Sonntag, 4. März 2018

WAS DIE ACADEMY VERSCHWEIGT! (Tipps vom 19.02. - 04.03.2018)

Claire Foy Bruce Willis Paul Rudd Jan Josef Liefers Seyneb Saleh Alexander Skarsgård Kumi Taguchi

Liebe Leser,

Hab ich euch mit dem Goldjungen wieder hinters Licht geführt? Seid nicht traurig, das geht den Leuten in L.A. meistens nicht anders, wir erleben es in der Nacht auf Montag ja wieder früh genug. Es ist quasi eine Poesía Sin Fin (vor dem gleichnamigen Megafilm von Alejandro Jodorowsky fürchte ich mich, diesen in einer mir zufriedenstellenden Form zusammenzufassen), wobei mich zu den folgenden Zeilen ganz andere aktuelle Faktoren inspiriert haben: Der Kampf um das Eigene, Fremdbestimmung, Gefangenschaft, Vielfalt, Einheit und Erlösung - darum geht es in der heutigen Ausgabe an Filmtipps. Wie so oft lassen sich nicht alle einem bestimmten Konsens an Gelungenheit zuordnen, doch die Eventualitäten des Fehlerhaften sind dem Menschen inhärent und wie immer auch subjektiv, darf man also schätzen, gelle? Innerhalb unserer (zumindest online) geballten Ära an Debatten, Hashtagkulturen, politischen Hemmschwellen, Overstatements sowie Skrupellosigkeiten en masse kann man meines Erachtens eben nicht anders, als mit dem ausgeschriebenen Chaos unter die Decke zu hüpfen und sich gegenseitig zu befummeln. Denn trotz aller Offenheit gilt ringsum wohl noch immer: Wir wollen die großen Unterschiede und hassen/ignorieren sie trotzdem, ehe sich gemeinsam einsam auf Illusionen von Utopie wie Dystopie eingeschworen wird. Solche Widersprüche sprengen zwangsläufig das Format, was den Kanon von Gut und Böse, Ab- wie Tiefgründig angeht, bis wir uns von einer gewissen Paranoia nähren und sie uns auch irgendwann in echt heimsucht – da soll übrigens „Der Willi-Busch-Report“ von Niklaus Schilling als gefühlsmäßiges Äquivalent nicht unerwähnt bleiben (ich wollte ihn anfangs näher besprechen, ist aber ergiebiger für euch, den einfach zu sehen, Steadicam-Furiosität et al). In diesem Sinne gehen wir mit den nächsten Merkwürdenträgern der Filmwelt wieder ein bisschen dem unsteten Eigensinn auf die Spur, wie er sich für alle und auch mal gegen jeden richtet, fesselt und zugleich irritiert. Ein schwieriges Unterfangen, wohlgemerkt ohne klare Lösung, doch nützt ja nix, stumm zu bleiben. Oder doch? Sind die Grenzen des Konformen und Nonkonformen jetzt abstrakter denn je geworden oder was? Lasst mich mit solchen Fragen in Ruhe! Ich kenn die Antwort! Hier kommt die totale Verwirrung:




