Sonntag, 12. Februar 2017

Tipps vom 06.02. - 12.02.2017


Erbe Leslie,

hmm, die heutige Ausgabe könnte für manch einen von euch wohl etwas kleinwüchsig erscheinen. Tja, manchmal kommt binnen einer Woche nicht so viel zusammen, wie man es sich manchmal erhofft, das ist ja kein Unding mit dem Voranschreiten der Zeit, dass nimmer stets für vollgepackte Action gesorgt werden kann. Natürlich ist im Weltgeschehen ringsum wieder einiges an Blödheit passiert, dass die Endzeit immer näher an uns rückt, aber das lässt sich an entsprechender Stelle ja wie gehabt extensiv nachlesen, als dass ich hier alles wiederum aufzählen muss. Eins steht jedenfalls fest: Wenn sich der eigene Zahnarzt vor Ort schon Sorgen macht, wie die zukünftigen Importpreise (und zwangsläufigen Preise für den Endverbraucher) für US-Kunststoffe ausfallen werden, dass dieser den Donald innerhalb eines normalen Beratungsgespräches als kranken Typen bezeichnet, dürfte klar sein, dass Politik wieder der Mainstream, quasi the talk of the town, geworden ist. Außerdem: Steinmeier ist jetzt Bundespräsident, am Hamburger Flughafen (nicht unweit von meiner Wohnung entfernt) strömt Reizgas aus und die Berlinale läuft wie gehabt ohne mich bereits in vollen Zügen ab, droht dem populistischen Zeitgeist entsprechend auch schon mit erpresserischen Ultimaten, wenn ungefällige Einschätzungen im bloßen Überblick durchsickern. Wow, welch Fest der Freiheit! Und was ist bei mir so passiert? Naja, der Tinnitus von letzter Woche ist noch geblieben, weshalb es zeitweise durchaus an Konzentration gemangelt hat, wenn's ans Filmschauen und -besprechen ging, doch am besten kam ich eigentlich wie gehabt damit zurecht, wenn Freunde dabei waren und quasi drei Filmabende, zwei kleinere und einen größeren, veranstalteten. Sternstunden der Unterhaltung und des Austauschs bester Jokes waren insofern gegeben, von dem Arsenal an gesichteten Schätzen kann ich sogar bis in die nächste Ausgabe hinein berichten, doch fürs erste wird’s dem anstehenden Valentinstag gemäß allen voran romantisch bzw. spannend in Beziehungsfragen, wenn unsere vier Filmbeispiele vom entrückten Traum des Glücks bis hin zur S&M-Schiene auftrumpfen, mitten ins Herz treffen oder volle Kanne aufs Hirn ballern. Seid ihr bereit? Dann schnappt Euch eure bessere Hälfte oder das jeweilige Geschlechtsteil und erfreut die jeweiligen Glubscher an dem, was ich an liebreizenden Lese(und Hör-)stoff aufzubieten habe, wenn die Filmwelt mal mehr, mal weniger durch die eskapistische Linse am höchst durchgefickten Globus entlang kreist.




Erfahrenen Filmfreunden muss man nicht noch erklären, wie sich Louis Malle zeitlebens als behutsamer Surrealist bewährt hatte, komischerweise hatte er es bislang trotzdem nicht auf diesen Blog geschafft, was sich nun mit „Die Liebenden“ ändern wird. Jeanne Moreau, ebenso erstmals an dieser Stelle vertreten, zieht es in dieser Romanze von der Eintönigkeit und Tristesse des Adels hin zur unverhofften Hochphase des Glücks, die über mehrere Lebensmodelle hinweg trotzdem einen Zyklus der Vergänglichkeit voraussieht, in einer (bitte) unendlichen Nacht jedoch den Orgasmus einer möglichen Zukunft in Bildern, Gesichtern, Körpern, Elementen der Natur und dem Aufeinandertreffen aller zur Allzeitsehnsucht ballt. Beats by Brahms sind die herzlichen Begleiter dazu, vorher erstreckt sich das schwarzweiße Breitwandformat (das „Marienbad“ kupfert nicht nur davon ab) aber noch nüchtern innerhalb jener Mauern, die sich der Frau um 1958 als gesellschaftliche Sicherheit anboten. Jeanne Tournier (Moreau) verbringt da schon so wenig Zeit wie möglich auf dem einsamen Anwesen ihres Ehemanns und Verlagmoguls Henri (Alain Cuny) und pendelt ständig nach Paris, um eine Affäre mit dem Polo-Player Raoul (José Luis de Vilallonga) aufrechtzuerhalten, doch die Highlights jener Beziehung zwischen Trabrennbahn und Rummelplatzkarussell bieten nur wenig Aussicht, so wie sich die Rückkehr zuhause auch dadurch einpegelt, wie gleichgültig Henri die Präsenz seiner Frau wahrnimmt, ihre ehelichen Pflichten aber als selbstverständlich reinforciert. Fast schon schlafwandlerisch geht sie diesen auch nach, wenn sie abends seinen Arbeitsplatz aufsucht, um zu schauen, ob er sie denn betrüge, doch neben der Erkenntnis, dass er offenbar lieber Überstunden malocht als daheim zu verweilen, scheint sie sich sowieso schon mehr in das Traumtänzeln innerhalb der industriellen Rhythmen zu verlieren, am liebsten weit weg von der Vehemenz der gefühlskalten Zufriedenheit.


Bei Malle kommt der satirische Unterton zur Bourgeoisie dann auch in jener Form (und Bildsprache) zur Geltung, wie Jeanne ihre Körperlichkeit verpackt, eher ausklammert und schlafen legt, das schlichte Anhängen von Accessoires, eben Perlenketten und Haarklammern zum Alltagsinhalt erarbeitet – das eigene Kind ist da sowieso eher Inventar, wie es scheint. Mit dem Tratsch ihrer im Prinzip schon bettlägrigen Freundin Maggy (Judith Magre) ist auch nur wenig Bewegung im Spiel, doch jenem Feststecken droht erst recht der Kollaps ins Nirgendwo, sobald Raoul als Begleitung Maggys Henri zum Diner vorgestellt werden soll. Henri ahnt sowieso schon, wohin der Hase läuft, deshalb soll der Besuch im Verlauf auch eher eine Demonstration seiner Kontrolle über Jeanne ergeben, die er eh schon mit getrennten Betten von sich hält - das Gift einer imaginären Abhängigkeit vertieft sich zur verbrannten Erde. Doch siehe da, Leben mischt sich ins Prozedere ein, sobald Jeannes Wagen auf dem Weg zum Diner zusammenbricht und der Zuschauer endlich ein Panorama der Provence erhält, in das sich Bernard (Jean-Marc Bory) hinein verirrt, als Helfer zum Mitfahren einlädt, aber über weite Strecken seinen eigenen Kopf durchsetzt, weshalb Jeanne mal ein bisschen zu spät zuhause ankommt. Ist aber weiter nicht so schlimm, schließlich ist man auf dem Weg mit mehreren Keckheiten ins Paradies der Begegnung gelangt, voller pointiert undurchschaubarer Automechaniker und friedfertigerer Dorf-Einsamkeiten, die zumindest ein hübsches Bächlein und frohlockende Vogelstimmen für sich behaupten können. Jeanne bleibt da durchweg etwas unruhig, der Film an sich auch eher ein stiller Genießer, doch das Feeling überträgt er allmählich schon auf seine Protagonistin, je eher sich ihr Fahrer als Lebemann der Bescheidenheit und trockenen Ironie entpuppt, der zudem ungern auf seinen adligen Familiennamen angesprochen wird – später übrigens der einzige Stichpunkt seinerseits, für den ihm Jeannes Umwelt die Türen öffnet, obgleich er sich ihren Henri als knurrigen Bären vorstellt und damit einen ansteckenden Lachkrampf im Kopfkino auslöst.


