Sonntag, 5. Februar 2017

Tipps vom 30.01. - 05.02.2017


Lieser Lebe,

ich versuche mich zur heutigen Einleitung etwas kurz zu fassen, bevor es noch zur Belanglosigkeit wird, erneut auf all jene bestialischen Dummheiten hinzuweisen, welche sich die Populistenpest diese Woche im Zuge des sich stets drehenden Globus erlaubt hat – von schierer Unkenntnis/Ignoranz zur eigenen Verfassung und Gewaltenteilung bis hin zum Erfinden von Massakern, die alle irgendwann so etwas wie einen „Weltfrieden“ à la Le Pen ergeben sollen, gesetzt dem Fall, man misst ihn nach dem Grad verbrannter Erde. Da aber immer mehr Leute davon Kenntnis nehmen, trotz der Gefahr des Terrorismus in keiner Oligarchie vom Formate Erdoğans und Putins leben zu wollen, rollt die Fascho-Welle immer mal wieder um einige Zentimeter zurück, obgleich sie einen weiterhin von allen Seiten zu überschwemmen droht, selbst wenn man sich per Satire und pro Nation an zweiter Stelle hinter „America first“ einreihen kann. Wird jemals wieder ein Tag oder gar ein Blogeintrag kommen, der sich nicht als Politikum herausfordern lässt? Wohl kaum, aber diesen Sonntag bin ich zumindest nicht so sehr auf Weltuntergang eingestellt wie im letzten Intro, was wohl am starken Samstag voller spontaner Hausbesuche, Köstlichkeiten und Katzenturbulenzen liegt, die unter Freunden in Hamburg-City aufbereitet wurden. Die Vorteile der Freundschaft sind hier ja auch nicht zum ersten Mal vertreten, also stehe ich etwas auf dem Schlauch, was ich noch so erzählen kann, bevor es ans Filmgut herangeht. Es kann auch nicht jedes Mal schon im Vornherein um das Schicksal der Menschheit gehen, wenn das in den Besprechungen eh noch zur Sprache kommt, zumindest will ich aber noch davon berichten, dass ich mir „Sonic Adventure“ für den Gamecube besorgt habe, weil die Gebote für eine ordentliche Dreamcast auf ebay meinem Konto nach noch etwas zu hoch ausfallen. Zudem ist ausgerechnet aus Amerika schon die Blu-Ray von „Der Fluch der schwarzen Schwestern“ verschickt worden, die ich mir mal eben so gegönnt habe, wie wir uns auch Andreas Dresens „Timm Thaler“-Verfilmung in Anwesenheit des Regisseurs im Abaton auf den Zeitplan eingeschrieben hatten. Ein ganz sympathischer Mann, der Andreas, sieht inzwischen etwas nach Wolfgang Petersen aus, hatte aber deutlichen Spaß an seinem Beruf vermittelt und war auch umso bodenständiger auf die Fragen der versammelten Kindergruppen eingegangen, selbst wenn es darum ging, ob er denn mit Axel Prahl in Kontakt stünde. Eine vorbildliche Vorstellung, die zudem noch in Aussicht stellte, dass Dresens nächstes Projekt die Weihnachtsgans Auguste ins Auge fassen würde. Na dann, da bleiben wir doch mal gespannt, stürzen uns bis dahin aber bidde noch in die Tipps an Filmen rein, die ich hier auf der Platte hatte. Währenddessen könnt ihr auch gerne diese Platte als potenziellen Ohrwurm laufen lassen oder nachschauen, welcher Stammgast des Blogs ein kleines Comeback für sich verbuchen konnte, doch ich hoffe wie gehabt, dass ihr vom Scrollen meiner folgenden Zeilen nicht müde werdet.




Sich einen Film von Hong Sang-soo einzuverleiben, das ist wie bei guten Freunden zum Essen vorbeizuschauen. Stets die einladende Natur, weiß man bei ihm, was vom Abend ungefähr zu erwarten ist und im Falle von „Hill of Freedom“ ist er sogar schon nach 66 Minuten fertig, über die Abenteuer des nach Seoul reisenden Japaners Mori (Ryô Kase) zu erzählen - nicht der Belanglosigkeit, sondern dem Kurzweil zwischenmenschlicher Sehnsüchte halber. Wie gehabt ist der Film drum herum dann auch ein in Bescheidenheit konstruiertes Spiel mit dem Erzählen an sich, chronologisch ein bisschen durcheinander gewürfelt, wenn Moris vergangene Flamme Kwon (Seo Young-hwa) seinen Weg zu ihr in Briefen nachempfindet. Die rekreierten Szenarien dazu konzentrieren sich dementsprechend auf wenige Ortschaften und Bekanntschaften, binnen derer sich des Autorenfilmers durchgängige Liebe zur Begegnung, zur Kommunikation und zum Umgang des Individuums mit Beziehungen wie sich selbst auf die Suche macht, einen von der Zeit unabhängigen sowie die Persönlichkeit definierenden Kreislauf zu filtern. Erinnerungen und neue Erfahrungen treffen da wechselwirkend aufeinander, wenn Mori im Symbol seiner Hoffnungen, jenem Café mit dem Titel des Films auf der Tafel, mit der Barista Youngsun (So-ri Moon) ins Gespräch kommt, gleichsam mit Pensionsinhaberin Juok (Yoon Yeo-jeong) sowie ihren verschuldeten Neffen Sangwon (Kim Eui-sung) Bekanntschaft schließt, obgleich er sich mit allen nur auf englisch verständigen kann. Das vereinigende Element der Globalisierung aus „In einem fremden Land“ macht sich erneut geltend, auch als Urheber herzallerliebsten Humors, wenn die Gefühle aus dem Bauch heraus in grobe Übersetzungen herausgedrückt werden („She's just a bitch!“), sich umso mehr um das Miteinander klammern, mehrere Etappen der Verständigung aufnehmen und Freundschaften schließen, so wie sich die Alltagssituationen schon um den Abgleich der jeweiligen Wertevorstellungen bemühen, aber nur bedingt die Ideale vorspielen. 


Die Motivation dazu steckt Mori der Liebe wegen schon in den Knochen und äußert sich zudem in fast jeder Szene zentral zum Dienste der scheinbar verschollenen Kwon, doch statt Verzweiflung übt er sich eben eher im Ausschlafen sowie in vorsichtiger Freundlichkeit, ganz dem ruhigen Lokalkolorit entsprechend als Wanderer und Beobachter, der sich nicht aufdrängen mag – es sei denn, der Alkohol, jenes beliebte Element drolliger Eskalationen im Werke Hong Sang-soos, meldet sich zurück. Dessen Stil bietet ohnehin erneut seine unverkennbaren Dialoge im Profil mit dem gelegentlichen Zoom auf, dazu gibt's die gewohnt unaufdringlichen Musikpassagen sowie vor den Kopf stoßenden Künstlergestalten, ebenso das Verinnerlichen glückspendender Wunschträume, die im Nachhinein als solche aufgelöst werden und jedweden Filmcharakter brechen, während sie trotzdem keinerlei Ironie an der jeweiligen Figur üben. Der Gewinn absoluter Liebe wird dadurch zwar geschmälert, der Zuwachs am passiven wie integeren Miteinander kommt jedoch prägnant aus der Kiste, wohlgemerkt nimmer via Feelgood-Manier aus dramaturgischen Abkürzungen oder behaupteter Emotionen. Liegt wohl auch daran, dass reichlich leicht/unaufgelöst bleibt, der Zyklus an Abhängigkeiten und Eigenleben stets im Weggehen und Wiederkehren inszeniert wird, kleine Ausnahmen wie ein Gratisstück Kuchen oder die Rettung von Youngsuns Hund auch irgendwo die Regel bestätigen. Die Enthemmungen daraus halten eben nicht auf Dauer, so wie der Alk-Rausch irgendwann abklingt, das Frühstück bei Juok selbst nach 10 Uhr irgendwie immer serviert wird und Kwon nie den Zettel liest, den Mori an ihrer Haustür hinterlassen hat sowie tagein tagaus auf seine Allgegenwärtigkeit nachprüft. Die Erinnerungen bleiben eben hängen, doch sie leben, selbst in der Beständigkeit an Enttäuschungen, Trostspendern und Kuriositäten zwischendurch, bei einem Hong Sang-soo ohnehin so herzlich, dass man diese 66 Minuten gerne vor sich abspielen lässt, obgleich der Mann zweifellos seine bestimmten Mustern benutzt, daraus aber jedes Mal kleine Romantiken der Menschlichkeit schöpft.




