicht - andere Werke würden sich ja einen abquälen, um diese Selbstverständlichkeit an ein uneingeweihtes Publikum zu vermitteln. So stilisiert sich das Geschehen mitunter als stiller Impressionismus, der mit dem nihilistischen Ablauf des Films einhergeht und Atmosphäre aufbaut, doch ein formelles Regelwerk wird nur bedingt angewendet. Dafür lässt sich „Kid-Thing“ immer eine Handvoll Ablenkungen offen, die nicht mal unbedingt ins Krasse und Absurde abdriften oder respektlosen Shock-Value auftischen müssen. Der Film verwehrt sich eben einem gängigen Prinzip, wie es vielleicht schon „Gummo“ als Vorbild übte, nur eben, dass hier kein hyperventiliertes Experiment im Chaos angezettelt werden muss. Die einfache Beobachtung ist stattdessen des Zuschauers Freund im Alltag der kleinen Annie (Sydney Aguirre - bester Nachname!), vollkommen kohärent in der Aufnahme des Eigensinns und gleichsam kurzweilig vom narrativen Konsens gelöst.


Ein möglichst kleiner Spannungsbogen ist schon vorhanden, ob Annie nun Esther (Susan Tyrrell - nicht zu sehen, aber zu hören) aus dem Loch im Wald holt. Es erhebt dramaturgisch vielleicht keinen allzu relevanten Anspruch, bringt allerdings in Abständen ein Mysterium in die Sache, das recht schön den Kontrast von Verantwortung und kindlicher Naivität im Angesicht mit der Ungewissheit einer armen Freiheit herausstellt. Letztere ist eben ungezwungen, aber im Mangel der Mittel eine Apokalypse der Faulheit. Das Haus/die Farm, auf der Annie mit ihren Vätern (?) lebt, ist zu hundert Prozent urig, ein Messi-Himmel für verschlafene Rednecks und doch so herzlich wie unsentimental. Empathie kann man woanders suchen, denn Annie stiehlt, mischt andere Kids auf und beschießt Kadaver mit Paintballkugeln. Viel bleibt ihr dabei nicht zu sagen übrig, der Lauf der Dinge wird schlicht von ihrer Laune einer Raudi-Kindheit bestimmt und damit basta. Darin zeichnen sich Stillleben der Ziellosigkeit, wie sie auch in nächtlicher Sommerhitze für knapp achtzig Minuten Laufzeit durchweg überraschen, aber keine Aufregung dafür vortäuschen müssen. „Kid-Thing“ präsentiert ein Abenteuer der Langeweile, das in seiner schlichten Schönheit fix zum Bleiben einlädt und sich doch mit unbelasteter Distanz selbstständig belässt.




WACHTMEISTER RAHN - Vorweg die obligatorische Nachricht: Wie es mit so ziemlich jedem Ulli-Lommel-Film ist, muss man auch hier eine Spur Dilettantismus und schleppendes Erzähltempo einberechnen. Schon zu Anfang hält die Baustrahlerbeleuchtung auf stationäre beziehungsweise per Hand eingefangene Kameraeinstellungen drauf, die gleichsam von einem holprigen Schnitt sowie Darstellern erfüllt werden, die teilweise nicht allzu natürlich durchs Ambiente wandern und zudem noch dementsprechende Synchronstimmen beherbergen. Nicht, dass es viel vom eigentlichen Inhalt des Films ausmacht, aber ein Stück mehr Sorgfalt hätte den Rahmenbedingungen noch eine einvernehmendere Funktion verliehen. Aber genug der oberflächlichen Kritik, gemessen an seinen Mitteln erzählt Lommel nämlich ein stimmiges Drama der Gefangenschaft im Alltag. Stumpf und aussichtslos ist da die deutsche Perspektive in Ernst Rahns (Hans Zander) Großstadtleben zwischen Pflicht im Polizeirevier und Rückzug zur Liebe im Gesetzlosen. Schon früh im Film stellt seine Erschießung von Räubern für die Kollegen eine aufregende Heldentat dar, doch er könnte in seiner Schuld kaum ferner von deren Mentalität sein. Stattdessen weiß er nicht wohin mit seiner Macht, wie auch manch anderer Kollege Angst vor der Begegnung mit dem Zeitgeist der RAF hat.