Innerhalb der Türen dessen fühlt man sich aber so oder so wieder wie im Gefängnis, erst recht beim Abendessen in steigender Schweigsamkeit, bei dem selbst Erdbeeren betreten gefressen werden, wenn Raoul nicht noch auf Teufel komm raus oberflächlichste Konversation betreibt. Jener Zwang der Geltung beherbergt eine fordernde Funktion wie übrigens auch die Erzählerstimme im Off, die einem „Listen up Philip“ ähnlich mehrmals von inneren Schmerzen berichtet und Jeanne Selbstzweifel auferlegt, welche die Bilder in der reinen Betrachtung enorm zu entkommen versuchen. Jeanne will dann auch Raoul entkommen, der sich nicht nur als Intellektueller seines Standes wegen heraus kristallisiert, sondern auch gerne mit der Methodik und verkappten Abgeklärtheit Henris konform geht/gehen muss, weshalb der Abstand zum Neuling Bernard natürlich immer kürzer ausfällt. Nachts dann fallen die letzten Grenzen und der eingangs erwähnte Klimax der Liebe erfüllt sich mit einer traumhaften Prozedur, die sich zudem von kontemporären Konventionen dargestellter Sexualität löst (einst ein mittelschwerer Skandal) – wohlgemerkt in einer Entschleunigung, die Moreau im Nachtgewand eines Engels schweben lässt und sie sowieso permanent im Fokus behält. Lässt sich dieses Glück auf ewig halten, solange im Dunkeln alles offen steht, das Licht am Eigenheim erst wieder die Grenzen der Freiheit aufzuzeigen droht, während die Flucht nach innen fast nur noch/quasi erstmals dem Kind gilt? Schließlich wird zwar als trojanisches Pferd innerhalb der Statussymbole mit offenen Karten gespielt und melodramatischen Konfrontationen fast schon spöttisch aus dem Weg gegangen, doch Jeannes erster Blick zum Spiegel, hin zur Wahrheit ihrer selbst, hat einen bittersüßen Sonnenaufgang im Auge. Zu jeder Erfüllung gibt es einen Epilog, zu jedem Tag einen weiteren in Folge – dass Louis Malle die Sehnsucht zur Nacht dann umso wirksamer herauszuheben vermag, liegt einfach in der menschlichen Natur und macht sich hier als poetischer Zauber auf die Lauer, eskapistisch zu schwärmen, doch die Stille zur Ungewissheit bleibt, wie auch die soziologisch-satirische Vorarbeit für eine Emanzipation, die überhaupt erst zur Menschlichkeit zurückführen musste. Gewiss nicht die schlechteste Maßnahme.


 
Ein-Satz-Kritiken für zwischendurch!

„Halbe Treppe“ - Die unverhoffte Andreas-Dresen-Retrospektive schnackt und eskaliert sich weiterhin gern gesehen durch die Beziehungsunfähigkeiten und Schicksalszufälle sozial-verkorkster Milieus, bleibt qualitativ aber auf einer Höhe mit seinen Vorgängern, obwohl der Dogma-'95-Versuch noch rohere Momente der Verletzung binnen deutscher Hyper-Tristesse (Frankfurt an der Oder) hinkriegt sowie Authentizität zwischen Tag, Nacht, Mann und Frau erwirkt, selbst mit Einsprengseln des Interview-Formats nicht allzu prätentiös wirkt, im letzten Drittel kollektiver Versöhnung aber auch erneut zum rührseligen Klammernschließen neigt (Stichwort: Wellensittich). 

„Superman and the Mole-Man“ - George Reeves ist als Superman ein eher seltener Gast fürs erste Leinwandabenteuer in Spielfilmlänge, wenn dessen ausgewalzte B-Movie-Manier begrenzter Ressourcen eine Gruppe von Maulwurfmenschen jagt, die eine Western-Stadt mit radioaktiven Händen in Aufruhr bringt, obgleich die kleinen Kerlchen unfreiwillig und voller Furcht durch die irdische Industrie an die Erdoberfläche getrieben wurden, weshalb Superman den american way fester Grenzen und Nationalitäten als Frieden ausformulieren muss, um das Budget an Laser-Effekten mit stolzer Brust abprallen zu lassen, als Freund und Helfer dennoch halbwegs zu beglücken. 

„Conni und Co“ - Beim Schweiger-Familienprojekt hat Tochter Emma Tiger offenbar am wenigsten Lust, das Kinderabenteuer um einen knuffigen Hund (incl. Top-Chief-Intro) anzuführen, weshalb ihre Schauspielleistungen jede potenzielle Sympathie unterbieten, sich zudem am Rest des Casts abfärben, wenn die einfallslosesten Genre-Klischees durch den vermeintlich episch-sommerlichen Filter gejagt werden, Pop-Schmalz schon frühstmöglich als Gefühlsersatz auftritt und mehrere Stationen des Konfliktpotenzials auf einmal anfangen, aber stets versanden, wenn sich die alte Masche „Erwachsene hören niemals zu“ auf ein absurdes Höchstmaß puscht, bis zum Happy-End hin kein stimmiges Tempo erreicht.
 
So, jetzt geht's weiter im Text!




Obacht: Wer gerne nach der Steilvorlage von Louis Malle lieben will, sieht das ganze Elend in „Nights and Weekends“ wiederum zusammenbrechen. Der Fall hängt jedoch in vielerlei Hinsicht von der dargestellten Problematik der Fernbeziehung ab, welche sicherlich nicht wenige von uns schon mal unternommen, erhebliche Gewichtungen an Vertrauen über weite Distanzen erschaffen hatten und an selbigen irgendwann zwangsläufig zerbrachen. Am Willen des jeweiligen Gegenübers scheitert es meistens nicht, ein Mangel an Begehren kommt weiß Gott nicht zustande, aber in kurzen Zeiträumen des Zusammenseins ist das Kennen und Kennenlernen mehr oder weniger ein illusorischer Prozess. Es hat fast schon etwas Religiöses, wie man sich unter jenen Umständen in den Gedanken der Liebe hinein verlieren kann, Hoffnungen auf eine Einigkeit des ist-ja-nur-temporär-en Abstands schürt und dieser Tage auch eine tolle Lösung darin erkennen mag, durchweg online in Kontakt zu bleiben. Dennoch besteht wie überall, hier nur noch verstärkter die Gefahr, dass zwei derart abgekoppelte Leben an der Dissonanz zueinander abprallen, das Treffen an Gemeinsamkeiten als forcierten (ohnehin mühseligeren) Schritt empfinden, in der Kommunikation von Sorgen, Schmerzen und Zuneigung Hemmungen aufbauen. Wenn dann nicht dauernd irgendwelche Missverständnisse entstehen, wird im Verlauf spätestens die gemeinsame Planung zum Sex ein mittelschwerer Krampf. Aber fing es nicht alles so schön an? Wär das drin, das alles für immer so bleibt, wie man sich an die besten Momente zurückzuerinnern meint?


Nun, die Frage konnte Malle schon nicht beantworten, umso härter steigen Greta Gerwig und Joe Swanberg sodann in jenen Verlauf der Vergänglichkeit ein. Dabei muss man das als Zuschauer anfangs gar nicht mal vermuten, so gut sich Mattie und James verstehen – also auf dieser urbanen Mumblecore-Schiene voll postironischem Schlagabtausch, der vom Schauspiel so naturalistisch und von der Inszenierung so abstrahiert für sich selbst steht, dass es vor Wahrheit weh tut. Die Kamera wird sich so gut wie weggedacht und in der Entblößung zeigen beide alles. Als Zuschauer hat man im Vergleich wenig Distanz zum fernliebenden Pärchen, dessen Höhen und Tiefen eigentlich auf geringstmöglicher Dramatisierung geschehen, von den Situationen her eher triviale Angriffspunkte finden, aber umso bitterer wiegen, wenn man die Lücken der Einsamkeit einberechnet, die der Film ab und an mit schlichten Texttafeln überbrückt. Unter Verwandten in gewöhnlicheren Beziehungsmodellen ist der unausgesprochene Wunsch nach einer Entsprechung dessen dann auch permanent zu spüren, selbst das Zusammenziehen löst die Misere unterbrochener Bindungen nicht auf. Auch wenn ein ganzes Bündel an zusammenschweißenden Erfahrungen auf dem Tagesplan steht, sind es eher Ablenkungsmanöver von der Aufforderung zur (Selbst-)Bespaßung oder von der Pflicht zum Job weg. Beziehungsaufrechterhalter und -killer ARBEIT ist dann auch Mittäter der kontinuierlichen Entfremdung unserer Zwei, die wir im Großteil aus der Perspektive Matties betrachten, folglich dabei sind, wie sie sich und ihre Gefühle leugnet, mit leichtfüßiger Haltung übertüncht und sich daraufhin vor Verzweiflung auflöst, obgleich auch James den Blick zur Freizügigkeit wie verschämt unterbindet, als sei man seit jeher im Status best friends unterwegs.


Mit den Tränen der Einsamkeit ist letztendlich keiner zufrieden, aber deren dringend nötiger Ausbruch kann eben nur bei geschlossener Tür in Abwesenheit des jeweils Anderen passieren, mal um ihn nicht zu verletzen, mal um sich selbst zu schützen, meistens aber auch deshalb, weil man sich kaum noch kennt und doch im Gewissen daran hängt, was mal eine Harmonie war – selbst, wenn diese nur über Nächte und Wochenenden probiert wurde. Man kann nicht von ihr loslassen, alles wird awkward und dann bringen die äußeren, unwissenden Umstände sie auch noch wieder in Situationen zusammen - ein Foto-Shooting, das ehemalige Glück in der Fotobude parallelisierend -, welche die seitdem gebliebene Connection im Herzen vorspielen, zum Greifen nah in Bildern verewigt und auf einen neuen Versuch hinsteuert, der aber gleichsam nur zum Scheitern verurteilt sein kann, es sei denn, man hätte eine versöhnlichere Filmfantasie auf der Platte. Gerwigs und Swanbergs Film kann und will es sich nicht so leicht machen, deswegen ist das Spektrum an Erkenntnissen oder gar Lösungen eher klein ausgefallen, als dass der Wiedererkennungsfaktor eben an der Spitze steht, ein beiderseitiges Versagen in beispielhafter Treffsicherheit rekonstruiert, binnen der Scham des Weggehens und Wiederkommens reflektiert wird. Wohin soll es aber gehen nach den dargestellten und selbst erlebten Unmöglichkeiten der Liebe? Wieder in klassische Modelle, ab ins Eremitentum oder in die Karriere à la Damien Chazelle? Um eine Antwort sträuben sich die Filme dieser Woche geradezu (ist ja auch nicht ihr Auftrag), siehe auch die folgenden Werke.

 


Wer sein Hirn allmählich zum Henker schicken will (je älter man wird, desto sinnvoller), allerdings kein Geld für den Spaß am Rauschgift über hat, sollte stattdessen vielleicht „Campus Code“ in Betracht ziehen. Es ist nicht nur ein spottbilliger DVD-Titel und dementsprechend auf niedrigstem Budget inszeniert, sondern auch von einer glücklichen Fügung aus Unvermögen und Ambition begünstigt, die ausgerechnet von Martin Scorseses Tochter Cathy ko-angeführt wurde – obwohl die Erfahrung für alle Mitstreiter im Endeffekt offenbar keine allzu schöne war. Papa Marty und Kollege Ray Liotta schauen demnach ebenso für Mini-Auftritte vorbei, doch deren Gesichter in einem HD-Camcorder-Epos wie diesem sind nur das I-Tüpfelchen für eine filmtechnische wie inhaltliche Verstrahlung, die ohne jede Erdung durchweg auf konfuse Signale einer verzerrten Realität setzt. Dort zu den Charakteren zu finden, ist ein umso brachialeres Unternehmen, doch bei den Belangen von Arun (Ritesh Rajan), Becca (Hannah Hodson), Ari (Jesse McCartney), Izzy (Alice Kremelberg) und Greta (Conor Leslie) sind im Grunde noch die gängigen Uni-Ungewissheiten von Zukunftsträumen und Beziehungskisten gegeben, wenn auch mit konfusen Details en masse unterfüttert. Ari z.B. druckt fleißig T-Shirts fürs Taschengeld, wird dabei allerdings von Elliot (Jack Falahee) überrumpelt, der dieselben Motive (gemalt von Arun) auf dem Unigelände vertickt, weshalb es da schon spontane Verfolgungsjagden und Fights gibt, welche mit wahllos eingeworfenen Superkräften die Unzerstörbarkeit aller sowie Spezialeffekte evozieren, die bereits anno 2007 von jedem After-Effects-Nutzer übertroffen werden dürften.


Der Film hat (trotz teils starkem Equipment) ohnehin etwas Unfertiges an sich, wie er auch der Zeit hinterher hinkt, die Klischee-Grufti-Truppe der Griefers als Antagonisten etabliert und im Schnitt dazu meistens sehr daneben zur Kohärenz neigt, an anderer Stelle wiederum ewig lange in einem Cafeteria-Gespräch verharrt, Mikros im Bild hängen lässt und auf der Tonspur immer wieder dieselben Pro-Scores-Akkorde aufzieht. Daraus kann manch einer ein desaströses Trinkspiel basteln, doch wie erwähnt ist die Bewusstseinserweiterung schon im Film selbst gegeben, da menschliches Verhalten und dramaturgische Konventionen per „Campus Code“ von Vornherein komplett ausgesetzt scheinen. Da überwirft man sich im Eiltempo eines Trump-Dekrets mit Geheimnissen und ungelenken Szenenmustern, pathetisch gewichteten Begriffen und Dreiecksmissverständnissen aus dem YA-Sektor, schlussfolgert dementsprechend weltfremd auf die Strukturen hinter einem Gros an paranoiden Unfassbarkeiten, für das man sich zum Beweis auch mal gerne selbst die Treppe runter schubst. Sich zu wundern wird für den Zuschauer ein Dauerzustand, angesichts dessen kommt der Unterhaltungsfaktor natürlich auf eine Höchstnote, die ihr begrenztes Spektrum an Mitteln immer wieder mit plötzlich auftauchenden wie unbeholfen umgesetzten (und gespielten) Ideen, Intrigen sowie Charaktermomenten abseits jeder Rationalität füllt und da zudem noch von einer Katastrophe von Synchro gekrönt wird. Die Auflösung all dessen ist nochmal ein Fall für sich, doch bis dahin waren ohnehin schon einige Pausen des Durchatmens nötig, um die Erfahrung zu verarbeiten. Mehr verrate ich an dieser Stelle lieber nicht, traut euch einfach mal an den Streifen ran und erlebt, wie euch alle Synapsen auf einmal durchbrennen, sich mitunter betrogen fühlen oder die ganze Angelegenheit auslachen - interessanter als die „Silence“ des Daddy Scorsese wird es allemal.


Zum Schluss wieder was von meinen komplizierten Youtube-Eskapaden, für welche man den besprochenen Film an sich heranziehen muss, um das gemeinsame Erleben zu begießen: Ein Audiokommentar zu „Fifty Shades of Black“ (Michael Tiddes, 2016)!



Der Sadomasochist Witte lädt ein - seid dabei, wie er sich selbst de(vot)motiviert! Pünktlich zum Start der neuen Shades-Scharade im Kino habe ich mich schon im Vornherein durch die Verarsche des Vorgängers gequält und einen Audiokommentar aufgenommen, der sich kontinuierlich schleppender durch das Ensemble an Anti-Gags knattert. Wer leidet mehr? Ihr hoffentlich weniger, wenn wir zusammen an jenem misogynen, lustfeindlichen und passiven Konstrukt von Film teilnehmen, also: Ohren auf, keinerlei Charakterentwicklung erfahren und in dieser Subkultur unter Youtube-Videos zum Grabe finden.

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