Lb Lsr,
sind die Straßen bei euch auch schon
glatt? Schließlich sind wir jetzt tatsächlich im Dezember gelandet
und bevor weihnachtliche Gefühle aufkommen können, muss man sich
noch durchs Leben wackeln, Minusgrade und Minuswerte auf dem Konto
sowie penetrant beschissene Nachrichten aus der ganzen Welt
bekämpfen. Alles nicht so schlimm, jedenfalls nicht auf ewig, doch
die besinnliche Entspannung darf sich gerne früher anmelden, wenn
man sich schon einen Adventskalender gekauft hat – da muss man
schon so engagiert und kriegt trotzdem keinen Segen! Gelingt das
Glück schließlich noch mit künstlichen Endorphinen per Institution
Film in Hand und Bildschirm? Nun, bei neueren Komödien z.B. guckt
man dem Eskapismus zuliebe doch manchmal noch etwas dumm aus der
Wäsche, wenn ein „Zoolander
No. 2“
wie ein fehlgeleitetes Relikt durch den eigenen After der
Witzlosigkeit strahlt und dementsprechend mit Leichtigkeit von einem
Schock-Humor-Krawall wie „Der
Spion und sein Bruder“
übertrumpft werden kann – selbst in Sachen forcierter
Sentimentalität. Es geht gewiss noch pointenbefreiter auf
Kalkulierbares zu, siehe „Die Weissagung“ von Manuel
Schapira, doch nach einigen langen Gängen über die Brücken
Hamburgs bei Nacht findet sich dann doch immer noch ein Regenbogen
der Großwerke aus der Misere heraus ein – und dazu gehören die
Leudings von bestem Rang auf der Freundesliste wie auch ein schönes
Arsenal an begleitenden Sympaticos der Kunst. Ja, das Wort Filmabend
darf da wieder fallen, doch aus dessen Repertoire wird aller
Wahrscheinlichkeit nach erst nächste Woche an dieser Stelle
berichtet - jene Vorschau ist nicht verbindlich - also warum hab ich
sie abseits des obligatorischen Optimismus überhaupt erwähnt? -,
bis dahin ist aber einiges zusammengekommen, was jede sofortige Schau
rechtfertigt. Unglaublich, was da alles geht, in mehrere Ideologien und Gestalten, Geschlechterfragen, Realitätsebenen sowie der Liebe zwischen alledem ausschlägt. Zu diesem Zwecke habe ich erneut riesige Texte zur
Beschwichtigung verfasst und hoffe demnach auf ansprechenden Lesespaß
für euch da draußen, also macht es euch vor eurem individuellen
digitalen Lesegerät gemütlich, lasst vielleicht nochmal kurz
Sonne, Mucke, Kalifornia-Karren und brandheiße Starlets im
Musikvideo-Doppelpack von Justice
und den Rolling
Stones durchs Gemüt jagen, denn dann heißt es nämlich: ab mit
der Post!
Diese Woche hatte einen überraschend
hohen Anteil an Filmen parat, von denen ich im Vornherein überzeugt
war, dass sie mir gefallen dürften und das auch erfüllt haben –
die Art von Vorurteil, die man gerne bestätigt sieht, obwohl sich
das natürlich insofern positiv auszeichnet, dass die Dimensionen
unter der Oberfläche erst recht für tolle Stunden sorgen. Bestes
Beispiel dafür ist „Both Ways“, der die Beziehungskisten
des erfolgreichen Familienvaters Donald Wyman (Gerald Grant)
zeichnet, welcher sein Verhältnis zum Teilzeitlöhner Gary (Dean
Tait) vor Frau, Kind und Gesellschaft zu verheimlichen versucht.
Klingt für heutige Verhältnisse vielleicht doch etwas gewöhnlich,
doch der zeithistorische Kontext ist entsprechend entscheidend, da
jener Film von Jerry Douglas 1975 als Hardcore-Produktion an den
Start ging. Richtung XXX geht es also schon reizvoll unbefangen an
die Repräsentation der bisexuellen Gegenwart heran, doch fernab
plumper Fleischbeschau kann sich das Ganze zudem als aufrichtiger
Spielfilm bewähren, der sich natürlich äußerst befreit in die
Lust stürzt, aber auch auf den Gehalt in puncto Figurenverständnis,
zwischenmenschliche Spannungen, Entscheidungen, Höhen und Tiefen
einer dualen Lebenssehnsucht setzt. Das geschieht auf dem Wanderpfad
zwischen Komödie und Drama, doch nicht so klischeeverseucht, wie man
sich die Konstellation nach Jahrzehnten der Feelgood-Tuchfühlung
zu gefühlt jedem Tabu inzwischen vorstellen mag. Regisseur und Autor
Douglas verinnerlicht insofern den geliebten und komplizierten
Zwiespalt seines Sujets, dass er eine Wahrhaftigkeit im Umgang
untereinander formt und mit geschickten Anschlusspunkten der
geteilten Verbindlichkeit in der Montage füttert, die sodann nach
dem Gleichgewicht Ausschau hält, was Donald mit Gary und Donald mit
Gattin Janet (Andrea True) verbindet - aufgedeckt in Rückblenden
pointierter Ellipse, die sich vom Image des jeweiligen Milieu
abgekoppelt auf eine Zeitreise wahrer Zuneigung begibt und die
Lebendigkeit im Detail zelebriert.
Da kommen schon die Bierkrüge der
jeweils besuchten Unis ins brechende Eis der spielerischen
Konkurrenz, die Selbstironie im Herausrücken der Telefonnummer für
etwaige Erpressungen zu Wort, die Inneneinrichtungen von Wohnungen
und deren Bündel an essenziellen Schlüsseln ins Gewissen. In
vielerlei Belangen gibt man sich derart blumig, dass die Tapeten vor
Blüten strotzen, genauso feiert Donald die gemeinsame Zeit mit dem (oftmals alles mitnehmenden) Sohn unter Ballons, die beide stets mit grandioser Ankündigung in die Lüfte entlassen, dass die
Freiheit auf Erden nimmer greifbarer erscheint und doch auf die Luft
nach oben hofft, dass gen Zukunft die Öffnung der Person in beide Richtungen vollzogen
werden kann. Bis dahin ist zumindest schon der Sex unter den Geschlechtern eine lockere
Angelegenheit, geschmackvoll und flott in Szene gesetzt, zärtlich
oral-fixiert und mit Streicheleinheiten gedeckt, wie exemplarisch für
den Film auch in penetranten Details ansehnlich aufbereitet und doch entwaffnend
echt. Extra angenehm macht sich dafür auch der joviale Jazz von
Komponist Hal Jordan (wahrscheinlich ein Pseudonym mit
Green-Lantern-Anleihen) bemerkbar, welcher der Euphorie
entspricht, ohne von O-Ton-Stöhnen begleitet werden zu müssen - erst recht, da sich Beischlaf-Choreograph Douglas indessen aufs Verdichten
der Parallelen einschießen kann, an denen die Parteien in
kontinuierlicher Reibung auf einen Entschluss Donalds drängen, selbst wenn dieser zu spät eintrifft. Geht
an diesem ja auch nicht spurlos vorbei, genauso wie die Erkenntnis, dass
jede historische Schlagzeile irgendwie dann eintrifft, wenn in seiner
Liaison mit Janet ein Wandel stattfindet – das merkt man als
Zuschauer zunächst wie einen gepflanzten Zufall, dann als
selbstbewusste Pointe mit Hang zur Impulshandlung, zum Schluss hin
wiederum als unausgesprochenes Signal am Rand.
Jene Dreiaktstruktur lässt sich
womöglich auch am Film selbst wiedererkennen, auch wenn das
Versteckspiel unter vorgehaltener Schwanzlänge durchweg ums wahre
Glück ringt, an seinen mehr oder weniger anpassenden Späßen der Persönlichkeiten ohnehin ambivalent im
Gesellschaftsbild unterwegs bleibt. Das Drehbuch dazu wäre für den Mainstream teilweise schon überqualifiziert in jener Reichhaltigkeit, bei manchen Faktoren droht sich aber auch ein liberaler Cartoon anzukündigen. Das muss
nicht mal unbedingt fürs befreundete Swinger-Pärchen Louise (Darby
Lloyd Rains) und Hank (Bill Morgan) gelten, das binnen der normalen
Abendparty eine Orgie zu fordern imstande ist, sondern eher für die
Missverständnisse, die Haushälterin Pauline (Katherine Miles) und
den quirligen Buchhändler Irwin (Jake Everett) in Donalds Missstände
einmischen lassen. Nichts gegen Pauline – die sorgt mit ihrer
No-Nonsense-Mine (und verkappten Neugier) für erhebliche Lacher im sterilen Kabuff, doch man kann
froh sein, dass jenes Konstrukt noch nicht zu plakativ aus dem Ruder
gerät. Bis dahin steigert sich der Film ohnehin immer mehr in seinen
Sexanteil hinein, wobei man von den Proportionen her vermuten darf,
dass eher heterosexuelle Zuschauer angesprochen scheinen, mit den
Belangen des gleichen Geschlechts vertraut gemacht zu werden, als
dass im Vergleich um mehrere Minuten lange Sequenzen im Gay-Sex aufgehen würden. Davor
scheuen würde sich der Film wahrscheinlich nicht, schließlich übt
er die frivole Kombination aller Genitalien in einem Schnittgewitter, das Donald von
Anzug zu Anzug, Bett zu Bett, Mund zu Mund, Geschlechtsteil zu Geschlechtsteil springen lässt, bis sich die
jeweiligen Liebhaber spiegeln und entladen, obgleich der kollektive Frust
bestehen bleibt, wenn man sich mit 50% zufriedengeben muss – immer
noch besser als 100% von Nichts, aber gewiss ein Trost von kurzer
Haltbarkeit.
Das fällt auf Janet wie Gary zurück,
die Donald umso energischer unter einen Hut zu kriegen versucht,
wobei Gary einfach immer als Geheimnis auf der Matte stehen muss, das
öffentliche Bekenntnis zur Zuneigung lediglich an der Fingerspitze messen kann und Fronten verhärten lässt, an denen
Außenstehende wiederum potenziell erotisch/romantisch interessiert wären. Deshalb findet der Film
ohnehin reichlich Farben im Wunschdenken des Äußeren, erst recht im Schwung vom Hängereifen direkt am Baum vor dem Haus der Wymans sowie in der
luftigen Handhabe der Kamera, ihrer wechselhaften Formate und duften
Sets. In jenem Tempo der Schauwerte, Stilsprünge und Reize (siehe
die glitzernden Schaumblasen bei Janets Masturbation im Bad) kommen
aber auch die unsteten Sehnsüchte der Figuren zum Vorschein, vor
allem im Kuleshov-Effekt inklusive erfühlter Schlussfolgerung, da
der Film sowieso vieles an (gehemmter) Liebe über die bloßen Blicke zu sagen imstande
ist. Da geht einem Donald der (verklärende) Humor des Eigensinns
gewiss nicht verloren, doch die dramatischen Wendepunkte darin
schmerzen umso brennender in der stillen Reaktion, während
wohlgemeinte Lügen auch nur schwer von ihrer Funktion ablenken können und im
Angesicht kindlicher Unschuld so eingefangen werden, als wäre John
Cassavetes vor Ort gewesen. Eine durchgängige Stärke jenes Kalibers
kann „Both Ways“ zwar nicht innehalten, wenn er auch die
wahre Schönheit der Sexualität homogen in seine Ader bodenständigen
Spielfilmformats einzubetten versucht, doch seine kecke
Leichtfertigkeit für den Ansporn genuinen Kinos darin ist nicht nur
löblich, sondern auch mehr als gelungen binnen der Prämisse
Genussfilm mit Herz.
Die beiden waren hier schon seit über
einem Jahr nicht mehr zu Gast, so als ob sie keine Filme mehr machen würden: Veit Harlan und Kristina Söderbaum,
die wohl verhassteste Paarung in der filmhistorischen Belegschaft
Deutschlands. Wer diesen Blog schon länger verfolgt, weiß
wahrscheinlich, dass ich bei den berechtigt-berüchtigten Gründen
für jenen Ruf konform gehe und mich trotzdem gerne mit deren Filmen
befasse, wenn sie nicht ausgerechnet „Jud Süß“, „Der
große König“, „Jugend“, „Pedro soll hängen“,
„Das unsterbliche Herz“, „Die goldene Stadt“,
usw. heißen. Ja, es wird schon schwer, bei solch einer Filmographie
sagen zu können, dass zwischendurch auch was Gutes bei
herausgekommen ist - weil es einen dieser Tage jedoch nicht
voranbringt, wenn man ausschließlich in Absoluten denkt, will ich
auch nicht den unantastbaren Idealisten abgeben und stattdessen
zugeben, dass mir auch „Die blaue Stunde“ von 1953 wieder
gefallen hat. Dabei stellt der Film in diesem Rahmen wiederum eine
Premiere dar, da er offiziell als Beziehungskomödie geführt wird (siehe „Both Ways“) – und das
bei einem Regisseur, der in seinem Gros an Melodramen schon viele,
sagen wir mal aberwitzige Momente besaß, eben auch aufgrund von
Ehegattin Söderbaums geladenen Schauspiel. Deshalb besteht
gewissermaßen ein fließender Übergang, wie sich das Lustspiel
entgegen der Genre-Konventionen verhält, bereits zu Beginn einen
psychotronischen Wahnwitz auffährt, der einen mit optischen Effekten
und Symbolen erschlägt, wenn es um den alltäglichen Ehetrott
zwischen Angelika (Söderbaum) und Paul (Hans Nielsen) geht. Wie viel
da an autobiographischem Stoff eingelagert ist, sei mal
dahingestellt, doch wenn der Haushalt auch nur ansatzweise diesem
delirierenden Screwball-Krach entsprach, ist es kein Wunder,
wenn solch unvergleichbar Werke des Abseitigen draus entstanden. Ehe
irgendeine Erdung stattfindet, ist man schon in den Traumgewinden der
schlafenden Eheleute unterwegs, wo die berufliche Harfe der Gattin
auf das Schnarchen des Mannes trifft und eine wortwörtliche
Nervensäge draus kredenzt, welche ihren romantischen Ast zum
ehemaligen Verlobten und Vetter Pauls, Dulong (Kurt Kreuger),
abbrechen lässt.
Da der Hirnschmelze mit jener
Bebilderung noch nicht Genüge getan ist, brechen die Spiegel im
Haushalt zusammen und lassen das jeweilige Konterfei seinem Träger
zusprechen, welchen Sehnsüchten sie Freigang gewähren sollten,
welche Gewissensbisse als Strittigkeit beider Parteien taugen und wo
die Ideale so aufeinander geraten, dass ein projiziertes Doppel am
Scheideweg zur Wahrheit steht, bis sich die Scherben wieder
kurzzeitig von selbst rekonstruieren. Das visuelle Engagement
inklusive der erneut aufbäumenden Todeschöre von Franz Grothe geht
dann auch in eine enorm überfrachte Verquickung der Ehe über,
welche sich im Überholtempo blumige wie knallige Bildungsdialoge
gönnt, die einen Uni-Professor wie Paul gegen das
schwedisch-liebessüchtige Gemüt Angelikas antreten lassen, wenn es
um die Beziehungsphilosophien eines Schopenhauers geht, während die
Beethoven-Büste vom Bücherregal aus strenge Blicke verteilt und ein
St. Paulus-Porträt am selben Tag noch in die Wohnung flattert. Das
Kokettieren mit aufgesetzten Hörnern kündigt sich da als
Königsdisziplin an, solange man noch fröhlich durch kulturelle
Höhenflüge chargiert, aber bereits Phasen der Eifersucht
absehbar werden, wenn sich Freund Ferdinand (Harald Juhnke) mit Angie
allein ausspricht – obgleich sie darauf besteht, dass nur die Tür
geklemmt hat, Vorführeffekt inklusive – und ein potenzieller
Nebenbuhler wie Dulong aus der Verwandtschaft nicht wegzudenken ist,
selbst wenn dieser mit seiner Mätresse Lou (Paulette Andrieux, mit
undurchdringbarem Akzent) schon einen tollen, wenn auch nicht ganz
treuen Fang gemacht hat. „Die Liebe ohne Eifersucht ist wie ein
Hinten ohne Vorn“, weiß man da, so wie Paul fürs Glück ans
stets elementare Feuer zu periodischen Abschnitten glaubt,
doch geduldige Zufriedenheit ist zu jenem Zeitpunkt noch
entschuldigt, weshalb die Stimme der Natur (auch via Meta-Audiospur)
aus Mann und Frau brüllt, Bügeln und Zähneputzen zum Kraftakt brutalisiert. Leidenschaft und Erotik werden dabei auf
einen erbarmungslosen Diskurs geführt, der den Vorstellungen des
jeweiligen Partners eine kühle Analyse unterschiebt, die aus dem
Bildungsbürgertum sodann auch triviale Problematiken herbei fördern
sowie an politischer Korrektheit mangeln.
Angelika, das ist dem Paul sein kleiner
„Eskimo“, ein „Neger aus dem Norden“, wie sie
unzeitgemäßer nicht genannt werden könnte und Harlans Kritiker
wieder bestätigen sollte, wenn es auch irgendwo der Entstehungszeit
anzurechnen ist und zumindest zu Angelikas vereinigender Aussage
führt, dass alle Frauen, ganz gleich ihrer Ursprünge, wenig übrig
haben für einen Mann, der sie betrügt - toller Trost, newa? Vorerst beschwert sie sich
aber noch über sein Schnarchen, wenn auch eher indirekt durch eine
ihm nachempfundene Aufziehpuppe, die ihren Bart rümpfen kann, aber
noch lange nicht so wild wie er um die Garderobe diskutiert, mit der
man bei einem folgenschweren Geschäftsabend aufkreuzen soll. Die
Eheleute geben sich zuvor schon als Wirbelwinde in pausenloser
Dialektik, unter Leuten wird die Posse zudem in Kunst und
Alkoholkonsum umgewandelt, wobei letzterer einem Juhnke schon
angemessen steht, einer Söderbaum dann aber Dopplereffekte verpasst,
die sie mit einer Beethoven-Boogie-Interpretation auf der Harfe noch
zu einem halben Skandal stilisiert – womit noch, fällt ebenfalls
ungefähr unter die Kategorie Zeitgeist. Auf solch
kuriosen Pfaden ist das philosophisch-frustrierte Ringelpiez mit
Anküssen nicht fern, bei Dulongs Parfüm-Spiel „Du kannst mich
erriechen“ auch einfach nur geistig umnachtet und im Zank voll
Alk verzockt, auf dass alle Töne des perplexen Blödelns
angeschlagen werden. Zynisch-hochtrabende Phrasen wie „Kompliment
in der Ehe setzt meist ein schlechtes Gewissen voraus“ haben in
der Hinsicht ebenso Hochsaison, genauso ganze Dialoge in Schwedisch
ohne Untertitel, ehe die mehrfache Deutung des Begriffs „Blaue
Stunde“ vom Ensemble aufgeklärt (?) wird – ein Harlan kann
sich seiner Symbolschwangerschaft eben nimmer entbinden. Wie
verballert das Spießertum sein kann, zeigt sodann Pauls Maßnahme
auf Eigenuntersuchung hin, aus Liebe hinter dem Rücken seiner Frau
für die Abstellung seines Schnarchens Sorge zu tragen, wofür er
eine Abstandsphase mit Drei-Wochen-Time-Out auf
Harlan-Sterbeort Capri fingiert, anhand derer Angelika eine Affäre
seinerseits mit Lou stattzufinden glaubt und sich selbst davon binnen
der Liebesparanoia vor Ort überzeugen will.
Dass diese unglaublichen Touren noch
mit ausgeprägter Sinnlichkeit in Bild, Ton und Wort ausgestattet
werden (die genauen Eigenschaften belasse ich noch als
Überraschungsmomente), verlangt schließlich noch das letzte vom
Zuschauer ab, wie man Angelikas Ekstase zum scheiternden Glück zu
werten hat, warum noch auf die saftigen Orangen hingewiesen wird,
unter denen sich der uneheliche Kuss vollzieht und weshalb die gute
Frau innerhalb eines Netzes an Verwirrungen/Spekulationen noch einem
typisch melodramatischen Wassergang mit Faible fürs Korallenriff
entgegen schwimmt. Als Reichswasserleiche hat sie wenigstens nicht zu
enden, denn „sowas gibt es nur im Film“, wie es sich
Harlan selbstironisch ins Drehbuch schreibt. Daneben steht dann aber
auch „Die Wahrheit stiftet nicht soviel Nutzen, wie ihr Schein
schadet“, was ziemlich gut illustriert, wie im Verlauf
miteinander parliert wird, folglich auch kaum Zeit zum Durchatmen
bleibt, dass man als Zuschauer mitten drin wie erschöpft der
erschöpften Beziehung beiwohnt, bis der Schlussakkord dann doch
nochmal Pointen mit Knalleffekt aus dem überlebensgroßen
Harlan'schen Duktus schöpft. Es fehlt ihm eben zwischendurch nur
etwas an Ausdauer, ansonsten funktioniert die freiwillige Komik der
Geschlechter aus der Feder des Chefdramaturgen todessehnsüchtiger
Melancholie-Morbiditäten besser als gedacht, wenn auch unter dem
Vorbehalt, dass sich hier aller Wahrscheinlichkeit nach keinerlei
Schlüsse zur kontemporären BRD-Realität herausziehen lassen. Zu
verdichtet gehen Söderbaum und Nielsen hier an die Decke mit
Gleichnissen, Ideologien, Pflanzen und humoristischen Psychosen, um selbst
unter Einberechnung einer Überspitzung echte Menschen erkennen zu
lassen. Allenfalls eine abgeklärte Anarcho-Spur darf im Bezug der
jeweiligen Klassen festgestellt werden, wobei Lady Lou am ehesten
freimütig zu punkten versteht, aber auch der Rest des Casts via
verkappt-aufgegeilter Blicke aufeinander zusteuert. Das findet
durchaus seine Farben, verliebt sich gleichsam in irrationale
Kakophonien der Seele, wie sie in den schicken Gewändern nicht
konträrer um die gegenseitige Bereicherung buhlen könnten, bis ins
Ende hinein Vorwürfe mit tiefster Zuneigung sammeln. Solch eine
widersprüchliche Rom-Com kann eben nur von einem kontroversen
Unding wie Harlan kommen.
Beschäftigt man sich mit der
japanischen Kinogeschichte, lernt man ab gewissen Zeitpunkten
unvermeidlich dazu, sich mit den Monstern darin anzufreunden. Ein
Atombomben-Synonym wie Godzilla ging diesen Weg der
Image-Idealisierung bekanntermaßen bis hin zur Kinderfreundlichkeit,
betrachtet man jedoch den populären Stand historischer Gesetzloser
und Geächteter, sprich Yakuza, Ronin, Ishikawa Goemon oder gar
fiktionaler Killerhelden à la Kozure Ôkami, lässt sich der Hang
des Inselvolks zu kontroversen Außenseitern gewiss weit
zurückverfolgen. Auffällig dabei ist, dass allesamt mehr oder
weniger einem Ehrenkodex folgen, seien sie auch noch so berüchtigt
abseits der Zivilisation unterwegs und doch unmissverständlich ein
Teil ihrer nationalen Kultur. Man wird selten keinen Patrioten in der
breitgefächerten Mythologie Nippons vorfinden und auch wenn
Nationalstolz nicht gerade zu den höchsten Gefühlen meiner
Wenigkeit zählt, fällt es mir letztendlich trotzdem enorm kurios auf, dass
die Geisterbrut in „Yôkai daisensô“ - dem zweiten von
drei Teilen einer Daiei-Reihe von 1968 bis '69 - ebenso jenes
Spektrum bedient. Im knappen und gewohnt bildgewaltigen 80-Minüter von Yoshiyuki Kuroda
(wiederum Regisseur der Okami-Episode „Blutiger
Schnee“) fördern solche Anwandlungen sodann eher simplistische
bis harmlose Varianten zu Tage, die sich einem kindlichen Elan
ähnelnd dafür aussprechen (und folglich auch angstbefreiten Kindern
helfen), die Berufsehre der einheimischen Monster gegen den Daimon
aus Babylonien zu verteidigen, wenn Mönche vor dieser Aufgabe schon verbrennen. Das wird so selbstverständlich
dahergeredet, als ob man beinahe vergessen könnte, welche grotesken
Gestalten aus den wilden Winden, Schatten und sonstigen Elementen heraus jenes leichtfertige Politikum an den Mann bringen.
Der Film setzt sich dafür ohnehin in
einer Aura zusammen, die ihre befremdlichen Eindrücke als schauriges
Nachtspektakel ballt, Albtraumwesen innerhalb düsterer Kulissen
greifbar macht und surreale Folklore auslebt, dass sich Faszination
und Verwirrung zur furchterregenden Hirnschraube kreuzen. Die
Stimmung verstärkt sich wohlgemerkt, wenn die Sichtung kurz vorm
Schlafengehen erfolgt, schon im leichten Dämmerzustand in eine
Zwischenwelt einlädt, deren Geisterfratzen einen ganz eigenen,
abstoßenden Charme besitzen, zudem versammelt im Fokus stehen sowie
je nach Laune aus der Wahrnehmung der Dimensionen entschwinden können
– das Gros an Unmöglichkeiten wird möglich. Dass das Prozedere
verstärkt an ein ortsansässiges Publikum gerichtet war, ist dann
sicherlich auch ein Grund, warum Regisseur Kuroda nur wenige
Kausalitäten fürs logische Verständnis aufstellt, wunderbar frei
von einer Verknüpfung aus Realitätsebenen erzählen kann, die
beinahe schon behutsam gruseln, zwischen malerischen Schilfrohren und
im Kostüm der Jahrhunderte Traditionen unterwandern/repräsentieren
sowie allein gestalterisch in der Membran hängenbleiben. Die
schleichenden wie schwindenden Creeps und Kappas kommen daher als
maskierte Wesen aus dem Wasser, drehen ihre Glubscher mit einer
Unheimlichkeit zurecht, die sich im Trick- und Puppenspiel via
florierendem Kautschuk fortsetzt, anhand dessen Formen jenseits der
Vorstellungskraft wahr werden. Wie sich das alles nur anfühlen muss,
was man da sieht! Entsprechend illustriert wird diese Nähe u.a.
durch eine Szene, in der eine Wache einer anderen mit glitschigem
Tofu weiß macht, ein Geist habe ihn angeleckt, was diesem sodann
kurz darauf in echt geschieht. Mit makabren Humor hält man sich hier
gewiss nicht zurück.
Bei dem sich im Moor und Wald
antreffenden Kopfkino sind folglich endlos streckende Hälse mit
Frauenköpfen, schwebende Regenschirme mit 1 Auge/1 Bein, Damen mit
grässlich-verhexten Hinterkopfvisagen, Fuchsmänner mit
filmprojizierenden Bäuchen sowie lebendige Kartoffelgesichter dann
bald keine ungewöhnlichen Erscheinungen mehr – ganz gleich, ob einem nun zufällig der Sinn danach stand. Die zeitgenössische Filmkunst daran
bringt zudem eine Portion Wahrhaftigkeit mit sich, die jede CGI wie
gehabt nicht emulieren kann, hat da aber in der Technik voller
Überblendungen, Stopptricks und weiteren verfremdenden Optiken wegen - sowie dem künstlichen Setdesign behilflich - einen hohen Anteil daran, Überspitzungen von Fantasien zu evozieren, in denen man sich willigst vom
Räudigen umschlingen lassen kann. Was da noch nachweislich irdisch
fungiert, ist schließlich eher rudimentär für die Dramaturgie
zuständig, binnen derer der besessene Fürst Hyogo Isobe (Takashi
Kanda) zur diktatorischen Willkür übergeht, in blinder Macht u.a.
die eigene Tochter Chie (Akane Kawasaki) sowie ihren
Liebhaber/Samurai Shinpachiro (Mayama) bedroht, weshalb Widerstand vom Zaun gebrochen werden muss, während Isobes Untergebene jedem noch so
brutalen Befehl Folge leisten. Die menschlich definierte Grenze zwischen Un- und Angenehm ist hier eben übergreifend wankelmütig erzählt, durch Dämonen und Co. vielleicht noch auf eine Verarbeitung per
mystischem Eskapismus aus, im Rahmen des Narrativs dennoch eine
verstörende Angelegenheit, die sich im konstant urigem Unbehagen zum
Horror-Märchen der Sonderklasse mausert. Insofern sei besonders auf
das Finale hingewiesen, welches psychedelische Absurditäten en
masse aufbietet, vom Fieber her der „Calamity
of Snakes“ das Wasser reichen kann, wortwörtlich blutig ins
Auge sticht und sich danach doch so vertraut in die Lande
zurückzieht, wo der Poesie des Unbekannten im Nebel ein derart
schönes Denkmal gesetzt wird, dass man das Wiedersehen mit jenen
Ausmaßen der Furcht kaum erwarten kann. Wo sonst, wenn nicht im
japanischen Film?
In dieser fremdartigen Lage der natürlichen Wunder ist natürlich nicht jede Stelle unbewohnbar, in der Überblendung beinahe religiös vom Schwur des Senn (Peter Simonischek, „Toni Erdmann“) erfüllt, welcher ehrfürchtig den Tälern und Tieren seine Ehre zum Gleichgewicht verspricht und in seiner Fassung auch Arbeitspflicht, Schroffheit sowie den allgemein vorherrschenden Gebrauch weniger Worte in sich vereint. Seine Erscheinung ist nur ein Teil der Entrücktheit (allein dieser Dialekt!), mit der man diesen Schützlingen der Alm begegnet, beim dritten Hirten im Bunde (Giovanni Früh) erst recht auf Unbehagen stößt, wenn dieser seine Entkopplung von sexuellen Ventilen inmitten der beschaulichen Einöde besonders forsch zum Ausdruck bringt. Auf Lebenszeit die schmatzenden Kuhschnauzen zu füttern, macht die innere Spannung der Hormone eben auch nicht wett und die älteren Herren sind gewiss nicht mehr die Unschuld in Person, was neben der abgekühlten Umgangsformen zu einigen ungehaltenen Vorstößen in die Intimsphäre führt. Die Kohärenz dahin - manchmal etwas zu choreographiert auf Bestimmtes hinaus, in der Pampa wiederum freier in der Erarbeitung von Deutungen -, versteht man wohlgemerkt ohne großartige Vorgeschichten in einem Film, der durchweg so ist, wie er ist, sich in seinen Charaktermomenten sowie der furchtsamen Bewältigung manifestierter Frustrationen, Ängste und Dämonen definiert, die aus dem Milieu heraus auf Archetypen der Männlichkeit stoßen. Dass diese ihrer selbst schon nicht gewappnet sind, ist trotz der Bestimmtheit zu primären Machtverhältnissen und Gerechtigkeiten untereinander somit der spannungsgeladene Hauptfaktor der Geschichte, die fortan aus der Triebhaftigkeit eine beklemmende Degeneration zeichnet, als Konfrontation dieser jedoch ein zerfleischendes Teufelsweib aus dem (Über-)Irdischen schöpft.
Das ist doch mal ein Film, der
offensichtlich weiß, wo er lang will: „Sukkubus – den Teufel
im Leib“ startet mit einer Texttafel, die von der alsbald
dargestellten Sage dreier Hirten in den Alpen erzählt, dessen
Protagonisten „sich mit den Mächten des Bösen einließen und
für ihren Frevel hart bestraft wurden“ – allgemein auch als
„Sennentutschi“ bekannt, wenn auch nicht 1:1 adaptiert.
Aber nur weil eine konkrete Synopsis zur Auskunft bereitsteht und
Erwartungen vorbereitet, muss man sich keine Sorgen um einen Mangel
an packenden Inhalten machen. Georg Tresslers („Das
Totenschiff“) letzter Kinofilm weist insofern nämlich auf die
Urgewalten der Natur hin, die im Kameraauge und Gewissen seines
urtümlichen Trios eine Großmacht der Unbarmherzigkeit hinterlassen
werden. Inmitten der Gebirge, Nebel, Wiesen und Gletscherspalten ist
der Mensch nun mal ein kleiner Wicht, drum findet man im heulenden
Wind zunächst nur den jungen Handrbub (Andy Voß) vor, der folglich
wenig Heimatfilm-Appeal im Schnee vorfindet, wenn dort stattdessen
ein hagerer Ötzi dahinvegetiert. Der damit verbundene morbide
Schauer heftet sich sodann an die Gesamtstimmung des Prozederes an,
da solche Eindrücke mit schlichtem Schnitt zum direkten Horror
animieren und aus kontinuierlicher Deutung die Desintegration
verdichten. Die Verhältnisse zwischen Leben, Sterben und den fest
eingeschlagenen Gegebenheiten des Erdballs drum herum setzen eben in
einer Abgeklärtheit an, die einer Harmonie/Ewigkeit im Stein
entsprechend an die vergängliche Macht des Menschen erinnern, so wie
einen das Ambiente ohnehin als Ortschaft der Verlorenen einnimmt, in grotesk-vaginalisierten Formen zu sich zieht.
In dieser fremdartigen Lage der natürlichen Wunder ist natürlich nicht jede Stelle unbewohnbar, in der Überblendung beinahe religiös vom Schwur des Senn (Peter Simonischek, „Toni Erdmann“) erfüllt, welcher ehrfürchtig den Tälern und Tieren seine Ehre zum Gleichgewicht verspricht und in seiner Fassung auch Arbeitspflicht, Schroffheit sowie den allgemein vorherrschenden Gebrauch weniger Worte in sich vereint. Seine Erscheinung ist nur ein Teil der Entrücktheit (allein dieser Dialekt!), mit der man diesen Schützlingen der Alm begegnet, beim dritten Hirten im Bunde (Giovanni Früh) erst recht auf Unbehagen stößt, wenn dieser seine Entkopplung von sexuellen Ventilen inmitten der beschaulichen Einöde besonders forsch zum Ausdruck bringt. Auf Lebenszeit die schmatzenden Kuhschnauzen zu füttern, macht die innere Spannung der Hormone eben auch nicht wett und die älteren Herren sind gewiss nicht mehr die Unschuld in Person, was neben der abgekühlten Umgangsformen zu einigen ungehaltenen Vorstößen in die Intimsphäre führt. Die Kohärenz dahin - manchmal etwas zu choreographiert auf Bestimmtes hinaus, in der Pampa wiederum freier in der Erarbeitung von Deutungen -, versteht man wohlgemerkt ohne großartige Vorgeschichten in einem Film, der durchweg so ist, wie er ist, sich in seinen Charaktermomenten sowie der furchtsamen Bewältigung manifestierter Frustrationen, Ängste und Dämonen definiert, die aus dem Milieu heraus auf Archetypen der Männlichkeit stoßen. Dass diese ihrer selbst schon nicht gewappnet sind, ist trotz der Bestimmtheit zu primären Machtverhältnissen und Gerechtigkeiten untereinander somit der spannungsgeladene Hauptfaktor der Geschichte, die fortan aus der Triebhaftigkeit eine beklemmende Degeneration zeichnet, als Konfrontation dieser jedoch ein zerfleischendes Teufelsweib aus dem (Über-)Irdischen schöpft.
Die Geschichte von Adam und Eva wird
also mit Messer, Sex und Blut korrigiert, weshalb der religiöse
Aberglaube in gleichsam für gegeben gehaltenen Riten schon lange vor
dem Auftreten des Sukkubus (Pamela Prati, zeitgenössischer
Erotikstar aus Italien) fruchtet. Parallel dazu wird mit der Macht
des kleinen Mannes kokettiert, mit der Axt im Strumpf die Herde
angefeuert, mit verteiltem Salz die Zunge der Lieblingskuh
angeleitet, Lust und Gewalt gespielt, ehe man sich in der kargen
Hütte einkuscheln muss, Beleuchtung und Kulisse schon ein ranziges
Home Sweet Home ausweisen - die VHS-Qualität tut da zudem so
stimmig ihr Übriges, dass man sich einer Blu-Ray-VÖ als
Räudenfilm-Hardliner quasi berechtigt quer stellen könnte (so
streng bin ich gewiss nicht drauf). Vom sexuellen Übergriff mit
Handbiss geht es somit auch über das Vergeben/Vergessen per
Alltagsablauf zur Hochprozentigen über, in dessen Zug man aus Stroh,
Holz, Lumpen und urige Gebilde aus den Annalen der Alpen-Gotik
spaßeshalber ein Weibsbild bastelt, dass dem oben erwähnten
Frevel die Krone aufsetzt und eine Bedrohung in Fleisch und Blut
erschafft. Das markerschütternde Happening aus Verführung und
Terror wird aber auch allen sofort als finstere Unerklärlichkeit
bewusst, was allerdings mit einer nicht minder verstörenden
Vergewaltigung beantwortet wird, welcher sich die mutwillige Magie
der schönen Bestie dennoch nicht ergibt, als dass sie konstant
Ungewissheit stiftet. In diesem Sinne verfolgt der Film dann auch
nicht die gewohnte Genre-Spannungskurve von der Eskalation an
Effekten, als dass er seinen Geist der tödliche Reize fortan
sporadisch auftauchen lässt, in der Willkür das ebenbürtige Grauen
wankelmütiger Moral im Manne/Menschen offenbart, dass sich dieser
auch einige der übelsten Methoden zur Sukkubus-Beseitigung ausdenkt
– so provinziell in die Winde gestreut und mit rustikaler
Handarbeit angefochten, dass die Drastik jener Selbstsicherheit in
Abgründe blicken lässt, ehe die Leichen in der Schlucht von ihrer
Haut abgelöst werden.
Tresslers Augenblicke des Schreckens
dazu sind dann auch keine Reißer von der Stange, sondern eben
wirklich markante Ausbrüche einer mit Anlauf etablierten Zersetzung,
die per Zurückhaltung selbst die ergiebigen Schauwerte der Signora
Prati schon unter simpler Beihilfe von Kontaktlinsen zur Gefahr bar
jeder Berechnung macht. Die Ausmaße der oben angeteasten Sage werden
dann schon in statischen Totalen inklusive Reaktion im Gegenschnitt
unheimlich, ohne dass man wirklich detailliert in Gedärme oder
dergleichen eingetaucht werden muss. So ein Bündel starker
Suggestion ergänzt sich aber durchaus mit jener transparenten
Direktive, welche die Geschichte in ihrer Geradlinigkeit und
Unbedarftheit ausstrahlt, zwischen den Entscheidungsmomenten in der
Atmosphäre der Gegend wie ihrer Aufgaben schlendern lässt und
kuriose Eigenarten in der Zwischenmenschlichkeit nach vorne filtert –
siehe allein Simonischeks zauselige Härte oder das kumpelhafte Spiel
unter Hirten mit der Echokammer aus Bergen, schweinischen Psalmen und
Geschlechtswünschen. Be
careful, what you wish for, ist da als Motto zu erahnen, doch für
moralische Urteile ist sich der Film dann doch zu schade, als dass er
seine Keimzelle der Brutalität für sich sprechen lässt,
Unvorstellbares wie Unangenehmes von Klischees und überflüssigen
Dramatisierungen fern hält, so unaufgeregt flott er dann auch zum
Schluss kommt. Selbst der Abspann befasst sich nur mit dem Nötigsten
und bleibt dennoch krude, wie der Film an sich schon seine Eigenart
im Schock der Erotik konzentriert, unwirklich verblüfft und
attackiert. Ach du Leibhaftiger!
Ist es nicht eine tolle Eigenschaft
unserer heiß geliebten Kinoleinwand, wie viele Lebensadern sich in
ihr sammeln, wie nahe wir einem belichteten Charakter und seiner
Umwelt kommen können, sowieso durchweg der Arbeit eines kreativen
Ensembles beiwohnen dürfen, die sich eine Reflexion zum Reellen
aufbaut sowie darüber hinaus geht? Bei so einer Fragestellung
spricht sich natürlich der Idealist in mir aus, welcher an dieser
Stelle ja schon oft vom ideellen Wert des Mediums geschwärmt hat,
große Töne von der transzendentalen Einigkeit der Realitätsebenen
verlauten ließ und sich weiterhin sicher ist, dass solche
Wechselwirkungen bereichern, selbst wenn nicht jeder dieses
leidenschaftliche Verhältnis teilen muss. Wie solch ein Idealismus
hingegen gleichermaßen nach hinten losgehen kann, bringt Albert
Brooks mit einer Selbstdemontage unter dem Motto „Aus dem Leben
gegriffen“ (im Original: „Real Life“) auf den Punkt, innerhalb dessen Aufklärung via
Selbstdarstellung er Menschen für das Statussymbol Film
hautnah-dokumentarisch auf die Pelle rückt und anhand jener
Probanden eine gegenseitige Katastrophe der Psyche heraufbeschwört.
Bezeichnenderweise verschieben sich da auch die Rollen von
Filmemacher und Publikum, wenn die Distanz verkünstelt aufgehoben
wird, im Meta-Rahmen noch auf eine Medienposse einlädt, welche ihre
Dekonstruktion dennoch mit schlichtem Mut auf dem dünnen Seil
vergänglicher wie bewusster Wahrnehmungen balanciert. Schließlich
ist der Filmschaffende Brooks in seinem Auftreten als er selbst
ja ein erklärter Komödiant, warum also nicht auch gleich eine
drollige Verknüpfung zwischen Publikum und Thema schaffen? Das kommt
schon einem Heimspiel nahe, wie er genau das Image so auf den Film
anwendet, zu Beginn auf klamaukigen Stimmenfang geht, wenn die
Ambition der Gemeinde von Phoenix, Arizona gegenüber erläutert
wird. Da kommt der hippe Herr aus Hollywood an und verspricht anhand
der ausgewählten Familie Yeagar, den wahren Menschen einzufangen,
die Realität sogar unter Beihilfe von zertifizierten
Wissenschaftlern und Psychologen zu feiern! Den Bruch mit der
analytischen Sorgfalt bei solch einem Projekt kann er aber wohl nicht
schnell genug demonstrieren, wenn nach einigen anbiedernden Witzen
noch eine Big Band aus dem Kasten geleiert wird, damit es
unter akademischen Brillengestellen bloß nicht zu trocken wird.
Jener einzelne Kompromiss ließe
sich ja noch verzeihen, doch die Reihenfolge an Absurditäten nimmt
da erst ihren Anfang, so wie die Kamera unter seiner Aufsicht dann
den Auswahlprozess zum Experiment einfängt, (grandios beknackte)
Trivialitäten und Gimmicks auffährt, dass sich das Infotainment
ratzfatz entgegen der neutralen Grundlage entwickelt. Den Weg ebnet
sich der zentral selbstkritische Brooks eben als eine Type, die ihren
Narzissmus als Charme der Marke Humblebrag (Urban
Dictionary klärt auf) verkaufen kann und - auch mit guten Absichten - im Dienste der
Dramaturgie auf eine Wahrheit versessen ist, die ihn oder eben
das große Ganze in der Ewigkeit des Zelluloids bestätigt. Dass er
da auf der Welle des Cinéma vérité noch nicht vollends den
Zynismus unserer heutigen Scripted-Reality ausstrahlt, ist
vielleicht noch eine nette Geste innerhalb des prophetischen
Potenzials dieses Films von 1979 – das Psychogramm des gespielten
Brooks' macht sich aber gewiss noch ans Auspacken, wie die Kamera und
der sie Bedienende reelle Prozesse vor der Linse pervertiert.
Zunächst verspricht man aber noch eine Bewegungsfreiheit, die jede
beobachtende Intrusion sogar mit herrlich unscheinbaren Apparaten
vergessen lässt - worauf aber auch diese, jene und viele andere
Regeln zusätzlich zu beachten sind, alles clean und nice,
gell? Suave wie ein Brooks muss man sein, dann klappt die
Überzeugung schon bei der nuklearen Familie um Veterinär Warren
Yeager (Charles Grodin), dessen Gattin Jeannette (Frances Lee McCain)
sowie deren zwei Kinder, welche ganz sie selbst sein dürfen, sobald
er direkt gegenüber von ihnen einzieht und sich nach und nach
vielleicht doch mehr in die Wahrheit einmischt, als dass es
unbefangene Ergebnisse hervorbringen könnte. Der Einfluss des Egos
diktiert an der Family schließlich von Vornherein einen „perfekten
Durchschnitt“, sorgfältig ausgewählt und damit einer
Kontrolle ausgesetzt, die das Verhalten gewollt wie ungewollt
verstellt. Der erste Drehtag z.B. beschert Jeannette schon die Pein
der Menstruation und weil sich Warren im Rahmen dessen bereits
peinlichst als Mustergatte bewähren will, gibt der beratende Dr. Ted
Cleary (J.A. Preston) Brooks in der Nachbetrachtung zu verstehen,
dass jenes Footage zweifellos einen unsympathischen Protagonisten
vorzeichnet.
Die Reaktion des Regisseurs zeugt dann
aber alsbald von abprallendem Urteilsvermögen, wenn er die
cineastischen Spannungen darin lobpreist und einen Charakter
schlussfolgert, der sich dem Zeitgeist wegen seiner selbst unsicher
ist, sich vom gesellschaftlichen Außen angegriffen glaubt. Fortan
wird Charakter Brooks es auch darauf anlegen, die Stilisierung dessen
voranzutreiben, ehe er jemals eine Selbsterkenntnis daraus schöpfen
dürfte. Noch ist er aber immerhin enthusiastisch überzeugt
vom wissenschaftlichen High Concept innerhalb seines
auktorialen Ansporns, weshalb er auch einen Flirt von Jeannette
herunterzuspielen versteht und stattdessen gerne heimelige Situationskomiken im Alltagstrott (z.B. beim Gynäkologen) zu schaffen versucht - wobei er sich darin allmählich
bestätigt sieht, wie sein Status und Erfolg diesen Leuten
eine ersehnte Flucht aus der Langeweile darstellen dürften. Die
stumpfen Lacher aus den vermummten Kameramännern, die er mit seinen
Jokes wortwörtlich erntet, sind da auch nur Tropfen auf die heißen
Steine eines Seelensadismus, der sich über die Begegnung mit der
vierten Wand auf Mitteilungsanrecht abonniert glaubt und an der Macht
der Einmischung korrumpiert wird, bis ein Dominostein nach dem
anderen fällt. Die Kommunikation untereinander – binnen der
Familie, zwischen dieser und Filmcrew – erreicht nur noch bedingte
Offenheit, umso offener steigert sich aus dem Frust von Brooks dessen
Bereitschaft zur Manipulation. Dem filmischen Antrieb nach schätzt
er sich bald auch auf einer Stufe oder gar höher ein als die
Wissenschaftler um sich herum, die er von der Essenz in der
Entwicklung der Familie gen Abgrund zu überzeugen versucht, während
er gewisse Zweifel mit tollen Hotel-Goodies kaschieren mag,
Sympathien zueinander sucht oder im verkappt-hochtrabenden Voiceover
beim anderen Geschlecht vermutet. Phase 2: Die Fachleute als
verständnislose Theoretiker denunzieren, mit Bonusmeilen
anlocken/angeben und frühere Aussagen verdrehen – kann er
mindestens so gut wie ein President-Elect auf Twitter. Das
lässt er ohnehin mit einem Interessenkonflikt
kollidieren/motivieren, wenn er im Diskurs auf das Filmformat
verweist, für das die Belange der Familie zu depressiv ausfallen, wo
der Studioboss erst recht herum meckert, dass kein Star vor Ort
vorhanden ist, um volle Kassen zu garantieren.
Da herrscht wieder das uralte Problem,
dem Publikum einen Grund zum Kinobesuch zu geben, was mit reelem
Stoff schwieriger erreicht wird, so wie das Maß an Unterhaltung eben
Wissen, Fakten und Analytik stets mit links zu schlagen scheint. Doch
selbst bei der Branche versagt der Charakter von Brooks mit seinen
Schwächen der Zwischenmenschlichkeit, die er auf andere projiziert,
bis er sich dazu hinreißen lässt, die Yeagers als „ordinary
people with ordinary problems“ auszuzeichnen, als er die
zersetzenden Ausmaße in deren Nervenkostüm kleinzureden versucht.
Dass er der Verklärung halber eine Fun-Times-Montage mit der
Zeitlupenaufnahme von einer Schildkröte akzentuiert, offenbart
sodann eine Verzweiflung, die er einerseits aufs kritische Echo eines
Rex Reed basiert, andererseits eine bittere Hoffnung hinter der
Star-Fassade vermuten lässt. Ein ganzes Jahr lang sollte die
Beobachtung der Yeagers laufen und bei Gott, hat er sich das
gewünscht, jede typische Phase der Baby-Boomer (zu denen
er auch gehört) mitzunehmen und das als Großwerk einzulagern, was
er sich an Normalität erträumt hatte. Jene Groteske lässt der
Familie insofern keine Luft mehr übrig, holt im Gegenteil sogar
penetrante Nachrichtenteams hinein; behindert Karriere, Ehe,
Leistungen in der Schule und am Grill, dass statt dem geplanten Jahr
schon nach zwei Monaten Schluss ist. So ein haushohes Versagen liest
sich dementsprechend tragischer, als es der Film auf leichtem Fuße
vermittelt, wenn er seine bis ins Äußerste erhältliche
Vielschichtigkeit verstärkt auf der Beobachtung menschlichen
Verhaltens gründet - je näher man bereit ist, hinzuschauen. So
gerät der Kontrast zwischen Entertainer voll einfältiger Lösungen
und bedachter Wissenschaft nur allzu stimmig/wechselwirksam unter den
abgemachten Zugzwang eines raffend-kurzweiligen Film-im-Films, der in
vielerlei Kontexte ausschlägt und doch als Satire voll beißendem
Sarkasmus wie aufgesetztem Lächeln verpackt ankommt. Die clevere Kombo kriegt da also mehr
Menschenkenntnis auf die Beine als Albert Brooks in seiner
Selbstdarstellung, gerade weil sie binnen der Ermangelung dessen die
Diskrepanzen ins Gewissen ruft, quasi als Pointen zwischen den Zeilen
greifbar macht, während sich die Charakterstudie auf dem Wahn-Weg
zum Erfolg mit einer Unmenge an Average-Joe und
Benefiz-Verweisen vorzuschützen versucht. Und eine spannende, um
sich selbst wendende Diskussion über Aufgabe und Grenzen von Film
gibt’s obendrein ebenso dazu. Das ist schon mehr als nur ein
Lacherfolg, eben über Umwege „Real Life“.
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