Sonntag, 17. Januar 2016

Tipps vom 11.01. - 17.01.2016



WILDE ERDBEEREN - Ein bisschen wie bei Charles Dickens kommt man sich vor, wenn Ingmar Bergman sein Figurenkonstrukt um Dr. Isak Borg (Victor Sjöström) aufbaut und folgerichtig die familiären Verhältnisse der Gegenwart und Vergangenheit dabei aufbereitet, denen Isak gleichermaßen beiwohnt. In letzterer Instanz durchwandert er seine Erinnerungen durchaus wie ein nostalgischer Scrooge, dem sich die Erfahrungen von Liebe, Enttäuschung und Benehmen eingebrannt haben, nun Jahrzehnte später einen gebildeten Gesellschaftsmann formen, der an der Kälte erzogen wurde. Von außen hin sieht man die Weisheit, das Bescheidene und den Respekt - die Jugend, der er im Verlauf begegnet und die sich in ihrem globalen Bewusstsein bewusst aus Schweden verabschieden will, ist da besonders anfällig für. Allerdings auch anhand der Perspektive von Schwiegertochter Marianne (Ingrid Thulin) steigt Bergmann in die unangenehme Psychologie jenes Mannes ein, der im Privaten selbstgefällig altertümlichen Weltbildern folgt und mehr am Ego als am Sozialen arbeitet; so taktvoll Taktlosigkeit beweist, dass er sich um die Präsenz seiner eigenen Dämonen im Alptraum sogar noch wundern muss, obgleich er sie seit jeher kennt.


Bergmann kommt aber auch (schlicht aus eigener Erfahrung) nicht umhin, das gesamte Gesellschaftsbild Schwedens voller konservativer Familienbilder und unglücklicher Beziehungen in geballten Pointen und einer Eskalation an Quasi-Situationskomik mit einzuarbeiten, begegnen sie sich alle doch mit einer Schlichtheit, die sich ohnehin blendend mit dem Kurzweil der Inszenierung, dem einvernehmenden Zug der Ein-Tag-im-Leben-Dramaturgie und einem atmosphärischen Gespür für den Raum der Kamera verknüpft. Es offenbart sich somit ganz natürlich und ohne falschen Affekt, wie viel Hässlichkeit, Einsamkeit und Unvereinbarkeit in eigentlich beschaulicher Natur wirkt, wenn sich darin mit Überlegenheit gebrüstet und ein Edelmut fingiert wird, der in steifen Zeremonien jedes Leben der Contenance wegen vermissen lässt (bezeichnet dafür sei Isaks Promotionsjubiläum genannt). Insbesondere Männlichkeitsideale transportieren sich durch die Zeiten, stellen sturköpfig ihre Überzeugung zum Nachmessen aus und kommen im Konflikt oder im Zynismus an, gefördert von einem Urquell grausamer Zeitgeschichte, anhand dessen die Werte der Familie in ihrer Strenge jedes Individuum zum Teufel schickten.


Dies repräsentiert der Film durchaus anhand von Individuen, doch Figuren wie Isaks Mutter sind keine dramaturgisch fixierten Antagonisten, sondern Ergebnisse ihrer jeweiligen Ära, die in Bergmanns ohnehin starker Lichtdramaturgie ihre schweren Schatten werfen. Dass er diese Konstellation nicht für eine Allgemeinhaltung des Leidens ausleuchtet, ist sodann aber der aufrichtige Kontrast, mit dem der Regisseur durchweg von natürlicher Beobachtung profitiert. Werte wie Optimismus, Bildung, Sinnlichkeit und Liebe sind in jener Reise durch die Zeit kein Unding und selbst wenn Isak das meiste davon aus seiner Nostalgie schöpft, ist Bergmann auch nicht darum verlegen, Dankbarkeit zu zeigen, sei es auch hauptsächlich an jener gegenüber dem Doktor, der stellvertretend für die Gesamtheit der Bildung zur Moderne beigetragen hat. An „Wilde Erdbeeren“ lässt sich eben nicht nur die leichtfüßig und kompakt vermittelte Geschichte einer gesamten Großfamilie und deren Charakteristika nachvollziehen (was schon hinsichtlich der 87 Minuten Laufzeit eine beachtliche Leistung ist), sondern auch eine Konfrontation mit den Haltungen der Generationen, aus denen ein Wandel zu entspringen beginnt - ob nun in den Geschlechterrollen oder in der Offenheit gegenüber Welt und Wahrheit (man bedenke dabei das Entstehungsjahr 1957).