Beim britischen Horror-Studio Hammer ist es ja seit jeher keine Seltenheit, einen guten, sogar bedeutsamen Film zu erwischen, wenn es um die Ikonen des Leinwandgruselns geht – und bei einem Beispiel wie „Frankensteins Fluch“ ist Qualität dann ebenso eine sichere Bank, ausgestattet mit Regisseur Terence Fisher, Autor Jimmy Sangster, dem Hyperduo Peter Cushing und Christopher Lee sowie der knuffig drallen Hazel Court im Cast. Da ginge an sich schon mal so wenig schief wie bei Hong Sang-soo. Ganz gleich, wie oft man den Stoff von Mary Shelley schon verfilmt sah, ist es nun mal auch eine Wonne, von der gotischen Stilistik jener filmschaffenden Ära anno 1957 hineingezogen zu werden, die einen gleich zu Beginn mit verschrobenen Tälern, Matte Paintings voller finsterem Unheil und ebenbürtig abgeranzten Kulissen begrüßen, in Eastmancolor auf einen unwirklichen Naturalismus der Zersetzung hinweisen, wie er hier grundlegend fürs Genre-Repertoire Hammers entworfen wurde. Dessen Einfluss lässt sich folglich omnipräsent am zentralen Victor Frankenstein (Cushing) belegen, der sich zur Verteidigung seiner selbst mit einem Rahmen an Erinnerungen erklärt, die ihre inneren Schmerzen per erhabenem Charakter übertünchen, dieses Spiel der Formalitäten im Verlauf der Jahre sodann auf Beziehungen und Ambitionen umsetzt, binnen derer Mentor/Kollege Paul Krempe (Robert Urquhart) allmählich die entmenschlichten, allerdings auch seit der Kindheit tragisch verkümmerten Motive vom Ego des Schöpfers aufdeckt. Die Moral zwischen Leben und Tod hat Frankenstein seiner wissenschaftlichen Möglichkeiten wegen gegen ihre Logistik eingetauscht, bewegt sich umso unbekümmerter durchs morbide Labor, das seine Apparaturen von Keimen und Spinnweben umgeben sieht, aber durch die Farbgebung umso kräftiger leuchten lässt, obgleich die Töne menschlicher Haut infolgedessen weit blasser erscheinen.


Der krankhafte Kontrast ergänzt sich hervorragend mit der Tatsache, dass jenes Gemäuer in den obersten Stuben des Schlosses haust, Victors ganzen Stolz darstellt und doch für Außenstehende abgeriegelt bleibt, während die Kamera hauptsächlich standhaft auf die Verhältnisse gebannt bleibt, im ausgehöhlten Körper (vermeintlich) humaner Wissenschaften versinkt und von der Abgeklärtheit Frankensteins berichtet, dass man ihn im kontemporären Rahmen sicherlich mit Mengele vergleichen dürfte. Um keine schlagfertige Rationalität verlegen, kann der Mann im Dienst der Wissenschaft seine Leichenfledderei erklären, ebenso die Entsorgung beschädigter Ware via Säure im Eigenheim, wie er auch Unfälle vortäuscht, um sich die besten Menschenteile zu erhaschen. Qualität geht vor Ethik, so ergibt sich dann auch die treibende Spannung zwischen ihm und Krempe, dessen Versuche der Intervention zum Gewissen hin im Gegenzug höchstens Schuldsprüche von Frankenstein erhalten, also dass ohne Pauls Einschreiten doch eine leistungsfähigere Kreatur entstanden sei – bezeichnenderweise ruft Victor seinen (unfreiwilligen) Mitstreiter dennoch öfters zu sich, mal der dringenden Mithilfe, mal des Geltungsdrangs zum gemeinsamen Erfolg wegen, durchweg auch aus einem Gefühl der Freundschaft, selbst wenn Pauls Zweifel ein Einsehen oder Konsequenzen herausfordern. Die Konsequenzen aus Victors Ignoranz schlagen jedoch umso destruktiver ein, angefangen bei der zur Heirat versprochenen Elizabeth (Court), die ihm nicht gleichgültiger sein könnte bis hin zur Affäre mit Hausmädchen Justine (Valerie Gaunt), die ein Kind von ihm erwartet, aber ihres Wissens wegen dem Monster (Lee) zum Töten freigegeben wird. Schon bitter, wie Frankenstein das Erschaffen von Leben gegen die pervertierte Verlängerung dessen abwägt und dazu ein Wesen konzipiert, dessen horrender Schmerz nicht mal vom Film ausformuliert werden muss.


Bereits bei den Maßnahmen des Körperbaus wendet die Inszenierung Suggestionen und Kopfkino im reinen Schauspiel an, die in der ungemütlich stillen Audiovisualität garstige Eindrücke entwickeln, diese lediglich in Einzelmomenten mit Blut und Organen kennzeichnen. Eine einbalsamierte Leiche ohne Kopf im Konservierungsbecken ist via schlichter Darstellung eben an sich schon furchterregend, natürlich ebenbürtig der klinischen Methodik Victors geschuldet. Sobald man jedoch Lees sprachlose Interpretation des Monsters erblickt, wie ein ungelenker Nosferatu voller Narben und farbloser Augen wild um sich schlagend oder den Befehlen seines Schöpfers erlegen, ist das grauenvolle Oxymoron im Wirken Frankensteins vollends angekommen. Dort hört die Pein allerdings noch längst nicht auf, sie wird stattdessen noch dauernd von Kugeln und Schreien durchsiebt, im unbeherrschten wie ausweglosen Leiden des Seins gefangen, als wäre das Fegefeuer in ein Abbild des Menschen bzw. zur Reflexion der bis zur Manie (selbst-)brutalisierten Seele Frankensteins gegossen. George A. Romeros „Zombie“-Reihe hatte sich bis zu einem gewissen Grad bestimmt auch von jener Gestalt inspirieren lassen, doch letztendlich kehrt der Klimax am manifestierten Nachleben zu Frankenstein und Krempe zurück, wie die Verantwortung des Menschseins und deren Grenzen sogar den Verteidiger der Wahrheit schweigen lassen, den Fortschritt ultimativ zum Tode verurteilen! Die Einhaltung der Zustände Leben und Tod zieht hier ihr konservatives wie schmerzerfülltes Los, wobei Fortsetzungen natürlich nicht ausblieben und die Ethik des Schaffens seit jeher auf den Prüfstand stellten. Ob diese mit der zeitgleich angedeuteten wie veräußerlichten Gewalt des hier geballten Hammers an Fäulnis mithalten können, muss ich allerdings noch sehen.



Ein-Satz-Kritiken für zwischendurch!  

„Gegen den Strom die Treppe hinauf“ - Robert Mulligans Prototyp des Lehrer-vs-Schüler-Dramas von 1968 knüpft auch ohne konstruierte Eskalationen Kontakte zwischen der jugendlichen Unterschicht und dem Aufbegehren zum Lernen, wenn Sandy Dennis die Belange des Einzelnen in einer Aufrichtigkeit zum Potenzial angeht, die zudem von einer beinahe dokumentarischen Alltagsbeobachtung im Lehrkörper gestützt wird und jeden Schwänzer zum Klassenkampf in die „Tale of Two Cities“ zieht.

„Timm Thaler oder das verkaufte Lachen“ - Der erste Kinderfilm von Andreas Dresen ist auf Anhieb nicht unbedingt als seiner zu erkennen, übertrifft manche Kollegen jedoch im Ideenspektrum an teuflischen Wetten und Visualisierungen zur Moral des Lachens, die sich auch manch kuriose Wut, absurden bis sadistischen Humor sowie die Veräußerlichung von versteckten Gefühlen erlauben, Justus von Dohnányi eine Meisterrolle verpassen und den Wert des Reichseins effektiv entkräften, in der Dramaturgie jedoch etwas an Verdichtung schwächeln und ohnehin etwas doll auf Zielgruppe gebürstet CGI-Ratten auspacken, aber überraschenderweise noch „Suspiria“ hineinschleichen lassen.

„Die Polizistin“ - Andreas Dresen versetzt Gabriela Maria Schmeide nach Lütten Klein und rekreiert dort die schönsten Rangeleien aus zig Polizei-Reportagen im kratzigen 16mm-Korn, wobei die rohen Zustände unter dem Schnack von Kollege Axel Prahl („Lass Glas über die Sache wachsen“) allmählich auch in ein Figurennetz voller günstiger Zufälle münden, die das Eigenleben der Protagonistin zu Dekolleté und Waschmaschine führen, aber auch zu Naivitäten aus leicht behaupteter Liebe und Mutterinstinkten fürs klauende Problemkind wie direkt aus „Was soll bloß aus dir werden“.

„Die Bestien“ - Das fehlende Glied zwischen „Parasitenmörder“ und „Stirb Langsam“ lässt basierend auf dem großen New Yorker Stromausfall von 1977 vier Psychos unter Führung von Robert Carradine frei, um ein Hochhaus Zimmer für Zimmer zu schockieren, während Cop James Mitchum über Umwege zur Rettung kommt, Vergewaltiger abknallt und Langhaarige an die Kloschüssel geißelt, bis das Verbrennen eines echten Picassos (Eigentum von Ray Milland) sowie die Geiselnahme einer jüdisch-griechischen Hochzeit die Grenzen der Moral auslotet und dem kurzweilig urbanen Thrill ein wohl beheiztes Finale beschert.

„Nightwatch – Nachtwache“ - Der dänische Thriller wandert grundsätzlich souverän durch die Spannungen jener Berufswahl als Wächter der Leichenhalle, baut sich daraus jedoch ein dürftiges Whodunit? voller Klischees zusammen, das noch dadurch involviert, wie zwiespältig gezeichnet das Kumpelduo Martin und Jens Beziehungen, zur Lächerlichkeit entlarvte Männlichkeitsrituale sowie den Bezug zum weiblichen Geschlecht allgemein angeht, obgleich ihre Ausnutzung bis ins Absterben lediglich (wenn überhaupt) als thematische Fußnote abgeschlossen wird.

„Der Schlächter“ - Die Sexploitation als Zwischenwesen vom Soft- bis Hardcore, aber mit rahmenbildenden L.A.-Krimi-Kommissaren, ist als Film zumindest auf erquickende Schauwerte aus, aber auch ein primitiver Reißer, der sich über Synchro und Musikeinsatz als absurde (teils brüllend komische) Komödie verfolgen lässt, trotzdem dümmlich kurzen Prozess mit Spannern und Transvestiten macht, die vom Bullenduo einige wutbürgerische Worte für straffere Gesetzte zu hören kriegen, wenn sie mal nicht von den Genitalien aller Darsteller/innen überschattet werden (die bockige Brünette aus dem Massagesalon ist mein persönlicher Favorit).

„The Forgiveness of Blood“ - Joshua Marstons Einblick in den Zwang der Isolation bietet zwar ein kohärentes Kontra zu ungerechten Mechanismen innerhalb einer Familienfehde in Albanien, tritt im Gefühlsspektrum aber überwiegend lang auf einer Stelle und nüchtert seine Charaktere dazu - auch via gleichförmiger Inszenierung - derart dünn aus, dass die Erkenntnisse aus dem (schnell entschlüsselten) Grauen der Stille und Gefangenschaft kleiner ausfallen, als es die Einzelmomente passiver wie eskalierender Wut zeitweise zu suggerieren vermögen. 

So, jetzt geht's weiter im Text!




Weil manche Lücken dringender gefüllt gehören als andere, wollte ich den Erstling zur „xXx“-Reihe endlich nachgeholt wissen – und siehe da, Vin Diesels initiativer Einsatz als „xXx – Triple X“ ist nicht nur der bisher beste Rob-Cohen-Film in meinem Erfahrungsspektrum, sondern auch ein Vergnügen, dessen Unschuld sich nach 15 Jahren enorm gut erhalten hat. Natürlich hat man es im Vergleich mit dem jüngsten Teil anfangs noch mit einer Blaupause geläufigsten Eskapismus zu tun, ehe der Springteufel des kecken Extremsports, Xander Cage, ins Geheimagenten-Geschehen infusiert wird. Der erste Hinweis zur poppigen Extremisierung des Bond-Prinzips jedoch geschieht allein mit der Präsenz von Rammstein im Intro - „Feuer frei!“ für Nu-Metal-Bösewichte im osteuropäischen Moloch, wie es nicht lauter nach 2002 klingen könnte. Doch Obacht, die NSA späht daraufhin den krassesten Macker ever auf, sobald sie die Xander-Zone betritt und halsbrecherische Szenarien miterlebt, die sich von Mal zu Mal an Fun und Fantasie steigern sowie von Tony Hawk und Matt Hoffman höchstpersönlich abgeholt werden, wenn Cage z.B. den Karren eines restriktiven Honk-Senators schrottet. Der Outlaw mit der Lizenz zur Edginess wird den Erwartungen gemäß von „Lieblingskidnapper“ Gibbons (Samuel L. Jackson) eingesackt und auf die Probe gestellt, doch Xander wurde halt nicht erst gestern geboren und durchschaut jede Scharade mit Grinsen und Muckis, dass man ihn immerzu nur mit den stärksten Sedativa umhauen kann. Das Stehaufmännchen mausert sich trotzdem galant zum Klassenbesten unter Auserwählten, wenn eine Undercover-Mission in den Kokainfeldern Kolumbiens selbstverständlich im Feuerwerk aufgeht und ausgerechnet ein Motorrad ebenso zur Stelle ist, um die akrobatischen Unmöglichkeiten Xanders in glorreicher Zeitlupe einfangen zu lassen. Der Recke arbeitet nicht umsonst nach dem Prinzip Playstation!


Hut ab für jene amplifizierte Inszenierung, die sich kunterbunt mit „Let the bodies hit the floor!“ ausstattet, dennoch stets kohärent aufs Minenfeld im Kindergeburtstag schneidet und bei keinem noch so surrealen Move in Schamesröte verfällt. Nimmt sich die Bush-Ära der World Police da schon vorsorglich selbst auf den Arm, ehe jemals ein Rekrutierungsvideo draus wird oder hat der Film Leute wie Snowden erst recht angezogen? Man bedenke jedenfalls: Xander Cage geht mit seinen Bossen auch nur bedingt konform, weil er sonst in den Knast muss, dementsprechend lässig (inkl. Kopfnuss) pfeift er auf die Bestimmer, sobald er in die „goldene Stadt“ Prag geschickt wird, die Kamera ihm ebenso peppig hinterher jettet und sich am omnipräsenten Weltkulturerbe ergötzt, während Cop vor Ort Milan Sova (Richy Müller!) beidesamt ebenso noch maßregeln will, aber schnellstens an die frische Luft gesetzt wird. Grund hierfür ist eine glaubwürdige Infiltration in die Reihen des Oberfieslings und „The Crow“-Imitats Yorgi (Marton Csokas), dessen Handlanger besonders auf Cage abfahren, weil sie ihn von seinen ganzen Mordsaktionen im Web wiedererkennen – andererseits findet Xander aber auch Gefallen an der mysteriösen Yelena (Asia Argento), die mindestens genauso knallhart sexuelle Spannungen abwedelt und ebenso gegen die Machenschaften Yorgis zu ermitteln scheint, sobald allesamt auf dessen Dracula-Castle eingeladen werden. Bei den ganzen Topoi darf auch nicht der Q zum X fehlen, so wie Agent Shavers (Michael Roof) Nina Dobrevs Rolle in Teil Drei vorwegnimmt und Gadgets en masse auffährt, die ein Arsenal an Pointenreichtum versprechen, Zufälle und punktgenaue Sprüche ergeben, wenn man halt gefährlich lebt. Da kann es schon mal vorkommen, dass man auf jenem Silbertablett, mit dem man zuvor den Scharfschützen geblendet hat, ein Treppengeländer hinunter grindet, woraufhin man die global tödliche Erfindung Yorgis mithilfe eines X-Ray-Fernglas ermittelt, das zuvor hauptsächlich für den Einblick in grellste Reizwäsche tauglich war.


Agent Cody Banks dürfte sich beinahe zum Dienst melden, doch das dynamische Flair, das Cohen anhand des adoleszenten Knalleffekts anpackt, drückt dann doch ein gutes Stück explosiver auf die Tube oder zumindest so, wie man sich zu jener Zeit mit „Stirb an einem anderen Tag“ messen wollte. Am besten, man packt gleich alle Knarren in die Karre mit ein und parkt die tschechische Polente ebenso vor die Schlossmauern, denn Cage kommt nach kurzer Zeit schon à la Bogner mit der Lawine um die Ecke und hält den Zuschauer mit Eskalationen des Effektwahns bei der Stange, dass der Fallschirm in Red, White and Blue erst recht nicht fehlen darf, während alle Münder offen und nach oben gerichtet stehen. In der Kombi voller Humor und Kabummlaune ist man trotzdem nie abgeneigt zu fragen: Wird Cage es schaffen? Ein Kriterium, das selbst den schönsten Eurospy-Kanonen abhanden kommt und sich hier derart zur Furie der Bruckheimer-Blockbuster-Art hochschaukelt, dass selbst der klassische Abschluss in seiner Überhöhung als Glückskeks angeknabbert werden darf. Da lässt sich auch verschmerzen, dass die universellere Teambildung erst bei xXx³ vollends erfüllt wurde, hier zumindest in eine Romantik zwischen Ost und West gen Bora Bora blickt, die sich nach dem Zwei-Stunden-Höllenritt voller Bikes, Boards, Raves, Trenchcoats und Fellmäntel auch mal knackiges Abknutschen erlaubt, obgleich man Yorgis Konzept der „Anarchy99“ (das terroristische Äquivalent zu Dogma '95?) jegliches Entfaltungspotenzial abspricht. Ganz von den Autoritäten kommt die xXx-Philosophie dann doch nicht weg, da ist man inzwischen zurecht etwas losgelöster unterwegs, aber die Xander-Zone war sich hier schon bar jedes Nationalismus und überflüssigen Jingoismus ihrer Vorlieben bewusst: Mucke, Videogames, mächtig PS, dufte Mädels, smoking kills und eine starke Ladung Gerechtigkeit. Mit der Naivität an typischer Macho-Arroganz vorbei wird der olle George W. gleich aufs Doppelte überholt, dass es auch Regisseur Cohen seitdem nie wieder so tolldreist verquicken konnte.




Ein interessantes Doppel ergab sich diese Woche durch die Back-to-Back-Sichtung von „Kumiko, the Treasure Hunter“ und „The Sea of Trees“. Beide Filme, mit einem Jahr Abstand in ihren Erscheinungsdaten getrennt, chronologisieren ihrerseits Reisen zwischen Japan und der USA, getragen durch Hoffnungen auf Schätze bzw. auf das Ende des individuellen Leidens, binnen derer die Protagonisten als Außenseiter vom verlorenen Gesellschaftsposten aus noch die Hilfe anderer erhalten, bis sie Erfahrungen über den Geist hinaus in den Zwischenraum aus Leben und Tod tragen. Kumiko (Rinko Kikuchi) und Arthur Brennan (Matthew McConaughey) sind auf diesen Pfaden ohnehin vom Verlust gekennzeichnet, sie lässt z.B. ihr Karnickel Bunzo in der U-Bahn zurück (eine stille und schmerzhafte Top-Szene der Entsagung), er hingegen ist bereit, vollends sein Leben zu beenden. Unsere Dame im anderen Film gibt ohnehin ihre Sicherheit im Beruf auf, soziale Interaktion im Rahmen zunehmender Zynismen und Belanglosigkeiten sowieso; er zerfällt vergleichsweise kontinuierlich am Tod seiner Frau (Naomi Watts), mit der er sich zu Lebzeiten noch über ihre Alkoholsucht, über ihre zerrüttete Ehe und Abhängigkeiten im Finanziellen zu streiten wusste, ohne dass sie jemals das Verständnis zum Charakter des anderen vollends erfassen konnten. Kumiko trifft auch durchweg auf Unverständnis, soll ihrer Rolle als Frau gerecht werden, den Leistungsdruck der Wirtschaft Nippons schlucken oder mit einem Mann an der Seite auf die Eigenständigkeit verzichten, am besten gleich wieder bei Frau Mutter einziehen. Bei solchen Parallelen ist es nur stimmig, dass sich beide Filme im markant stilisierten Breitwandformat zudem auf wahren Ereignissen stützen.


David Zellners („Kid-Thing“) Portrait der Frau im roten Parka basiert auf der Geschichte Takako Konishis, die bis nach Minnesota auszog, um die Tasche voller Geld im Schnee zu finden, welche in „Fargo“ von Steve Buscemi vergraben wurde. Der verzweifelt unbedingte Hang zum Mythos umweht auch Gus Van Sants („Good Will Hunting“) Einstieg in die weiten Wälder Aokigaharas, einer Sammelstelle für jährlich Hunderte von Selbstmorden, der man einen dämonischen Sog, auf jeden Fall keinen Mangel an tragischen Einzelschicksalen und Motivationsschildern zum Umkehren nachsagt. Arthur will sich in jener großflächigen Abgeschiedenheit entschlossen und einsam von der Welt verabschieden, Kumiko befähigt sich höchstens einer (gestohlenen) Seite der Weltkarte, um vollkommen unvorbereitet und entgegen aller Pflichten in eine beinahe ebenbürtige Schneewüste der USA zu flüchten. Beiderseits geschehen kulturelle Begegnungen, die sich nur bedingt zu verknüpfen wissen, aber auf einen inneren Helferinstinkt hören. Arthur geht da mit gutem Beispiel voran, als er dem verletzten Takumi (Ken Watanabe) einen Rückweg zu ebnen versucht - Kumiko hat es da weit schwerer, jemanden an sich heranzulassen, meistens büchst sie den Samaritern des mittleren Westens schon in der ersten Nacht bei denen zuhause aus, wenn das Ziel Fargo eher weniger ernst genommen wird. Ausgerechnet die Autoritäten, „dein Freund und Helfer“, sind dann am ehesten der Segen für sie wie auch für Arthur, doch bis dahin sind die Hürden an Naturgewalten in der Überzahl, eine Bewährungsprobe nach der anderen: Kumiko weicht ihrer sozialen Abgrenzung wegen öfter als nötig auf die Qual der Winde und Kälte aus, wenn sie dort den Schatz vermutet, an den Küsten Japans überhaupt erst die VHS mit der Wegbeschreibung zum Geldsegen gefunden hat.


Arthurs Funde beschränken sich meist auf mumifizierte Leichen in Zelten, nachdem er aus Versehen Klippen herunterrutscht und sich Äste in seinen Torso spießen, obgleich er natürlich durchweg die Erinnerungen an seiner Frau aufrecht erhält/sie ihn aufrecht erhalten, bis er seinen Weg auf einer gemeinsamen Linie Richtung „Hänsel und Gretel“ nachverfolgt. Bei Van Sant muss man dafür reichlich Zufälle zum magischen Realismus hin in Kauf nehmen, die als „Alles-ist-verbunden“-Zauber nicht immer freiwillig unterhalten, aber wenn ich hier eh schon alles miteinander verbinde, sollte Kumikos quirliger Umgang mit dem Realitätsverständnis natürlich auch nicht an uns vorbeigehen, so wie sie selbst einem Bandsalat mit ungläubigem Leid entgegenblickt, einen Teil von sich selbst verschwinden sieht. Dieselben Ängste hängt sich Arthur gleichsam an triviale Symbole/Souveniers, in beiden Fällen ist die Sehnsucht zur Präservierung zentral ins Narrativ gebettet, ob nun jene zu Gedanken/Filmausschnitten, zu Momenten der Erfahrung oder eben zur eigenen Persönlichkeit, die sich ihrer Entscheidungen wegen etlichen Widerständen ausgesetzt sieht und diese trotzdem stets in neue Formen verpacken kann. Kumiko schafft insofern auch den Sprung von der VHS zur DVD, vom fiktiven Fargo ins echte, von Begegnung zu Begegnung durch Ansätze der Liebe und unausweichliche Enttäuschungen; Arthur dagegen die Selbsterkenntnis im Dialog mit Takumi, nachdem sie sich die Lumpen eines Selbstmörders als Schutz vor der Verkühlung angezogen haben – sollte man übrigens auch nicht unerwähnt lassen, dass Kumiko die Bettwäsche eines Motels als Mantel zweckentfremdet. Während Arthur an jenen Ereignissen immer weiter in die Schönheit des Lebens zurückgeführt wird, driftet Kumiko immer weiter von einer Gesellschaft ab, welche ihr Wesen weder haben oder verstehen wollte.


Der Geldhahn aus der Firmenkreditkarte wird abgedreht und am Telefon kann die Mutter nur wettern anstatt der Tochter zuzuhören, Arthur dagegen wird in einem Gros an zweiten Chancen reanimiert, im Meer der Bäume wiedergefunden, während Kumiko immer tiefer in Schnee und Eis (auch im Wald!) versinkt. Die Nacht darauf finden beide Parteien allerdings zu ihrer Auflösung, zu ihrer Bestimmung, den Sinn des Lebens oder eher zum sinnlichen Leben, wo sich im Endeffekt nur die Frage stellt, wer als Geist den Geist des anderen trifft. Für den Zuschauer sind bis dahin natürlich auch vielerlei Unterschiede feststellbar: Zellner hat die Gefühle faszinierter Entfremdung in seiner audiovisuellen Erzählung verinnerlicht, dröhnende Sphären um die warm/kalten Zonen der freiwilligen Hilflosigkeit gelegt und Kommunikationsbarrieren ganz wie bei Hong Sang-soo vorhin als Anlass für die Güte von den Idealen weg konzentriert – Van Sant macht alle Barrieren von Vornherein obsolet, auch mehr an der Bewährung des Einzelnen fest, verlässt sich im Miteinander aber zugleich auf allzu konstruierte Muster, die jede Deutung ähnlich einer Selbsthilfeanleitung aufs Expliziteste ausformulieren und mit Schicksalen um sich knallen, trotzdem noch den Mut darin finden, eine Poesie im makabren Tal des Sterbens zu evozieren, bei der sich Bild und Ton gerne öfters konträre Signale senden und aus dem Schatten des Leidens ins Licht des Lebens springen. Beide Filme verbergen so oder so noch bittersüße Noten in ihrer Schlussfolgerung, doch diese sowie die vielen Narben dazu teilen sie sich umso williger, wenn solch scheinbar unabhängige Werke schon derart aufeinander aufbauend in Folge auf meinem Bildschirm laufen und die Wunder ihres Mediums (wie solche, von denen ich letzte Woche eingangs berichtete) aufs Neue bestätigen. Schätzen und Geistern hinterher jagen - das gehört zum Leben eines Filmfreunds dazu und bindet die Helden Zellners und Van Sants letzten Endes nochmal stärker an einen selbst. Ich empfehle es jeden, das mal auszuprobieren.

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