MUTE (Duncan Jones, 2018) – David-Bowie-Sohnemann Jones hat bei Kritik und Publikum nun wohl vollends verkackt, obgleich das mehr denn je eher bei „Warcraft“ hätte passieren müssen. Als Nachhall dessen kann man sodann die beinahe ausschließlich negative Auswertung seines aktuellen Werks verstehen, wobei sicherlich auch eine Schippe Dissens gegen Netflix sowie ein Überdruss an (seit letztem Jahr zufällig angehäuften) Cyberpunk-Topoi mit beteiligt waren. Die Mehrheit verwechselt nun also so mir nichts dir nichts Jones‘ Ambitionen innerhalb gewohnter Genre-Parameter mit derivativer Anbiederung, wertet seine Studie sexueller Vielfalt sowie deren Regression ins verklemmte Hinterstübchen als Trivialvoyeurismus, während „Blade Runner 2049“ - das von Ästhetikhipstern weltweit gelobte Roger-Deakins-Vehikel - wiederum vom Hocker reißt. Des Rätsels Lösung ist aber, dass sich alle diese Filme als Gegenwartsbeschreibung natürlich überschneiden müssen, mit angezogener Handbremse in eine überfordernde Zukunft zu ejakulieren versuchen. Der letzte „Ghost in the Shell“ lässt sich ebenbürtig deuten, wie der Mensch (eine Perle der Futur) zwangsläufig vom Körper abgekoppelt wird, sich binnen der Hochkonjunktur an Bevölkerung seiner selbst schämt, im Gegenzug mehr und mehr ins Eigene/Digitale vorausflüchtet und eben tendenziell embryonal lernt, wieder Wurzeln zu schlagen. „Mute“ steht da an seiner Oberfläche noch am Ehesten zum Elterndasein und natürlich zur Suche nach Selbstverantwortung, welche zwangsläufig im gehemmten Tempo dran ist, dazu mit dem eigenen Body (danach erst mit der Soul) ins Reine zu kommen. Scheinbar völlig unverständlich für die Filmbewertungs-Generation Pacing, die mehr der Story sowie etwaig draufgepappten Erlösungssymbolen denn dem Wesenszustand eines Protagonisten folgen will – bei sowas wie Louis Malles „Das Irrlicht“ wäre deren absolute Überforderung garantiert. Bei der wird dann u.a. eben mehr drauf geachtet, wie man in dem bewährten Tech-Noir-Rahmen „alles schon mal gesehen“ hat, dass Alexander Skarsgård als stummer Leo nur ach so stumpfe Blicke, sprich bewusst begrenzte Möglichkeiten der Kommunikation drauf hat und sich darin zieht, einer längst verlorenen Zelle an Vertrautem (Freundin Naadirah – Seyneb Saleh) hinterher zu traben. Dabei ist es doch nicht selten so, dass Mensch (erst recht in der Zukunft) unter dem Zugzwang fester Regeln, Riten und Vorstellungen steht, energisch mit der Bindung zum Gegenüber umgeht, dieses und sich selbst u.U. überfordert, oversexed wie underfucked ist. Das sind keine unbedingt schlechten Eigenschaften, allerdings scheint es bei der Einschätzung des Films nur den wenigsten möglich, den individuell befürchteten Kontrollverlust darin zu reflektieren. Dabei muss man dazu eigentlich nur mal beobachten, wie allesamt im Ensemble (allen voran Cactus Bill – Paul Rudd) davon ausgehen, was alles am Alltag zu funktionieren hat; weshalb sie dieses und jenes tun; wie viel davon unerfüllt bleibt, hintergangen wird, sich transformiert – ganz gleich aus welcher Quelle. Vielerlei Ebenen an bloßem Vertrauen verlaufen sich ins Fegefeuer, Konfrontationen in manch herzlichen Neubeginn. „Mute“ sieht und führt einen permanenten Drang nach Zugang, indes reiht er kunterbunt verzweigte Sets sowie verschlossene Türen, Suchende und Ausgeknockte, sexuelle Freiheit als Unfreiheit unter dem Dach von Kleinst-Appartements. Er stellt zugleich keine reine Retromanie, sprich konservative Dystopie dar - dann nämlich würde er es ja begrüßen, wenn jeder nur unter seines Gleichen bleibt. Stattdessen geht er auch mit äußerst schwierigen Charakteren wie Exil-Ami Duck (Justin Theroux) so vieldeutig und wechselwirksam um, wie parallel dazu Leo manche Wahrheiten von Naadirah entgegen seiner Beziehung zu ihr zu verinnerlichen imstande ist. Und das, obwohl er als Amisch-Sohn ständig vom Glauben aus auf die Neonstadt Berlin um sich herum reagiert. Vieles ist in seinen Augen dann eine Perspektive der Furcht, aber da ist er gewiss nicht allein, wie sich eben viele im Film vor der gesteigerten Unberechenbarkeit des Anderen fürchten, selbst wenn sie es gar nicht müssen. Furcht oder die Gewissheit dieser wird hier nämlich mit Schutz gleichgesetzt, ob nun vom kalten Blick kibernetischer Bodyguards ausgehend, als trollende Handy-Nachricht einer vermissten Liebe bemutternd oder via angeschossenen Gangstern als finanzielles Standbein agierend. Furcht ist auch mal Neugier, mit welcher sich der Sex anbietet/verkauft; dann wiederum das dummschwätzende Ventil für eine Eifersucht, die sich über die Fehler des ihr bevorzugten Liebhabers lustig macht. „Mute“ wühlt die Innereien des gegenseitig leidenschaftlichen Angriffs, wie er in der öffentlichen/privaten Diskussion tagtäglich auftritt, mächtig auf – auch wenn er mit der Dynamik dessen nicht immer rechtzeitig abschließt, an der konzeptbedingten Sprunghaftigkeit auch holprig wirkt: Ein Mangel an eigenen Impulsen kann man ihm nicht attestieren und als Beitrag zum Panorama der Individualisierung/Gentrifizierung des Menschen hat er ohnehin Unmengen an bleibendem Hirnschmalz zu bieten.




UNSANE: AUSGELIEFERT (Steven Soderbergh, 2018) – Den Herrn Soderbergh kann ich bei seinem (wohl aus Prinzip) schier abwegigen Output nur schwer durchschauen und das macht ihn sowohl reizvoll als auch zu einem Garanten an Frust. Jene persönliche Dramaturgie in Folge (vergleichbar mit dem Auf und Ab der Leistungen des FC Hansa Rostock) hat sich sodann erneut mit seinem jüngsten Abstecher in die Genre-Aneignung bewiesen: Einladen kann er ja mit dem im Vornherein hochbrisanten Gimmick, das iPhone als Kinokamera in Spielfilmlänge einzusetzen sowie der Fähigkeit, etwas unter der Oberfläche seiner Stereotypen im Ensemble zu kratzen. Er wirkt dabei geradezu unbeirrbar, konkret und möglichst natürlich auf die Stalker-Paranoia seiner Sawyer Valentini (Claire Foy) einzugehen, wie er an ihr auch einen sehr direkten/fettfreien Sog entwickelt, das Horrorszenario einer unfreiwilligen Einweisung in die Klapse zu erleben. Ist mächtig scheiße, wenn keiner das Individuum verstehen will und sogar noch insofern drauf legt, aus medizinischer Verantwortung zig Freiheiten einzukassieren. Soderbergh trifft da natürlich einen aktuellen Nerv, wie die Entmündigung des Ichs vonseiten unbelehrbarer Obrigkeit global um sich greift, sich hier vor allem als Struktur aus Geldgier/Versicherungsmandat offenbart. Man darf allerdings auch durchatmen, dass er im Verlauf keinen spröden Problemfilm draus macht. Als Plattform der Rationalität wirkt seine Handhabe dennoch unausgegoren, sobald sich ein Szenario herauskristallisiert, das nur bedingt von Verwandten wie „Obsessed“, „Genug“ oder „The Perfect Guy“ abgegrenzt werden kann. Die Drehbuchautoren Jonathan Bernstein und James Greer waren bislang ohnehin ein eher triviales Gespann, welches hier für sich zumindest einiges an Boden gut macht, mit welch piesackender Methodik der Alltag unter Verfolgungswahn und/oder Psychatrie vorangeht. Die Kontinuität des Dialogs wirkt ebenfalls noch selbstsicher genug, doch sobald Antagonisten eingreifen, ist die Kolportage daran schwer am Schuften, nicht vorzeitig zu verpuffen. Sie kommt eben nicht umhin, stetig naiver zu psychologisieren, kintopptaugliche Rachetricks vonseiten Sawyers (u.a. eine Beinahe-Vergewaltigung) in Gang zu setzen und auf eine allzu amerikanische Erlösung zu verweisen, die insofern noch unterhält, da sich Soderbergh durchweg größerer Aufregung verweigert. Seine damit anbandelnde Transparenz hat auch was Sarkastisches an sich, insbesondere beim Cameo eines illustren Stammgasts seinerseits, der allerdings so nonchalant gut wie sonst nie spielt, genauso schlicht kommt wie geht. Vielleicht rechnet Soderbergh eben auch mit der Authentizität seiner Schlichtheit, dass er anhand dieser jedes Genre bewältigen kann, ohne es als Bewältigung (eher als bloße Präsenz binnen der Gegenwart) verstehen zu müssen. Bin unschlüssig bei solch einem Eigensinn, ist ja auch schon mal was.


Tôkyô dîpu surôto fujin (1975)


DEEP THROAT IN TOKIO (Kan Mukai, 1975) – Ein kurzes wie kurzweiliges Vergnügen aus dem Hause Toei, das die berüchtigte Porno-Marke mit der Klitoris im Rachen auf vermeintlich ernsthaftem Terrain reimplantiert. Das junge Unschuldswesen Kumi (Kumi Taguchi) heiratet nämlich in eine Familie mit Monsteranwesen ein und da der Gatte von Betriebswegen her oftmals abwesend ist, versucht der schwerreiche Schwiegervater Takehiko Sakuma (Hideo Murota) als obligatorischer Genre-Sadist, sie seiner Triebe gefügig zu machen. Hundsgemein wie solche Kerle sind und Pinku-eigas ihre Abhängigkeitsverhältnisse ohnehin zu steigern verstehen, geht Sakuma-san soweit, seine Oral-Fixierung anhand jener eingangs erwähnten, absurden Prämisse gegen Kumis Willen an ihr zu erfüllen. Dass dies gelingende Experiment so stark im Kontrast zur visuellen Strenge und Melodramatik des japanischen Leidenskinos steht, stellt sich als Wahnsinnsaktion heraus, ohne welche der Film nur bedingt erwähnenswert wäre. Innerhalb dieser ergibt er sich jedoch einer psychedelischen Symbolkraft und Hysterie, die Kumis Flucht in die Prostitution sowie den geilen Groll des Ehemanns folgen lässt, ehe sich die Situation in eine bissfeste Konklusion steigert, von der man in der deutschen Fassung nur vermuten kann, wie sie sich genau abspielt. Warum da geschnitten und vorher trotzdem am Derbsten untereinander parliert wird (obgleich Kumi nach der Operation stumm wie „Mute“‘s Leo wird), lässt sich vorerst nur als fragwürdig abstempeln. Das diffuse Tempo als auch die Haltung des Films, als Exploitation an der Erniedrigung der Frauen teilzuhaben und dies gleichzeitig als Zentrum der Empathie gegen oberfiese Obrigkeiten zurechtzurücken, ist wie gehabt ein schwammiges Grundgefühl des Genres - selbst bei der letztendlichen Emanzipation von kapitalem Rang. Wäre allerdings auch zu viel des Guten, hier jedwede ernsthafte Absicht zu attestieren, zumal sich Spitzen und Untiefen der Lust ja immerzu an einer Kreuzung treffen. Jene Wechselwirkung wissen die Erotomanen Japans schamlos (sowie im klaustrophob-klassischen Gewand) auszunutzen, aber ist auch nur menschlich und nicht minder aufregend-ambivalent wie „Die Taschendiebin“. Außerdem noch empfehlenswerter, aber an dieser Stelle nicht näher besprochen: „SEXUAL ASSAULT AT A HOTEL: RAPE ME!“ aka „HOTEL KYOSEI WAISETSU JIKEN: OKASHITE!“. Den erlebt man besser ohne nähere Erklärung meinerseits, aber so viel kann ich verraten: Er ist höchst innig mit seiner Protagonistin in der Hin- und Hergerissenheit zur Sexualität verbandelt, wird von den Granatsplittern ihrer Mitmenschen in einen Abgrund gesellschaftlicher Anpassung/Enthüllung gezogen. Ein zunehmend heftiges Erotikdrama!


Bruce Willis


DEATH WISH (Eli Roth, 2018) – Nun ist es doch endlich geschehen: Eine Neuverfilmung der fünfteiligen (und in hiesigen Jugendschutzanstalten fast vollständig rehabilitierten) „Ein Mann sieht Rot“-Reihe flattert ab 18 ins Kino. Dass anno `18 sowas noch passiert, strahlt jedoch mehr Relevanz aus als der Film an sich, wenn seit 1974 weiterhin zur Diskussion steht, ob Selbstjustiz tatsächlich einen Platz in der modern-zivilisierten Welt haben kann – oder zumindest die Fantasie, böse Jungs im Alleingang abzuballern. Eli Roths Film erscheint zudem überaus pünktlich während einer von vielen Kontroversen innerhalb der USA zum second amendment, sogar mit einem Cameo des Kultgewehrs AR-15 an Bord, den Mythos des rächenden Einzelgängers in die Gegenwart zu platzieren. Das bringt schon mal mehr Aufmerksamkeit als jeder x-beliebige Vergeltungsthriller mit sich; der Neuinterpretation mangelt es dennoch an Differenzierungspotenzial. Das fängt schon bei Joe Carnahans Drehbuch an: Wer die Twitter-Präsenz des Manns verfolgt, bekommt alle paar Stunden eine Anti-Trump-Tirade seinerseits spendiert - dementsprechend beschwerlich setzt er an, wirklich unsympathische Positionen zum Sachverhalt Paul Kersey oder überhaupt mehr als ein vages Übel an Verbrechern ins Visier zu nehmen. Dem guten Gewissen wegen schröpft er also die Mentalität aktuellen Superheldenkinos, höchstens einen Robin Hood mit Hoodie und Glock hinzustellen, bei dem die ideologische Entlastung Stück für Stück leichter von der Hand geht als man es einem Charles Bronson oder eben Michael Winner zugestehen will (was die potenzielle Identifizierung mit deren Argumenten umso interessanter macht). Regisseur Roth hingegen versucht noch jede (kurze) Chance zu nutzen, die Lust am Töten aus seinem Protagonisten herauszukitzeln und darf für den Hauptanteil an hiesigem Zynismus sorgen, wie explizit die Carnahan’sche Selbstverteidigung (unter Beihilfe von Kettenreaktionen à la „Nackte Kanone“) bis hin zur reinen Folter ausfällt und Kersey sich selbst dabei gefällt. Gleichsam zurückhaltend persifliert er den amerikanischen Waffenkult, umso stärker die mediale Aufmerksamkeit rund um die Abkratzaktionen des sogenannten Grim Reapers. Podcasts und Memes agieren da so reaktionär und aufgegeilt, dass ihm die Sense zittern müsste, im Gegenzug begründet der Film an jener Bestätigung ein Stück weit die Heilung seines Traumas. So wie sich das liest, müsste es provokant sein, doch dafür fehlt schlicht die Fallhöhe der Vorlage. Bruce Willis sieht man es sofort an, dass er sich nach Kloppe sehnt - der Zuschauer erwartet eben jenes und in seiner neuen Berufung als Dr. Kersey ist die Trennwand zwischen Leben und Tod so logistisch aufgesetzt, dass sie dem Publikum kaum was in Richtung „Krass, dass der sowas machen würde“ bedeuten kann. Sein zerstörtes Familienleben (Ehefrau Elisabeth Shue und Tochter Camila Morrone) ist als Motivator dann auch eher zur reinen Klausel verwässert, deren Sprengkraft im Off bleibt – wie ein Versatzstück aus späteren „Death Wish“-Teilen, nur eben nochmals in voller Länge durchgekaut. Carnahan traut sich nichts (weder Justizirrtümer noch unfähige/korrupte Bullen, Gott bewahre) und Roth muss unter MGM Folge leisten, dass beidesamt zudem einen Mediator via Kersey-Bruder Frank (Vincent D’Onofrio) einbauen, nach welchem für den Zuschauer keine Fragen mehr über bleiben. Keine Sorge, er sagt euch, wenn’s alles zu weit geht. Was also bleibt ist ein glatter Reißer, der als Formaterfüllung noch Spaß macht und von Roth solide (u.a. mit Ursache/Wirkung abgleichenden Splitscreen-Montagen) erzählt wird - zudem einen Willis aufbietet, der sich wieder etwas mehr um Charakter bemüht -, aber höchst unentschlossen ist, nun doch was aus seinem Skandal in greifbarer Nähe zu machen. Dass der Effekt der Rache mehr Nerven kitzelt als die Ursache dessen, ist da als Erkenntnis auch nur ein schwacher Trost.




GEFANGEN – DER FALL K. (Hans Steinbichler, 2018) – Schau an, Hansi Steinbichler lässt sich zum zweiten Mal in meinem Blog blicken. Ich hatte gerade mal Anfang des Jahres sein Debüt „Hierankl“ gesehen und schon lief dieses sein jüngstes Justizdrama zur besten Sendezeit bei den Öffentlich-Rechtlichen. Wahrscheinlich bleibt es im Nachhinein auch in jenen Kreisen verortet, da alle paar Minuten u.a. das „Interstellar“-Thema erklingt und einiges an ausgeliehener Emotion liefert. Man bedient sich ohnehin der Vorlage vom Fall Gustl Mollaths, um zu chronologisieren, wie ein Mensch frei von Schuld in den Schlund eines bestechlichen Rechtsstaats geraten kann. Ab in die Forensik heißt es da für Wastl Kronach (Jan Josef Liefers), so als hätte Mimon Baraka mal Wort gehalten – ersterer will zunächst voll brennendem Entsetzen aufdecken, in welch korrupte Machenschaften seine Frau Elke (Julia Koschitz) im Auftrag einiger Schweizer Banken verwickelt ist. Dies hat zur Folge, dass Kanzleischwergewichte und Gutachter alles an seiner Person ansengen sowie Falschaussagen vor Gericht durchsetzen, während ihm die sonstigen externen Instanzen ohnehin keine Aussage zu gewähren scheinen, weil er der Fassungslosigkeit halber halt schnell laut wird, ALLES GELOGEN (ist hier quasi der Bruderfilm zu „Unsane“)! Was hat der Deutsche immer für Wut im Bauch! Alles also weiterhin extrem dramatisch bei Steinbichler – Liefers im Zentrum bleibt dementsprechend ein arg bemühter Mime, wird der schicksalsschwangeren Verschwörungsparanoia seines Charakters damit aber umso gerechter. Konterkariert werden solche Signale des Zwielichts allerdings mit sehr durchsichtigen Ansagen an den Zuschauer, dass Kronach alles genommen wird, seine selbstverständlichsten Grundrechte bei Autoritäten auf taube Ohren stoßen und Revisionen im Vornherein per konspirativem Personal abgewürgt bleiben. Alles Lug und Trug und böse – außer die Guten, die an allen Grenzen scheitern. Ist da natürlich nicht ineffektiv, wie der Film die Hoffnung begraben kann und daraufhin moralische Gerüste der Gesellschaft einfordert - und seien es nur Apfelkerne oder festes Schuhwerk. Plakativ und konventionell bleibt er trotzdem, bis hin zur Katharsis letztendlicher Rechtmäßigkeit. Damit ist er allerdings auch der am Einfachsten zu verdauende Film dieser Ausgabe.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen