Sonntag, 22. Januar 2017

Tipps vom 16.01. - 22.01.2017


Biele Seler,

wo ist die Zeit geblieben? Es ist schon wieder eine Woche rum und was haben wir nicht alles erlebt, sowohl auf persönlicher als auch auf globaler Ebene, ne? Meiner einer zum Beispiel hat sofortamente nach der xXx-Pressevorstellung am Dienstag bei einem Zwei-Stunden-Transport von 30 Umzugskartons mitgeholfen, am selben Tag/Abend war dann wieder der Filmclub zugegen und ich danach knapp eine Stunde lang auf dem Heimweg quer durch Hamburg, dann gab's die Tage drum herum wieder einiges an Schnittarbeit, einige gute Filme und am Donnerstag schon einen janz jeheimen Kinobesuch mit anschließendem Minifilmabend, wobei ich im Anschluss daran fürs Wochenende nach Bremen fuhr und seit meiner Rückkehr am Sonntag am obigen Banner gearbeitet sowie eine Ausgabe des britischen 'Dark-Side'-Filmmagazins erstanden habe (3,99 Pfund Sterling = 10,50 €?). Was für eine Ladung an Aktivitäten! Ob's im Weißen Haus genauso flott abgeht? Ich hoffe ja und mindestens auch so brutal, dass die Denkmäler der Schande Trump und Co. vielleicht mal einen kollektiven Herzinfarkt erwischen. Dann bleibt unter Umständen auch mehr Zeit zum Durchatmen für folks like us, die neue und eigentlich null neue Logan- wie Power-Rangers-Trailer abkriegen, so oder so auf jeden Fall mehr mit der bunten Welt des Films beschäftigt sind, auch wie doof Scorsese inzwischen geworden ist. Bevor ich mir jetzt aber noch mehr einfallsloses Zeugs aus den Fingern sauge, um hier immerhin einige Zeilen stehen zu haben, verweise ich daher gerne auf jene drei Top-Streifen unter hiesigem Abschnitt, welche diese Woche spruchreif zur Besprechung gekommen sind. Vorbildlich, damit kann ich arbeiten!




Wieso ich die Kontinuität mancher Filmreihen nur bedingt berücksichtige, weiß ich auch nicht so genau, allerdings scheint es den jeweiligen Sichtungen bisher nicht geschadet zu haben – so auch geschehen bei „Onna hissatsu ken: kiki ippatsu“, in westlichen Gefilden eher als „Sister Street Fighter: Hanging by a Thread“ bekannt. Jenes Fräulein der Straßenkeile absolviert dort ihren zweiten, wenn auch von der Kontinuität her lockeren Teil einer Reihe, die ohnehin schon als Schwesterherz zu Sonny Chibas Kampfsportfurie fungierte, ihren Härtegrad aber weniger auf der Brachialgewalt des Helden als auf externer Räude gründet. Mitverantwortlich für das gehobene Maß an Exploitation lässt sich Ko-Autor Norifumi Suzuki benennen, der sein Gesamtwerk hindurch mit leinwandtauglichen Foltermethoden, hautengen Perversionen und einem Humor für Obskuritäten aufwarten konnte. Dessen Grand Guignol voller „Sex and Fury“, wie so oft auch von Kollege Masahiro Kakefuda ergänzt, muss man nicht liebhaben, doch er verdichtet dort den Unterhaltungswert, wo solche Filmreihen im Serienformat zwangsläufig auf bestimmte Muster im Narrativ zurückgreifen müssen. Den Kritikpunkt einer Austauschbarkeit möchte ich dennoch nicht anbringen, dafür ist Kazuhiko Yamaguchis Film doch zu verrückt ausgefallen sowie im Wirbelwind der Stimmungen aufgeblüht. Der erste Ansatz für ein Gros an Kontrastion bietet sich mit Heldin Li Koryu (Etsuko Shihomi) an, die sich in ihren Zöpfen und bunten Klamotten chinesischer Tradition auf einem Image der Unschuld bewegt, das sich zeitweise auch in ein Rotkäppchen-Kostüm kleidet, während delirierende Strips und krumme Geschäfte im Hintergrund jede Scham vergessen, die Ironie der Verschmelzung extremisieren.


Natürlich erfüllen die Karatekünste Koryus dann mindestens einen Schauwert des 70's Eskapismus, der keinen Sprung über die simple pleasures der zeitgenössischen Leinwand auslässt, doch ihr Drumherum an Bewährungsproben und Offenbarungen lehnt sich mit seinen Eindrücken wie eine Atombombe aus dem Fenster, Schocks und Irritationen abzuballern. Der Überraschungsfaktor wartet permanent in kurzen Abständen darauf, von seinen Zuschauern gefunden zu werden, deswegen möchte ich nur einige Szenarien der mentalen Vorbereitung behilflich vorstellen: Geschieht in den Straßen Hongkongs der Überfall inklusive Gassenmord, sind ausgestochene Augen und Klingen in der Stirn blutige Gewissheit. Reist Koryu zur Aufklärung dessen nach Tokyo, schießen schon die Gitterstäbe im Taxi runter, ehe von Zug zu Zug gesprungen wird, um einem Arsenal an fremden Widersachern und Ninjas die Meinung zu treten. Springt ein neuer Herausforderer in die Handlung hinein, frieren Bild und Geschrei ein, um den Kampfstil des jeweiligen Mordsmenschen zu benennen. Mit solchen Faktoren und noch vielen mehr sind die ersten zehn Minuten gewiss schnell rum und überwältigend, genauso urig weiß die Logik an Handlungsabläufen, wie sie einen mehrmals ins kalte Wasser werfen kann. Wo sonst gerät der Heldin ein Glasauge in die Hände, das einen Mikrofilm beinhaltet, auf dem sie ihre Schulfreundin Oh Birei (Hisako Tanaka) wiedererkennt und im Verlauf erfährt, dass dieser Blutdiamanten in die Pobacken implantiert werden? Ja, das Sitzfleisch hat hier in Gemäuern der Unterwelt zu leiden, wird dem Milieu gerecht genauso durchoperiert wie Prostitution, Erpressung, Kinderpornographie und sicherlich auch böses Rauschgift.


Interessant, wie verkommen sich die Nation Nippons hier via des einheimischen Studios Toei selbst bewertet und mit kritischem Sleaze eine Freundschaft zu Hongkong, eigentlich ein Sammelplatz japanophober Kung-Fu-Klopper, sucht (zeitweise sogar chinesisch zu stammeln versucht), welche sich auch in der Verknüpfung an Kampfschulen niederschlägt und Universelles betont, wo der Mensch offenbar schon längst am Ende jeder Moral angekommen ist. Das zeigt sich selbst bei der Übergabe der Wohnung, die sich Koryu zeitweise von ihrer ortsansässigen Schwester Li Hakuran (Tamayo Mitsukawa) ausleiht und dabei von einen Magenschlag des Nachbarjungen begrüßt wird. War ja nur ein Streich, dem sie kollegial entgegen lächelt, dennoch findet die Bedrängung von allen Seiten quasi schon als Einzugsgeschenk statt, wenn die Killer vom Honiden-Trio permanent zu Duellen im Regen bitten (eine Hinterhofvariante vom Finale in „Der Wildeste von allen“), Freunde und Familie verstümmeln sowie mit scharfen Klingensounds die Sinne täuschen. Auftragskiller Inoichiro Honiden (Masashi Ishibashi, schon aus Chiba-Tagen als Scherge bekannt) vervielfacht sich da vor bloßem Auge, wie auch sonst Sadistisches mit Surrealistischem gekreuzt, der rote Rausch der Rache als Tunnelblick manifestiert wird und sich Figurenkonstellationen so zufällig wie perplex ergeben, dass Impulse wie die Bereitschaft zur Mithilfe durch Shunsuke Tsubaki (Yasuaki Kurata, irgendwie Blacky Fuchsberger nachempfunden) vor Spontanität überquellen – von irre verkreuzten Verwandtschaftsverhältnissen, diffusen Allianzen mit Obermotz Osone (Hideo Murota) und krassen Attentaten auf die Weiblichkeit ganz zu schweigen. Apropos: Weiß jemand, was es mit dieser Ochsenkopf(?)-Szene auf sich hat?


Ich bin immer wieder hin und weg, wie die japanische Filmindustrie so ziemlich vom Fließband derart aufregende und fantasievolle Schönheiten an Brutalität und erquickender Gerechtigkeitsdynamiken aufziehen konnte, die sich eben auch zum Finale hin in einen zappligen Wutwanst schreien, dass die Luft kein Hindernis mehr ergibt, sich im Nachhinein aber noch von den Erinnerungsstücken der Vergangenheit rein tränt, welche als Ballade der Güte herzlich naiv am Aderlass ernährt wird. Genialst selbstverständlich ballen sich da auch die stets reizvollen Kadrierungen im Breitwandformat (Mensch → Kampf → Stadt) zum Bilderrausch voller Zoom und Groove zusammen, wo die Ode an psychedelische Gefühlsbonbons und Schattenspiele auch dann nicht gebrochen wird, wenn Bunsenbrenner Knieschenkel ansenken. Der Zynismus zum Fleisch geht in der Drastik eben auch irgendwo nahe, wohl aber vor allem deshalb, da ich bei der Sister und ihrer idealisierten Menschlichkeit im Fokus (für die sich Geschwister hier trotz geleisteter Fehler nimmer Urteile anhören müssen) eine Aufhebung meines Einzelkindstatus in Erwägung ziehen würde, selbst wenn die meisten nach der Bekanntschaft mit dieser flott das Zeitliche segnen. Bis dahin nimmt man immerhin noch an einer Verstrahlung teil, die in giftigen Knalleffekten abstößt und streng kawaii auf die Qualitäten der Einigkeit acht nimmt – so leichtfüßig und gewaltsam zugleich im Gehirn unterwegs, dass ich diesen Text fast 1:1 nachschreiben konnte, nachdem mein erster Entwurf der Schusseligkeit wegen gelöscht wurde. Manche blood diamonds sind eben forever.



Ein-Satz-Kritiken für zwischendurch!

„Super“ - Adolf Winkelmanns abgeklärte Postapokalypse aus der Western-Romantik an Baugruben schmelzt einen lässigen wie nassen Naturalismus unter Liebenden, Gierigen und Sehnsüchtigen in Gold ein, bei dem ich mich schon ins Sprudeln des grünen Wasserbehälters verlor; anhand der Beziehungsdifferenzierungen zwischen Motel und Tankstelle bis ins nächtlich-explosive Augenzwinkern hinein glitt; Demirkan und Lindenberg als Einzelgänger kecker Gefasstheit feierte.

„Liebe auf den ersten Schlag“ - Thomas Cailleys nach Chlor und nassen Klamotten riechende Coming-of-Age-Romanze von der verwischten Camouflage der Geschlechterrollen lässt Frettchen retten, Füchse fressen sowie die feiste Liebe zur wahren Kernigkeit binnen des absurden Pragmatismus an Militär-Machtspielen finden, ehe die ruhenden Küsten sich und ihren Holzpreisen einen Neuanfang im Waldbrand der Zuneigungskeile verpassen.

„Die Nacht ist jung“ - Léos Carax weiß die Hitze von Bowies Modern Love wie jene des Halleyschen Kometen auf die Straßen zu strahlen, die Ohnmacht im Fallschirm mit der Unerreichbarkeit der Liebe binnen omnipräsenten AIDS-Äquivalents zu kreuzen, nicht aber unbedingt manche Gleichförmigkeiten seiner Melville-via-Resnais-Hommage anzufechten, obwohl die krude Nachtlust ihre Gefühlsakrobaten durchweg bittersüß im Leiden kadriert, im Schnitt abschnürt.

„Silence“ - Ehe Martin Scorsese alle großen Bilder zur katholischen Passion auf die Tränensäcke westlicher Bedeutungsschwere zentralisiert, lässt sich Masahiro Shinodas schlichtes Panoptikum forcierter Religionsentsagung als Zustandsevaluierung voller Verkühlungen und entmenschlichter Formalitäten entkleiden, in denen Zwang, Abhängigkeit und Verwahrlosung mehr vom Willen des Einzelnen als von der Allgemeingültigkeit jedweder Theologie herrühren.

„Jahrmarkt“ - Gary Busey sitzt als Harlekin im Wasserkäfig, bohrt sich so schmierig in die schmierige Außenwelt an Sensationslust und Machismus ein, dass sich Jodie Foster als loses Mädel ohne Perspektiven mit dran hängt, in der schwülen Dehnung des Milieus am Reiz der Gefahr teilnimmt, sexuelle Frustrationen sowie die Katharsis des Außenseiters anwendet, um ein Finale brachialer Täuschungen in der Schaubudenkutsche zu empathisieren.

„Hairbrained“ - Inmitten des Indie-Komödien-Konsens für die amerikanische College-Tristesse trocknet Alex Wolff Klischees und Pointen zugleich mit seinem unantastbaren Wuschelkopf ab, kommt im Blitz-Quiz mit schnittigen Wissenssalven und ebenbürtig eindrücklichen Damenbekanntschaften zurecht, ehe noch das Küssen, das Verlieren sowie die Heilung zerrütteter Familienverhältnisse angelernt werden, sich dafür via Brendan Fraser ein Trio an Kondompackungen in den Korb schmeißen.

„Der Sturm – Life on the Line“ - Wenn John Travolta seinen bizarr à la Seagal verzopften Bart durch Jahrzehnte und Rückblenden trägt, den Pathos im Lineman-Job unter dem Oberbegriff „Armageddon“ nachliest und provinziell platte Melodramen der Eifersucht, Schwangerschaften, Traumata, Rabenmutter-Sharon-Stones sowie sehnsüchtig erwarteter Spießigkeit den Sturm heraufbeschwören, ist der Käse unter Stereotypen entsprechend doof konstruiert, aber noch in dauererregter Unbeholfenheit anzutreffen.

„Dog Eat Dog“ - Über „Dying of the Light“ kann man sagen, was man will, doch Paul Schraders Vision hängt sich nun in aller Freiheit nur mäßig involviert in eine Gangsterposse rein, die ihre Schnacker aus den 90ern auf stumpfe wie beliebige Stories zurück kurbelt, welche die Beobachtungen zum entlarvten Kultobjekt Männlichkeit im Blei versinken lassen, bevor der Showdown noch auf den letzten Drücker Inspirationen an Farben sowie den zeitlosen Reißwolf an Autoritäten und kapitalen Egos belegt.

So, jetzt geht's weiter im Text: 




XXX: DIE RÜCKKEHR DES XANDER CAGE - "[...] Soviel Taurin wie nötig kriegt man aber kaum runter bei den Mengen an „Boah, ey“, die D.J. Caruso von einem abverlangt, wenn seine Superagenten voll mit Red Bull extrem die Welt retten, poppig ums Poppen herum mit Vehikeln und Muskeln gegen jede Physik posieren. [...] Der Story-Konsens an Geheimdienstmachenschaften, Intrigen, Doppelspielen und globalem Antiterror-Bumm-Bumm geht einem ohnehin mehr bleiern auf den Senkel, ehe es die vielen kecken Einzelmomente vom Glück der Secret-Honks wieder ungeniert eskapistisch ausgleichen. [...] Äußert sich natürlich noch mit gleichsam oberschlauen wie superblöden Phrasen, doch jenen Reiz an Naivität und Trivialität wünscht man sich ja schon, sobald man ein Ticket für diesen Film löst und weiß Gott keinen weiteren „Spectre“ geliefert bekommen will. [...] Die Typen springen ja auch wie Flummis mehrmals um die eigene Achse und bringen genauso chronisch ihre individuellen Slogans zu Wort, um eine durchgedachte Handlung zu suggerieren. [...] Superdoof zu sein ist auch ein bisschen superdope, [...] ein Quell kindlichen Enthusiasmus, der einst im Bahnhofskino rauf und runter lief, nun größer als groß in 3D vom Tagtraum des Jungskinos berichtet, der sogar seinen verstärkten Hang zur Inklusion noch hauptsächlich auf pubertären Sexappeal gründet. [...]"


(Die komplette Kritik gibt es bei den DREI MUSCHELN zu lesen.) 




Eine der schönsten Begegnungen dieser Woche gehörte auch zu den kürzesten, denn Zoltan G. Spencers Regiedebüt „The Satanist“ läuft nur an die knapp 64 Minuten. Man kann allerdings von Glück reden, dass man dieses seltene Vergnügen hat, schließlich wurde vor der Restauration um 2014 herum stets spekuliert, dass jener Film von 1968 seit jeher verschollen sei. „Willst du gelten, mach dich selten“ - hatte dann auch funktioniert, bislang war ich nicht unbedingt auf der Suche nach derart minimalistischen Frühwerken des Nudie-Cuties (ein Traumbegriff) doch mit jenem Autorenfilmer Spencer könnte es was werden, wenn seine Vorgehensweise in der Erzählung so erfrischend bescheiden und seine Darsteller/innen entsprechend drollig bleiben. Nichts währt so ewig wie Jugend und Schönheit im Korn des Zelluloids, deswegen teilt Maestro Zoltan seine Geschichte auch in einer Szenenmenge auf, die man mit anderthalber Hand abzählen kann sowie das Ensemble an weiblichen Formen zum Hauptmotiv erklärt. Der Softsex schleppt sich dafür ins Fingerspitzengefühl hinein und auch wenn das Dralle am Cast teilweise etwas grob zusammengesucht scheint, sind da durchweg zärtliche Gesichter für formatfüllendes Vergnügen zugegen, die aus ihrer Gewöhnlichkeit Kapital schlagen, zwischen Unbedarftheit und Ungewissheit pendeln, aber in ihrer Präsenz ausnahmslos unantastbar bleiben. Das möchte man auch meinen bei einem Protagonisten wie Joe, welcher sich als Autor mit Brille und Schnurrbart vorstellt – ein Musterbeispiel an zurechtgebogener Harmlosigkeit, das man sich nicht unbedingt als erste Wahl ins Schlafzimmer stellen würde, aber einen herrlichen Spießbürger abgibt. Der fordert uns von seinem Rollstuhl aus dazu auf, festzustellen, ob der folgende Blick in die Vergangenheit seinerseits Traum oder Wirklichkeit gewesen sei – ein einladendes Konzept, das mit seiner neugierigen Schwarz-Weiß-Optik voller Schatten und greller Kontraste eine (auch darüber hinaus gehende) Kuppelei mit den „Meshes of the Afternoon“ eingehen will, genauso stumm vor sich her spricht.


Wir sehen zwar Gespräche, deren Inhalte werden jedoch vom Autor im Voiceover wiedergegeben, der pflichtbewusst auf sein interpretatives Geschick hinweist und zurückgreift, um die Geschehnisse des Zwischenmenschlichen bis ins (nur bedingt erwiesene) Übernatürliche Revue passieren zu lassen. Klingt leicht eitel, ist es auch – Joes eigene Methodik weiß ihn im Verlauf aber auch keck zu verballhornen. Bis hierhin beteuert er nämlich, dass er als bodenständiger Lebemann ausschließlich vom Stress geplagt und der Anweisung seines Hausarztes nach einen Ausflug in die kalifornischen Suburbs unternommen hat - das kaum abgewartete Auspacken seiner Schreibmaschine im Einheitsambiente erzählt da was anderes, doch seine tolldreiste City-Frau Mary (in etwa einer jungen Iris Berben ähnlich) überredet ihn noch flotter zum Urlaubstechtelmechtel auf Triple-Betten (mit den Laken kannste den Bundestag verhüllen), bei dem die BHs nie spitzer und die Verzahnung an Körpern kaum ungelenker ausschauen könnten. Gibt auch keinen Grund, sich diese unbescholtenen Privatleute anders vorzustellen, wenn sich die Matratzenbelagerung knapp auf die mutigsten Anlaufstellen des Pettings einigt, Entkleidungen Richtung Totalverdunklungsgardine sowie Oralverkehr mit äußerster Vorsicht genossen werden. Die Rahmenbedingungen an Behütung sind beiden anzusehen, da aber eben trotzdem ein liebevolles Schauspiel, das sich gegenseitig zugrinst und gerade im verhaltenen Herantasten eine Intimität erwirkt, mit der man warm werden kann, aber noch ein Stück weit von feuchten Hosen entfernt ist. Den Eindruck vom Blümchensex (der Mann schläft mit Socken!) versucht man zeitgleich mit dem gefühlt krautigsten Grundgerüst des Psychedelic Rock entgegen zu wirken, welches vom Soundtrack zum Dauerbetrieb beansprucht wird, so wie sich ohnehin jedes Liebesspiel auf längere Zeit verausgabt. Die Schnittstelle für diese Stimmungen verharrt aber kaum in weiter Ferne, schließlich schaut Shandra von draußen zu, mit strengen Augen aus den Tiefen einer Romero-würdigen Nacht geborgen, dass auch Joe schon ankündigen muss, inwiefern die Geschichte ab jetzt von ihr gegeißelt wird. 


In Shandra kann man sich nur verlieben: Die brünette Teufelsanbeterin (gefühlt ein mütterlicheres Lichtdouble für Barbara Steele) machte schon zum enigmatischen Intro hin Straßenlampen sowie Teens im Rücksitz unsicher, dass man ihr in okkulte Wesenszustände folgte - mit beschwingter Gastfreundlichkeit lädt sie dann aber noch Joe und dessen Frau zu sich nach Hause ein, die Materie zumindest mal als Schmöker für zwischendurch anzutesten. Der Spiegel im Hause Shandras ist unserem Joe schon so suspekt, dass er diesem mehrmals chargierend zuzwinkern muss, ob sich da denn nun wirklich ein noch dralleres Wesen vom Satanskult befände, aber schwamm drüber, die Anleitungen zur schwarzen Magie sind ihm lesenswerter als gedacht! Kein Wunder bei einem Film, der sich für längere Zeit in seine Umwelt vergucken kann, den Pflanzen und Möbeln des Mittelstandes im Auge der Sonne frönt, ebenso die schönsten Details mit Tapetenmustern aus der „Bettwurst“ koppelt – größtenteils zu Totalen, die einem beim Selber-Einrichten enorm behilflich sein dürften, fern jeder Schäbigkeit rangieren. Da muss der Herr Gatte schon absichtsvoll die Opa-Pfeife paffen, Mary im strategisch durchsichtigen Nachthemd schlummern lassen und derweil ebenso den Voyeur geben, wenn er bei Shandra vom Hofe aus ins Schlafgemach glotzt und beschreibt, welch faszinierend schreckliche Rituale er da zu Gesicht bekommt. In Wirklichkeit verbringt die Begaffte traute Zweisamkeit mit ihrem Sukkubus (Helga Anders trifft Brigitte Bardot), cremt das gut bestückte Mädel ein und verwandelt sich per Stopptrick in einen Adonis mit markanter Kinnlade, der bei Bergman hätte anheuern können. Der Cunnilingus für die Frau ist da nur recht, der Wechsel an Beglückung ist der Kamera dementsprechend Sinnespflicht, zudem von höchster Entspannung noch in Joes Träumen unterwegs, dass er den Morgen danach keine Brille mehr braucht. Mary erscheint das rätselhaft und führt sie scheu wie ein Rehlein angetrabt in Shandras Hinterhof, wo sich der Sukkubus (mal unter blonder o. schwarzer Perücke) via Salz und Kerzen eine ganz dufte Zaubereinlage kredenzt, wie die Bäume drum herum über dem Erdboden thront und dafür der Ehrfurcht halber alle Natürlichkeiten auspackt. 


Solche Mächte sind zu viel des Guten, deshalb sind sich die bürgerlichen Spanner einig: Möglichst rasch die Fliege machen! Blöd nur, dass Shandra sie vorher noch zu einer schwarzen Messe eingeladen hatte – der Höflichkeit halber lässt sich das ja wohl kaum ausschlagen! Und so nimmt das seinen Lauf mit der finsteren Fete, welche für ihre Gäste immerhin Klappstühle in den hinteren Reihen aufgestellt hat und zu denen sich Shandra mit nackter Brust ganz casual dazu setzt, während vorne jeder seinen Eigensaft in Krügen abnuckelt. Es macht keinen Sinn, hier jetzt alle Kleinigkeiten zu verraten, mit denen kontinuierlich die Teufelslaune steigt – ich behaupte mal, es ist für jeden was dabei; zwar nicht unbedingt viel freimütiger auf Tuchfühlung eingestellt als in der vorhin beschriebenen Erstlingsszene an GV, aber durchaus noch eine anregende Projektionsfläche, die höchstens beim Aufsetzen der kollektiven Ziegenmaske abbaut. Ganz und gar attraktiv habe ich hingegen das Gesamtpaket liebenswerter Schaffenslaune empfunden, das sich unter Freunden sowie augenscheinlich in Privatwohnungen zum Inszenieren bar vieler Mittel traf und zu Zwischenwelten aus Kerzenschein, Feuer und schwarzen Roben vordrang, ohne dabei das Lachen oder gar seine niedlichen Speckröllchen zu verlieren. Shandra würdigt man in dem Zustand zudem mit vielen Nahaufnahmen ihrer Frohnatur, während Joe auf der Tonspur nicht mal ansatzweise ein überzeugender moralischer Zeigefinger über die Lippen geht. Wäre ja auch totaler Quatsch, so wie man sich hier mit Ketten, Samt, Masken und elastischen Schlüpfern bettet, per Zauberstab Wunder aus dem Nichts erschafft und dabei am Bass zupft, bis jeder Zuschauer als berauschter Sklave der Lust entlassen wird. Ich bin gespannt, was die weiteren Werke Zoltans danach noch mit einem machen konnten.

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