Rahn packt selbst bei kleinen Verkehrssündern die Wut, doch ein souveränes Männlichkeitsbild kann er in jenen klaustrophobischen Zeiten im Trott des geteilten Deutschlands unmöglich vermitteln. Die psychologische Verinnerlichung der individuellen Unfähigkeit ist bei Lommels (manch einer möchte sagen: ebenso mit Unfähigkeit befleckter) Inszenierung ein entscheidender Faktor in nüchterner Beobachtung; sein Drehbuch ohnehin konkret und mit Dialogen der Ungewissheit ausgestattet, die etwas steif vorgetragen werden und Unterweltsprache spekulieren, aber nie ins Plakative abdriften. Mit reißerischen Impulsen hält sich der Film ohnehin durchweg zurück, dafür zeichnet er eine omnipräsente Trostlosigkeit auf der Suche nach Anerkennung und Liebe. Rahn trifft auf diesem Wege den homosexuellen Straftäter Johann (Rainer Will) - übrigens in einer ziemlich ausgeklügelten Kameraeinheit der Begegnung, die Spannung und Neugierde ohne Worte einfängt - und möchte ihm näherkommen, fühlt sich bei ihm sicher mit dem inneren Leiden. Und obwohl Johann Ernst durch Komplize Walter (Jeff Roden) zur Beteiligung an Strafdelikten reinlegt, will Rahn an jene Liebe so weit es geht glauben; Johann sogar aus der Szene herausholen, obwohl dieser nur bedingt dieselben Gefühle für den Wachtmeister empfindet.


Auf die Selbstlüge Rahns folgt dessen Verzweiflung sowie ärztliche und familiäre Einschätzungen, die an ein tiefer gehendes Verständnis jenseits der gemütlichen Eindeutigkeit kein Interesse haben. Seinen Ausweg muss er sich selber wählen, aber dieser zerstört alles, obwohl er noch die Maske der sozialen Gefälligkeit gegenüber anderen aufrecht erhalten wollte. Ein tragischer Charakter, aber keiner, dem in seinen Entschluss Pathos entgegenkommt, sondern schlicht der lautlose Schock. „Wachtmeister Rahn“ kann sich dabei nur trist und dröge geben, weil sein dargestelltes Schicksal in genau solche traurigen Bahnen verläuft. Nicht, dass er damit alle Redundanzen abwehren könnte, dafür ist Lommels Regie trotz dramaturgischem Minimalismus manchmal zu unkonzentriert im stilistischen Nirgendwo unterwegs - ganz zu schweigen von der Darstellerführung, die beinahe ausschließlich im Zander-Will-Roden-Trio zur überzeugenden Beobachtung der Zwischenmenschlichkeit einlädt. Allerdings sind alle anderen Randfiguren auch von sich aus schon Angepasste ohne Sinn für Beteiligung. Nicht jede Kunst ist Zufall, nicht jede muss geplant sein. Je nachdem, wie viel man Lommel davon abkauft, bleibt trotzdem noch ein recht konsequentes Abbild von Verlorenheit und Einsamkeit, trotz des zugegebenermaßen räudigen Zeitkolorits in aller Aktualität über.




YAKUZA APOCALYPSE - "[...] Zwar bremst er sich zeitweise aus, um Unbedeutsames mit Genuss zum bedeutenden Himmelfahrtskommando zu stilisieren. Aber Prügel, Plüsch, Plattfüße und Panik im Slapstick-Modus dürfen nicht fehlen, wenn Hämoglobin und Muttermilch spritzen, Vulkane ausbrechen und Faustduelle um einen Megapunch pro Minute ringen. Es ist nicht schwer, bei diesen Eindrücken durchzublicken, vielmehr, was sie als Gesamteinheit überhaupt miteinander zu tun haben. Und fürwahr, die Nonsensparade bleibt in ihrer Vielfalt und vor allem ihren Männlichkeitsidealen eher bewusst bekloppt. Dem Charme kann man dennoch nicht widerstehen, befriedigt er doch die Ungewissheit mit ungewissem Wahn und einigen famosen Pointen darin [...]"



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Bonus-Zeugs:




MAX - "[...] Ein leidlich maskierter Propagandafilm, der promilitärische und patriotische Tendenzen für Kinder salonfähig machen möchte. [...] Wenn man sich als anspruchsfreier Zuschauer mit durchgehender Eindimensionalität zufriedengeben kann, wird vielleicht nur das letzte Drittel im Wald die Geduld überziehen. Im Endeffekt kommt es einem fast vor, als ob man gar nichts gesehen hätte, so platt und bieder wirkt alles. [...] Ein ungünstiges Bild für einen im Kern unbedarften Genrefilm, der als Mittel zum zweifelhaften Zweck missbraucht wird und mit seinem Kitsch konservative Weltbilder bekräftigt. „Best Friend. Hero. Marine.“ heißt es auf dem amerikanischen Plakat zum Film. Bleibt nur noch eines hinzuzufügen: „Dogshit.“"



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CAPTIVE - "[...] Zunächst sei bemerkt, dass der hier geschilderte Fall auf einer wahren Geschichte basiert – folglich wird man jenem Stichwort eines austauschbaren Fernsehdramas gerecht und genauso kostengünstig wie frei jeder stilistischen Handschrift inszeniert. [...] Das Problem ist nur, dass sich „Captive“ brav an Vorgaben hält und die Überraschungsfreiheit seines Genres lanciert, sodass nicht nur Tempo obsolet wird. Die Entbehrlichkeit des Stoffes mag vielleicht durch die humanistische Botschaft umgekehrt werden, doch basiert auch diese auf Binsenweisheiten [...] Das wahre Verbrechen am Zuschauer lauert jedoch im Abspann [...]"



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Sonntag, 13. September 2015

Tipps vom 07.09. - 13.09.2015

Diese Woche wird die Retrospektive zu Hans W. Geißendörfer auf CEREALITY.NET selbstverständlich weitergeführt. In chronologischer Reihenfolge:




DER ZAUBERBERG - "[...] In diesem Fieber kommen unvermeidlich Visionen der inneren Scheußlichkeit zustande, Aussichten auf Terror im anstehenden Ersten Weltkrieg – reflektiert von einer Zone, in der jedes Zeitgefühl verloren geht und Schnee schon im August fällt. Gäste wie Propheten kommen und gehen am laufenden Band; am schnellsten die entsetzten Menschen von außerhalb. [...] Hans W. Geißendörfers Epos der Isolation ist gerade dann tragisch, wenn es die stilistische Emotionalisierung fernhält und die Assimilation zur Selbstzerstörung um die eigene Achse dreht; wenn es unbeschwert vermittelt, was wie ein Schatten über den Menschen hängt und trotz aller Anzeichen ignoriert wird. [...]"


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EDITHS TAGEBUCH - "[...] Der Kontrast der Berliner Villa, ihren wohl eingerichteten Arbeits- und Esszimmern zum globalen Geschehen erklärt schnell, wie müde die Revoluzzer in ihrer Gemütlichkeit angekommen sind. [...] Oftmals schließt sie sich dabei ins Arbeitszimmer ein, das von Ranken überwuchert ist, und dreht die Musik so laut auf, bis Schreie und Schläge vor der Tür verstummen. Doch die erneut von Jürgen Knieper komponierte Musik zieht in ihre Realität hinüber, wie auch ihre Fantasie allmählich die Wahrheit ersetzt. [...] Pornos, Prügeleien und Kotze zwischen kargen Tapetenmustern und Marmorböden. [...] Eine moralische Wertung bleibt hingegen aus, Geißendörfer sieht in allen Entwicklungen den Gipfel und den Abgrund. Er beherrscht stets das Abwägen zwischen Sehnsucht und Realität, Genre und Identifikation, Mensch und Gesellschaft, selbst auf kleinstem Raum. [...]"


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SUPERSONIC MAN - Juan Piquer Simóns kleiner Beitrag zum Trivialkino ist natürlich in erster Linie fünf Ligen naiver als der gängige Superheldenfilm und gerade in jener unbedarften Niedlichkeit unbefangener zu verarbeiten als das gegenwärtige Blockbuster-Kompendium von Marvel und DC. Klar bedient er sich dabei in technischer Unbeholfenheit an Bildern via "Superman" und "Star Wars", als hätten sie Luigi Cozzi und Antonio Margheriti in Personalunion versemmelt. Zudem wirkt die Dramaturgie zur gesellschaftlichen Assimilation des außerirdischen Aussenseiters weit weniger stringend als der Hang zum Groschencomic über entführte Wissenschaftler und Handlanger voll spärlicher Gehirnzellen - inklusive Spencer/Hill-artigen Kneipenschlägereien im streng budgierten, weit hergeholten und teils schlicht depperten Euro-Abenteuer um New York herum.


Gerade dann gewinnt der Film aber mit seinem herrlich drögen Hauptdarsteller, der sich einstweilen in ein buntes Wesen fern jeder Mimik verwandeln kann, Dampfwalzen stemmt und als Spielzeugfigur durch Spielzeugkulissen fliegt - ganz zu schweigen vom Running Gag, einem alten Säufer und dessen Basset Hound zur passiven Entnüchterung zu verhelfen. Zwischendurch gibt es natürlich auch belangloseren Leerlauf mit bleiernen Dates anhand des Love Interests Patricia Morgan (Diana Polakov in drolliger Blässe), ohnehin pappige Kolportage-Elemente im Low-Budget-Charme. Die Show stiehlt allerdings Cameron Mitchell als Bösewicht Dr. Gulik - ein Menschenfeind voll redundanter Überlegenheitsthesen über Macht, Kraft und mangelndem Nuklearwissen, der abwechselnd/gleichzeitig Zigarillos pafft, Shakespeare zitiert, sich mit Caesar vergleicht, Motivationen x-mal erläutert und Gefangene im Diskurs als alte, vertrocknete Idioten bezeichnet.


Da glüht die Leinwand fast so über wie bei der Pyrotechnik des Films, welcher diese mit dumpfen bis flotten Sprüchen (teilweise voll grammatikalischer Unstimmigkeiten) untermauert, nebenbei gerne auch mal den Slapstick aus der Mottenkiste bemüht. Das kann vielleicht nur kleine Herzen vollends verzaubern, ist trotz 85 Minuten Laufzeit mit Längen geplagt und selbst im B-Movie nicht unbedingt die Speerspitze des Spaßes. Doch wenn der "Supersonic Man" (bzw. "Sonicman", "Superman" oder wie er auch immer im Film zeitweise wie selbstverständlich genannt wird) Wein und Cola per Flug besorgt, Titelthemen rechts und links versucht werden, Roboter Flammen werfen und der Hund mit seinem Herrchen per Uhr ins Weltall darf, wird die Erde hier schlicht zu einem unschuldigeren Ort. Darf auch mal sein.




THE VISIT - "[...] Dies etabliert einen Spaß, welcher den Grusel vom Zwang der Anspannung befreit und somit als Spuk zum Augenzwinkern einlädt. Shyamalan bleibt dabei bodenständig und hält eine legitime Genregeschichte bereit, die sich aber nicht erst auf den zweiten Blick mit ironischer Brechung unterfüttert. Spätestens zum Finale wird es dann für die hintersten Reihen offensiv frech, als Shyamalan wortwörtlich das macht, was ihm gerne im übertragenen Sinne unterstellt wird. So fliegt die Kacke mit Schwung ins Gesicht, während der Wahnsinn mit plakativen Sprüchen tobt. Ein Familienfest für jedermann! [...]"



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STARTUP - Schon mal vorweg: Die obligatorischen technischen Zeitkapseln hängen so einem Film natürlich wie ein Stein im Schuh hinterher und können von allein schon glänzend unterhalten. Weitaus einschlagender ist allerdings die in stetiger Bemühung befangene Pose zum intriganten Thriller voller Wendungen, wobei letztere so grenzwertig offensichtlich telegrafiert werden, dass daran nur die schwächsten Glieder im Zuschauerdurchschnitt schockiert sein dürften. Für die wird ohnehin alles dermaßen plakativ erklärt, dass man der Dramaturgie in jener Unterforderung stets zwei Schritte voraus ist (anderweitig kann man sich auch nicht beschäftigen, so wie die spärliche Charakterzeichnung keinerlei Identifikation zulässt), bis hin zum nachgeholten Jumpscare aus der Perspektive des Erschreckenden. Ausnahmen ergeben da die übertriebenen Veräußerlichungen von Fassungslosigkeit bei gewissen aufgedeckten Machenschaften - dem Lachkrampf da zu entkommen, ist keine leichte Angelegenheit.



