Sonntag, 23. April 2017

Tipps vom 17.04. - 23.04.2017 (Zwischen Weltall, Inseln und Amerika)


Liebe Diebe des Herzens,

es ist wieder mal Zeit für eine obligatorische Ankündigung zum Formatwechsel: Die Herrschaft der langen Texte ist vorbei, die rasante Meinungsbekanntgabe nimmt Überhand! Zumindest für diese Woche, denn ich brauche meines Erachtens doch immer mal die eine oder andere Regenerationsphase. Ich bin quasi wie eine Aufziehpuppe, weshalb ich an dieser Stelle auch jedesmal ungefähr dasselbe sagen muss - es hilft nichts, irgendwie muss ich ja zu Flow und Ebbe kommen. Ihr erinnert euch hoffentlich daran, wie viel Text ich zu Ostern anbieten konnte - das volle Fass lässt sich in unserer ökonomisch erpressbaren Ära aus Frust wie Überfluss eben nicht mit Muckipower und Anti-Denkfaulheit aus dem Perpetuum mobile heraus umsetzen, insbesondere, wenn man inzwischen bei Ausgabe 223 dieses Blogs angekommen ist! Achtung Mitleid: Zudem ist es leider auch seit jeher das Schicksal des Durchschnittsschreiberlings à la moi, dass die Menge an lesenswerten Filmreflexionen wie eine Flut vom Bildschirm aus aufschlägt, in den Sand (am Meer) eingesaugt wird und sofort wieder für die nächste Welle zurückfließen tut, weil die Physik und die Erde und der Mond... Ja, dieser Vergleich ist jedenfalls so raffiniert, dass er im Grunde schon meinen Lieblingsfilm der letzten sieben Tage vorwegnimmt, aber bis dahin lassen wir noch ein bisschen Spannung ins Land ziehen und lachen, lachen, lachen, ohne an morgen zu denken, ha. Soll heißen: Vorerst halte ich chronologisch einige Eindrücke fest, die bei Gelegenheit sicherlich noch ausbaufähig sind, fürs Erste aber aus Prinzip und Übersichtlichkeit Empfehlungen zusammenzimmern, was in der Filmwelt so alles ging - inmitten von Doppelgängern, Asteroidenschauern, Geschlechtsakten jenseits der Milchstraße, versagten Liebeswünschen, Mordssalven an Musik und Blei sowie Krebs bis hin zum Frieden auf die Insel, die kein Mann (allein) ist. Wie sehr sich dieses Intro bewahrheitet? Lest selbst, Freunde!


Zunächst mal gebe ich zu Protokoll, dass ich letzten Samstag mit Siegfried Bendix im All war. Jene (den Science-March antizipierende?) Space-Night hatte mit sechs enorm kosmischen Filmen zu tun, die allesamt mehr Schuss in den Lenden hatten als der erste Blick auf die letzten Jedi – als Startschuss dazu fungierte natürlich der vierdimensionale Angriff vom „Star Crash – Sterne im Duell“, jener Wundertüte via Luigi Cozzi, die sich voll kindlichem Elan und prallem Herzen in eine interstellare Schlacht zwischen Märchen, Antike und Freundschaft jenseits von Zeit und Raum stürzt. Stella Star (Caroline Munro) ist da sicherlich der kecke Unschuldsblickfang binnen der Lichterkette kunterbunten Sternenstaubs, doch wie sie sich mit Kollege Akton (Marjoe Gortner) und Roboter Elle/Al versteht, gehört mit zu dem Drolligsten, was man sich bei jenen Touren über mehrere kostengünstig irdische Planeten auszumalen vermag – zusätzlich angetrieben von Effekten aus Harryhausen-Tagen, sprich Rückprojektionen, Matte-Paintings und Stop-Motion galore, während die Modelle am Neonregenbogen vorbeiflirren, alle Laser irre zurren und auch mal einen Schmelzprozess vom Formate Draculas initiieren. Es wird nie langweilig, dafür sorgen schon Spandex-Raumanzüge, galaktische Bikinis und aus dem Englischen importierte Anreden wie Emperor (Christopher Plummer!), Imperial Battleship sowie Count Zarth Arn (Joe Spinell), doch neben den von ihnen besetzten Lavalampen-und-Alufolie-Kulissen macht insbesondere Laune, wie unsere Heroes jeden spontanen Abenteuerzweig flugs und froh auf sich nehmen, mal gegeneinander jetten, dann doch zusammen das Festland aufmischen und David Hasselhoff zwischen Höhlenmenschen aufsuchen. Bei der Abwechslung staunt sogar „Einer gegen das Imperium“. Zu toll dann auch, wann und wie Elle nervös wird, wozu er noch und nöcher programmiert ist, wie sweet Stella ihn als Freund für die Frau von Welt(all) einschätzt – je mehr man lacht, desto exponentieller fiebert man um deren Schaffen, da hilft John Barrys Leitmotiv (ausgerechnet auf den späteren E.T. verweisend) auch gehörig mit, wie herzlich das Script zudem Wiederbegegnungen und aufopfernden Zauber von Leinwandsehnsüchten her hinein strukturiert.




So ist’s nun mal mit dem italienischen Hauruck-Flair, komischerweise kam es schon beim nächsten Film, „Goldorak – Kampf der Welten“, erneut zum Einsatz, welcher als Zusammenschnitt der in den Siebzigern erarbeiteten Tokusatsu-Anime-Serie gleichen Heldens einen Titelsong vom Stiefel Europas beherbergte. Die Episoden dazu liefen allem Anschein nach auch hierzulande, denn auf der DVD gibt es auch eine kontemporär teutonische Sangeskreation zum Trommelfellabziehen – indes ist gerade die Synchronisation vielleicht die Sensation zum Film, welcher vier Folgen des Getümmels aneinanderreiht und insofern reichlich dramaturgische Stringenz vermissen lässt, Redundanzen und lose Enden des Serienformats umso gleichgültiger zu kaschieren versteht. Als animierte Variante von Flickwerken wie „Roboter der Sterne“ hat man also zig Zerstörungsorgien zwischen Megamaschinen und Monstren auf der Glotze, ehe man im Figurenensemble utopischen Sci-Fis durchblickt, das im Rahmen seines Zeitgeists schon generisch wie Sau agiert und fachsimpelt, allerdings keineswegs im Wurmen mangelt, wenn man so mir nichts dir nichts in die jeweiligen Belange des Einzelnen sowie dessen im Team hineingeworfen wird. Böse Herrschaften aus dem All werfen dann noch alle 20 Minuten eine neue Weltenkillermethode auf unseren Planeten, die jugendlichen Identifikationsfiguren in ihren fliegenden Vehikeln kriegen dazu noch einen Bauerntölpel plus Sohnemann in Heidi-Proportionen dazwischen geschnitten; ebenso Mitmenschen, die in der Reflexion merkwürdiger Ereignisse beinahe unter Zugzwang stehen, so flott diese im Narrativ eintreffen.


Die turbulent rabiate Animationsweise leistet ebenbürtige Zerstörungswut an der Kohärenz des Zuschauers, parallel dazu lernen wir eine junge Bikermaus namens Maria kennen, deren Großvater ihr schon in der zweiten gemeinsamen Szene verrät, dass sie nicht seine Enkelin sei, während das Melodram um sein Ableben sowieso im Eiltempo inklusive Rückblick auf weit entfernte Planeten ins Kurzzeitgedächtnis hinein stilisiert wird. Kann der Kopf das aushalten, wenn manche Kerls der Nicht-Enkelin/Rächerin in spe gegenüber dann noch die urigsten Jugendbegriffe aus dem Nichts dranformulieren? Es fördert jedenfalls mehr Aufmerksamkeit herauf als die Kämpfe binnen gespaltener Berge, Täler und Städte, die von UFOs und Superrauben heimgesucht werden, was eventuell durchaus beeindrucken könnte, wenn es denn real verfilmt wäre – so erschöpft sich die Tour etwas, wenn man auch vielerlei tolle Namen für die jeweiligen Waffenmanöver erwarten darf. Schöner sind aber doch die gemeinsamen Stunden auf dem Pferdehof, inklusive Übungen fürs kommende Reitturnier, Trainingsneckereien für Motorrad- und Raumgleiterskills unter dem wachsamen Auge der Lords aus der Ferne, welche noch Ninjas in die Stratosphäre lotsen, bis der ganze Zorres schlussendlich einen riesigen Asteroiden auf die Erde zu schleudern droht. Ein Happy-End ist gewiss, so wie es quasi nächste Woche schon eine neue Schurkerei zu sehen gäbe, doch da bricht der Film genauso inkonsequent ab wie ein „Krieg der Infras“. War trotzdem eine Gaudi zum Dusseligwerden.
  

Komisch, dass man Ishirô Honda im Vergleich immer mehr als braveren Zeitgenossen des phantastischen Kinos einschätzen muss, aber das hemmte „Frankenstein und die Monster aus dem All“ nicht allzu sehr, nach mehreren wahrgenommenen TV-Ausstrahlungen binnen der Kindheit noch überraschende Spitzen anbieten zu können. Der darin enthaltene Blick in die Zukunft anno 1999 bringt den Angriff der Kilaaks via Hitzkopf Katsuo (Akira Kubo) in die Umlaufbahn, der anhand legerer Gert-Günther-Hoffmann-Stimmgabe zwischen Mond und Erde pendelt („Independence Day 2“ bedient sich gerne daran, was wiederum den Bogen zu Emmerichs Godzilla schlägt), mit bleihaltiger Skepsis auf die üblen Pläne der Invasoren schließt, dass er seiner Freundin sogar die Ohrringe vom Läppchen rausreißt, wenn er einen außerirdischen Peilsender darin vermutet. Solche Drastik findet dann noch angenehmere Partner in provinziellen Gegenden, welche ähnliche Kügelchen vorfinden sowie mit der Neugier des Nachbars teilen; später wird ein Chef der Raumfahrtpatrouille noch angesichts fortschreitender Anti-Alien-Strategien um Kaffee bitten, den ein Kollege im Hintergrund freiwillig zuzubereiten schwört – nette Leute! Mächtig gewaltig wird es dann, wenn alle bekannten Kaiju von der Monsterinsel weg globalen Terror verbreiten, die bewährte wie grandiose Tsuburaya-Miniatur-Parade abfahren und am Fuji wieder zueinander finden. Nicht, um Matthew McConaughy vorm Selbstmord zu bewahren wohlgemerkt, sondern um noch gigantischere Kugelkuppeln zu entdecken und King Ghidorah im Tag-Team plattzumachen, die Besucher von weit oben wieder in ihr Urschleimschneckenhaus zu bugsieren. „Destroy all monsters“ lautet das amerikanische Motto zu diesem Film, doch die wachsen einem selbstverständlich am meisten ans Herz – so sehr, dass sich Herr Bendix schon auf das Sichten der vorherigen Abenteuer von Godzillas Sohn Minya freut. Dem werde ich gerne nachkommen, klare Sache!


Was man gerne auch tun will, ist „Star Force Soldier“ von Paul W.S. Anderson aufzufrischen – ein Film, in dem Kurt Russell wiederum das macht, was er tun muss. Dem Soldatendasein in der weit fortgeschrittenen Zukunft jenes Neowesterns auf fremden Globen, nach einem Drehbuch von David Webb Peoples („Erbarmungslos“), sind hier eben entmenschlichte Funktionen effektiven Tötens aufgebrummt, die sich in der Tilgung der Gefühle trotzdem nicht vom Pflichtbewusstsein zivilen Schutzes abtrennen können, selbst wenn die Hardliner der Militärindustrie zum baldigen Austausch bereits willenlose Superkiller genmanipulieren – so ewig aktuell hallt das Ganze natürlich nach, dass Gary Busey mit Trump-Frise vorbeischaut. Russells Söldner lebt also den Film über einen inneren Schmerz vor, der unter versteinerter Miene mit Vermittlung und Empfang der Empathie kämpft, Traumata als Befehl verrichten muss und sich nur umso belasteter in eine Kolonie an Verlorenen und Ausgeschlossenen integrieren kann. Der Versuch dessen ist so zentral und sensibel im Film präsentiert, dass man der damaligen Abneigung durch Kritik und Publikum nur wenige Argumente abnehmen kann – höchstens beim Aufbretzeln der martialischen Schlussphase im Widerstand, ikonographisch zwischen Vietnam, Bosnien und dem Alamo eingeordnet, macht sich Anderson mehr für knallschattige Schauwerte des Kräftemessens warm, als dass der humanistische Geist inklusive UN-Blauhelm-Emulat vollends obsiegt. Klassisches Meucheln zwischen den Erzfeinden Gut und Böse hat natürlich trotzdem stets etwas für sich, vor allem, wenn es in derartiger Kompromisslosigkeit aufbereitet wird, sich mit einer sinnlichen Schlagkraft bei Regen ins Gesicht greift, wie es seitdem höchstens in „Batman v Superman“ wiedergesehen wurde. Die letzten Einstellungen zu neuen Welten, mit der nächsten aus Ruinen geborgenen Generation im Arm, zudem auch entschieden weg vom selbstverständlichen Salut, hat sowieso etwas Bewegendes im Universellen/Universum an sich, so in etwa: Das Überleben geht ständig auf Reisen, die Kämpfe und Krämpfe der Unschuld durch alle Dimensionen wie Parteien des Seins im Schlepptau.



So, die nächsten zwei Filme im planetarischen Wechselreigen waren dann auch erneut solche, die ich schon von Vornherein kannte und in diesem Rahmen für aufmerksame Genossen empfänglich ausstellte, deshalb nur noch einige Ergänzungen (?) zu „Sternenkrieg im Weltall“ und „Armageddon – Das jüngste Gericht“: Beide sind weiterhin unglaublich stark darin, einen emotional abzuholen, obgleich man bei Bays Ausflügen von Ölplattform zur NASA zum Asteroiden binnen 2 ½ Stunden Laufzeit mehrmals die Orientierung verliert, trotzdem im Überschallmodus irgendwann auf die Gipfel an Americana stürmt, als wäre man zur furiosesten Oper der Welt und darüber hinaus geladen – verständlich, dass wir eine dicke Flasche Rotwein dazu gebucht hatten, denn vieles daran ist in seinem hyperakzentuierten Überschwang (wie meine Wenigkeit auch) strunzdumm in den 90ern hängengeblieben. Kinji Fukasakus heimeliges Epos leuchtender Nüsse, anachronistischer Folkloren-Adaption und lichter Helden murmelte sich davor jedoch schon in wärmere Gefilde aus Edelmut und Koexistenz japanisch-amerikanischer Freundschaft ein - mit einem solch effektiven Pathos auf der Schulter, wie er im Vergleich zu Lucas‘ Vorlage/vorzeitiger Verarbeitung eben jener Nippon-Topoi immerhin hochdynamisch Bock auf die Erde an sich macht, Liebe und Güte durch die Toei-Schächte strahlt, dass jeder Einzelne im Ensemble das Zeug zum Mutmacher hat. Die Melodramatik daran prägt sich in der deutschen Kinofassung schon stark ein, doch der Blick zur Originalversion offenbart noch eine gute Handvoll mehr ungeniert rührseliger Schlüsselmomente, was sich natürlich kein Freund des Films entgehen lassen sollte. Zisch und Pep des Astro-Schlachtengewitters bleiben da wie gehabt ein tolles Stück Affektkino, die Melancholie Vic Morrows sowie der fantastische Wortwitz von Robo-Kumpel Beba mit inbegriffen, selbst wenn diese ebenso vor Aerosmith und Ben Afflecks Tiervergleichen auf die Knie fallen würden.




Meine Damen und Herren, jetzt schauen wir aber mal wieder auf den Boden unseres Planeten hinunter, denn als einzelner Passagier buchte ich mehrmals Reisen nach Santo Domingo binnen der Dominikanischen Republik, wo ein Joe D’Amato unserseits um 1980 herum eine Vielzahl erotischer Filme am Stück kredenzte. Stab und Ensemble gleichen sich also je nachdem mehr oder weniger mit denen aus „In der Gewalt der Zombies“, weshalb es ein Leichtes war, sich in das Areal zwischen Städten und Palmenstränden via Trauminseln wieder hineinzufinden bzw. diese tiefer zu erkunden. Eher weniger simpel war es allerdings, jene daraus entwickelten Narrative im Nachhinein auseinander zu halten. Am beachtlichsten blieb mir „Orgasmo Nero III – Schwarze Haut auf weißem Sand“ (so ein X-Rated-Nachholtitel, man kann auch beim O-Namen „Sesso Nero“ bleiben) dennoch in Erinnerung, jens vielschichtige Requiem für eine Variante Mark Shannons (Rollenname: Mark Lester!), die vom Prostatakrebs angefressen zu dem Ort und zu der Frau (Annj Goren) zurück sucht, welchen er Zeit seines Lebens nacheiferte, dass die Überkompensation im Aktionismus des steifen Glieds immer heftigere Entgnügungen am Miteinander ausübt und bittersüße Schmerzen dazu erleiden muss. Die Freiwilligkeit Marks dazu ergibt erst recht das Rückenmark der hier verlebten Tristesse unter heißen Sonnen und Damen, welche er im Schatten der eigenen Erschöpfung so verzweifelt und grob mit Spritze am Bein verbraucht, obgleich eine lebensrettende Operation und Ehefrau in New York auf ihn warten würden; er sich jedoch den letzten Wunsch erfüllen will, einem vergänglichen und längst vergangenen Glück hinterherzujagen.


Auf dem Pfad zerstört er auch gerne eine Unschuld (Lucia Ramirez), die bereits genug in der Unterschicht zu leiden hatte, vor kurzem erst von seinem intellektuellen, Schulen bauenden Kumpel eingekauft wurde – die sozialen Hüllen und Ideale fallen zwangsläufig auch bei solchen Modellen mit ideologischem Segen, Mark bleibt jedoch durchweg der Schmiermisanthrop des übersättigten Jet-Sets schlechthin. Trotzdem graut es einem davor, wie seine Zeitgenossen (u.a. George Eastman, wieder mal als verrückter Grieche) darin pendeln, sich um ihn zu sorgen sowie ihn leiden sehen zu wollen, genauso steht es mit Nico Fidencos finsteren Tönen, selbst wenn sie in den sinnesverstärkenden Bossa Nova übergehen. D’Amato nimmt da durchaus einiges von „Shame“ vorweg, wenn auch mit einem übernatürlichen Element in der Präsenz der Verflossenen als Geist, deren Vergeltung aus versagter Liebe Mark ebenso in Kauf nimmt, wenn er schon nicht mehr Herr seiner Sinne ist, sich in Visionen seiner Schwächen und rassistischen Vorurteile säuft. Angst und Penisneid vorm schwarzen Mann paralysieren ihn, ehe er zum Biest vor Ort geballter Enttäuschungen wird, die Außenwelt abstreift und vollends regressiv in die Illusion der Vergangenheit taumelt. Das sagt mehr über Realitätsbezug, Abhängigkeit und Gültigkeit innerhalb wie abseits von Beziehungen aus, als einem lieb ist. Im Delirium und Gruppensex unter Sonnenstrahlen kommt der Bezug zur „Letzten Frau“ von Marco Ferreri zum Schluss hin dann sicherlich nicht von ungefähr, so brutal und eisern leidend ist man dennoch nicht immer mit dem Werk D’Amatos in Kontakt.



Belegen lässt sich das u.a. an den simultan bewerkstelligten Reißern „Porno Holocaust“ und „Hard Sensation“, die vergleichsweise schroffer und schlichter auf die Bestätigung der per Packung versprochenen Reize eingehen (abgesehen vom Holocaust-Begriff, sollte man anmerken). Ersterer Film stieg mir allerdings trotz längerer Laufzeit (knapp 110 Minuten) leichter übers Zwerchfell, was auch daran liegen mag, dass allesamt viel netter zueinander sind - erst recht Shannon als Captain O’Day in seinem Verhältnis zu Lucia Ramirez als Forscherin Annie, die zusammen mit Simone (Dirce Funari), der Gönnergräfin (Annj Goren) und Dr. Lemoir (George Eastman) einige biologische Extremitäten auf derselben Insel wie in allen diesen Filmen zu erforschen gedenken. Da kommt noch zu späterer Stunde ein Ein-Mann-Zombie-Faktor ins Spiel, bis dahin leistet sich der Film jedoch mehrere Abstecher in die Ablenkung per Fleisch, in jedem Szenario mindestens einmal ficken zu wollen. Das Beste daran ist, dass die Charaktere solche Wünsche auch explizit aussprechen, jene Gelegenheiten trotz der Gefahr dramaturgischer Schlappe wahrzunehmen – selbst Shannon muss in der Menge an Flutsch und Weg mal ein verhaltenes „Nein, danke“ anbringen, ehe er sich doch wieder zu tollen Überschäumungen zwischen Sonnenglut und Wellenschlag überreden lässt. 


Eastman hingegen zieht in solchen Situationen ja immer wunschlos glücklich von dannen, doch als Autor jener Filme - in ihrer Varianz zum selben Ambiente nicht unbedingt die simpleste Kolportage - ist solche Bescheidenheit erst recht lobenswert oder Zeichen eines kompliziert ausgelebten Minderwertigkeitskomplexes. D’Amato nutzt den Effekt daraus so oder so, dass das letztendliche Monster ganz wie Frankenstein nach Verständnis giert sowie ein Ungeheuer der Triebe ergibt. Das Verständnis zu schwarzen Männern ist in dem hardcore-italienischen Rahmen natürlich weit hinter der Zeit geblieben, aber bis zum Ende hin noch versöhnlicher, als es der groovende Showeffekt per Doppelpenetration noire zu Beginn hinkriegt - Annj Goren geht in jeder Lage aufs Ganze! Vergnügter Ulk begegnet einem dann ebenso am Rettungsboot und ist da durchaus die Antithese zur Rape-and-Revenge-Klaustrophobie von „Hard Sensation“, welcher anhand der zuvor genannten Zutaten zeitweise eher den Anschein macht, die kollektive Erniedrigung, Machismo und Sexismus als Lust auf den Zuschauer übertragen zu wollen. Haut erwartungsgemäß nicht so ganz hin, obwohl sich alle Männer hier als Etappenschweine der Grausamkeit aus Macht entlarven; die Sympathie unter Beihilfe von Alessandro Alessandronis Score konstant bei den gefangenen Frauen liegt, obgleich die Kamera sie im Blowjob geißelt. Mark Shannon rotzt sich da als Haupträude eines entflohenen Knasttrios am Fiesesten einen von der omnipräsenten Goldkette ums Genick, kriegt aber auch erst so in der letzten Minute sein Fett weg, was der Film mit einem tragischen Bündnis zum Vergessen quittiert, dessen Tragweite ich viel lieber und früher genutzt gesehen hätte. Naja, nächstes Mal läuft’s bestimmt wieder besser zwischen Joe und mir.




Bis dahin haben wir wieder ein bisschen an amerikanischen Stoffen in petto – James Mangolds Debüt „Liebeshunger – Hungry for Love“ nämlich, das per Originaltitel „Heavy“ weit weniger platt klingt, hat es mir nämlich auch angetan, die Schwierig- und Selbstverständlichkeiten des sozialen Kontakts via Pizzabuden-Mitbesitzer Victor (Pruitt Taylor Vince) mit zu verfolgen. Obwohl sich der Rahmen auf provinziellere Sehnsüchte der Arbeiterschicht und solche, die es werden wollen, konzentriert, als es Mangolds aktueller „Logan“ von außen hin unternimmt, merkt man denselben Macher zwischen jenen auseinander klaffenden Wunden an, die ihre jeweils zentralen Individuen am Eingeständnis derer selbst zweifeln und Kreuze machen lassen. Keiner mag mit den Gegebenheiten brechen, Beerdigungen in die Wege leiten oder eine Trennung aus gewohnten Mustern vornehmen – man träumt von einem Ziel der Sicher- und Geborgenheit, doch in der Unterwürfigkeit zur eingelebten Desillusionierung Amerikas und seiner Tankstellenmärkte auf Valium (immer mit Schaukelpferd davor, von dem Hunde wie Kinder ausreißen) bleiben diese verbaut. Nicht unbedingt aus Dickköpfigkeit gegenüber nötigen Veränderungen (in diesem Fall: Weg vom Speck), eher, weil man allen Seiten nach zu urteilen ein Narr sein müsste, diese in Angriff zu nehmen. Die neue und blutjunge Aushilfe Callie (Liv Tyler) hat eben schon einen Beau, alles andere als der beste Hengst im Stall, aber eben das, was schon ist, was selbst sie nicht ändern kann, obwohl der Wille in den Tränen steckt und man es sich als Zuschauer fast so sehr wünscht wie Semi-Kupplerin/Victors Mutti Dolly (Shelly Winters).


Moms Ableben per Herzinfarkt hinterlässt schließlich einen Sog für den ohnehin schon auf Zurückhaltung gepolten Sohnemann, der fehlplatzierte Schuldgefühle und Beziehungsunfähigkeiten zu einer allumfassend zerstörerischen Mischung aufbereitet, noch mehr (auch wortwörtlich) in sich hineinfrisst, wenn das Diner, eben der Treffpunkt aller, immer mehr Fragen ans Gewissen stellt und das Schlechteste aus dem Egoismus des seit jeher Festgewachsenen fördert. Amerika frisst sich bei Mangold oftmals aus dem Innern nach oben=unten, u.a. anhand von Kollegen wie Delores (Deborah Harry), die einem beim Aussichtszaun zu aufsteigenden Flugzeugen noch Süßes vorsäuseln kann und im nächsten Moment Gemeinheiten aus Frust in die Wege leitet, so abgeklärt sie auch an einem Tresen arbeiten muss, der in seiner Gemütlichkeit oftmals auf „Blutgericht in Texas“-Ebenen aufleuchtet. Die Methodik an Hinweisen und Konstruktionen, mit denen Mangold dahin arbeitet, hat er übrigens bis heute nicht abgelegt – es herrscht hier wie dort der Zwiespalt, einen inneren Weg mit deutlich identifizierbaren Mittlern per Script zu unterfüttern, wie sie eher in Filmen denn in der Realität funktionieren, eben die Funktion an sich repräsentieren und doch noch mit einem Feingefühl gehandhabt werden, wie es ihnen vom Genre her normalerweise nicht zuteilwird. Mangold weiß seine geliebten Dysfunktionalen eben in der Filmsprache (erst recht in der höchst exemplarischen Einnahme der Darsteller) zu verinnerlichen, selbst wenn das Drehbuch mit Pflichten auf der Kippe steht, dennoch singuläre Ereignisse und Figuren ins Erfahrungsspektrum des Verdrängens und Verlangens nach Liebe zulässt, wie es einem unsteten ewigen Wanderer wie Wolverine ebenso ins Gesicht geschrieben steht. Die angeschlagenen wie anschlagenden Erwartungen zur Männlichkeit sind hier natürlich stiller als 2017 im Clinch, letztendlich fahren eh alle nebeneinander im selben Auto gen (n)irgendwo, bis sich die Wege trennen und es da ja doch weitergeht.




Wir kurven dagegen weiter zum „Point of Terror“ in Los Angeles lang, genau dorthin, wo uns Peter Carpenter letzte Woche schon zur „Blood Mania“ einlud. Mir war da noch nicht ganz bewusst, in wie viele Bereiche jenes Films er seine Hände stecken hatte, umso deutlicher tritt das hier zum Vorschein, wo ich zunächst noch vermutete, dass Robert Vincent O’Neill erneut die Führung übernommen hätte. Denkste! Alex Nicol heißt der Regisseur hiesigen Erotikthrillers, doch das ist im Grunde banane und einerlei. Inhaltlich gleichen sich die Filme fast bis aufs Haar – also gut, zumindest in den Grundzügen geht es wie dazumal um einen von Frauen umgarnten Toptypen (Carpenter), der seiner Geldsorgen wegen mit einer reichen Dame anbandelt, welche jedoch einen Knacks in der Psyche hat und besonders dann um die potenziellen Besitztümer wettert, wenn eine jüngere Unschuld aus Familienkreisen zu Besuch kommt und besagtem Manne bis zum Trauring den Kopf verdreht…was üble Konsequenzen nach sich zieht! Ganz wie bei Mangold sind die doppelten Lottchen an Filmerfahrung aber keineswegs solche, die sich gegenübergestellt von selbst aufheben, dafür kommt der jeweilige Elan dann doch immerzu auf die tollsten Eigenarten und offenbar sowieso von Carpenter selbst. Schade, dass er, der binnen beider Filme auf Beerdigungen vorstellig wurde, noch im selben Jahr, 1971, einer Gehirnblutung erlag – an ihm ist ein fesches Multitalent verloren gegangen, das vielleicht mehr den Hansdampf in allen Gassen ergab, aber eine solch selbstüberzeugte (nicht immer selbstsichere) Exploitation auffuhr, dass es nur allzu schmackhaft knisterte.


Man siehe dieses Mal allein das Intro, in dem der Herr Hippie’esken Soul am Vorhang vortanzt und mitsingt, den Sänger/Songschreiber Tony Trelos mimt und höchstwahrscheinlich nicht höchstselbst auf der Tonspur trällert. Ja, sieht leicht unbeholfen aus, aber den Mann kann man nur liebhaben; die Schnittstelle zwischen Tony Curtis und Ryan Gosling sehe ich ihm weiterhin an und genauso angenehm gestaltet sich auch sein Beuteschema zur Weiblichkeit. Die erste Freundin ist wieder eine rothaarige Schönheit, Sally (Paula Mitchell), und ein motivierender Anker inmitten seiner Behausung als halber Beachbum, der hinter der fitten Fassade um den Ehrgeiz gegenüber Mutter und Skeptikern auf Lebenszeit ringt, was er in einem One-Take und Schoße genialer Konkretheit so nah wie möglich zum Ausdruck bringt, Carpenter vor unseren Augen transzendierend privat wird. Damit er also die Katharsis erreichen kann, weil es ihm keiner an dieser Stelle abschlagen kann, meldet sich der Zufall in der Standsonne an, in Gestalt der Ehefrau des invaliden Plattenmoguls Martin Hilliard (Joel Marston, fantastisch am Quängeln und mit Phil-Hartman-Ton in der Stimme): Andrea, gespielt von keiner geringeren als Dyanne Thorne, epochenmarkierende Sadomasochistin aus den Ilsa-Filmen. Die gefährliche Verführung ihrerseits ist da allzu absehbar, sobald sie Tony unter ihre Fittiche nimmt, es aber eher insofern auskostet, ihren Gatten vor Eifersucht rasend zu machen – obwohl sie sich da gegenseitig an die Gurgel gehen wollen, funktioniert wohl genau das schon seit einiger Zeit als Beziehungsgrundlage. Das Essig-Syndrom im Menschen!


Mit Tony als neuer vom Mister bezahlter Plattenbengel scheint jedoch eine Spitze der Frechheit erreicht, bei der es kein Zurück mehr gibt. In der Sippe sind die um mehrere Köpfe geworfenen Ultimaten dann auch so blutrot wie Tomaten, mit Farben geizt der Film sowieso nicht, wenn er das Muster mörderischer Intriganz und Erpressung sogar mit den Signalen des Stierkampfs ausstattet. Über welches aus „Blood Mania“ übernommene Element ich mich dann aber doch am meisten freute, war die Rückkehr von Leslie Simms als per Trockengift schnatternde und trinkfreudige Kumpeline Fran – die Frau leuchtet selbst mit unschmeichelhaftesten Perücken und Leopardenfellklamotten auf, dass ich mich frage, warum Tony nicht einfach mit ihr um die Häuser zieht. Gute Freunde werden sie hier ja so oder so, null problemo. Die Kontrolle behält allerdings Andrea, zwingt Tony (und - siehe den tollen Couch-Schlagabtausch - sich selbst) in Abhängigkeiten, die mich an „Love and Mercy“ erinnern ließen und auch hier von einem Engel in blond, Hilliard Tochter aus erster Ehe Helayne (Lory Hansen), errettet werden, mit welcher die schönsten Freizeitaktivitäten unternommen werden, ehe die Provokationen an Eskalationen ihren im Titel erwähnten High-Point erreichen. Der verausgabt sich bis dahin vielleicht mit weniger Sexappeal und Delirien, als es bei O’Neill der Fall war, aber das ordnet ihn vielleicht sogar kurzweiliger in jene Variante der Hardboiled-Seifenoper ein, zwischen deren tollen Damen (und dem perfekten Barpärchen nebenan, als käme es der Funktion aus „Begegnung“ gleich) sich Peter Carpenter deutlich pudelwohl fühlt und dennoch allesamt hart gegeneinander sowie gegen ihn als Versager aus Stolz und Ambition antreten lässt.



  
Gegen sich selbst und die eigenen Schwächen arbeiten zu wollen, tja, darum geht es auch in meinem schon ganz oben angekündigten Darling innerhalb dieser Filmwoche: „Emanuelle – Insel ohne Tabus“. Wieso springe ich gerade auf den Film an, wenn er Laura Gemser ausnahmsweise mal nicht durch Joe D’Amato in die Welt der Sinnlichkeit führen lässt? Ich hätte mir die Frage jedenfalls nicht bei ihrem Einstand als „Black Emanuelle“ im (ich übertreibe mal:) gesteigerten Sextourismus von Bitto Albertinis gleichnamigen Film stellen müssen, aber diese italienisch-venezolanische Koproduktion von Enzo D’Ambrosio und Humberto Morales hat sich auf eine ganz eigene Art ins mediale Vergnügen meinerseits eingepflanzt, welche ihre Hingabe zum Wandel eines Individuums so friedfertig und ehrlich wie die Wenigsten ihrer Epigonen angeht. Im Sinne einer gefühlsmäßigen Orientierung kann man anfangs durchaus einen Mittelweg zwischen „Robinson Crusoe“ und „Die blaue Lagune“ für sich erkennen, doch selbst wenn man auf dem verlassenen Eiland des dort gestrandeten Daniel (Paolo Giusti) begrenzte Möglichkeiten des Erzählens vorzufinden glaubt, konzentrieren sich dann doch zielsichere Erkenntnisse zu Leben, Liebe, Selbsterkenntnis und Respekt für alle Lagen des Daseins heraus, was angesichts der schmuddeligen Umstände ein kleines Wunder darstellt. Beim Rückzug auf eine Insel wie diese liegt es natürlich gerade dann immer im Auge des Betrachters, wie der Entzug, die (un)freiwillige Flucht und die Reflexion zur eigenen und Fassung des Films - der sich natürlich nicht vollends dem Sleaze und seinen extensiven Streicheleinheiten entziehen wird - zu werten ist.


Und da macht er es mir nicht leicht, ihn an euch Leser weiterzuleiten, wenn seine bislang erhältlichen Versionen aufgezoomt und breiig aufs Meer gondeln; die nicht immer kostenintensive Schludrigkeit in Kamera, Schnitt und Tempo ebenso wohl kaum dem Standard entspricht. Wie man’s von mir kennt, sehe ich gerade da aber einen Reiz auf Augenhöhe, der hier z.B. in recht fixen Fragmenten alles zu erzählen schafft, wie Daniel auf das im Meer verfahrene Boot gekommen, im Parallelschnitt von Einsam- und Mittellosigkeit umzingelt ist. Die außergewöhnlichen Töne von Marcello Giombinis Soundtrack machen den einnehmenden Druck der Situation erst recht greifbar, wenn auch eben eher mit solch unruhigem Wabern, das auch auf der Bildebene eine Schönheit voller Widersprüche stattfindet. Jedenfalls klebt man fortan ganz fest an Daniel und seiner nach innen gekehrten Rastlosigkeit dran, die auch dann nicht aufhört, sobald er die rettende Insel bar jeder Ressourcen erreicht. Dass solche Schicksale einen nicht gleich derart stilistisch erschlagen und nerven müssen wie ein „Swiss Army Man“ versteht sich hoffentlich von selbst, entsprechend entschleunigt geht dieser Mann also auf Spurensuche zur Selbstversorgung und trifft dabei via behutsamen Herantasten auf das Geschwisterpaar Heyde (Gemser) und Juan (Nicola Paguone), die seit jeher mit ihrem Vater Antonio (Arthur Kennedy) im Alleingang die Insel bewohnen. Interessant ist bereits da schon, wie Daniel dem Typus des barschen Stadtmenschen in der Situation entgeht, Vorsicht und den personal space beherzigt, ohne sein Gegenüber von Vornherein für dumm zu verkaufen.


Es bahnt sich hier also eine feine Sache Richtung Menschenkenntnis an, bei deren Freizügigkeit in erster Linie mal nicht von Sex die Rede ist. Man merkt Antonio auf jeden Fall schon mal eine harte Linie des Protektionismus an; eben einen Kauz, der nichts von der seiner Meinung nach verkommenen Außenwelt an sich und seine erwachsenen Kids hinein lassen will – so basisch jene Eigenschaften auch klingen, sind Dialog und Umgang zwischen den Parteien dann doch nicht allzu sehr vom Topos gekennzeichnet und leiten ihre Positionen ohnehin mehrmals zur Differenzierung an. Kann auch sein, dass ich sowas übersehe, wenn man daran teilnehmen darf, wie Heyde und Juan der ungenierten Unbedarftheit und Neugier wegen Daniel helfen, dass sich da über die ersten kleinen Gesten (u.a. Feuer, Harpune und Hochprozentiges) ein Austausch entwickelt, von dem alle etwas haben, eben geteilte Plätze anstatt geteiltem Leid. Die insofern noch vorhandene Sucht zur Spritze schlägt bei Daniel zwar immer wieder unter Krämpfen durch, doch am Genesungsprozess dazu öffnet der Film erst recht eine Vielzahl von Stärken: Die Balance zum Natürlichen lässt sich im audiovisuellen Schwebezustand erfassen, die Sympathien bleiben an jeder Person größtenteils auf einem hohen Level und die Beobachtung moralischer Kontraste funktioniert eben hauptsächlich als solche. Die buntesten Zoten bleiben bei Antonio haften, ansonsten bietet der Film eben einen relativ schwärmerischen, doch intimen Diskurs (entgegen) des Alltäglichen – zudem entschlossen abseits des Alltags in der Zivilisation.


Das kann man dem Film als Fantasieerfüllung anrechnen, klar, insbesondere, was die Zuneigung Heydes angeht, doch jene natürliche(re) Erfassung des Zwischenmenschlichen hatte mich zeitweise sogar an die Leichtig- und Knappheit eines Hong Sang-soo erinnert. Gewagte und naive These, ich weiß, weise aber gleichsam auch darauf hin, exemplarisch zu beachten, wie Daniel mit einem schließlich vorbeikommenden Fischer parliert, wie die Entscheidungen im Nachhinein dazu ausfallen und überhaupt wie sich allesamt von bestimmenden Mustern lösen, die teilweise auf ewig über Kino und Realität zu thronen scheinen. Sind wie gesagt durchweg kleine Gesten in einem Werk, das solche Ansätze von außen hin nicht zu erwecken wagt, aber in die verliebt man sich ja bekanntermaßen am ehesten ganz unverhofft. Ich war sogar überrascht, wie der Film letztendlich seine titelgebenden Tabus auflöst, wie packend die Grenzerfahrungen darin zusammenkommen und trotz aller Konflikte über den eigenen Schatten springen können. Solche emotionalen und aufrichtigen Pfade findet man sonst eben auch eher in unterschätzten Begegnungen wie derer mit der „Dark Tide“, wenn es um den Stellenwert des Echten im Genre geht. Falls man also da schon von den Socken war, wie sich die Elemente mit dem Menschen ergänzten und ihre gemeinsamen Aktionen auf eine Dreieinigkeit des Wiedererkennbaren, des Romantischen und des Trivialen einstellen konnten, dann dürfte man hier ebenso ganz geschmeidig die Sehnsucht inhalieren.

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