Sonntag, 25. September 2016

Tipps vom 19.09. bis 25.09.2016 (Wirre Woche)

Potrait ihres beliebten Chefredakteurs Christian Witte:

 
Liebe Leser,
was für eine wirre Woche! Jeden Tag hatte ich mindestens zwei Filme geschafft, aus der Bücherhalle zudem erstmals einige Videospiele ausgeliehen (u.a. das recht nette „Captain Toad: Treasure Tracker“ für die Wii U), mehrere Looney-Tunes-Kurzfilme, alte „Simpsons“-Folgen, etc. gesichtet und doch glaube ich, dass ich mehr hätte schreiben können, auch wenn der Umfang für die zentralen vier Filme geradezu wieder in die Vollen geht. Vielleicht rührt mein Gemütszustand daher, dass viele Sichtungen diese Woche enttäuschend ausfielen und ich mir im Nachhinein mehr Titel gewünscht hätte, die punktgenau im Herzen landen oder zumindest die Aufmerksamkeit des Lesers in die Stratosphäre der Relevanz katapultieren würden (die neue Blu-Ray von Roger Fritz' „Mädchen, Mädchen“ z.B. liegt noch ungesehen herum). Kann man natürlich schlecht einschätzen, wie das Angebot der Woche diesmal ankommt, auf jeden Fall sind jene Streifen jetzt nicht die offensichtlichsten Kandidaten und ich bin mal ehrlich: So kompliziert hatte ich schon lange nichts mehr in der Nachbetrachtung empfunden, wie hiesiges Ensemble aus hauptsächlich asiatischem Filmgut, unter dem zu alledem noch ein streitbarer Amerikaner haust. In jedem Fall die Qualitäten zu benennen, gestaltet sich von Woche zu Woche eben mal mehr, mal weniger schwierig, wenn man ebenso ungefähr vermitteln will, wie viel stets vorgeht in einem zur Betrachtung herangeholten Beispiel. Und da sind im Grunde allesamt geradliniger gestaltet, als es mein Schreibstil vielleicht reflektiert, doch die Eigenarten schlagen sich wie ein roter Faden mit Karacho durchs Gehirn. Das gilt übrigens auch für jene Filme, die eher unter „Ferner Liefen“ bis „Geht so“ einzuordnen sind, im Folgenden aber dennoch ein bisschen Platz verdient haben:


Besonders auffällig möchte ich da Jack Sholders Debüt „Zwei Stunden vor Mitternacht“ (also 22 Uhr) benennen, das einen Stimmungsmix an unkonventionell eingesetzten Horror-Topoi sowie gewitzte Einfälle für die Home Invasion einer Reihe profilierter Psychopathen (Martin Landau, Jack Palance, Donald Pleasance) anbietet, im Tempo jedoch auf reichlich schleppenden Phasen ausgetragen wird. Einige metaphysische Sequenzen weisen da schon auf die baldige Zukunft des Sholders in „Nightmare 2 - Die Rache“ hin, doch die Stringenz entweicht ihm ein Stück weit auf dem Pfad umgekehrter Erwartungen und verzerrter Einbildungen. Ebenso auf den Horror gekommen, glaubt man bei „Prom Night - Das Grauen kommt um Mitternacht“ (diesmal also genau 00.00 Uhr) anfangs ebenso, dass der Film seine Slasher-Zutaten durchweg mit inszenatorischem Witz auf falsche Fährten locken würde, doch leider entwickelt sich Richtung Abschlusstanz wieder nur das bewährte Killen - diesmal trifft es zumindest keine Unschuldigen (eher Anti-Helden), was den Spannungsbogen allerdings umso passiver zum erwartbaren Finale führen lässt, wenn jene Art Rache als Grundinteresse wenig Boden zur Emotion freigibt. Um meine Urteilssprechung nach Manier des „Lexikon des internationalen Films“ fortzusetzen, sei aber auch gesagt, dass sich Bob Clarks „Karriere mit links“ genauso urig an filmischer Bewandtnis verhebelt, wenn Judd Nelson als überheblicher Anwalt die Sympathien des Zuschauers erhaschen soll, mit theatralischen Tricks zunächst eine Art Komödie vor Gesicht aufzieht, in der zweiten Hälfte jedoch auf einen spekulativ soziopathischen John Hurt trifft, dessen Fallausgang höchstens „Der Richter - Recht oder Ehre“ alle Ehre machen würde. Ebenso mit an Bord: Stumpfe Expositionsmonologe, die Sympathie zum neokonservativen Erfolg/Fucking-Over, haarsträubende Justizprozesse und zumindest noch einige Andeutungen vom anatomischen Kammerspiel mit einem Mörder. Worauf der Film seinen Fokus legen will, mag er innerhalb von knapp zwei Stunden Laufzeit allerdings nie so recht entscheiden oder mit echtem Biss anpacken. Echter Biss ist allerdings auch Mangelware bei (Achtung, noch ein Regisseur, der hier normalerweise gut wegkommt) John Carpenters Biopic „Elvis“, das als Dick-Clark-TV-Produktion einem harmlosen Narrativ zum Werdegang des Kings treu bleibt, die emotionale Spannweite höchstens auf Presleys Liebe zu den Frauen ausweitet, eben wie sehr er an seiner Mutter hing, ihre schwarzen Haare bei sich und Gattin Priscilla emulierte. Darüber hinaus ist die Rekreation der Ära sowie die dazugehörigen chronologischen Höhepunkte souverän auf Filmformat aufbereitet worden, doch die Essenz dessen bleibt einzig und allein an der energischen Darbietung durch Kurt Russell hängen. Das bleibt selbst bei knapp drei Stunden Überlänge kurzweilig, doch der wahre spannende Saft, z.B. vom Widerstand der Konservativen gegen das Sexsymbol Elvis oder alles nach dem Comeback von 1969, kommt nicht zur Sprache. Anthony Lawrence, Drehbuchautor vieler echter Elvis-Vehikel und auch dieses TV-Films, wollte/durfte sich wohl nicht mehr trauen und Carpenter selbst spürt man erst recht kaum bis gar nicht, wenn man denn von manchen Parallelen zum High-School-Dasein in „Christine“ absieht.


Damit macht er aber noch eine bessere Figur als Rudolf Thome mit seinem zweiten Spielfilm „Rote Sonne“, öftermals eine Art Vorzeige-Reflexion über den 68er-Zeitgeist an „Gammlern“, APO und RAF-Terror, die sich abgesehen von ihrer bedingungslosen Ruhe nur schwer vom romantisierten Milieu mörderischer Belanglosigkeit trennen kann, in emanzipatorischer Funktion nur behauptete oder an Misogynie grenzende Töne anschlägt und zu allem Übel ausschließlich endkarge Tapeten vorzuweisen hat. Daran die seelische Leere zu erklären, ist schnell Unterforderung pur fürs visuelle Spektrum, ansonsten hat die Atmosphäre einige liebliche Eindrücke, Unbedarftheiten und surreale Laien-Aktionen (der Showdown!) parat, die es jedoch schwer haben, sich zwischen dieser Selbstgefälligkeit an Nichtigkeiten innerhalb der Münchener Bohème zu entfalten, welche von der kalten Synchronisation zusätzlich wie erwürgt scheint. Ein Problem, das Klaus Lemkes „Negresco**** - Eine tödliche Affäre“ ebenso hatte, weshalb seine Filme darauf der synchronisiert-gestellten Coolness vollends entsagten (deren Rückkehr im „Zocker-Express“ kam demnach umso blasser an). Konsequentes Durchziehen propagiert hingegen Rob Zombie mit seinem neuen Werk „31“, das schnell klar macht, wie wenig Interesse es an dramaturgischen Absichten innerhalb seiner Gruppe an mit der Sterblichkeit konfrontierten Protagonisten hat. Stattdessen herrscht beinahe pausenlos totaler Horror, schamlos in gewaltverherrlichende Exploitation abdriftend, die gänzlich Zombies inszenatorische Eigenarten und Terror-Vorlieben bedient, je tiefer sie in die Grundprämissen des Genres schaut und die menschlichen Feindbilder schlechthin ums Schreckenslabyrinth jagt. In dieser knalligen Räudenwelt aus Blut, Dreck und Stahl könnte man aber auch einen Rückschritt im Vergleich zu „Lords of Salem“ sehen, wenn Grindhouse-Impulse à la „The Devils Rejects“ reiteriert werden, Stimmung für den Knalleffekt geopfert wird, der Dialog größtenteils aus „Fuck“ besteht und man ohnehin das Gefühl hat, dass Zombie bei aller gelebten Freiheit nur wenige Register an Variation anfährt. Nicht, dass da trotzdem die Feier zur Intensität durchweg stattfindet, aber irgendwann ist sie auch erschöpft und findet bewusst keinen entlastenden Schlusspunkt. Unser Rob kommt wieder, keine Frage, als Stärkung zwischendurch ist „31“ (die Nummer vom 31. Oktober, sprich Halloween, ta-damm!) immerhin noch saftig genug in eigener Soße. Zum Abschluss dieser kurzen Betrachtung des Nicht-Besprochenen sei dann noch „Die Zeitungsjungen“ von Kenny Ortega erwähnt - ein Disney-Musical, das den jungen Christian Bale als Anführer einer Gewerkschaft von Zeitungsjungen zeigt, die sich im frühen 20. Jahrhundert dagegen auflehnten, im Wettstreit zwischen den Pressemogulen Pulitzer und Hearst immer den Kürzeren ziehen sowie draufzahlen zu müssen. Das kindgerechte Epos bringt das Flair des alten New Yorks mit vollem Period-Piece-Einsatz zur Geltung, gleichsam glatt laufen die typischen Charakterisierungen von hoffnungsvollen Träumern, gehemmten Idealisten, draufgängerischen Brooklyninskis und hinkenden Mitstreitern, die sich gemeinsam auf die Freundschaft einschwören, gegen böse Gangs, ausbeuterische Fettsäcke und einen Herrn Pulitzer (Robert Duvall) auflehnen, wie er derartig antagonistisch wohl selten gezeichnet werden dürfte. Es ist schwer zu sagen, was neben der souveränen Erfüllung der Erwartungen aufgrund dieser Ausgangslage speziell zu erwähnen wäre, aber: die choreographierten Gesangsnummern sind ein Stimmungsheber vor dem Herren, Ann-Margret ist wie immer aufreizend am Start, der „California“-Junge aus „Joystick Heroes“ verarscht die Leute, Bill Pullman ist als aufrechter Reporter Bryan Denton eine große Hilfe und zum Schluss ergeben Katharsis, Einsicht und Einigkeit einen Schlussakkord, der in seiner Herzlichkeit weit mehr rührt, als dass man es vom bisherigen Prozedere erwartet hätte. Geht eben langsam ins Mark, aber ist durchaus eines der sympathischeren Beispiele dieser Woche geworden.


Ohne Scheiß: Es wird eh wieder Zeit für ein bisschen mehr Optimismus, wie mir scheint. Deshalb Vorhang auf für diese interessanten oder gar tollen Werke in der detaillierten Besprechung:




Unter dem Banner der Nikkatsu Corp. findet man seit jeher unzählige Filme des Pinku Eiga, einem Genre, das in seiner Kunstfertigkeit und Selbstverständlichkeit im Spannungsfeld erotischer Machtverhältnisse heute kaum noch als Mainstream denkbar wäre. Nur ein Bruchteil hat es zudem bislang in westliche Gefilde geschafft, weshalb ich mit beinahe schauriger Regelmäßigkeit Werke kennenlerne, deren Qualitäten maßlos unterschätzt scheinen. Tatsumi Kumashiros „Shoujo shofu: kemonomichi“ aka „Path of the Beast“ gehört wiederum zu solchen Erfahrungen und lässt sich dennoch selbst innerhalb der vielen Varianten und Signale an Exploitation nur schwer kategorisieren. In gerade mal 72 Minuten Laufzeit zeichnet er ein Gesamtbild äußerer und innerer Verwüstung, mit Blick auf eine Küstengegend kleinster Menschenmenge, welche ein noch abgekoppelteres Eiland suggeriert, als es Japan ohnehin schon zu sein scheint. Gleichsam sind die Verhältnisse unter Figuren triebgesteuert in der Tristesse verankert, anstatt dass sich der Film auf konventionellem Wege zu Sympathien aufmachen würde - die Verwahrlosung in der Ziellosigkeit greift um und da ziehen die Handlungen schon früh einen Reiz aus den Lücken ihrer Impulse. Auf die körperliche Sehnsucht wird weniger Wert gelegt, als dass die kollektive Isolation hier zum frühen Zerfall eines jungen Mädchens stilisiert wird. Saki (Ayako Yoshimura) sieht sich insofern mit Schlüsselereignissen konfrontiert, die sie als Frau ausnutzen und prägen - ehe ihr Urteilsvermögen überhaupt reif dafür ist, wird sie schwanger und von den möglichen Vätern abwechselnd dazu motiviert, das Kind abzutreiben oder zu behalten, je tiefer die verzerrten Ehrgefühle im männlichen Geschlecht Einfluss zu üben versuchen. Natürlich sind letztere selbst im fortgeschrittenen Alter kein Deut erwachsener, höchstens Symptome eines sozialen Sadismus, den der Film als kritischen Würgegriff vergegenwärtigt. Mit den Mitteln der Demütigung z.B. überredet Sotoo (Mon Muso) sie zum ersten Mal, gleich nach einer Fahrradfahrt zum Strand so energisch deklariert, obgleich er ihr zusätzlich dazu zeigt, wie er Möwen mit Steinen vom Himmel holen kann. Der Beweis der Gewalt erzeugt Angst und Willigkeit, fortan scheint sie den Erwartungen halber wie imprägniert zur Promiskuität gezwungen, die sodann auch vom älteren Schwerenöter Ataru (Yûya Uchida) forciert wird. Das Psychogramm dieser Beziehungen lässt Regisseur Kumashiro nicht vollends transparent, dennoch lässt er einige pointierte Faktoren durch, die an diesem Drama teilhaben: Sakis Mutter Yûko (Minako Mizushima) z.B. lässt sich mit einer Vielzahl von Kerlen ein, damit diese ihre Imbissstände schieben und sie sich nicht permanent abrackern muss.


Zudem reichen Sakis Erinnerungen an den verstorbenen Vater nur bis zu einem einst beobachteten Beischlaf, den sie so idealisiert, dass man den Hang zur Abhängigkeit einigermaßen nachvollziehen kann. Die verstörte Einsamkeit aller in diesem Ambiente behält jedoch überhand, so verzweifelt die Sucht nach dem Beischlaf den Alltag beherrscht, in dem man sich am ehesten dafür begeistern kann, auszurechnen, wie oft im Jahr man theoretisch Sex haben könnte. Dem chancenlosen Ambiente nach bleibt alles andere am Straßenrand, weshalb der Zynismus untereinander greift, am Kreislauf an Demütigungen zu Wunschträumen der Penetration neigt, während einen die psychische Apokalypse schon fortgeschritten im Sand vergräbt, dass die Möwe ebenso immer wieder aufs Neue tot ins Wasser fällt. Die Natur spielt hier gewiss eine große Rolle, um das Gemüt der Figuren zu reflektieren, so unwohl sich Regen und Hitze abwechseln, von außen mit brutalen Wellen knallen und in der Festlandstille ebenbürtig unbarmherzig auf endlose Kargheiten deuten. Da wird die Befriedigung nur schlüssig zur Verzweiflungstat und in der Selbstgefälligkeit der Männer erst recht kein Unterfangen der Treue, wovon sich Saki durchaus einiges an Unmenschlichkeit abschaut und den jeweiligen Herren vom Schwanz des anderen vorschwärmt, in ihrer korrumpierten Naivität zeitgleich jedoch zur chaotischen Drastik des Affekts getrieben wird. Wohlgemerkt bleibt das in diesem Film keine rein weibliche Erscheinung, so wie die ausweglose Ausbeutung der Frau porträtiert wird, die in jener gesellschaftlich geduldeten Form eine Dreiecksbeziehung an Enttäuschungen, Fatalitäten und offenen Ungewissheiten ergibt, in welcher jeder jeden verletzt, aufgeilt und im Endeffekt zur ewigen Maloche verdammt. Im Vergleich zu anderen Genre-Vertretern ist Kumashiro dann auch nicht zur Fleischbeschau angetreten, sondern dem bitteren Gefühl verbunden, das hier als Nebel der Hilflosigkeit herumtreibt. Wenn hier im Intimen geschwiegen wird, ist das verstörender als jeder Schrei, so bedingungslos sich den Bedingungen eines Anderen hingegeben und die Frage nach dem wahren Vater zur erzwungenen Beobachtung angeleitet wird, nachdem man den Konkurrenten gerade noch vom Freitod in den Wellen retten konnte. Die Grausamkeiten der Liebe lassen hier die eigenen Köpfe zuschütten, Messer in Füße einstechen, das Zusammensein als vergängliche Not schlechthin auftreten, bei der Saki sogar noch ihre Mutter annuckelt, um ihrer Empathie Ausdruck zu verleihen. Nicht, dass der Film überakzentuiert oder gar den Pathos eines Sozialpornos aus jenen Eindrücken schöpft, schließlich würde das ja thematische Eindeutigkeiten beinhalten, die in der bewusst losen Dramaturgie eh nicht fruchten sollen, stattdessen vielmehr Ambivalenzen des Selbstbewusstseins und der Bildung an Sehnsüchten ergänzen.




Renny Harlin, seit jeher ein waschechter Harlin Globetrotter, ist mit „Skiptrace“ dieser Tage an einen chinesischen Blockbuster geraten, der womöglich das beste Jackie-Chan-Vehikel seit „Rush Hour 3“ darstellt. Sodann wundert es auch nicht, dass hier vielerlei Bezüge zum Buddy-Cop-Faktor vergangener Erfolge bestehen, sobald sich Chan als Hongkong-Inspektor Benny Chan (!) mit dem unfreiwilligen Partner Connor Watts (Johnny Knoxville) auf Reisen begibt, obwohl er diesen an die Behörden in Macau zu überführen versucht. Das Prozedere gestaltet sich entsprechend simpel im Zeichen jener Prämisse und ist allein deshalb schon eine willkommene Abwechslung zum aktuelleren Chan-Œvre, das sich eher - wie exemplarisch an „Chinese Zodiac“ feststellbar - an konfus wie uninspiriert geballten Blockbuster-Topoi sowie propagandistischen Ideologien abzuarbeiten versteht, anstatt die akrobatische Frechheit seines Hauptdarstellers entsprechend zu würdigen. Auch wenn früher schon in „Police Story“ und Konsorten zur Idealisierung von Milieus, Recht und Ordnung angelegt wurde, ist nun mal der Einfluss regierungskonformer Verharmlosung inklusive obligatorischen Lumpensoundtrack zu spüren und obgleich sich in der Darstellung von Verbrechen, Korruption oder Militär hier mehr Freiheiten als z.B. in „Special ID“ erlaubt werden, kommt durchweg ein Hang zur touristischen Attraktivität zum Vorschein, wie er allmählich auch im globalen Franchise-Apparat zur Gewohnheit geworden ist. Als reines Unterhaltungsstück allerdings vermeidet „Skiptrace“ größtenteils die Falltüren politischen Kalküls und geht im Grunde so unbelastet wie „Shang-High Noon“ und Co. auf das Treffen von Ost und West ein, dessen Typen man schon des Öfteren begegnet ist und daher auch erwartbare Wege des charakterlichn Wandels hervorruft: Chan als ehrgeiziger Bulle, der nie abschalten kann und dennoch kein Chaos auslässt; Knoxville als risikoreifer Hitzkopf und Frauenheld, der ebenso stets in ungesunde Schlamassel gerät. Beide haben ihre Fähigkeiten und Macken, können sich gegenseitig nicht ausstehen und doch nicht ohne einander vorankommen, ehe sie sich die richtigen K.O.-Griffe beibringen. Jackie hängt stur an seinem Job und beschützt seinen Gefangenen zur Pflichterfüllung vor den Bösen, Johnny versucht dauernd zu fliehen und mischt dennoch kräftig im Teamwork mit, wenn die Verfolger das Duo hetzen. Eine klassische Comedy-Routine halt, die anfangs noch deutlich vom verworrenen Krimi-Plot gehemmt wird, in welchem Der Matador, ein geheimnisvoller Boss der Unterwelt, für den Tod von Chans Partner verantwortlich scheint und zudem eine Lady auf dem Gewissen hat, welche dem von der Russenmafia verfolgten Watts in ihren letzten Atemzügen noch ein Handy in die Hand gedrückt hat. Dieses beherbergt brisante Informationen, die im Verlauf durch einige überflüssige Rückblenden aufgeklärt werden, während der Schnitt in der Etablierung seiner selbst auch ebenbürtig unbeholfen auf jene unsäglichen Standbilder zurückgreift, in denen Charakternamen wie Pop-Art aufschreien, während manch Voiceover die Lage zusätzlich einzuordnen versucht.


Überholt, überhastet und überflüssig springt der erste Akt somit über mehrere Standorte und Charaktere, hofft auf den verbindenden Faktor von Chans hübschem Patenkind Samantha (Bingbing Fan) und arbeitet dennoch nur schwer auf eine Involvierung des Zuschauers hin, wenn Harlin fröhlich durch ein Arsenal an Aufwand (inkl. schlechten Computereffekten), Schauplätzen und Gags hüpft. Irgendwann jedoch treffen sich die Parteien endlich zu einem Scharmützel klassischer Chan-Action, das in der Tradition effektiver Eskalation (sowie ihrer Manifestation in einer Matrjoschka) zum Stuntvergnügen einlädt und Kulissen fantasievoll ausreizt, wobei sowohl Chan wieder zu ungefähren Höchstformen auffährt als auch durch Knoxville einen würdigen Mitspieler des Selbsteinsatzes erhält, der im brachial choreographierten Slapstick engagiert einsteckt wie austeilt. Überhaupt fragt man sich (gleich nach „A Dirty Shame“ von letzter Woche), warum Knoxville im Kino der Moderne keine größere Plattform erhält, der risikobereite Entertainer an ihm unterfordert bleibt und dennoch das meiste aus seinen Möglichkeiten zieht, wenn man hier sein Spiel betrachtet, das sogar Harlins mangelhafte Stringenz zu kaschieren versteht. Es legt zudem den Grundstein für ein Abenteuer unter unfreiwilligen Kumpels, welches die Beiden von Sibirien über die Mongolei nach Hongkong zurück führt, wo das Spiel der Rivalitäten à la Cop/Crook zu einer gewitzten Bandbreite an Situationskomiken führt, die vielleicht nicht sonderlich originell ausartet, aber noch die Art enthemmende Laune mit sich bringt, die Chans Old-School-Charme für gewöhnlich aus der Kiste lockt. Bei den Mongolen z.B. entwickelt sich eine musikalische Nummer der Brüderlichkeit im Kreis der Kulturen, wie es anhand derer Märchenhaftigkeit überraschend herzlich ankommt (auf jeden Fall mehrere Ligen über dem abgestandenen Vaterlandsquark von „Little Big Soldier“) - nur ein Aspekt vom Bündel an Unbekümmertheit, das den Film in seiner Mitte so herausstechen lässt. Dennoch wünscht man sich zeitweise, dass Harlin länger in den jeweiligen Lokalitäten verbleiben könnte, so wie sich seine Ressourcen für mehrere Topfilme anbieten dürften sowie erneut klasse kämpfende Ladys miteinbeziehen, aber letzten Endes doch vorantreiben müssen, wie sich der Fall für unsere Zwei aufklärt. Zum Finale hin waltet also wieder das Desinteresse des Konsens-Plots, immerhin mit genügend Kampf- und Jagdsequenzen ausgestattet, bis dann doch noch einigermaßen wahrhaftig (in einer Szene mit Richard Ng) die Kraft der Freundschaft auf die Probe gestellt wird, zu welcher Zukunft man dem Gegenüber verhelfen will, was richtig und falsch ist, wer als wahrer Vater/Liebhaber Samanthas wirken kann („Path of the Beast“ lässt grüßen). Vorbildliche Polizeiarbeit (auch mal über die Regeln hinweg), eine Handvoll Melodramatik sowie ein actionreiches Happy-End schließen die Erwartungen im Standard-Modus ab, doch bis dahin hat der Plot genügend Abstand von sich selbst genommen, um den Spaß an der Chan/Knoxville-Paarung über die Erwartungen hinaus zu erfüllen - was dennoch nicht verschleiert, was für ein Honk-Streifen „Skiptrace“ einfach sein muss.




Mehr Hollywood geht hingegen nicht, wenn man „Fletchers Visionen“ betrachtet, eine jener Kollaborationen zwischen Richard Donner und Mel Gibson, welche sich binnen der 80er und 90er Jahre galant aufeinander verlassen konnten, inmitten der „Lethal Weapon“-Reihe also auch versuchten, ein High-Concept-Genre-Kompendium zum Thema Verschwörungstheorien anzuleiern - daher auch der Originaltitel „Conspiracy Theory“. Knapp 20 Jahre nach Veröffentlichung und Ausbreitung des Internets kann man sich allerdings nur schwer vorstellen, wie man die obsessiven Individuen jenes Phänomens des Misstrauens irgendwie liebenswert gestalten könnte, doch dieser Film versucht sein Bestes, auch aus den verdrehtesten Wirrkopfhandlungen seines Protagonisten etwas Mitreißendes, gar Romantisches zu stilisieren. Mit einem Autor wie Brian Helgeland am Start stellt das nicht mal eine schiere Unmöglichkeit dar, wird in Kombination mit dem Umstand einer Joel-Silver-Produktion zudem entsprechend mit facettenreichen Szenarien angefüllt - doch es kommt so oder so urig an, derartig unbefangen einen Menschenschlag zu inszenieren, der in nicht allzu ferner Zukunft nimmer mit „9/11 was an inside job!“ aufhören und sich hierin sogar bestätigt sehen konnte. Als ob die retroaktive Problematik nicht schon reichhaltig genug wäre, hat man mit Gibson ohnehin einen Darsteller am Ruder, dessen Vater u.a. Holocaust-Leugner ist, obgleich das private Auftreten des Sohnemanns sogar noch präsenter gegen jede Sympathie immun sein zu wollen scheint. Eine bipolare Störung tut da wohl seit jeher ihr Übriges, auf jeden Fall scheint Gibson teilweise nicht allzu fern zu sein von dem Charakter, den er hier verkörpert, weshalb bereits das Intro einer genaueren Betrachtung bedarf. Hier erzählt Taxifahrer Jerry Fletcher (Gibson) seinen Fahrgästen in dynamischer Montage von reichlich variierenden Verschwörungstheorien, die in einem Redeschwall daherkommen, dem keiner etwas entgegenzubringen wagt und dem alle mehr oder weniger gespannt zuzuhören scheinen, was eben auch am geschickten Umgang Jerrys liegt, der seine Manie in pointierter Lockerheit zu verpacken versteht. Das geht so selbstsicher von der Hand, dass es schon früh exemplarisch wird für den eigentlichen Reiz an der Person Gibsons, die als Schauspieler von anspornendem Talent zeugt, in der Ideologie jedoch eine Menge Bullshit verkauft, was auch insofern bekräftigt wird, dass die meisten in jener Montage aufgeführten Gespräche seiner Improvisation geschuldet sind. Spätestens dann kommt man nicht umhin, Fletcher als Abbild Gibsons zu verstehen, an dem sich sodann der paranoide Stalker sowie der keck-urbane Held der Herzen entfaltet. Die intensive Wahrhaftigkeit im Spiel wird also schon ambivalenter Schauwert genug für mehr als zwei Stunden an Laufzeit, doch während der Film daraus Momente schöpft, die zwischen Humor und Psycho pendeln, entwickelt er eben noch einen Plot defensiver Regierungskräfte, die Jerry schnurstracks auf der Spur sind, sobald er quasi per Zufall eine vertuschenswerte Wahrheit in Umlauf bringt, selbst wenn sie nur an die fünf Leute erreicht. Die Gegenmaßnahmen der CIA und deren sinesteren Unterorganisationen muss man in ihrer Auffälligkeit schlicht als naive Fantasie empfinden, so wie der mysteriöse Dr. Jonas (Patrick Stewart) das MKUltra an Jerry manifestieren lässt und zudem Alice Sutton (Julia Roberts, die schönste Frau der Woche), eine Mitarbeiterin des Justizministeriums, hineinzieht. Die ist zuvor schon der Lichtblick Fletchers, welcher sie vom Taxi aus mit Fernglas in ihrer Wohnung beobachtet, via Frankie Vallis „Can't take my eyes off you“ idealisiert und sie auch mit aufbrausender Dringlichkeit mehrmals in ihrer Kanzlei aufsucht, um angehört zu werden und vielleicht noch ein Bild von ihr für seine Wand-Collage an Merkwürdigkeiten zu erhaschen. 


Alles Vorzeichen einer Verbotsverfügung - stattdessen aber baut sich jene pervertierte Ausgangslage daraus kontinuierlich ein Caper auf, wie es weniger auf der Realität als auf der Unwiderstehlichkeit des Hollywood-Baukasten basiert, selbst obwohl Carter Burwells Score durchweg an die ungewissen, inneren Zustände der Coen-Brüder-Filme erinnert. Gut also, dass der Begriff Liebe in diesem Fall distinktiv zum Überbegriff „Geronimo“ umgemünzt wird, der so sehr an die Überhöhung glaubt, dass er auch mehrmals zufällig à la „Nummer 23“ vorkommt. Aber ja, es wirkt schon widersinnig, wie sich Frau Sutton in diese Angelegenheit einmischt, an Fletchers Ängsten eine Wahrheit vermutet und ihm auf jeder Ebene der Flucht behilflich wird, je mehr Signale sich zum Verschwörungsthriller verdichten. Regisseur Donner besitzt angesichts dieser Irrationalitäten jedoch ein gutes Händchen dafür, einen ansprechenden Strom an audiovisueller Gestaltung zu ballen, wenn es um die Vereinigung vieler gegensätzlicher Berührungspunkte und Emotionen geht. Action, Spannung, Gags, Euphorie und Verwirrung, Angst und Zuneigung: Im souveränen 1997-Gewand bleibt sich der Stil stringent treu, sei es durch die Erdung im variabel genutzten Realitätsbezug oder durch die Stroboskop-durchfluteten Ereignisse um Fletcher, der mal mit hochgeklebten Augenlidern sowie im Rollstuhl sitzend Treppen runterstürzt oder ein andern mal mit Kotze im Gesicht durch den Wäscheschacht eines Krankenhauses düst - da ist's nur die Spitze des Eisbergs, wenn er Dr. Jonas die halbe Nase abbeißt. Man merkt, dieser Film ergibt sich seiner bizarren Natur, erst recht, wenn Alice Sutton bei Fletcher zuhause ankommt und die volle Bandbreite seines Paranoiker-Apparats feststellt, bei dem jeder die Flucht ergreifen würde, sie jedoch sogar bleibt, nachdem ihr sich durchweg seine gar posttraumatischen Neurosen offenbart haben. Nicht, dass sie ein völlig willenloser Charakter wäre, der alles ungefragt mitmacht, doch der Film macht es sich letztendlich zu einfach mit ihr - sie übernimmt auch einige seiner Tricks, die gegen die Machenschaften der CIA durchaus von Vorteil sind. Weil diese Konstellation aber ebenso noch nicht genug an Inhalt für den Film ist, versucht Fletcher zudem, sie an ihre Leidenschaft des Pferdereitens zu erinnern, damit sie ihr wahres Glück wieder erwecken solle und er im Sinne des Films nicht vollends wie ein gruseliger Spinner rüber kommt. Neben allen Bestätigungen seiner Theorien wird das auch damit deeskaliert, dass knapp ab der zweiten Hälfte soviel Ernst vorherrscht, anhand dessen man sich gepflegt in der detailliert aufgedeckten Rationalität bisheriger Ereignisse ausruhen darf, ehe ein Showdown feinster Verknüpfungen auf kernige wie kitschige Erwartungen zugleich eingeht. Der Epilog dazu bringt die Verstrahlung schlüssig grenzdebil zum Vorschein, dass es schon wieder was Sympathisches inne hat, wie sich das Verrückte als Realität ausgeben darf, wie soziopathische Zustände in eine Hollywood-Unschuld gebettet werden und wie überhaupt diese ganzen falschen Zutaten (ganz gleich, wie weit man mit Jerrys Theorien übereinstimmt) eine interessante Filmerfahrung ergeben. Einen Freifahrtschein möchte man „Fletchers Visionen“ deswegen wohlgemerkt noch lange nicht austeilen, wenn man die reellen Hintergründe dazu reflektiert, was Milieu und Hauptdarsteller angeht.




Nicht ganz so problematisch kommt Tsui Hark mit seinem „The Master“ daher, einem Jet-Li-Vehikel, das im Originaltitel „Wong Fei Hung '92 Ji Lung Hang Tin Gwong“ wohl sowas wie eine Verbindung zu Li's Charakter historischen Ursprungs in „Once Upon A Time in China“ herstellen will, im Grunde aber wieder eine dieser goldigen Beispiele filmischen Schaffens abgibt, die mit der Action-Sprache Hongkongs Amerika zu entziffern versucht. Natürlich bin ich als hiesiger Zuschauer an sich schon ein Außenstehender, der via Medien auf die USA blicken darf, doch Harks Interpretation der Erwartungen an jene Nation ist nicht minder auffällig wie z.B. jene der israelisch-stämmigen Cannon Group. Das gilt natürlich auch, um im Genre zu bleiben, für John Woos Exkurse im amerikanischen Genrekino, obwohl er sich bis zu einem gewissen Grad an dieses anzupassen verstand. Hark bleibt größtenteils extern, wie er L.A. für seine inszenatorischen Ansprüche aufbereitet, doch manche Charaktere, die angesichts solcher Umstände Stereotypen abgeben müssten, sind trotz Cartoon-Faktor beinahe schon wahrhaftig beobachtete Signale ihres Zeitgeists. Man siehe z.B. den Shootout auf einem Parkplatz, bei dem einige Autofahrer quasi aus Gewohnheit nicht auf die vielen Schusswechsel und Kämpfer um sie herum zu reagieren scheinen. Bei anderen Eindrücken hingegen wird nicht mal unbedingt auf Klischees zurückgegriffen, da Harks Realitätsbezug stattdessen eine Vielzahl an Situationen entwirft, die schlicht in keinerlei Muster passen. Das fängt bereits in der Etablierung an, in welcher Akrobatin Anna (Anne Rickets) einer Rivalin das Bein stellt und deswegen vom Verein ausgeschlossen wird, später jedoch Tak (Wah Yuen) zur Hilfe kommt und dennoch im Verlauf beinahe völlig vom Film vergessen wird. Jener Tak, ein chinesischer Mediziner mit Kampfsporterfahrung und eigener Apotheke auf den Straßen von L.A., der sich eigentlich nicht helfen lassen will, hat währenddessen mächtig Schwierigkeiten mit seinem ehemaligen Schüler Jonny (Jerry Trimble), der - wohl Vokuhila und Business-Suit geschuldet - keinen Respekt mehr vor ihm hat und deshalb alles kaputtmacht, wie er überhaupt jede gegnerische Schule oder derartiges in den Boden stampft. Die simple Motivation des Bösen ist schon der pure Aberwitz, mündet dementsprechend auch in ein Kampfspektakel-Setpiece, an dem soviel kunstvoll zu Bruch geht, wie auch Scherben nicht nur einmal Blut spritzen lassen. Später werden an derselben Stelle auch Polizeiwagen von allen Seiten eingetreten, vorerst aber kommt per Flugzeug Jet (Li) an, den ein Hulk-Hogan-Klon zuerst als Taks Sohn zu identifizieren glaubt, der aber eben auch nur seinen alten Shifu besuchen will. Auf den Weg dahin wird er zunächst von drei Latino-Gangstern (mit tollem Graffiti-Karren) ausgeraubt, die er mit seinen Martial Arts so schwer beeindruckt, dass sie ihn selber als Shifu wissen wollen. Auch wenn das anfangs als Running Gag gedacht ist, wird daraus noch eine gegenseitig bereichernde Freundschaft, so wie Hark dann auch die Integration von Chinesen im urbanen Alltag L.A.'s betrachtet. Interessant ist da schon ein dicker Taxifahrer, der mit einem fehlerhaften Taxameter hadert, weshalb ihn Jet der Wucherei beschuldigen möchte, obgleich der Fahrer die Kosten der Verwirrung wegen von Vornherein auf sich nehmen will. Hier spalten sich schon Erwartungen, gefolgt von der Erkenntnis, dass eine durchweg von Chinesen geleitete Bank für die Pfändung und Schließung von Taks Laden verantwortlich ist, nachdem dieser auf der Flucht vor Jonny bei Anna untergekommen war.


Im Endeffekt lernt Jet auf diesem Wege May (Crystal Kwok) kennen, die von ihrem Boss und Liebhaber Paul (George Cheung) so betrogen wird, dass sie sich wiederum auf Jets Seite schlägt, während der eben versucht, Tak zu finden und den Laden wieder auf Vordermann zu bringen, obwohl sein Touristen-Visum allmählich abläuft und eine rivalisierende Rasta-Gang - vor der er Cito (Rueben Gonzáles), Ruben (Guy Fadollone) und Mouse (Derek Anunciation) verteidigt hat - ihm auf den Fersen ist. Das geht soweit, dass die ihm selbst bei einer regulären Busfahrt auflauert und somit Blei und Blut vom reinen Impuls her auf die Leinwand stürzen lässt, bis hin zu Drive-by-Shootings, bei denen Jet auch Jonny rettet. Der jedoch bleibt stur, ihn und seinen Meister Tak zu vernichten, weshalb Jet seine versammelten Kollegen nun auch ein bisschen in Kung-Fu unterrichtet, was sowohl Harks visuelles Flair als auch manch weitwinkligen Honk-Faktor in sich vereint. Zudem kommt in kleinen Schritten eine gewisse Romanze zwischen Jet und May zustande, die aber entweder darin ausartet, dass sie bei argen Fahrübungen auf dem Highway von der Polizei angehalten werden (ihr Jeep hat übrigens einen Ninja Turtle am Fenster hängen) oder dass Jet einfach gar nicht mitkriegt, dass sie etwas von ihm will. Aber gut, der wundert sich auch, warum es so dunkel ist, wenn er eine Sonnenbrille trägt. Obskures Witzgut und gleichsam irre Action wechseln sich also enorm kurzweilig ab, was angesichts des Ambientes durchaus an einige Werke Godfrey Hos erinnert (siehe „Honor and Glory“), sich aber weit wildere Eskapaden der Ressourcennutzung leistet. Renny Harlin hätte sich also durchaus etwas davon abgucken können, so wie Hark mit choreographischem Überfluss und brachialem Körperkontakt die Parteien gegeneinander antreten lässt, Ip-Man-artige Kämpfe vom Einzelnen gegen Mehrere aufzieht und dabei auf den Synth-Sound der Ära schneidet, den Klimax sodann an die Spitze eines Wolkenkratzers verlagert, wie er sie in der Optik stets ehrfürchtig repräsentiert und seine Charaktere gewiss gerne an deren Höhenkoller abhängen lässt. Mitten drin greift er dann aber auch zur ihn auszeichnenden surrealen Willkür, lässt Jet wie aus dem Nichts erscheinen, wenn ein Haufen Handlanger Tak übermannt, sein Schüler aber aus der Belagerung herausspringt. Auch wenn es dann tiefer in die Eingeweide des Wolkenkratzers geht, Schuhe in Rädern stecken bleiben, weitergekämpft wird und die Scherben wieder ihre Aufwartung machen, bis Jet sie in ihrer noch so tief im Arm steckenden Länge ohne Weiteres herauszieht, kommt man zweifellos ins Zweifeln. Hark versteht es eben, gleichzeitig zu erstaunen, zu erheitern und zu verballern, was seinen Hybrid zur reizvoll enthemmten Sause macht, im selben Atemzug aber auch kraftvolle wie rasante Energien an Kampfsport und Zerstörung ballt. Solch ein Culture Clash kann eben nur perplex in seiner Kohärenz verlaufen, aber neben dieser formalen Unruhe bleibt letzten Endes dann auch noch eine Herzlichkeit untereinander, die zum gegenseitigen Verständnis kommt und neue Horizonte erblickt. Die Ideale des westlichen Kinos, ein Stück weit am Kitsch entlang, hat der treue Tsui Hark eben auch sonst in der Handschrift verankert, doch sein ungehaltenes Temperament macht diesen Blick auf die Facetten von Los Angeles und Amerika insgesamt erst so verrückt, dass man sie fast schon als glaubwürdig im Land unbegrenzter Möglichkeiten empfinden kann.

Sonntag, 18. September 2016

Tipps vom 12.09. - 18.09.2016 (Mehrmals-John-Edition)

Herrje, ab und an kommt es mir immer etwas brenzlig vor, den Blog hier angemessen zu füllen. Einmal die Woche etwas anbieten zu können, ist ja eben auch keine Selbstverständlichkeit und dennoch geht die 192. Ausgabe an den Start, in der ich zudem Filme bespreche, die ich neben all dem regulären Kram noch als Empfehlungen vorgestellt wissen will. Schließlich ist demnächst das Filmfest Hamburg angesagt, die ersten Pressevorführungen dafür wurden schon besucht, die projizierten Werke dazu besprochen und weil mein Arbeitseifer aufgeweckt genug war, gab es die Woche über zudem einen Artikel meinerseits zur Pressekonferenz des FFHH 2016 via Cereality. Da bleibt zum Wochenende natürlich die Frage: Ist die Luft nach jenen Arbeitsstunden wieder raus? Riecht es nach Verzweiflung, wenn man auf den letzten Drücker versucht, zumindest einen Kurzbericht aus jenem Arsenal an Filmen zu bergen? Alles Fragen, denen ich mich diesen Samstag wiederum stellen musste, mit Energy-Dose und heißen Temperaturen von draußen am Start. Wie ist die Geschichte von der Chronologie her ausgegangen und wie viele Johns sind mir dabei begegnet? Nun:




Nachdem so ziemlich alles an Bonusmaterial zum „Perser und die Schwedin“ gesichtet wurde - inklusive der schön abrundenden Originalfassung jenes holprigen Studentenfilms über Exzesse, Verantwortung und dem Erstickungstod im Zeichen der Normalität - war mir nebenbei ein erster Schnupperkurs zum Werk von John Stockwell reizvoll geworden. Quasi als Vorbereitung zu „Kickboxer: Die Vergeltung“ gedacht sowie aufgrund der Empfehlung einiger Kollegen angesetzt, sollte „Dark Tide“ exemplarisch die Qualitäten jenes filmischen Wellenreiters vorweisen, dem bisher scheinbar nur eine kleine Gruppe an Fans verfallen ist. Dabei zeichnet sich sein Film schon so ziemlich als Gegenthese dazu aus, wie der geläufige Hai-Horror auf hoher See sonst inszeniert wird: Beinahe vollständig entschleunigt und genussvoll Sonne und Meer der Küsten Südafrikas visualisierend, wird sich hier zudem weit mehr auf Charaktere konzentriert, als dass die reißerischen Faktoren des Überlebens binnen unbarmherziger Natur verdichtet werden. An Nervenkitzel wird gewiss nicht gespart, wenn Halle Berry und Kollegen aus sicheren Käfigen abgekoppelt Seite an Seite mit Haien schwimmen, an das Vertrauen glauben und doch mit dem Unberechenbaren vorlieb nehmen müssen. Das Blut fließt, an Rache wird jedoch nicht gedacht, so wie die Ereignisse mit der Schuld menschlichen Versagens und abgeklärter Bescheidenheit beantwortet werden, in denen der Film einen extensiven Diskurs an Beziehungen offenlegt. Der Vergangenheit (sowie Ex Olivier Martinez) erneut zu begegnen, bedarf im brennenden Ambiente keiner weiteren Hitze, Mulmigkeit weiß das Prozedere dennoch in voller Länge zu vermitteln, sobald auf Geheiß eines Multimillionärs das Schwimmen mit Haien reinitiiert werden soll.


Die erwartbare Dramaturgie daran lässt sich jedoch nicht auf schnelle wie schlappe Thrills ein, stattdessen entwickelt sich die Spannung auf dem Boot aus dem individuellen Bezug zur Natur sowie untereinander. Die Relativität des Muts, das Abwägen von Respekt und Vertrauen in der Grenzerfahrung zwischen Mensch und Tier: Das nimmt hauptsächlich Platz innerhalb der zwei Stunden an Laufzeit, welche sich zudem aufs Behutsamste bemühen, Atmosphäre zu verselbstständigen und deren Schönheit zu repräsentieren. Umso echter kommen die Begegnungen mit den Raubtieren der Meere an, gleichsam fallen auch die Erwartungen an Stereotypen ab, welche sich zunächst als Bezwinger der Verhältnisse stilisieren wollen, antagonistisch auftreten, schließlich aber trotzdem den Menschen an sich zum Vorschein bringen. Stockwells Balance an Zen und Selbstreflexion gemahnt an die Wahrheit im Genre, auch in der Gegenwart technischer Unaufgeregtheit nicht einfach bloß einen Überschuss an Natur-Footage anzubieten, wenn er durchweg auf die Konsequenz des Finales hinweist. Wenn die Sonne nämlich verschwindet, das offene Meer in tiefen Wellen gleichsam die Orientierungslosigkeit zu fördern imstande ist, lässt er seine Charaktere sich ebenso im Chaos verlieren, auf dass die Angst sie verschlingt - bis dahin allerdings auch in bewusster Abgeklärtheit mit sich selbst, so wie die Entwicklungen einzelner Parteien hier ihren Klimax bittersüßer Menschlichkeit finden oder dennoch ums Adrenalin des Sich-Selbst-Verlierens fiebern. Eine klare Sicht der Dramaturgie bleibt also hell erleuchtet in der Dunkelheit, da ergeben sich aber auch nur einzelne Faktoren innerhalb zwangloser Natürlichkeiten, die Stockwell als Hommage an die Wellen dieser Welt in seinen Filmen umzusetzen versteht. Zumindest gehe ich davon aus, dass sich das als seine Handschrift binnen weiterer Werke durchzieht, da gibt’s offenbar noch einiges an Nachholbedarf.




Nachgeholt wurde diese Woche allerdings noch John Carneys mancherorts gefeierte Neuling „Sing Street“, ein Jugendfilm auf irischem Terrain, der den sozialen Ausbruch via cooler Mucke empathisiert. In solchen Fällen ist die Bandbreite an Klischees natürlich von Vornherein zur garantierten Erfüllung abgedeckt und Carney macht sich sodann auch keine Mühe, diese umzustülpen, wenn sein Protagonist Conor (Ferdia Walsh-Peelo) anhand dessen eben die Romantik des Genres bestätigt bekommen soll. Deshalb sind die Umstände drum herum auch schnell erzählt: 80er Jahre, disfunktionale Familienverhältnisse, frustrierende katholische Schule inklusive restriktivem Direx und Schlägertypen, Leben in Dublin ohne Zukunft, die Zukunft in London nur mit Abstand von der Küste aus zu erahnen. Genauso simplifiziert stellen sich wiederum die Sehnsüchte zur Verfügung: Urige Freundschaften mit Außenseitern als Bandkollegen, der altkluge Bruder mit filmtauglicher Musik-Kompetenz und Kalenderspruch-Philosophie in petto, das idealisierte Mädel von gegenüber voller Geheimnisse und unnahbarer Schönheit. Das Feel-Good-Märchen schreibt sich quasi von selbst, Carney bettet das gleichsam in eine glatte Optik ein, in der das Risiko meistens nur soweit reicht, wie oft das Wort „Schwuchtel“ einschlägt („Ausbruch zur Hölle“ lässt grüßen), wenn einem mal nicht eine geklatscht wird oder Befehle erteilt werden (alles wohlgemerkt auf Einzelmomente reduziert, wenigstens komplett an der Überstrapazierung vorbei). Ansonsten aber wird der Zeitgeist zur Plattform eines Milieu-Lebens genutzt, in dem die Künstlichkeit der Videoclips zelebriert und scheinbar auch sehr leicht von selbst umgesetzt werden kann, so wie Conor seiner fixen Zuneigung zum angehenden Model Raphina (Lucy Boynton) zuliebe eine spontane Band-Existenz einläutet, in der das Auffinden der Kompetenzen relativ wenige Hürden erfährt. Selbst das Einstudieren musikalischer Fähigkeiten von amateurhaftem Gecovere zu durchproduziertem Powerpop scheint wie von Zauberhand zu gelingen. Carney beweist sich im Verlauf ohnehin weniger als stimmiger Erzähler von Freundschaften, wahrer Liebe und Motivationen, als dass er die Präsenz der Musik als Antrieb versteht, anhand derer Conors Heldensage unterstützt werden soll und weitere Feinheiten an Persönlichkeiten der Fantasie überlassen bleiben.


Solch ein zentralisierter Ansatz hat allerdings auch zur Folge, dass abseits der Erfüllung von Idealen, Naivitäten und Wunschträumen nicht wirklich viel an Interesse übrig bleibt, erst recht, wenn jene Ambitionen so ziemlich ausnahmslos abgespult werden und ihren Höhepunkt bereits frühzeitig erhalten, wenn die Comic-Variante eines High-School-Abschlusstanzes vom Happy-End aller träumt. Alles danach arbeitet Carney beinahe wie einen Epilog ab, inwiefern die Liebe triumphiert, falsche Hoffnungen im Off ausgehebelt werden, Selbstbewusstsein und Vergebung daraufhin die Bühne einnehmen, während ohne große Nachfrage - immerhin gemeinsam entschieden und bevorteilend - zu neuen Ufern angesetzt wird. Bis zum unbedingten Gelingen kann der Film wohlgemerkt trotzdem einige Impulse vorweisen, die wahrhaftig nachklingen und ungebändigt dem „Was-wäre-wenn?“ nachgehen, doch an platter Konstruktion in Dialog und Plot mangelt es ihm dennoch nicht, was sich auch an der Qualität der eingesetzten Musik widerspiegelt: Manche lizenzierten Tracks sind selbst als Allgemeinplätze schon enorm abgenutzt, andere treffen das Lebensgefühl wie die Mitte einer Dartscheibe, weshalb die Grundlage für eigene Stücke hier auch zeitweise die Essenz des Pops nutzt und schmissig machen kann, andererseits jedoch auch austauschbare Balladen von den Komplikationen der Liebe singen lässt. Die haben dann solch eine blasse Universalität inne, dass sich die Persönlichkeit darin nur schwer fassen lässt, was eben auch mit der skizzenhaften Figurenzeichnung des Films einhergeht, welche statt wahrer Nähe eben mehr für geschmeidigen Kurzweil sorgen will. Da hängt es natürlich individuell von einem selbst ab, welche Ansprüche man ans eskapistische Kino stellt, als Vertreter des Genres gibt Carneys Film jedenfalls am ehesten eine Konsistenz des Gelingens durch, wie sie zwischen Gefälligkeit und Unbekümmertheit pendelnd durchaus Sympathien einfängt, aber irgendwie auch nur die Oberfläche einer Immersion anbietet.




Wie es wilder geht, beweist wiederum ein Rückblick auf Joel Silbergs Filmographie, der sich mit „Fire Game“ sogar mal an einem Actionfilm probierte und dennoch auch dort alles andere als den erwarteten Standard zu erfüllen pflegte. Womöglich ist das Drehbuch von Stirling Silliphant dabei schon nicht auf sorgfältiger Kohärenz gegründet, doch Silbergs Realitätsverständnis sorgt anhand dessen umso mehr für eine Kanonade der Verwunderung, wenn es um die Ermittlungen von Cop-Frau Checkers Goldberg (Tiana Alexandra) und ihrem Partner Waldo (David Dukes) geht. Beinahe jede Szene besitzt eine Eigendynamik aus Holprigkeit und sich kontinuierlich überbietenden Gesten, in denen Topoi gängigster Art vertreten und doch außen vor gelassen werden, so eigenartig Silbergs Perspektive eher an Checkers Rollenspielen interessiert scheint. Als handfeste Politesse binnen Undercover-Drogendeals und Verfolgungsjagden bringt sie schon kecken Sarkasmus und schlagfertige Fäuste mit, den Großteil des Films über aber probiert sie in der Verkleidung der Karate-Tango(?)-Tänzerin Cinderella Poo, die Machenschaften des mysteriösen Jason Hannibal (Rod Steiger) zu infiltrieren. Jene bizarren Ebenen an charakterlicher Identifikation sind sodann die Spitze des Eisbergs in einem Film, der sich in seiner Tour von San Francisco nach Argentinien nur ungern auf eine Prämisse allein einlassen kann, weshalb sich Schießereien und Mord den Platz sodann mit (typisch Silberg'schen) Tanzeinlagen, Brustschmerzen und der fingierten Naivität der Cinderella Poo teilen müssen. Kernige Handlanger stapfen dann auch eher ziellos statt furchteinflößend durch pappige Kulissen, während Waldo voller Zigarren und flott überchargierten Sprüchen einen Buddy-Faktor mit dem einheimischen Chefbullen versucht, wenn er mal nicht bei Checkers zum passiven Flirten ansetzt - übrigens auch im Rollenspiel als angetrunkener Tourist, anhand dessen er weitere Informationen von ihr aufgreift; da beweist der Film am ehesten Konsistenz. Ansonsten übt sich das Geschehen in mehr oder weniger unfreiwilliger Unberechenbarkeit, wie Silberg seine Inszenierung auch auf die spontanen Ausbrüche von Widersacher Hannibal lenkt, dessen Chaffeur Ike (John Hancock) Checkers wiedererkennt und bis in eine Schießerei auf einem Hoteldach verfolgt, obgleich seine Besetzung und sein Tempo ungelenke Szenarien in groben Mengen anbieten. Szenenübergänge geschehen gleichsam impulsiv, manchmal geläufige Aufbauphasen übereilend, an anderen Stellen Belanglosigkeiten oder die undefinierbare Redseligkeit von Checkers/Cinderella mit dem Rest des Ensembles fokussierend. 


Wenn der Gesprächsstoff aber natürlich von spekulativer Kolportage zeugt und manch honkigen Wortspiel-Witz ins Feld führt, bleibt die Irritation des Zuschauers durchweg bestehen. Klar gibt der Konsens an Schusswechseln und Martial Arts noch eine gewisse Erdung, so ungeschliffen sie auch inszeniert sein mögen, doch man fliegt so oder so völlig aus den Wolken, wenn hier die Offenbarung zur Methodik des Heroinhandels stattfindet. Jene Szene im Fitnessraum, in der Checkers und Waldo die Hintergründe aufdecken und sich sogar die Liebe zueinander eingestehen, ist zweifellos der Gipfel an Absurdität, mit welcher Silberg selbst Kollege Sam Firstenberg zu überbieten imstande ist. Was da an überspitzter Dramatik, Mimik, Gestik und Wortwahl zusammenkommt, sollte jedenfalls in die Filmgeschichte eingehen, der darauf folgende Showdown bietet hingegen eher einen Standard unter „Phantom-Kommando“-Niveau, bei dem talentfreie Statistenvisagen kollektiv abgeballert über die Balustrade fallen oder von Checkers' mittelflotten Moves umgekickt werden. Spaß macht das durchaus, erst recht, da die Implikationen vorheriger Szenen und Heroinhandelfantasien hier als Spannungsmittel jongliert werden, während Jason Hannibal seine Motivation zum Bösen in gerade mal einem Satz erklären darf. Dem geht durchaus ein disfunktionales Verhältnis zu Frauen voraus, wie der Film das weibliche Geschlecht ohnehin oftmals in die Nähe der Gefahr bringt und anhand dessen Verletzlichkeit Schreckensszenarien suggeriert, doch Checkers steuert mit ihrer Unbedarftheit eigentlich so dermaßen dagegen, dass eher eine Enthemmung der Rollenmodelle stattfindet, je weniger Bedeutung sie ihnen zumisst und doch ganz Frau bleibt, insbesondere in Waldos Augen. Der Mann mit dem Hundenamen gibt größtenteils allerdings eine Witzfigur ab, demontiert potenzielle Coolness mit Anti-Onelinern und flirtet so flach, dass Checkers diesen Trottel einfach nur lieben kann. Aber das war irgendwie von Vornherein schon klar, so wie ihr gemeinsames Abenteuer beinahe beiläufigen Charakter besaß und eher einen erheblichen Fokus auf die figurbezogenen Eigenarten legte, so kurios sie auch im sowie abseits des Genres auftraten. Merkwürdig...sehr merkwürdig!




Entschiedener auf den Wahnsinn zusteuernd, ging sodann Tsui Hark mit „Knock Off“ in Position. Als eine seiner zwei Arbeiten mit Jean-Claude Van Damme würden die meisten in Hörweite solcher Umstände ein geradliniges Action-Vehikel erwarten, doch da würde man die auktoriale Stimme des Regisseurs unterschätzen, dem hier zwar ein grundsätzlich standardisiertes Drehbuch von Steven E. de Souza zugrunde liegt, in der Umsetzung jedoch externe wie interne Energien zum Kaleidoskop aufblühen. Im Hongkong jener Ära ging eben mehr in der Hinsicht, wie maßlos Ressourcen gegenüber manch braver Formalität US-amerikanischer Böller genutzt werden konnten - und das, obwohl der Film in der Phase eines nationalen Übergangs stattfand, sprich jenen, der Hongkongs Status als britisches Kolonialhoheitsgebiet hin zur Rückkopplung ans Festlandchina führte. Genau die Wende fungiert sodann auch als Hintergrund für ein turbulentes Abenteuer, in dem zwei fuchsflinke Jeansfabrikanten, Marcus Ray (Van Damme) und Tommy Hendricks (Rob Schneider), in ein Komplott aus Raubkopien, Nanobomben, Russenmafia und dem CIA hineingezogen werden. Das Tempo dieser Maßnahme könnte manch Gewohnheitszuschauer von Anfang an gänzlich überfordern, so wie Regisseur Hark keine Grenzen kennt, um die Dynamik allen Lebens sowie aller Zerstörung per Kamera greifbar zu intensivieren. Je nach Laune durch Datensätze, Gewehrrohre und Schuhe fahrend, mehrere Schichten an Realität durchstoßend und auch mal den Blick vom Gefühl her verzerrend/anhaltend/überblendend, macht die visuelle Komponente Überstunden, wenn globale Autoritäten auf globales Verbrechen treffen, in der Eskalation schier unmögliche Schauwerte mit filmischer Rücksichtslosigkeit wahr werden lassen. Selbst eine „Fury Road“ greift eher auf den Computer zurück, als dass sie diese wahrhaftige Haltlosigkeit eingehen würde, in welcher Boote mit Kameras an Bord in die Jagdgründe geschickt und Menschen durch die Gegend geschleudert sowie mit Aalen gepeitscht werden. Stuntmen scheinen dementsprechend durchweg so nah am fatalen Risiko, dass Buster Keaton vor Schreck aus dem Grab springen würde, passend dazu steigt zur Show an Explosionen stets grünes Feuer auf, als wenn man noch nicht genug bang for your buck erhalten würde.


So spielt gleichsam auch unser Duo an Protagonisten auf, das sich wohl bewusst mit der Unter-/Zwischenwelt an Fälschungen einlässt, neben der industriellen Trittbrettfahrer-Frechheit aber auch an Rikscharennen teilnimmt, in denen Straßen, Passanten, Vehikel sowie alles andere vor Ort beim ungesicherten Bombast mitmischt. Die aktive Beteiligung steht den Darstellern ohnehin ins Gesicht geschrieben, wobei Van Damme so formvollendet wie möglich den modernen Belmondo abgeben darf: Drolliges Grinsen, einige trottelige Aktionen in petto und doch in Top-Form, akrobatisch und saustark für jede Leinwandgefahr zu haben, darstellerisch mindestens so aufgedreht wie sein Regisseur. Hark kann schlicht nicht stillhalten, kommt aber weder an den Punkt der Einfallslosigkeit noch an der Erschöpfung im beständigen Überschall an. Seine Motivation zum visuellen Orgasmus basiert eben durchweg auf dem Drive der Handlung, holt sich daraus sogar cartoonhafte Pointen ab, die sich genauso spontan durchballern wie einige Momente direkter 90er-Jahre-Gewalt oder zeitgenössischer CGI-Effekte. Letztere waren damals schon veraltet, der Plot ohnehin eher die simplistische Plattform für enorm durchchoreographierte Szenarien, die mehrere Menschenmassen gegen unsere Helden mit nimmerweißer Weste antreten sowie mit Messern wetzen lassen, auf dass Stahlketten und Durian zur Verteidigung geschwungen werden. Für Kurzweil wird auch dann gesorgt, wenn Hark im Fieber eines Parkplatz-Shootouts zur Überschneidung an Wahrnehmungen ansetzt und Autos auf Marktplätze fliegen lässt, während in der Addition durch V-Jeans-Vorstandsvorsitzende/Geheimagentin Karen Lee (Lela Rochon) weitere Verwirrspiele (= falsche Identitäten zum Thema Fälschung) und sexy Missverständnisse zutage treten, in denen sie stets mit kampftechnischer Oberhand herauszustechen weiß. All dies und noch viel mehr in jenem Bazar an Unglaublichkeiten führt das Hirn wohl wahr auf Reisen, den Film an sich dann noch zu einem grandiosen Finale, das wie gehabt alles aus seinem Lokalkolorit herausholt, um ungewohnt kinetische Spektakel im Kampf gegen doppelbödiges Verbrechen zu schöpfen. Physik wird da locker genommen, die Hingabe zur Action aber mit energischem Ernst zum Ultimatum geführt, bis jede Kinnlade via Sparks-Soundtrack herunterhängt und die Erwartungen vor jedem Twist kapitulieren. Wieder ein Film, den man so noch nie gesehen hat.




Inszenatorisch gesehen kann man allerdings ebenso feststellen, dass Tsui Hark und John Waters Brüder im Geiste sein müssten. Kompromisslos der freien Frechheit zugetan, ist des Zweitgenannten bisher letztes Werk, „A Dirty Shame“, aber natürlich eher eine der größten Feierlichkeiten jüngster Zeit, was ausgelebte Sexualität angeht. Um keine Perversion zu schade, die in ihrer Grundform das jeweilige Individuum bestätigt, niemanden gegen seinen Willen missbraucht, aber stattdessen offensiv gegen das Spießertum der Neutren besteht, versammelt sich in weniger als 90 Minuten Laufzeit ein Panoptikum der Lust, das sich gefühlt gerade mal einen Moment an Pause erlaubt. Es gilt, Amerika aufzumischen, the land of the free als solches zu bestätigen und da setzt der Film wohlweislich wie gehabt in den Suburbs von Baltimore an, in denen manche zwar peinlichst brav von der Vielfältigkeit schwärmen, die Begegnung damit aber fürchten. So zeigt sie sich anhand derer Bewohner als aufreizende Provokation, drastisch überspitzt und bewusst Richtung Cartoon gelenkt (u.a. der zeitnahe Vergleich mit den „Tiny Toon Abenteuern“ brachte mir die Erkenntnis), wenn Supermarktangestellte Sylvia Stickles (Tracey Ullman) zu entsprechender Musik ihre Nachbarschaft abfährt, in der sich die zugeknöpfte Mutter einer gigantobusigen Stripperin (Selma Blair) nur überreizt einfinden kann. Der Habitus geht da schon drübber die Barrikaden, doch als Sylvia nach einer Autopanne der Schlag auf den Hinterkopf trifft, entfesselt sich wie vom Schicksal bestimmt das sexuelle Feuer, sofort in Empfang genommen vom Sex Saint Ray-Ray (Johnny Knoxville), der sie zur potenziellen Erschaffung eines neuen Geschlechtakts aufzunehmen gedenkt. Vorerst aber schafft sie es, wenn auch im Zeichen dringlichster Geilheit, zur Arbeitsstelle im von Mama Big Ethel (Suzanne Shepherd) geführten Supermarkt, deren puritanische Ängste mit jedem einkehrenden Kunden weiter geschürt werden. Der Angriff auf den empörten Anstand ist sodann gleichzusetzen mit dem Angriff auf die Lachmuskeln, so obskur sich manche Wünsche äußern und ebenbürtige Knalleffekte der Kleinbürgerlichkeit abfangen. Diese plädieren mit radikalen Transparenten und Slogans allmählich auf den Affekt einer Gegenbewegung nach dem Format besorgter Bürger, doch Sylvia zieht schon unbedarft von dannen, um sich von ihrem da schon überforderten Beau Vaughn (Chris Isaak) ablecken zu lassen, wovon sie wohlgemerkt nicht genug kriegt, zeitgleich aber das disfunktionale Verhältnis zur Tochter wieder richten kann, jetzt, da sie Sinn und Schönheit der Triebe versteht.


Pro-Sex, das geht gewiss zu Herzen, doch in erster Linie auch brünstig zur Hose, so wie Sylvia in permanent orgiastischer Fassung von gut und gerne jedem bedient werden möchte, tolldreist besessen sodann bei Ray-Ray vorstellig wird, der eine Vielzahl an Fetisch-Verknallten um sich versammelt hat, die ebenso erst durch einen Schlag auf den Kopf zu ihren Eigenarten gefunden haben. Der absurden Aktivierung wird jedem Mitglied eine Rückblende zur Seite gestellt, so liebenswert wie die Gruppenzugehörigkeit ohnehin an himmlische Ambitionen denkt. Gehirnerschütterung als Taufe, bei Sylvia kann das in der Wiederholung aber noch einen rückwirkenden Effekt haben. So entwickelt sich also ein Tauziehen um ihre moralische Beschaffenheit, in die sich Big Ethel mit giftigem Widerstand hineinmischt, auch Stripper-Tochter Caprice via Fluoxetin der Züchtigkeit wegen gefügig machen will. Doch der überaus direkte Krieg gegen Selbsterfüllung und Toleranz (in der Ära des Patriot Act gar nicht mal so weit ab) ist eben nur zu vergänglich im Aufbegehren der Menschlichkeit, die hier anhand ihrer Fickrigkeit sogar von phallischen wie vaginalisierten Formen der Natur bestätigt wird (tolle surreale Manie) und sogar (wieder à la Tsui Hark) computeranimierten Eichhörnchen den Dachboden wegrammeln lässt. Das wunderbare Chaos des Sex rast also als Pandemie des Glücks durch die Nacht, in welcher Spießbürger ihren Albtraum erleben, der Zuschauer hingegen einen Überschwang der Enthemmung, welcher das Bekenntnis zum Eigenen sowie die abzuschaffende Abscheu des Konservativen so genau auf den Punkt bringt, dass sich der Film allzu gerne darin verliert. Klar schlägt er da über die Stränge, walzt sich aus und reiht eine Hysterie an die nächste, doch genau so muss das sein, wenn man den Sex leben lassen will, wo das Übermaß mehr als nur zulässig ist und nicht aus Angst versteckt werden sollte, egal worauf genau man nun steht. Die letztendliche absurde Transformation der Lust hat hier sogar was von Cronenberg, bricht sogar zu kosmischer Wichse auf - mein Gott, zu was für Großtaten kann der Mensch nur fähig sein, wenn man ihn nur lässt!




Eine doch ganz andere Variante dieses Credos erfährt man in Antonio Margheritis „Asphalt-Kannibalen“, ein weiterer Film, der - wie mehrmals im „Spektakel USA!“ von letzter Woche - aus der Außenseiterperspektive zur Zustandserfassung Amerikas ansetzt und die posttraumatischen Auswirkungen binnen der Heimkehrer des Vietnamkrieges in eine bizarre Granate der Exploitation verwandelt. In Italien frecherweise bereits als Quasi-Fortsetzung von „Apocalypse Now“ vermarktet, begibt sich Genre-Handwerker Margheriti anfangs noch auf ihn bekanntes Terrain, wenn er Gefechte im fingierten Dschungel mit Flammenwerfer und Co. aufbrezelt, Stock-Footage und Vietcong niederballert, bis die ersten Frauen in Flammen stehen und Captain Norman Hopper (John Saxon) seine Kameraden Charles Bukowski (Giovanni Lombardo Radice mit dem unglaublichsten Rollennamen der Woche) und Tom Thompson (Tony King) als verwahrloste Menschenfleischfresser im Bambuskäfig wiederfindet. Die Splatter-Welle des europäischen Kinos jener Zeit streckt ihre Einflüsse also zu einem Hybrid aus, der sich sodann in den Stadtlandschaften des zeitgenössischen Amerikas fortsetzt. Vorerst aber probiert Hopper, einer der unabhängig vom Entstehungsland merkwürdigsten Antihelden überhaupt, die gesellschaftliche Fassung zu wahren, obgleich er von den Erinnerungen an Vietnam heimgesucht wird. In seiner Gemeinde jedenfalls gilt er als aufrichtiger Top-Typ, der dem Nachbarsjungen die Bedienung von Modellflugzeugen beibringt sowie dessen älterer Schwester Mary (Cinzia De Carolis) auch mal bei Küchenutensilien aushilft, während sich seine Frau Jane (Elizabeth Turner) als Moderatorin der „Goldenen Plattenshow“ verdient macht. Insgeheim aber versucht Mary ihn zu verführen und ob er darauf eingeht, ist eher von ambivalenter Natur gezeichnet, so wie manch Impuls unterdrückt und ein anderer kurz darauf initiiert scheint. Ungefähr zur selben Zeit kommt Bukowski nach jahrelanger Therapie wieder frei und bald in Begegnung mit neuen Formen und Gewöhnlichkeiten der Gewalt, wie sie sich nur Italiener um 1980 noch so zusammen spekulieren konnten: Mädchen drangsalierende Motorradrocker wie direkt aus „Zombie“ (die Optik des Films orientiert sich ebenso daran), zynisches Spruchwerk links und rechts, zu allem Übel auch die Leinwand, auf welcher der Krieg als Kinospektakel dargestellt (Ironie!), für einzelne Paare zum Fummelpalast umfunktioniert wird.


Die psychische Kolportage lässt Charlie natürlich rot sehen und versetzt ihn zum bissfesten Amoklauf, bei dem er sich in einem Supermarkt verbarrikadiert - wiederum ein von Romero übernommener Punkt, an dem sich Rocker, Veteranen und Polizei zum blutigen Feuergefecht treffen. „Hundstage“ lässt sich ebenso wiederfinden, inwiefern die Belagerung der Autoritäten sodann einen längeren Teil der Laufzeit einnimmt, ehe Hopper zum Verhandeln hinzugezogen wird. Während Polizeichef Captain McCoy (Wallace Wilkinson) vom Berufsalltag her nur dehumanisierend über die Ereignisse schnauzen und somit stellvertretend die Verrohung der Gesellschaft (!) beweisen kann, geht allmählich ein Wandel in Hopper vor, beinahe zur selben Zeit die Offenbarung, dass der Biss des Kannibalen ansteckend zu sein scheint. Zurück in der Psychatrie also, bekommen Charlie und Tom also unverhofft Hilfe von infizierten Ärzten und Hopper, die im Grunde süchtig nach Fleisch Zombies entsprechen, dennoch auf der Flucht sind, kohärent denken, reden und handeln, aber wie verschworen auch abseits ihrer früheren Persönlichkeit füreinander zum Verderben ansetzen. Diese ungewöhnliche Variante der Empathie treibt den Film also bis zum Finale voran, schmückt ihn mit funkigen Sounds zu Kreissägen abtrennenden Gliedmaßen und geizt ohnehin auf beiderlei Seiten der Konfrontation zwischen Psycho-Kannibalen und Polizei nicht mit expliziten Details. So nihilistisch der Kampf in die Vollen geht, hat der Film dafür keine Identifikation über, höchstens objektives Reißertum, dass er am ehesten in der Sorge von Ehefrau Jane konterkariert, die in einzelnen Szenen zwischendurch auch bei den Nachbarskindern vorbeischaut, zuhause aber letztendlich auf einen verrückt gewordenen Gatten wartet, der sich im Trieb wieder in seine Uniform geschmissen hat. Das Trauma weiß aber weiterhin noch um sich selbst und so endet das Finale weniger in einem Showdown der Schauwerte, als im Keller, sprich in den Wurzeln einer sich stets sicher wähnenden Gesellschaft, die ihre Probleme aber nur schwer unter den Teppich kehren kann. Die letzte Geste unter Eheleuten hat dementsprechend was von fatalistischer Vergebung, die abgeklärten Worte des Captains nochmal den Beigeschmack indifferenten Vergessens, obgleich der Nachwuchs schon die nächste Phase vorbereitet. Der gesamte, von Margheriti mitverfasste Kommentar auf die Post-Vietnam-Generation mag da im Endeffekt also vielleicht etwas abstruse Fantasien bedienen und das Genre-Blut aus vielerlei Quellen fließen lassen, doch gänzlich weit hergeholt kann man diesen charakterlich ungewohnten Pfad nicht bezeichnen, selbst wenn er in „Deathdream“ stringender und mit weit weniger durchgeballerten Mägen aufgezogen wurde.




Das war diese Woche natürlich auch nicht das letzte Wort hinsichtlich dazu, wie unergründlich der Mensch mehr oder weniger zu seinem Ziel kommt, denn neben einigen weiteren nachgeholten Stephen-King-Verfilmungen („Langoliers“, „Manchmal kommen sie wieder“, „Dreamcatcher“, „Tommyknockers“) hatte sich noch eine Perspektive angeboten, die 1974 via Ron Ormond und Hardliner-Prediger Estus W. Pirkle in die titelgebende „The Burning Hell“ schaute, was übrigens nicht deren einziges Projekt in der Sparte war. Auch wenn die Veröffentlichungspolitik dieses Blogs stets auf Sonntag schielt, ist jenes Wort zum Sonntag im Film nochmal eine extremere Angelegenheit: Innerhalb von nicht mal einer Stunde Laufzeit versucht Pirkle als er selbst, dass der Zuschauer in seinen verfilmten Gottesdienst mit einstimmt und die Rettung der Seele fleht, um der Hölle zu entgehen. Gemessen am Budget des Films müsste man dafür eher sehr leichtgläubiger Natur sein, was sich schon an den Rekreationen biblischer Gleichnisse erkennen lässt, die in mittelamerikanischer Wüste falsche Bärte und breiteste Akzente aufbieten. Wie Alfred Edel einst in der „Hau-Schau“ schon sagte: „Mit 250 Mark kann man die Bibel nicht verfilmen!“ Doch „The Burning Hell“ hat es in Ansätzen trotzdem versucht, ehe Pirkle aber in der Gegenwart von der rücksichtsloser Bestrafung der Sünder erzählt, welche er sodann an einem Beispiel an Rockern (nicht die aus „Asphalt-Kannibalen“) festmacht, die ihn vor dem Gottesdienst noch sofort mit Fragen über Jesus besuchten, aber ihren Meinungen zum Nachleben wegen von ihm wie Dreck behandelt wurden, da ja nur seine Variante recht hätte. Kurz darauf verunglückt einer der Beiden beim Motorradunfall und als Zeichen der Pietät zeigt der Film seinen abgetrennten sowie eine Blutspur hinterlassenden Kopf zumindest noch im Helm. Verzweifelt kommt der junge Mann also in die Kirche voller unwohl ausschauender Provinzvisagen, deren Perücken und geistlose Augen nicht mal John Waters so gruselig ausschauen lassen könnte. Dementsprechend krass gibt Pastor Pirkle ihm dann auch zu verstehen, dass sein Verlust jetzt zwar respektiert werden solle, der verstorbene Freund im Augenblick sowie für die nächste Ewigkeit jedoch zweifellos abermillionen Höllenqualen durchleben wird.


Um sicherzugehen, dass der Zuschauer eine Ahnung von jenem theoretischen Schmerz hat, rechnet er im reiterierenden Detail die Zeitspanne an Jahren mit einer ganzen Reihe an Nullen auf, während dieselbe Anzahl auf Würmer umgemünzt werden kann, die den Körper Stück für Stück in der Hölle auffressen werden. Regisseur Ormond illustriert dies mit Maden in Gesichtern, die zudem blutgetränkt zwischen Finsternis und Flammen sitzen, qualvoll ins Nichts blicken, vor Schmerzen schreien oder in jedem Neuankömmling Johannes den Täufer (auf englisch John the Baptist, ist ja schließlich die Mehrmals-John-Edition) sehen zu glauben - alles sehr lose und fantasievolle Bestrafungen. Ein paar Mal ist der Teufel (in diesem Fall eine Erfindung Gottes) ebenso zugegen und parallel zur Mentalität des Films trotz billigen Make-Ups eine gruselige Erscheinung. Einige Ausflüchte gen Himmel werden ebenso noch visualisiert und einige Beispiele mangelnder Zwischenmenschlichkeit wie das von Lazarus und dem Reichen motivieren den Zugang zur Hölle auch mehr via asozialer Zeitgenossen, die sich trotz ihrer Mittel nur selbst genügen und andere sterben lassen. Dennoch ist Pirkles Ansatz ironischerweise mehr aus Angstmache und Erpressung zur Überzeugung geneigt, so radikal er vom Zuschauer den Glauben verlangt, gleichzeitig aber auch den reellen Rahmen seiner Predigt unterwandert, indem er seine On-Screen-Jünger auf Clips von anderen Pastoren und dramatisierten Szenen verweist, als spreche er mit dem Kino-Publikum. Es ist so irritierend, wie es einen Ungläubigen schier langweilt, selbst waschechten Christen einige Nummern zu blöd sein dürfte, so hart die Indoktrination hier schlicht keinen Sinn mehr zum Weiterleben geben kann. Entweder man lebt solange furchtsam unter der Fuchtel Pirkles, bis man stirbt und in den Himmel kommt oder man leistet sich einen Frevel (laut Intro zählt wohl auch nur der Gedanke) und landet direkt in der Hölle, wo ein ganzes Star-Aufgebot an Verdammten tagtäglich zur Verfügung im Fegefeuer steht. Da Gott laut diesem durch und durch beharrlichen Film zudem beide Optionen erschaffen hat und die zusätzliche Erschaffung des Menschen damit wie ein grausames, selbstgefälliges Experiment wirken lässt, möchte man glatt diskutieren, ob Religion nicht doch perverser sei als jede hier im Blog erwähnte „Dirty Shame“. „Will you come?“, fragt Pirkle am Ende des Films im wiederholenden Mantra - da kann die Antwort ja nur „Let's go sexing!“ heißen.

Aber lassen wir vorzeitig erstmal ab von solch theologischen Exkursen, schließlich bietet uns das letzte, extern besprochene Beispiel aktueller Filmwelt die Hölle auf Erden schlechthin an, auch wenn ich nicht unbedingt mit den ganzen Lobeshymnen eingehe, die er der breiten Meinung nach erhält. In diesem Sinne, meine lieben Leser, wollen wir also unsere Woche an möglichst vielen, weiteren Empfehlungen preisen, weshalb die abschließende Opfergabe eben Hoffnung machen soll, auf das, was noch in Zukunft kommen möge: Texte über Texte, Bilder über Bilder, Filmhimmel und Filmhölle wie gewohnt an Ort und Stelle!




DON'T BREATHE - "[...] Dabei ist die Prämisse ein ideeller Nährboden für Nervenkitzel, denn sie ist so ziemlich dieselbe wie jene aus Wes Cravens „Das Haus der Vergessenen“ [...] Gleichzeitig aber verliert der Film an Kraft, wenn er auf seiner konzentrierten Ausgangslage sicke Ideen stapelt und diese in reißerische Impulse münden lässt, die zudem von der repetitiven Neigung zur Zeitlupe unterstrichen werden. [...] Es mag an der Entmystifizierung des Blinden liegen, der bald kaum noch mit Motiven geizt und humanisiert wird, obgleich seine unaufhaltbare Killer-Statur mit scheinbarer Teleportationsfähigkeit ein Fall für den gängigen Slasher hergibt. Logikfetischisten, die im Horror-Genre besonders aufpassen, dürften an solchen Ausfällen ihre helle Freude haben. [...] Nicht, dass die Konklusion viele Überraschungen ballen würde, doch die Kurzweil lässt in puncto Kohärenz und Stil durchaus die Muskeln spielen, während der Kontext zunehmend auf das Duell zwischen Arm und Arm hinweist [...] Ob jedoch emotional irgendetwas davon mitgenommen werden kann, darf bezweifelt werden."


(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)