Milo Connor (Ryan Phillippe) sollte da als Computer-Genie (oder "Freak", "Eiermann", etc.) eher den Durchblick haben, doch das wäre dem Film ja zu clever und geschickt in seiner extradoofen Inszenierung. Gemessen am zeitgenössischen Cast & Soundtrack (der Score pendelt hingegen zwischen "Braveheart" und "Matrix" hin und her) sowie leicht entlarvbarem Technobabble und duften Frisen, darf man sich jedenfalls glücklich schätzen, dass diese Opfer einer so hanebüchenen Melodramatik geworden sind. So entsteht post mortem ein geradliniger Cyber-Unsinn mit ernster Miene, der seinerzeit schon vor Vorratsdatenspeicherung und Software-IP-Diebstahl warnte, obwohl er der Technik gegenüber noch in den Kinderschuhen steckte. Aber vorsicht: Lach- und Schnarchbombe zugleich!




MAGGIE - "[...] Zeitweise wie eine Kompilation an Downer-Momenten aus dem Fundus der Zombiefilme, und folglich repetitiv, je länger man an die Hand genommen wird, wie man sich fühlen soll. Doch sobald diese ersten Hürden genommen sind, zeigt der Film einige selbstständige Qualitäten. [...] Beachtlich feinfühlig äußert sich aber auch die Führung seiner Protagonisten, anhand derer sowohl Schwarzenegger mit subtiler Haltung als sorgsamer Vater überzeugt, wie auch Abigail Breslin ihre Verwandlung als Teenager zu verdrängen und verarbeiten versucht. Wie die Gewissheit des Sterbens innerhalb ihres Freundeskreises aufgenommen wird und Sprachlosigkeit hervorruft [...] Dann jedoch wieder eintönig und vor allem zum Schluss hin bemüht in seiner Melodramatik. [...]"



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BANDSLAM - GET READY TO ROCK - Kurz und knackig: Protagonist Will Burton aka Alki ist einfach mal DER Superhonk des Teeniefilm-Genres und verantwortlich für mindestens eine der peinlichsten Szenen der Filmgeschichte - auch mal eine Leistung! So ist er eben, der charismabefreite Spacken mit aufdringlichem Musikgeschichte-Halbwissen - nur schwer liebzuhaben, besonders bei seinen Bemühungen zum "zweiten" Kuss ;) Der Film ist trotz seiner schrecklich einfachen Prämisse ebenso dermaßen unkonzentriert, dass seine Unkonformität fast schon wieder reizvoll wäre, wenn die Mucke der zentralen "I can't go on, I'll go on"-Gruppe nicht ein übler Bastard aus Country, Christen-Rock, Ska und flachem Prinzessinnen-Gesang wäre. Eben so weit von Rock entfernt wie "Barbie - Eine Prinzessin im Rockstar Camp", nur mit einem semi-halbärschigen David-Bowie-Stempel-of-Approval auf dem Handrücken. Aber ihr wisst ja: Die 5 in "Sa5m" ist stumm und alle relevanten Social-Media-Aktivitäten laufen auf myspace und Wikipedia ab - ganz schön hip und ein garantiert zeitloses Ding! Wie das zweckmäßige Narrativ an sich, das höchstens durch musikalisches Hall-of-Fame-Namedropping und ein Stück vorwurfsvoller Persönlichkeitsfindung à la Nicholas Sparks zur Eigenständigkeit ausgefüllt wird. Lieber nochmal "Swing Girls" einwerfen, obwohl es sich hier auch gut lachen lässt.

P.S.: "The Burning Hotels" hätten den Bandslam gewinnen sollen, mal ehrlich.

BONUS-ZEUGS:




THE PROGRAM - UM JEDEN PREIS - "[...] Ihm fällt nämlich hauptsächlich nichts mehr ein, als die bloße Wiedergabe der Geschichte; derart aufs Wesentliche konzentriert, dass sie darüber hinaus keinerlei Stoff zur Diskussion anbietet. So ist es passiert, ab und an wird spekuliert und dramatisiert – doch im Grunde erhält man einen umfassenden, filmgewordenen Wikipedia-Artikel. Wer wirklich nur das sehen und sich informieren will, für den ist „The Program“ zumindest eine flotte Rekreation vergangener Ereignisse (allerdings voll mit Archivmaterial), bei der keine Fragen offenbleiben. Aber wer will das schon? [...]"

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