Einen Pathos muss Bergman dafür nicht gebrauchen, wie er überhaupt auch keine erklärte Einsicht von Isak oder eine Sympathie/Bewunderung zu diesem vonseiten des Publikums verlangt, wie es ein Dickens oder jüngst Paolo Sorrentino in „Ewige Jugend“ gehalten hätte. Untereinander werden eben die Verhältnisse klar, Isaks beinahe ebenso erkälteter Sohn Evald (Gunnar Björnstrand) kann bezeichnenderweise nicht ohne Marianne leben, wenn er ansonsten keinen Sinn darin sieht, diese Welt noch mit weiterem Leben zu unterfüttern. Ein Strang von Hoffnung lebt in jener Erklärung, doch ist er auch fast einzigartig in den Fasern eines potenziell schnell aufreißenden Pessimismus. Zeiten ändern sich zwar, aber nicht von heute auf morgen. Von daher ist Bergmans messerscharfe und doch irgendwo schwerelose Perspektive jener erfassten Balance und Charakterstärke bis heute immens lebhaft zu beobachten.




MARY POPPINS - In erster Linie ganz klar ein Film, der einfach dechiffrierbar ist, ein simplistisches Wertesystem aufbaut, in dem der Status Quo um Fantasie sowie Verständnis erweitert wird und dennoch so treffend nachwirkt, dass sich daran erneut beweisen lässt, wie enthemmend Musicals ankommen können. Dabei kann man anfangs noch durchaus skeptisch sein, wie rosig das England Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts umgesetzt wird und den Hang des Zuschauers zur Sympathie in die gut situierte Familie der Banks verortet. Vater George W. verdient sich die Stellung seinem Namen entsprechend im Finanzwesen, während seine Frau hauptsächlich im Einsatz für die Suffragetten die Fahne schwenkt. Letztgenannte stellt sodann den Aspekt des Films dar, über den man inzwischen am meisten grübeln kann, jedenfalls ist die Figur nur relativ funktionell anwesend und in ihrem mondänen sowie naiven Aufzug so oberflächlich um die Rechte der Frauen bemüht, dass es unter anderen Umständen als Satire gegen die oberen Zehntausend durchgehen könnte, im filmhistorischen Weltbild um 1964 aber genauso gut zu unterminieren wirkend droht, obgleich der Film sie nie der Lächerlichkeit preis gibt. Ein negatives Urteil wird dem Paar ohnehin nicht zuteil als Mitglieder einer Fortschrittsgesellschaft, so hypokritisch würde es im Hause Disney nun mal nicht zugehen.


Was aber auf dem Prüfstand steht, ist das Verhältnis zu den eigenen Kindern, wie sie nämlich im Schatten der Karriere überhaupt aufwachsen könnten oder dadurch von ihren Eltern vernachlässigt werden. Erneut wird der Kelch der Schuld nicht entschieden an die Erziehungsberechtigten gereicht, solange sie fähige Individuen einstellen, die sie betreuen, aber eins macht der Film klar: Langfristig wird kein stimmiger Erfolg draus, insbesondere wenn nicht auf die Wünsche der Kinder geachtet wird, die sich stets dem durchaus strengen Gestus des Berufsstandes ausgesetzt sehen, den der Film wie eigentlich alles an sich in ein märchenhaftes Gewand steckt. Obwohl Herr Vater weiterhin der rationale Geschäftsmann bleiben will, lässt der Film also trotzdem das Märchen anhand von Mary Poppins in den Haushalt einfliegen. Mit vollem Selbstbewusstsein erfüllt sie das Ideal der Kleinen, gibt sich von außen hin zwar mit Regeln durchsetzendem Charakter, unterwandert diese Wirkung aber natürlich mit einem irren Zauber, der in seinen psychotronischen Effekten in etwa „Tanz der Teufel 2“ vorwegnimmt - nur eben in einer gewiss weit erhebenderen Funktion. Mit Partner Bert, der in glücklicher Bescheidenheit auf der Straße arbeitet, entzieht sich die Erziehung jedenfalls oftmals dem Alltag oder setzt ihn mit traditioneller Tricktechnik in einen Spaß um, der selbst in der post-modernen Betrachtung (also nach der Parodie durch „Die Simpsons“) noch aufrichtige Güte versprüht.


Da geht es mit Gelächter an die Decke, selbst wenn Mary den Schein der Contenance darstellt und dennoch umso selbstverständlicher in die Vorgänge des Herumalberns mit einsteigt. In der Manipulation ihrer Außenwirkung schafft sie es auch, dem Vater Zustimmung und Lehrmaßnahmen zu suggerieren, die er eigentlich nur für seine Kinder angedacht hatte, in ihm aber gleichsam eine Wandlung anstecken, obgleich sein Enthusiasmus dafür etwas länger zum Ankommen braucht. Den Belangen seiner Kinder und dem Sinn einer Familie nachzukommen, ist kein Prozess, der von heute auf morgen gelingt, also passiert der Konflikt der Ideale, erst recht, sobald die Empathie zu den weniger bevorteilten Gesellschaftsschichten vom Film umarmt wird - die Frau mit den Tauben (im Licht atemberaubend verstrahlter Stilisierung) und die ausgefeilte „Step-in-Time“-Sequenz sind in der Hinsicht sehr bezeichnend ausgestellt. Für George ist das alles zuviel - er kriegt die Kelle des Lebens, der jene Mitmenschen öfters begegnet sind, jedoch auch zu spüren, sobald das Establishment seines Berufsstandes ihn als Individuum und seine Leistungen vergisst, weil er sich offenbar einen Fehler zu viel geleistet hat.


George geht jedoch nicht bitter ein, sondern findet die Kraft im enthemmenden Ansatz, den Mary Poppins kraft ihres Amtes in den Haushalt gepflanzt hat. Das lässt sich in psychischer Hinsicht sicherlich als Verharmlosung deklarieren, als Gefühl der Katharsis schlägt der Film damit jedoch wie eine Bombe ein und ist in seiner Überzeichnung mit musikalischen Charakter ohnehin darauf ausgelegt, dass er eine Veräußerlichung des Optimismus auf die Breite der Leinwand als sentimentales (inszenatorisch ohnehin von starker Farb-, Licht-, Kamera- und Schnittdramaturgie gezeichnetes) Technicolor-Spektakel anpasst. Und siehe da, Mary Poppins braucht sich somit als stellvertretendes Ventil des Positiven nicht persönlich verabschieden, da die Familie zueinander sowie jeder zu sich gefunden hat und einander achtet. Erziehung wie Film haben dabei stets immer irgendwo Vorbildcharakter und das kann in manchen Fällen mehr oder weniger inklusive Zeigefinger vonstatten gehen. In diesem Fall jedoch machen die Finger mit einem Schnips alles möglich.




GATE - DIE UNTERIRDISCHEN - Ich erlebe zurzeit recht häufig eine Formel in Sachen Film, die mich ohne Weiteres ködern kann. Die sieht meinen Recherchen nach wie folgt aus: 1) Suburbanes Gehäuse inklusive spießiger Nachbarschaft; 2) Mindestens ein Hund; 3) High-School-Kids mit vorlauter Fresse; 4) Produktionsjahre zwischen 1980 und 1999 für reichlich stilistischen Zeitgeist und eine ganze Menge an irrem Jugendslang, dem man offenbar ausschließlich in deutschen Synchronfassungen begegnet ist; 5) Der Horror kehrt allmählich in die Idylle ein. Mit diesen Faustregeln sind gewiss reichlich Genrebeispiele der Ära ausgestattet und meistens auch von Erfolg gekrönt. Tibor Takács ist vielleicht kein Joe Dante, wenn man seinen Beitrag „Gate - Die Unterirdischen“ zu Rate zieht, doch das Märchen voller kleiner bis größerer Monster kommt alles andere als uneffektiv beim Zuschauer an, nicht nur aufgrund zahlloser (und ehrlich gesagt auch ein Stück weit zeitloser) Special-FX. Takács' Fokus auf letztere Schauwerte offenbart durchaus seinen eher schlichteren Ansporn in der Inszenierung, doch in ihm lässt sich stets ein Freund der Phantastik finden. In erster Linie berichtet er nämlich aus der Sicht des jungen Glens (Stephen Dorff), der in seiner Aura des behüteten Familienhauses zu Beginn schon von schlimmen Alpträumen - ein Höllenschlund im Baumhaus und spurlos verschwundene Eltern - heimgesucht wird.


Dass ein gerade mal zwölfjähriger Junge aus der Mittelschicht solche irrationalen Ängste visualisiert, ist natürlich gar nicht mal so weit hergeholt. Finsternis und Verlorenheit lernt man schon früh genug kennen, wenn man zum Beispiel seine Mutter im Supermarkt aus den Augen verliert. Alles auch eine Frage der Größe oder eben des Mangels daran, anhand dessen selbst das Eigenheim erdrückende Leere und besonders finstere Ecken erzeugen kann. Jeder dürfte in der Hinsicht aus Erfahrung sprechen können - allen voran Drehbuchautor Michael Nankin, der hier spezifische Kindheitserinnerungen verarbeitet und somit auch nicht nur die unbequeme Unkenntnis vor unbekanntem Bösen ballt, sondern auch voller Unbekümmertheit Glens Freundschaft mit Nachbarskind und Heavy-Metal-Nerd Terry (Louis Tripp) sowie die Geschwisterkabbelei mit seiner kessen Schwester Alexandra (Christa Denton) aufzeichnet. Zusammen unternimmt man so manch herzliche Alltags-Trivialitäten, ob nun Modellraketen gezündet werden sollen oder Insekten im Glasbehälter eingefangen werden. Die kleinen Kumpels übernachten ohnehin im Kinderzimmer, doch von den Eltern gibt es zudem noch Hausarrest und Al's (Alexandras Spitzname) Freunde sind erst recht gemein und doof. Wie sagt es Glen doch so schön: „Verkauf doch deine Fresse an den Zirkus!“.


Die Fantasie geht jedoch mit unseren Kids durch, sobald ein ominöses Loch im Garten für einige irre Ereignisse verantwortlich scheint und sich infolgedessen so ziemlich alles bewahrheitet, was in derartigen Provinzen immer für düstere Legenden erzählt werden. Der Grund dafür ist nicht unbedingt ein konservatives Kalkül im Film, schließlich lässt sich hier nicht mal mehr den Eltern vertrauen, die ebenso plötzlich mit finsteren Stimmen sprechen. Viel mehr zeigt sich daran hinsichtlich der Entstehungszeit - erst recht in der jetzt wirklich satanischen Rockmusik Terrys -, wie das suburbane Korsett und damit auch die Reaganomics selbst in der Erziehung verstärkt Verteufelung einbläuten (man denke an D.A.R.E. und Nancy R.'s Kreuzzug gegen Twisted Sister), so dass Glen eben nur immens empfindlich sein kann gegenüber dem behaupteten Horror des Außerhalbs, bis es ihm dann geradezu surreal aus dem Untergrund heraus in die Hacken beißt oder sich sogar klassisch unter dem Bett versteckt. Gleichsam aber findet der Film seine größte Stärke darin, den Belangen des Individuums mit Aufrichtigkeit zu begegnen und mit Glen da mitzufühlen, wo es ein Kind im Heranwachsen eben am Schwierigsten trifft, also wenn es sein näheres Umfeld, seine Freunde und seine Familie zu verlieren glaubt - und dazu zählt natürlich auch der Hund.


Selbst in einigen Party-Teens aus Al's Freundeskreis kommt jenes Verständnis an, wenn davon die Rede ist, dass sich die dunklen Kräfte im Leben nicht immer erklären lassen, Glen also nicht alleine damit ist. Die urige Gruselshow im Verlauf der Handlung ist jedenfalls auch eine gemeinsame Herausforderung in kindlicher Logik; ein Schrecken jenseits der Nacht, der mit der Bewältigung der (Verlust-)Angst einhergeht, dabei aber nicht bloß mit Konservativismus und dem bewährten Mittel der Bibel geschlagen werden kann, als mit der adoleszenten Unschuld. Letzteres muss aber nicht heißen, dass sich Takács schlicht in kindgerechter Atmosphäre aufhält, im Gegenteil: Bei den psychotronischen Lovecraft-Pendants, die sich hier in universeller Heimeligkeit entfalten, hätte sich jeder einst in die Büx geschissen. In seiner grundlegenden Bodenständigkeit bleibt der Film aber auch durchweg leicht genug, um den Spaß am ausgelebten Aberglauben und Vorstadtbubi-Rabaukertum zu feiern sowie umso überraschter an der Wahrhaftigkeit im emotionalen Bündnis teilhaben zu können.




DAS KABINETT DES SCHRECKENS - Gesichtet von 35mm inkl. O-Ton im Rahmen des „Bizarre Cinemas“ im Metropolis Kino Hamburg - Tobe Hooper schaut in die Eingeweide des Prinzips vom Eskapismus im Horror, also wie bereitwillig sich Menschen dem Schrecken hingeben und umso furchtsamer entlassen werden, je bereiter sie ihn zu meistern glauben. Jene Furcht wird auf einen Jahrmarkt verlagert, der in seinen schmierigen Schaubuden voll entsprechender Belegschaft genug Vorzeichen zum Eintritt in die Hölle gibt, in seiner provinziellen Marktschreier-Qualität aber als harmloser Zeitvertreib, sprich reine Unterhaltung, angesehen wird. Seine Figuren - Animatronics in obskurer Aufmachung - altertümlich und grotesk in einer Mechanik des Ekels gefangen, laden bereits im Vorspann zum Schaudern ein. Kurz darauf hüllt sich das Intro kurzzeitig in ein Slasher-Gewand, das sich von Ikonen und Markenzeichen des Horrors umgeben sieht und mit Gummi-Messer in die Dusche steigt. Der kleine Bruder spielt das Abstechen mit der nackten Schwester - ein Bild verstörter Familiendynamik, die ebenso für eher gewöhnlich zwischen den Beteiligten gehandelt wird, in der Gesamtgestaltung Hoopers aber auch das Vorspiel zum weiteren Verlauf darstellt. Amy (Elizabeth Berridge), jene oben genannte Schwester, verbringt ihr Date mit Muskeltype Buzz (Cooper Huckabee) nämlich im titelgebenden „Funhouse“ und seinen umgebenden Attraktionen. 


Als Alternative wäre sogar ein Kinobesuch drin gewesen, womöglich so wie ihre Eltern auf dem Fernseher auch „Frankensteins Braut“ einnehmen. Ehe der Film weitere Monstren aus dem Fundus der Universal Studios aufleben lässt, begegnen wir in langsamer, doch stets mit Unbehagen erfüllter Optik den grell flirrenden Lichtern in der Nacht, welche die Karusselle der Unterhaltung von sich geben sowie den Attraktionen und Personen des künstlichen Spektakels - Freakshows, Strips, dreckige Toiletten und keifernde Enthaltsamkeitsdamen inklusive. Man muss im Gegensatz zum „Blutgericht in Texas“ also nicht mehr tief in die Abgeschiedenheit schauen, um das dunkle Herz Amerikas aufzuspüren. Amys Bruder Joey erfährt das alleine schon am Wegesrand Richtung Karneval, schließlich will er sich ebenso ins reizvolle Unbekannte einsteigen. Der Wagemut fördert jedoch bei allen eine Herausforderung hervor, der weit mehr Terror innewohnt, als einem lieb ist - die mediale Begegnung mit den dunklen Seiten der Menschheit bleibt kein bloßes Zuschauen. Die Unbekümmertheit der mittelamerikanischen Jugend hat das Grauen unterschätzt und muss nun, eingeschlossen in den Innereien des Betriebs, durch die schweigsame Finsternis schleichen sowie im roten Licht voll entgeisterter Schreckensfratzen den Angriff fürchten. Das Monster hat dabei seine Karloff'sche Frankenstein-Plastikmaske abgerissen, somit die schlicht vom Menschen und dessen Hang zum Unmenschlichen erschaffene Mutation freigelegt. Aber natürlich auch nur, weil sich getraut wurde, dessen Geldeinnahmen zu entwenden.


Jene abgründigen Geschäftsmänner, die man besser nicht betrügen sollte, nehmen dabei auch Hoopers zweites „Texas Chainsaw Massacre“ vorweg, wie auch dieser Film den Erstling in vielerlei Hinsicht zitiert. Das Selbstzitat findet sich aber stimmig ein in dieser Ausstellung von Gruselarchetypen binnen eines Räudenschuppens, der die Ausmaße menschlicher Furcht in seiner ganz eigenen Zwischenwelt fixiert. Gleichermaßen muss man dabei mit einem Erzähltempo Vorlieb nehmen, das im klassischen Sinne umherwandern lässt und in entscheidenden Momenten aus dem Unterholz zupackt, mit dem Apparat Urängste sowie Lebensgeister aufschrecken lässt und die Unschuld danach in kompletter Einsamkeit entlässt. Ganz gleich, wie entbehrlich dabei die einzelnen Charakterwerte überhaupt zur Zuschauerpartizipation beitragen und wie kurz gedacht das Drehbuch sein Potenzial teilweise ausspielt: Als Zuschauer denkt man sich so oder so recht gut in die Beklemmung hinein. Die Eltern können einen nicht hören, die Ventilatoren brummen die Außenwelt hinfort und im Labyrinth der Technik sind Protze und Grübchen verletzlicher denn je. Am Ende lacht das „Funhouse“ seine Besucher aus, sie haben auf jeden Fall was fürs Geld bekommen: Einen Schrecken fürs Leben. Oder eben auch eine unbarmherzige Schlussnote von Terror-Hooper, obwohl dieser sein Genre-Innengehäuse bezwingen ließ. Umso ironischer grüßen sodann die letzten Bilder des Abspanns, doch mal die Universal Studios besuchen zu kommen, wo sich die gleiche Monsterschaft nochmal versammelt.




TÖDLICHE ABRECHNUNG - Ich bin für diesen Film wieder on-screen gegangen, um Lewis Teagues etwas anderen Selbstjustiz-Film unter die Lupe zu nehmen, der von seiner Aufmachung her zwar das übliche Genreprozedere verspricht, in seiner Charakterzeichnung aber mit Ambivalenzen punktet, die einem Charles Bronson höchstens ansatzweise ins Gesicht geschrieben werden könnten. Der urbane Crime tritt gegen die Selbstgefälligkeit des Reagan-Pöbels an, es wird spannend, wirft Sympathien durcheinander, beweist die Nötigkeit einer unbefangenen Diskussion bei derartiger Thematik und kommt dennoch auf einige gemeinsame Nenner mit den Schauwerten eines Michael Winners - wenn auch beileibe nicht so exploitativ, wie es das Poster vermittelt. Mehr dazu in den folgenden zehn Minuten:




Bonus-Zeugs:




DIE 5. WELLE - "[...] Schließlich sind die Außerirdischen im Anmarsch und mächtig böse drauf – die Inszenierung in Bild und Ton gibt gerne Nachhilfe, diese Deutung mit drögem Ernst festzustellen und lässt den Invasoren eine ebenso raffinierte Betitelung zukommen: die Anderen. [...] Die Konklusion des Ganzen arbeitet sich sodann an Stichpunkten ab, denen man in typischer Blockbustermanier stets begegnet, doch hier noch eine Spur lustloser wirken. Dass das Pathos nicht nachwirkt, liegt an der eingangs erwähnten Rationalisierung der erzählerischen Routine, die eine Begegnung mit den Figuren nur an der Oberfläche ermöglicht. Zeitgleich zeigt sich daran das Unvermögen, Charaktere mithilfe visueller Mittel oder pointierter Sequenzen zu etablieren beziehungsweise nachhaltig zu verinnerlichen. Stattdessen regiert inszenatorische Fließbandarbeit nach Vorschrift. [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen