wieder mal schreibe ich Euch auf den
letzten Drücker von den Ereignissen und Filmen dieser Woche, in
welcher nach perplexen TV-Debatten, erhängten Terroristen, furchtbaren Wetterlagen und
etlichen parasitären Hashtags erneut die Frage gestellt
werden muss: Was soll das eigentlich alles noch bringen? Gut, zum
Ende dieses Blogeintrags wird Frank Capra einen Meisterspruch ins
Gewissen schießen lassen, den man stets bestätigt sehen kann.
Spoiler: „No man is a failure who has friends.“ - und
ehrlich gesagt, war Freundschaft auch die Quelle meiner schönsten
Erlebnisse in diesen Tagen (siehe u.a. „Der
Hund im Film“), obgleich ich nicht mal die nötigen Mittel
zusammen gekriegt habe, um es am Wochenende aufs diesjährige Indigo
Filmfest zu schaffen. Es gab noch die eine oder andere Enttäuschung
mehr (die größte: Tsui Harks „Die letzte Schlacht am
Tigerberg“), welche ich hier ausbreiten könnte, aber im
Endeffekt sind die privaten Dramen so nichtig, dass ich von
Vornherein viel mehr Spaß daran habe, herauszufinden, was eine so
massive Angriffsfläche wie Amerika für einen
chronisch-eskapistischen Undercut-Träger wie mich so
krankhaft und reizvoll macht. Aus diesem Grund habe ich also erneut
meine Außenseiterglubscher verstärkt über den Teich hinweg auf
Jahrzehnte der Nation im Film gerichtet, auf dass das „Spektakel
USA!“ nun knapp einen Monat später eine angemessene
Fortsetzung erhält und analysiert, was sich (wenn überhaupt) aus
dem wahllosen Potpourri an Eindrücken, auch fürs Leben außerhalb
Amerikas, lernen lässt. Meine schriftstellerischen Ambitionen sind
aber, wie man sich bei einem wöchentlichen Output wie diesem hier
vorstellen kann, nicht immer ein einziger Segen, da ich mich mental
irgendwie jedes Mal erst auf Hochtouren bringen muss, um knapp 700
Wörter für einen Film schreiben zu wollen, da ich noch immer von
Vornherein stets in frage stelle, ob es überhaupt hinhauen, gar
gelesen oder veröffentlicht wird. Aufregung und geistige Schranken
sind also Wiederholungstäter, die ich mit Energydrinks, KitKat und
„am Samstag werde ich alles aufschreiben“ zu stillen
versuche, während man auch noch damit umgehen muss, überhaupt
erstmal gute Filme zu erwischen - und wenn man sie erst hat, kriegt
man die Panik, ihnen gerecht werden oder zumindest all die cleveren
Sachen, die man sich während der Sichtung gesagt hat, in Textform
umsetzen zu wollen. Ein Teufelskreis.
In einigen Fällen ist man dann auch ganz froh, wenn ein Film nicht allzu gut ist, um einer genaueren Besprechung unterzogen werden zu können. Sowas wie Steven Spielbergs „Always - Der Feuerengel von Montana“ zum Beispiel ist als himmlische Romanze über die Grenzen der Sterblichkeit hinweg leider nicht so ergiebig, wie man es sich erhofft. Ein kecker Richard Dreyfuss kann sich da irgendwie nie auf Augenhöhe mit dem Zuschauer treffen, obgleich Spielberg trotzdem einen Pathos zwischenmenschlicher Nostalgie an der Sehnsucht zu Holly Hunter stilisieren will, die aber wie alles am Film durch ein arg kalkuliertes bis lebloses Melodram plätschert, welches als „Unglaubliche Geschichten“-Episode schon passives Interesse hervorgerufen hätte, hier jedoch nur im technischen Aufwand die meiste Sorgfalt erhält. Audrey Hepburn als Engel Hap kann jetzt auch nicht soviel reißen. Oder halt Doug Limans „Swingers“, derart geballt als Produkt der Neunziger konzipiert, dass es keinen Hehl aus seinem Good-Fellas/Tarantino-Abklatsch macht, in der persönlichen Reflexion des jungen Jon Favreau als sensibler Typ mit Ex-Freundin-Komplex sodann allzu gerne von der behaupteten Coolness und Abgeklärtheit der Leinwandhelden lebt, bis der Umgang mit Frauen einen genauso ausgedachten Gegenentwurf über die Nachahmung hinweg erfordert, der wiederum alles am idealisierten Abbild der Ära bestätigt und Eigenständigkeiten in gewollt kultigen Dialogen zu entdecken glaubt. Selten wird man einen Film sehen, der jenen Zeitgeist der hängengebliebenen Pubertät sowie seine Lebenserklärungsversuche so kapital trifft, aber auch verinnerlicht und (nicht nur dem Verständnis der Geschlechter wegen) retroaktiv mega ungeil macht - ohnehin bleibt dann die Frage, ob Favreaus unpersönliche Filme vielleicht seine einzig Guten sind. Ich schaudere schon vor „Made“. Wie dem auch sei, ist eine Ära nicht durch einen einzigen Film kaputt zu machen, weshalb das Spektakel USA sodann zu folgenden Werken einlädt, an denen ich meine behaupteten Lebenserklärungsversuche abarbeiten kann - wie eh und je voller Fremdwörter und Schachtelsätze, gelobt sei das Bloggen!
Todd Haynes war mit „Safe“
um 1995 herum vielleicht einer der ersten wenigen Regisseure, die einen
haarscharfen Revisionismus an den Achtzigern ausgeübt hatten. Denkt
man an jene Ära zwischen Reagan und Bush Sr. zurück, fällt einem
höchstens verstärkt der satirische Ansatz ein, mit dem die
kulturelle Selbstreflexion sich selbst in medialer Form zu sezieren
pflegte (siehe nächsten Film). Haynes bietet sich zwar ebenso zur bitteren Ironie an, als
könne man ihn beinahe mit Todd Solondz verwechseln (ist mir schon
einige Male passiert), doch der psychologische Horror, den er am
Abbild jenes kontemporären Amerikas zeichnet, ist nochmal eine
andere Liga. Das San Fernando Valley (bewusst in der Spätphase
um 1987 eingefangen) ergibt sich insofern als Schauplatz fingierter
Zufriedenheit und erkälteter Sozialmodelle, im Korsett stylischer
Architektur und ebenso hipper Tagesabläufe von Aerobics
bis hin zum Dinner mit angeblichen Freunden geglättet, welche von
Kopf bis Fuß die Oberflächlichkeit feiern, gleichsam gute
Ratschläge zur Problembehandlung geben können, die im
forciert-optimistischen Aufwärtsschwung der Reaganomics keine
Zeit haben für Details oder gar Neuigkeiten außerhalb aller
aufgesetzter Ideale. Julianne Moore als eine Carol von mindestens
zwei in Haynes' Filmographie droht darin zu ersticken, als Hausfrau
dem Wahnsinn zu verfallen, obgleich die Gründe dafür eher vage
gehalten werden, sicherlich an der Gesamtheit des Zeitgeists kranken
sowie von einer permanenten Vernachlässigung gekennzeichnet sind,
die schon von Ehemann Greg (Xander Berkeley) sowie Stiefsohn Rory
ausgeht und auch nie im für gewöhnliche Filme typischen
Charakterwandel zur Läuterung bewogen wird.
Das Prozedere geht hier ohnehin keinen
festgelegten Weg ein, so wie man aus den ersten Deutungen Richtung
Melodram à la „Opfergang“
glaubt, einem Aufbau an individuellen Charakterstärken beizuwohnen,
ehe Haynes seine Carol im Wendekreis der Selbstlüge zur
Verwahrlosung durch New-Age-Quacksalber anleitet. Das ist kein
leichtes Risiko, so wie jene Frau von Anfang an mehr wie ein Prototyp
der Naivität und Unschuld scheint, ihrer Selbstzerstörung unbewusst
durchs System gereicht und somit auch funktionell für Haynes'
Interpretation der 80er wird. Die effektive Musikgestaltung, wie in
zeitgenössischen
Hongkong-Horrorfilmen mit Brian Eno ausgestattet, weist da ebenso
von außen den Weg innerer Tragik, welche omnipräsent um den
gesellschaftlichen Schein des Seins wabert, auf dass mehrere Hüllen
der Wahrnehmung hier ihr Spiel mit dem Zuschauer treiben und sich
kritisch begegnen. Jene entschiedene Subjektivität gleicht sich aber
noch insofern mit Carols eigenem Wesen ab, wenn der Smog der Stadt so
eindrücklich auf sie abfärbt, dass ihre kontinuierlich ansteigende
Krankheit eben durchaus von dort rühren könnte, auch wenn es sich
rational gesehen des Öfteren widerspricht. Psychotherapeuten und
Toxikologen wissen ebenso keine klare Diagnose zu stellen, also ist
der nächste Schritt bei einer so losen Definition wie jene zu Carols
MCS/Twentieth-Century-Disease eben unqualifiziert und
hoffnungserweckend zugleich, wie garantiert schnell das
Selfhelp-Prinzip in geradezu kultischen Gruppensitzungen die
Heilung verspricht. Nicht, dass der Grad der Verzweiflung da
abbrechen würde, wenn die Berührung mit alltäglichen Gegenständen,
Produkten und sogar Menschen zum No-Go wird, die Angst als ständiger
Begleiter auf die Lippe beißen lässt, sprich eine einfache Frau
manipuliert, die im Angesicht horrender Nachrichten um Immunschwächen
und Co. auf wenigstens eine Anlaufstelle des Vertrauens treffen
möchte.
Der Paranoia im Geiste spürt Haynes
schon binnen der kahlen Kulissen des Wohlstands nach, wo die Farbe
eines Sofas schon profunden Stress mit sich bringt und die hypnotisch
körnenden Wellen des Fernsehens wie die Ruhe im Gift schlechthin
wirken. Die körperliche Unberechenbarkeit, die Carol erreicht, geht
ebenso ins Mark, wenn der Kontrast der erzweißen
Dauerwellen-Gefälligkeit in behaupteter Empathie versammelt drum
herum steht. Der Dauerzustand des Zynismus kommt mit der Realität
eben kaum klar, was sich auch beim Personal der Wrenwood-Klinik
zeigt, das seine Patienten pseudo-experimentell formt und Individuen
mit Floskeln abspeist, während das Leiden zum Geschwür
manifestiert, das Beharren auf Safe Places einen Teufelskreis
der Abschottung schafft, in dem der Tod beinahe schon eine Chance
für den nächsten Zerfall ergibt. Zeitgleich mit dem mentalen Bruch
in jenen Verhältnissen erfährt Carol jedoch auch genuine
Nettigkeiten im Kreise der Selbstgeißelnden, mehr noch als in der
eigenen Familie, innerhalb derer Gatte Greg eher hilflos als wirklich
antagonistisch zumindest um eine Umarmung fragt. Gegen Ende hin sind
die Fronten sogar zugänglicher als zuvor zueinander, wie ein
Vorzeichen für die 90er Jahre weiter zur Menschlichkeit schreitend
und doch nicht ganz an der Wahrheit dran, wenn die Außenwelt dafür
zudem komplett abhanden kommt. Sicherheit als illusorischer,
temporärer Begriff selbsterfüllender Prophezeiungen - zu der
Komplexität hat Haynes eventuell dann eben auch keine stimmige
Aufklärung parat, so wie er zunächst noch den Grundton des
Desolaten stilisiert, im Verlauf jedoch vom Entschiedenen abweicht
und trotz seiner grausamen Pointen der Entmenschlichung selber schon
im eigenen Film verloren/draußen wirkt, Carol ebenso wie ein Opfer
ihrer selbst stehen lässt. Harter Stoff! Die
Übernahme des Narrativs sowie seiner Implikationen passiert wohl an
allen Ecken und Enden, deshalb wirkt auch der Abspann wie
ein letzter Blick durch den Spalt finsterer Mauern, aus sicherer
Distanz im Schrecken des vergegenwärtigt-vergangenen Daseins
zurückgelassen.
Daraufhin wieder direkt in die
Achtziger zurückzublicken, könnte in manchen Fällen
kontraproduktiv wirken, doch bezüglich Danny De Vitos „Der
Rosenkrieg“ wäre ein Hinauszögern schon mal ein Riesenfehler - ganz so wie eine Ehe. Mit
kräftigem Biss kaut sich die Satire nämlich durch alle Lagen einer
Scheidung, bis der Tod ins Eigenheim fährt, vorher aber lässt es
der Film nicht aus, wenigstens die genuine Grundlage für eine stattgefundene
Liebe binnen Multiorgasmen bewusst zu machen. De Vito tritt dafür sogar in zweifacher
Form als Erzähler auf, ist er doch neben seiner regieführenden Funktion als Sleaze-Anwalt und messerscharfer Mittler Gavin D'Amato vertreten, der seinem neuesten
Klienten die Geschichte der Roses, sprich Oliver (Michael Douglas)
und Barbara (Kathleen Turner), rekonstruiert. Solch eine Perspektive
darf sich stilistisch in den Kosmos katapultieren und hebt durchaus mehrmals vom Erdboden ab,
voll mit groß aufgespannten Studiokulissen, krassen Perspektiven und
Rückprojektionen zur Repräsentation der überlebensgroßen Ambitionen
im Wohlstandsamerika innerer Spaltung, das sich eine pompöse Vasenanbaureihe nach der anderen leistet. Eine richtig schöne Stilübung
per Split Focus Diopter (der deutsche Begriff ist mir entfallen, sorry, bros) verknüpft sich zudem mit den Grundpfeilern
charakterlichen Bezugs, wenn beide Parteien ebenbürtig scharf im Bild
bleiben, die jeweiligen Positionen auch narrativ dem Schlagabtausch harren,
sprich dass die Dimensionen an Persönlichkeit, Wunschdenken und
Enttäuschung stets greifbare Rahmen erhalten. Dass sich unser Paar
aber beim gegenseitigen Aufbieten innerhalb einer Auktion
kennenlernt, sollte schon Auskunft darüber geben, um was sich in
Zukunft noch gestritten wird, wenn das kapitalistische Konsumgewissen
in vollen Zügen zuschlägt, mit Stufen des Glücks süchtig macht,
wie Hund und Katz entzweit.
Jenes Verhältnis ist dann auch der
Antrieb für einen treffsicheren Strom der Beobachtung, in dem die
Eskalation des Zynismus für abnormal viele garstige Pointen sorgt, von
jeder Seite der Ehe einen Umgangston aus der Hölle der Zweisamkeit schöpft, ohne das
Menschliche an ihnen aus den Augen zu verlieren (etwas, was das
französische Quasi-Remake „Mama gegen Papa - Wer hier verliert,
gewinnt“ gar nicht erst versuchte). Inwiefern sich da die
Sympathien des Zuschauers immer wieder untereinander verschieben, wird aber auch
kein absehbares Unterfangen - obgleich sich die Handlung vom Ursprung
her eher auf Barbaras Seite schlägt, ihre Sehnsucht zur
Eigenständigkeit empathisiert und Oliver eher als rücksichtslosen
Trottel des narzisstischen Zeitgeists zeichnet, sind deren beiderlei
Ansätze zum Umgang mit der Scheidung in etwa Zerfleischungsakte mit Zyankali (oder Haustier) zum Nachtisch. Wer
das Haus und dessen Mammutsmemoriblia bekommt, wird sodann der größte
Streitpunkt eines kontinuierlichen Zerfalls, bei dem
das Prinzip familiarity breeds contempt schon seinen stimmigen
Anteil des puren Hasses liefert, beim Herzinfarkt des Gegenübers Endorphine ausstoßen lässt, im Gegenzug
nachvollziehbar verletzt, ehe der Kampf um das Selbstverständnis der
Egos alle Körper brachial durch die Gegend schmeißt. De Vito ist diese Aufregung Gold
wert, Höhen und Tiefen der menschlichen Spezies in der
Selbstreflexion zum Heidenspaß zu gestalten, welcher Idiotie und
Sadismus gleichermaßen vereint sowie auf jedermanns demütigende Ader umgemünzt werden
kann, wenn Güter und sozialer Status die Gefühle bestimmen, bis
diese mit Schmackes in der Fresse landen. Oliver hat halt nach Schlägen verlangt, weil's männlich ist.
Die inszenatorische Dynamik steigt
dafür nach dem Formate Beelzebubs ins Geschehen ein, involviert im Überschwang bestialischer Dualität mit oscarreifen Sounds und brutalisiert-schlichten Eindrücken, die auf
Fische pissen, Jeeps aufs Oldsmobile einrasten lassen, Katzen
überfahren, inzestuöse Küsse suggerieren, Weihnachtsbäume abfackeln, Füße in verschiedenen Tempi zur Leistengegend beordern und Kronleuchter zu Boden zwingen, wobei die lakonische
Qualität in Dialog und visueller Abgeklärtheit als Kontrast umso brülllauniger heraussticht. Die blutgeile Entlastung in der Katharsis für den
Zuschauer ist da selbst bis zum Schluss der Rahmenhandlung gegeben,
dass man der Schnee herbeizaubernden Moral der Geschicht' zweifellos abnimmt, sich
selbst nicht allzu ernst nehmen zu wollen - die eigentliche Nähe zum Prozess des Abschlachtens aus vergangener Liebe jedoch, so unbemerkt und überspitzt sie auch erscheinen
möge, macht erst die saftige Blutwurst des Films aus, so intensiv er
an der Bosheit in der Bindung bohrt und die Ironie der
gesamtmenschlichen Zuneigung binnen der Abhängigkeit von Monetenmengen
offenbart. Dass das Bekenntnis zum menschlichen Abfallhaufen eben nicht ausschließlich einen Hort des stillen Leidens abgeben muss,
spannend daherkommt und turbulent um die eigene Existenz wetzt,
bekräftigt zudem eine Euphorie zur menschlichen Existenz, die De Vito als
Regisseur komischerweise selten angerechnet wird, obwohl sein
„Rosenkrieg“ durchaus einen Bekanntheitsgrad, jedoch
keinen wirklichen Evergreen-Status errungen hat. Wahrscheinlich war
das Wiedererkennen finsterer Krätze manchen Zuschauern dann doch zu viel fürs Ideal
im Strudel der Achtziger - umso inniger lässt sich die
Selbsterkenntnis knapp 30 Jahre später empfangen, wie stark und gemeinsam am gegenseitigen Abtreten gearbeitet werden kann.
Wir verbleiben sodann weiterhin in
Amerika, um einen weiteren unterschätzten Vertreter seiner
entsprechenden Ära zu würdigen. Als Teil einer Trilogie an Filmen
ist „Jackass: Nummer Zwei“ vielleicht sogar die Spitze des
Eisbergs für jenen Widerspruch binnen der USA, selbst im
omnipräsenten Zwang der Autoritäten krass grelle Anarchie leben zu können.
Vieles kommt dabei in Jeff Tremaines Ballung an Daredevil-Persönlichkeiten
zusammen, was die mediale Unsterblichkeit von Humor und Eigensinn
angeht, während zeitgleich unter George W. Bush Krieg, Korruption,
Angst vor Terror und Armut fruchteten: Basierend auf der MTV-Sendung
ab 2000 macht es sich der Freundeskreis um Johnny Knoxville, Steve-O,
Bam Margera und Co. zur Aufgabe, beknackte Stunts und teilweise vollgekackte Streiche
auszuführen, die Richtung Gross-Out und Co. einen weiten
Bogen ums körperliche Wohl machen, darin beinhart die gegenseitige
Belustigung finden, wenn untereinander zu Mutproben motiviert wird,
die durchweg mit cartoonesken Umrahmungen und Verkleidungen zur
Pointe bewusster Hohlbirnen aufrufen. Manche darin gesetzten
Kontraste sind schon so steinalt und effektiv wie alle noch vor dem 20.
Jahrhundert in Steinplatten geritzten Grundlagen der Komödie, hier auf Bollwerke
zelebrierter Selbstzerstörung fixiert, wie sie die Looney Tunes
oder Tom und Jerry per Zeichentrick anboten, nun per Räudenfaktor
eine erneut arg konservative Gesellschaft be-/unterwanderten,
die davon nicht genug kriegen konnte. Insofern bildet sich
hier repräsentativ auch das Bindeglied zwischen dem Phänomen der
Reality-TV-Schwanzlurche und der kommenden Generation an
Internet-Pansen, deren virale Clips nicht allzu fern von
Jackass' Vignettenstruktur, somit eben auch vom Kurzfilmschub
der einstigen Kinocartoons aus agieren.
Da passt es nur zu gut ins Bild, dass
„Jackass: Nummer Zwei“ - für viele (nicht nur besorgte
Bürger) schon eine Unmöglichkeit, dass jenes Konzept
eine Fortsetzung produzieren konnte - sowie Youtube beidesamt
2006 auftraten, jemand wie Steve-O inzwischen zehn Jahre später als
Gast bei einem Let's-Play-Kanal wie Game Grumps
auftaucht und Schockcomedy-Kanäle wie FilthyFrank oder
Maxmoefoe alle Grenzen dieses Undings „Guter Geschmack“
sprengen, Millionen Abonnenten horten. Abseits vom offensichtlichen
Erbe des Nachäffens ist der Film an sich noch immer ein geladenes
Bündel an genitalen Einfällen und abartig witzigen Grausamkeiten, das schon in der
Eingangssequenz mit brutaler Wucht aufs Zwerchfell einschlägt,
die Unberechenbarkeit wilder Tiere im Gesamtkonzept vorweg greift und
bezeichnenderweise eine Vorstadtkulisse dafür verwüstet, in die
sich unsere Heini-Helden des Sadomasochismus auf der Flucht vor wilden Bullen verirren. Im Folgenden ist sodann auch alles zum Abschuss
freigegeben, um die Selbstverwirklichung der amerikanischen Freiheit/Saftsackqualität voranzutreiben: Arschlöcher zum Bierschlucken, die
Haustreppe als Schlittenhügel, Türklingeln als Köder für Schläge
mit hydraulischen Schaumfäusten, Pferdesperma als Getränk und
Pferdescheiße als Zwischenmahlzeit, Angelhaken als Wangenpiercing,
Blutegel für die Augapfelbehandlung, etc., etc., die Liste geht bis
zu 90 Minuten Länge weiter. Darin enthalten sind aber auch grandiose
Installationen des Todesmuts à la Evel Knievel, wie die Wippschaukel
im Stierrodeo, Loopings fürs Mini-Moped und Abschussrampen für
Rollstühle mit Raketenantrieb. Für Inklusion ist also durchaus gesorgt
- musikalisch auch Slayer, Turbonegro, Elvis,
Morricone, Strauss und Karon O vereint -, wie zudem die
Schattenseiten Amerikas einen schnittigen Auftritt hinlegen, wenn ansonsten für
Demonstranten gedachte Massenabschreckungsanlagen mit Gummigeschossen
an den Protagonisten ausprobiert werden. Der Höhepunkt ergibt sich
in der Veräppelung der Terrorgänsehäute, wenn Danger Ehren als
fingierter Al-Quaida-Araber einem Taxifahrer Angst machen soll,
dieser aber als Eingeweihter zurückschlägt, den Stereotyp am
Schauspiel runterputzt und alles noch dadurch getoppt wird, dass der
falsche Bart aus den Sackhaaren der Crew besteht.
Pranking the prank passiert hier
ohnehin mehrmals auf Kosten potenzieller Eitelkeit (vor allem beim verkappten
Emo-Tool Margera), so kichernd entgegengenommen wie das gegenseitige
Bewerfen mit Medizinbällen im Dunkeln, eben dem Showfaktor der
latent-homoerotischen Buddies wegen, die beinahe ständig
Matrosenmützen als Topoi des glucksenden Dumpfbackentums auf die Murmel platzieren. Das nennt man Hingabe, welche sich gleichsam nicht vor nackten Tatsachen scheut, stets auch am Schamgefühl fingert, wenn im
Bad-Grandpa-und-Grandma-Kostüm schlapprige Brüste und
Hodensäcke aus Versehen an die frische Luft geraten,
fassungslose Reaktionen aus allen Gesellschaftsgruppen eingefangen
werden, während „Fuck the pain away“ von Peaches
auf der Tonspur bratzt. Wundert es da noch, wenn John Waters
auftaucht und Wee Man per Zauberstab verschwinden
lässt? Dass Johnny Knoxville T-Shirts mit dieser Katzen würgenden Schweinebacke Woody Woodpecker
als Motiv vorführt? Oder dass die große Musicalnummer zum Schluss
(„The Best of Times“ aus „Ein Käfig voller
Narren“) einen Technicolor-Querschnitt vom Showbiz zum kleinen Mann
hinüber zur Ära des Westerns macht, bis Knoxville Buster Keaton
hommagiert und wie seine Zeitgenossen von einem Seil über die Bühne geschossen wird? Alle Hände greifen hier eben in die Bärenfalle, lachen, schreien, furzen
und feiern dem Schmerz entgegen - der Kurzweil regiert unter sich
selbstverstümmelnden Kerlen, welche ihre Maskulinität ad
absurdum ins Vollhonkterritorium treiben und als Fortsetzung ihrer selbst
sowie der gesamten Humorevolution Amerikas stehen, auch wenn sie
selber passiv proklamieren: „Fuck art, let's dance!“ Ist
eben alles an ihnen selbstverständlich wie subversiv im Lifestyle
verankert binnen der patriotisch-prolligen
Counter-Culture-Stuntmen-Posse, die querbeet schwachmatisch um den
Globus turnt oder zuhause im Sturz von antiken Fährrädern
verreckt.
Weiter und wahrscheinlich als letzte Instanz seiner selbst fährt das aktuellste Sujet dieser Woche auf, da „Phantasm:
Ravager“ eben als fünfter „Phantasm“-Teil den
Abgesang auf Don Coscarellis Horror-Saga darstellen soll. Kollege
Daniel Hartman führt zwar Regie, doch das Abenteuer fusioniert
vielerlei Faktoren der Reihe zu einem mehr oder weniger stimmigen
Ganzen zusammen, das einerseits unter den Markenzeichen des digitalen
Low-Budget-Horrors dieser Tage leidet und mit schlapper
Kameraleistung übergroße Visionen via After Effects
versucht, in der Erdung der Mittel andererseits aber näher am
Herzstück des Erstlings liegt, als es alle Fortsetzungen bisher
schafften. Der eigensinnigste Umstand aus diesen aber, nämlich dass
„Das
Böse“ im Verlauf der Jahre zu einem Star-Vehikel für Reggie
Bannister umgebaut wurde, bleibt auch hier bestehen. Dass jener Herr
im Angesicht seiner potenziellen neuen Flamme Dawn auch betont, wie
„epic“ seine Geschichte bis dahin geraten sei, birgt
genauso viel Widersinn im Vergleich zum Ursprung, nach dessen
hauptsächlich emotionaler Veräußerung eines jugendlichen Traumas
weit mehr Augenmerk auf den Mythos um den Tall Man und Co.
gelegt wurde. Mit solch einem Fan Service legt der neue Film
ebenso zum Startschuss an, lässt vorangegangene Ereignisse unter dem neuen
Arrangement des Titelthemas Revue passieren, wobei Reggie in karger
Wüstenlandschaft den Voiceover gibt und alsbald von seiner
eigenen Coolness sowie fliegenden Silberkugeln eingeholt wird,
nachdem er seine alte Karre von einem nerdigen Dieb zurückentwendet
hat.
Jene narrative Plattform wird aber jäh
unterbrochen und sieht Reggie als greisen Pflegefall im Altenheim
wieder, obgleich er sich durchaus fehl am Platze und mit den
Erinnerungen eben noch im vorherigen Szenario glaubt. Fortan spielt
der Film also mit mehreren Realitätsebenen, durch die sich Reggie
durchzukämpfen versucht und daran verzweifelt, ob er nun den Tricks
des Tall Man (Angus Scrimm, leider in seiner letzten Rolle)
untertan ist oder nicht. Die metaphysische Parade erlaubt sich im
kostengünstigen Rahmen auch einige falsche Fährten sowie manch
behäbige Neustarts, wenn unser Protagonist durchweg sein Bewusstsein
- zu welcher Dimension auch immer - hinterfragt, was dennoch spannender
zu entschlüsseln ist als der erhöhte Gore-Anteil, der mehr
und mehr Blut aus der Zackenkugel sprudeln sowie Zwerge angreifen
lässt, um Horrorbauern ihre Schauwerte inklusive CGI-Nachhilfe zu
liefern. Einige effektive Jumpscares tummeln sich ebenso
darunter, gekoppelt mit Retroflashbacks wie man sie in der Menge
höchstens aus Teil 4 kannte. Am allerliebsten zeigt sich der Film anhand seines Reggies
jedoch wieder von dessen unbeholfen charmanter Seite, wenn es um das
weibliche Geschlecht geht. Mal mit kecken Gentleman-Gesten
aufwartend, mal zu dusselig mit der Tür ins Haus fallend und im
hohen Alter noch auf Anfang Dreißig aus, ist er durchaus eine Spur
sympathischer unterwegs als die neue Womanizer-Tour von Ash in „Ash
vs Evil Dead“ und greift dafür sogar ein paar Mal zur
Gitarre, um beseelt schmalzige Songs fürs eventuelle Techtelmechtel
zu stammeln. Kurz darauf packt er dann aber auch Samurai-Schwerter,
Kettensägen und Knarren in seinen Wandersack ein, um den bösen
Kugeln besonders überbordernd einzuheizen, was sich anhand des
Production Value eben nie so richtig dynamisch herauspellen kann,
aber durchaus an die Jungskino-Ader des Erstlings und parallel dazu
an bekannte Ortschaften zurückführt, die alle paar Minuten jedoch
ebenso von Greenscreen-Lösungen verebbt werden.
Der Film entspricht qualitativ eben dem Hin und Her eines Klassentreffens, wenn er es sich offensichtlich auch teilweise zu
einfach macht und oftmals anhand von Dialogen etabliert, aber dann
noch einen drauf setzt, wenn er zur Postapokalypse übergeht, wie es
sich Roger Avary einst für Teil Vier vorstellte. Vieles spielt sich
dabei in zumindest ordentlich ausgeleuchteten Korridoren ab und
bemüht sich um Action auf suggestiv globaler Ebene, doch
dankenswerterweise bleiben diese Eindrücke minimalistisch
ausformuliert, während Reggie weiterhin in der mentalen Krisis
pendelt sowie einige Figuren von früher überraschenderweise
ebenso ihre Aufwartung machen. Es sind gewiss recht einfache
dramaturgische Strukturen, die alles etwas uninspiriert
zusammenführen, doch im Großen und Ganzen sind die bizarren Zutaten
der Reihe trotzdem stets so eigen an Ort und Stelle, dass man den
Film mit wirklich keinem anderen Genrebeispiel dieser Tage
verwechseln könnte. Der grundnaive sowie aufrichtige Hang zu den
Hauptcharakteren ist ohnehin über knapp 40 Jahre hinweg eine
Konstante geblieben, die aus dem Homemade-Faktor noch ein
dickes Herzstück des Persönlichen an die Oberfläche dringen lässt
und mir in der Endphase - zum ersten Mal seit Teil Eins - sogar
einige Tränchen abringen konnte. Da ist nicht mal ausschließlich
Nostalgie im Spiel, sondern noch andere essenzielle Werte wie
Freundschaft und Mitgefühl, von denen man ja so oft hört und welche in
diesem Film ganz klar aufeinander aufgebaut sind, auch wenn die
narrativen Sprünge zunächst einen anderen Eindruck hinterlassen,
trotzdem nicht ganz so clever sind, wie sie zu sein glauben. Da ist
er wieder, der Frust am Film, der nicht mal unter den noch so
unwahrscheinlichsten Umständen etwas Ganzes hätte werden können
und doch mehr als etwas Halbes ist. Auf jeden Fall verbleibt er über der
Standardambition „Von Fans für Fans“.
Liberty Films - so lautete der
profund-amerikanische Name von Frank Capras Produktionsfirma, die abseits des regulären Studiowesens ebenso ganz
eigene Projekte, auch auf selbstständigem Vertriebsweg, zu stemmen
versuchte. Wie so oft in der Filmgeschichte (siehe American
Zoetrope oder gar United Artists) war der Misserfolg
dessen wie prädestiniert und beinahe wie ein Omen mit dem Narrativ
des ersten Outputs jener Firma, „Ist das Leben nicht
schön?“, verbandelt. Dort ist George Bailey (James Stewart)
ausgerechnet zu Weihnachten dem Selbstmord nahe, da seinem
Familiengeschäft binnen der Bailey-Bonds-Bank der
Konkurs sowie rechtliche Folgen drohen, weshalb sein Schutzengel aus
den Weiten des Weltalls, Clarence (Henry Travers), die Geschichte
seines Lebens erzählt bekommt, ehe er zur Rettung schreiten kann.
Fortan erleben wir als Zuschauer ebenso den Werdegang des
mittelamerikanischen Stehaufmännchens, welches heutzutage wohl als
Gutmensch bezeichnet werden würde, so wie er von Anfang an ohne Wenn
und Aber auf seine Mitmenschen achtet und dafür so einiges opfern
muss: Sein Gehör auf dem linken Ohr; seine Möglichkeit, aufs
College oder gar ins Ausland zu reisen; später sogar eine angemessene
Hochzeitsreise. Er lässt sich jedoch nicht unterkriegen, so sehr der
raffgierige Mr. Potter (Lionel Barrymore) auch die Macht über die
Kleinstadt Bedford Falls zu erhaschen versucht und ihm
folglich durchweg das Leben schwer macht, während er nebenbei
vielerlei Freundschaften schließt und sogar nach reichlich Zweifeln
der Entsagung mit der ganz und gar reizenden Mary Hatch (Donna Reed)
zusammenkommt. Selbst familiäre Schicksalsschläge kriegt er
angemessen auf die Reihe so wie er auch die Ideale gutgläubiger und
ehrlicher Menschen im Auge des Kapitalismus verteidigt, weil es ihm
eben nicht egal ist, dafür jedoch in die Fußstapfen seines Vaters
treten muss, obgleich er mit seinem Leben noch so viel anderes
vorhatte.
So keck und sozial Bailey seine
Situationen auch stets aufzunehmen versucht; ausgelassenes Tanzen,
Feiern und Flirten nicht ausbleiben: Der Würgegriff des Geldes
umweht beinahe jede Phase des Films und wird selbst bis zum Schluss
nicht aufgelöst, selbst wenn sich das menschliche Miteinander für
bestimmte Zeit aus der Patsche helfen kann, mit was für einer
Gesellschaftsform es sich eben arrangiert hat und doch von Capra im
Subtext kontinuierlicher Krisen auf konzentriertem Raum hinterfragt
wird. Das ist aber auch einer von vielen Aspekten, die in seiner
phantastischen Ballung jener amerikanischen Werte Platz nehmen,
welche jene Nation trotz nachgeholten Klassikerstatus des Films via
endloser TV-Ausstrahlungen seitdem größtenteils vergessen zu haben
scheint. Wie zuckersüß und temporeich die Güte hier für
selbstverständlich gehalten, Armen und Immigranten jenseits des
Profits ausgeholfen wird und der Einsatz eines Mannes soviel Gutes
bewegen kann, hat natürlich etwas Märchenhaftes und wird insofern
dadurch verstärkt, dass Capra volle Gestaltungskontrolle über seine
Kulissen hatte und praktizierte (siehe die Parallelen zu Coppolas
„One from the heart“ oder eben „Der Rosenkrieg“)
sowie ohnehin ein Abbild an Generationen und Jahrzehnten im Laufe der
Zeit zu 130 Minuten Länge darzustellen vermochte. Selbst der
Kunstschnee im Film musste für eben diesen erst neu erfunden werden.
Ferner noch schlägt er die Brücke zwischen Charles Dickens,
„Twilight Zone“ und „Zurück in die Zukunft“,
wenn er Bailey dem Muster-Antagonisten Potter wegen so weit an die
Grenzen der Geldnot bringt, dass dieser sich wünscht, niemals geboren zu sein, was
ihm Clarence als so eindringliche Vision der Verwahrlosung darbietet,
dass er umso glücklicher in die Realität zurück will. Mal
abgesehen davon, dass zum Schluss beinahe jeder Begegnung mit einer Änderung forciert gewitzelt werden muss - als ob man den Zuschauer nicht zu
sehr belasten möchte - und der Wandel von Bedford Falls zum
Nachtclubmekka Pottersville eher spießige Urängste
anspricht, kommt die letztendliche Katharsis jedenfalls nicht
von ungefähr auch im Zuschauer an.
Dem gehen nämlich einige
außerordentlich kraftvolle Szenen der Selbstlosigkeit voraus, wie
zum Beispiel Baileys Initiative in der Kindheit, als er dem alten Mr.
Gower (H.B. Warner) vor einem gravierenden Fehler bewahrt sowie am
Tod dessen Sohnes Anteil nimmt. Oder die mit Abstand stärkste
Standhaftigkeit in der Verzweiflung, als er seinen Mitbürgern und
eben Kunden binnen der Bankkrise sein eigenes Geld bzw. Glück leiht,
anstatt dass allesamt zu Potter wechseln und von diesem abhängig
werden. Jene Impulse des Gerechtigkeitsgefühls sind durchaus
publikumstauglich getrimmt und vom Spannungsbogen her wie aus einem
Melodram jener Ära übernommen, doch an wahrhaftigen Emotionen
mangelt es Capras semi-magischen Realismus im Endeffekt kaum, da es
ja schon in sich schlüssig bleibt, kohärent und konsequent an den
Gezeiten menschlicher Sehnsüchte wie Entbehrungen operiert und
durchaus nicht jedes Szenario (zu welchem Grad auch immer) für die
Leinwand verkitscht,
wenn man die Handhabe denn
überhaupt so benennen mag. Wie brutal dann auch Baileys
Wutausbruch rührt, wenn die Kacke am Dampfen ist, jede Nettigkeit
untereinander vergänglich wird und er selbst im heimeligen Kreise
den Frust ins Haus schleppt, welcher sich weitere Schranken baut, bis
er komplett vom Glauben abfällt und jede noch so kleine Spur
vorherigen Screwballs in Tränen ausbricht: Das ist selbst
unter Einberechnung aller filmischer Konstruktion ein beklemmendes Schauspiel, wie Mensch sich eben des Öfteren in
solche Lagen der Ratlosigkeit hineinlebt und glaubt, alleine
zu sein. Dass Capra die Art Menschenkenntnis auf eine spirituelle
(nicht rein religiöse) Fantasie treffen lässt, kristallisiert den
echten Horror, den totalen Albtraum unter der Oberfläche für den bewussten Zuschauer irgendwie erst
recht heraus (Bailey ist laut Versicherungspoliz tot mehr wert als
lebendig), wie er auch die Gegenthese der existenziellen Pein im Finale
so stark auf den Punkt bringt, dass man dem Wahr-Werden dessen nach
sehnt UND den Sinn des Lebens entschlüsselt glaubt - ungefähr
äquivalent zu „WarGames“. Auch wenn man danach
sentimental geschimpft werden dürfte, wird man es jedenfalls schwer
haben, Capras Umgang mit der Tristesse als behauptet zu bezeichnen,
wenn man nur ein Fünkchen vom Optimismus und Widerstandsbewusstsein der „Liberty Films“ an sich wiedererkennen
kann.
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