Sonntag, 25. August 2013

Tipps vom 19.08. - 25.08.2013



UPSTREAM COLOR - (GESICHTET AUF DEM FANTASY FILMFEST IN HAMBURG)
Ganz toller Film. 9 Jahre nach PRIMER hat sich der Shane Carruth zu Herzen genommen, seine Geschichte hier etwas verständlicher zu gestalten - was aber nicht heißt, dass sie nicht abstrakt wäre - da gibt er einem immer doch noch genug zum Entschlüsseln.

Lässt aber jetzt weit mehr den Bildern und der Atmo freien Lauf und erzeugt eine permanent rauschhafte, enigmatische Stimmung, u.a. auch mit Hilfe einiger recht verstörender Bilder, dem ultrasphärischen Ambient-Score, eindringlich-intimster Kamera, virtuosen Schnittmustern und naturalistischen Darstellern.

Erschafft dabei Bilderwelten und spirituelle Ebenen, die durchaus mit dem Besten von Malick konkurrieren können - ein gefühlsbetontes Sinnespuzzle, dass sich in die Synapsen einnistet und Paraleelwege in Hirn und Herz freischaltet. So stark!




THE CONGRESS - (GESICHTET AUF DEM FANTASY FILMFEST IN HAMBURG)
Ari Folman's Passionsprojekt und Nachfolger zu WALTZ WITH BASHIR verfällt nur fast den Verführungen des "größeren Budgets" und "mehr kreativer Freiheit", die schon so vielen anderen "One-Hit-Wondern" und deren Zweitarbeiten zuviel Pump und wenig Substanz gaben (jüngstes Beispiel: Neill Blomkamp's ELYSIUM).

Auch wenn er hier für sich erstmals Realszenen mit Animationssequenzen vermengt und sein Charakteruniversum recht üppig ausstattet, bleibt der Kern, das Herz der Erzählung im Vordergrund, auch wenn das leicht zerfahren-experimentelle Animationssegment etwas gewöhnungsbedürftig ständig neue Elemente einwirft - für den emotional packenden Payoff im letzten Akt des Films hat es sich dann doch alles gelohnt.

Zudem liefert er wie zuletzt HOLY MOTORS (nur eben weit indiskreter, mit einigen allzu aufdringlichen Insider-Gags) eine recht pessimistische Beobachtung und Aussicht zur Lage des Kinos und des Lebens an sich, anhand des zynischen Schönheitswahns und Realitäts-verdrängenden Egomanien, dessen Opfer Protagonistin Robin Wright mit zunehmendem Alter wird. Viel wichtiger ist im Fokus des Films allerdings ihre Liebe zu ihrem Sohn Aaron, dem statt der Schönheit die Sinne schwinden und für den sie alle Perversitäten der spaßgesellschaftlichen Dystopie auf sich nimmt, um seine Persönlichkeit aufscheinen zu lassen - in einer jahrzehntelangen Odyssee, in der sie sich aus der halluzinogenen Cartoon-Welt auf der Suche nach ihm in die reale Tristesse zurückbegeben muss/will.

Eigensinnig, innerlich feinfühlig und von aussen hin total verkünstelt. Folman wirft alles, was er für diese Stanislaw-Lem-Adaption zu bieten hat, auf die Leinwand und gottseidank bleibt genug kleben, um dem Zuschauer am Ende eine wohlig-melodramatisch-charakterstarke Katharsis zu verpassen, trotz einigen ablenkenden Mindfuck-Abstechern. Im Endeffekt doch richtig schön :)




STONE COLD - 100% Bescheuert, 100% "Cool", 100% Non-Stop-90's-Action-&-Sprüche-&-Metalmucke (wo jedes Vehikel eine Bombe unter der Haube zu haben scheint), 100% Brian Bosworth, 100% (teils pathetische) Macho-Räuden-Biker PLUS Boobs = 1000% STONE COLD! (Die Rechnung geht auf, oder?)

Schon lange nicht mehr eine so dermaßen scheußlich-übertrieben-unterhaltsame Farce von Männerfilm gesehen, über starrköpfig-dummdreiste Machtkämpfe im Outlaw-Rocker-Milieu inkl. einem überlässigen, selbstverliebten und surreal robusten Undercover-Cop-Hero-Proll.

Der absolute, haltlose Ultraviolence-Testosteron-Wahnsinn, GEFÄHRLICHE BRANDUNG 2daXtreme, nur in den 90ern möglich gewesen und unfassbar spaßig/assig :) Allein was im Finale des Films abgeht, würde heute gefühlte 100 Mio. $ kosten, komplett in CGI gestaltet sein und erst recht nicht so erfrischend grenzenlos & orgiastisch-frech wirken.

Wunderbar gedankenlose Proleten-Kloppe aus dem cineastischen Bad-Boy-Kinderzimmer.




ACTION JACKSON - Ich hatte ständig das Gefühl, ACTION JACKSON würde jeden Moment aus dem Bildschirm rausspringen (ggnf. am Steuer seines Caddilacs) und mir mit Gebrüll die Fresse plattkloppen.

Dass der gute Carl Weathers sich überhaupt in sein Sakko-mit-Krawatte reinzwängen konnte, war ja schon ein Wunder (und wich alsbald einer bequemeren Lederjacke). An die Gesetze (der Justiz, sowie Zeit und Raum) muss er sich als durchgeknalltester Hau-Drauf-Bulle aller Zeiten ja auch nicht halten.

DIRTY HARRY als ultrapotent-verschwitzter, blaxploitätiger Rübenquetscher und Karrenkiller - da kann man sich ja als Gangster nur vor Angst in die Hosen scheißen...oder rapide ausbluten.

Ein bestialisch-neonfarbenes Popel-Krimi-Pandemonium voller Feuerbälle, 80er-Charakterdarsteller, willigen Nightclub-Damen, Heroin-Etuis, Legal-Kills und spritzigen Ballerorgien inmitten des semi-apokalyptischen, Block-Party'eskem Detroit. In den Hauptrollen: Dicke Muckis, enge Jeans, BUMM! und Megafäuste!

Die totale Dröhnung dementes Schwarzpulver!




DARK ANGEL / I COME IN PEACE - Ein Cannon-on-the-Loose-Cop mit Giganto-Appartement und jüngst verstorbenem Partner (welcher allzu schnell von einem By-the-Book-Schlaffi ersetzt wird), sein wütender Chief, Neon-Nächte in L.A. zur Weihnachtszeit, Disco-Stripbars, Al Leong und ein treibender Jan-Hammer-Digitalsynthrock-Score - aufgepeppt wird die 80's-Crime-Actioner-Formel hier allerdings von 2 CD-schießenden Aliens - eins gut, das Andere böse (Matthias Hues).

Genre-Routinier Craig R. Baxley kopiert, auf der Spurensuche nach den intergalaktischen Missetätern, bei seinem One-Liner-erprobten Überkommissar Kane (Dolph Lundgren) nicht nur Kameraeinstellungen (wie er Monolith-artig auf seine unfähigen Kollegen niederblickt) 1:1 von seinem vorangegangenen ACTION JACKSON. Als muskelreicher Krawall-Bulle hat Lundgren aber auch wie dort genug explosive Reibereien zu überstehen, die ihn vor Frustration aus der Haut platzen lassen.

Denn neben normaler Macho-Action des essenziellen Schwarzenegger-Jahrzehnts tritt er zudem bizarr-hibbeligen Labortypen, mit Hassliebe erfüllten Ex-Girlfriend-Pathologinnen, Robocop-igen CEO-Mafiosis und ausserirdischer Blutsauger-Technologie entgegen. Erhält dann aber auch zum Dank das obligatorische Standbild-Ende inkl. enthusiastischer Quasi-SURVIVOR-Mucke, Weib & Kollege im Arm und einem Lächeln in seinem dreckig-verschwitzten Gesicht, während sie alle von einer in die Luft gejagten Lagerhalle davonhumpeln - classic stuff.

Die Mischung funktioniert ungefähr so stimmig wie die ähnlichen, zeitnahen Genre-Mash-Ups THE HIDDEN oder DEAD HEAT, macht aber in seiner klischeebehafteten Geradlinigkeit und überdrehten Comic-Mentalität (wieder mal mit 2 Dutzend explodierenden Autos), verbunden mit einigen zynischen "hardboiled" Beleidigungen-&-Kitsch-Dialogen, dann doch ordentlich Spaß - auf die pappige NeonGrit-ToughGuy-Art, im Geiste von NUR 48 STUNDEN, DER TERMINATOR und Albert Pyun. Zwischen ACTION JACKSON und STONE COLD aber doch der etwas zu bodenständige Reagan-Ära-Lawman-Reißer Craig R. Baxley's, trotz exotischem Sci-Fi-Einschlag.




PREMIUM RUSH - Hier geht's ab wie bei einer Pinball-Machine: zieht man einmal an und lässt die Kugel durchzischen, hört die Energie nimmer auf. Fällt sie einmal ins Loch, ist die nächste Bullet schon startbereit.

Ein scharfgeschliffen-kinetisches Bike-Chase-Abenteuer - zudem eine extrem bodenständige SONIC THE HEDGEHOG-Adaption - mit einem ultramotivierten JGL als unbremsbaren BMX-Hero und Michael Shannon als überdrillten, raffzahnigen Douchebag-Bullen, der ihm auf den Fersen [sein möchte].

"Shit, that's the most fun I ever had, with clothes on!"
Schicke Eckdaten für diesen frech-frischen Actionspaß - hätte an den Kinokassen durchaus mehr Beachtung verdient gehabt. Mehr BIKE geht nicht!




DIE MÄDCHEN VON ROCHEFORT - Sehr schön gestaltetes Musical von Jacques Demy. Im Vergleich zum geistigen Vorgänger DIE REGENSCHIRME VON CHERBOURG muss ich aber leider ein paar Abstriche ziehen:

Der Mikrokosmos der Charaktere ist hier deutlich erweitert worden und verführt den Film in eine Überlänge mit vielen Wendungen, Verknotungen und Drehungen (und vielen schönen Tanz- und Sangnummern), lässt aber die konzentrierte, schöne Schlichtheit der weitaus intimeren CHERBOURG-Erzählung vermissen - so dass auch deren emotionaler Impact hier leider nicht erreicht werden kann (wenn er denn hier überhaupt bewusst versucht wurde), auch weil die Stimmung eigentlich konstant gutgelaunt bis maximal sehnsüchtig bleibt, keine allzu realen Seelentiefen erforscht werden (selbst ein brutaler Mord und dessen Täter werden hier bewusst realitätsfern harmlos behandelt).

Versöhnen kann man sich dann aber mit der gewohnt hochwertigen Inszenierung und der durchgehenden Musikalität des Ganzen (selbst die Dialoge sind vollends in rythmischen Reimen verfasst), die nun im formatfüllenden Cinemascope sogar mit eindrucksvollen Tanzchoreographien geschmückt wurden. Wie passend, dass sodann die Musicallegende Gene Kelly eine größere Rolle im Film einnimmt und zu dessen absoluten Highlights gezählt werden darf - soviel Charisma, Souveränität und Romantik ausstrahlend, dass es einem das Herz erweicht.

Im Endeffekt fand ich den Film stimmig konstruiert und angenehm lebensfroh, allerdings auch so vollgepackt mit voll ausgespielter konstanter Brillianz, dass mir dann doch der pure eindringlich-emotionale Kern dieses Universums etwas verwehrt blieb. Empfehlenswert ist er dennoch auf jeden Fall!




NEW WORLD - (GESICHTET AUF DEM FANTASY FILMFEST IN HAMBURG)
Hoon-jung Park hat ein ganz solides Crimethriller-Drama quasi im Sitzen inszeniert. Fast alles, was im Film passiert, wird durch Dialoge von feingekleideten Gangster-Herren und zwielichtigen Bullen geregelt - immer gemütlich entweder im Auto, im Flugzeug, im Konferenzraum, in einer vergammelten Lagerhalle, in einer Hochhaus-Baustelle, im Knast: es wird sich mit dem Arsch hingepflanzt - und als Zuschauer sollte man sich auch einen gemütlichen Kinositz aussuchen, dass man sich so richtig schön in die Meuchel-Clique einleben kann.

Denn toll ist, dass die Charaktere und ihre gewitzt-ruppigen Besprechungen (sympathischer Vorreiter hierbei: der Triadenmacker JUNG) so gut kurzweilig, charmant und auch plot-vorantreibend gestaltet sind, dass man sich geradezu entspannen kann - man erlebt das Business hautnah unaufgeregt mit und die erste Stunde Film verläuft ganz geschmeidig. Doch dann, sobald die Mannschaft aus den Sitzen aufsteht, geht's zur Sache - dann ist blutiger Zahltag und der Film verdient seine 18er-Freigabe im Handumdrehen, inkl. schön dramatischer Wendungen.

Dass NEW WORLD dennoch nicht allzu spannend daherkommt, die Inszenierung an sich nach reiner Routine aussieht und man so ziemlich jeden Plotpoint schon aus DER PATE (oder auch INTERNAL AFFAIRS/DEPARTED) kennt, trübt das Vergnügen ein bisschen (neben den schlicht unterentwickelten Frauenfiguren - gerademal 2 Stück - ein echtes Würstchenfest wieder mal), doch ist er an sich mit seiner Sitzen-&-Aufstehen-Struktur dennoch ausreichend effektiv und sieht durchweg elegant und hochwertig aus - hält einen erst recht bei der Stange dank seinem Ensemble und dessen komplexen Anfeindungen & Intrigen. Recht gut, aber auch mit spürbarer Überlänge (die sinnfreie Sequenz vor dem Abspann z.B. hätte man sich sparen können).




METEOR MAN - Ganz naive, niedliche Eskapismusfantasie für die Black-Community - der aufrichtige Lehrer und gemütliche Homeboy Jefferson Reed wird durch einen Meteor aus dem All zum Superhelden seines von Gang-Gewalt geplagten Viertels und sorgt nach einigen Startschwierigkeiten für Gerechtigkeit - schließt Crackhäuser, macht aus Schrottplätzen Gratis-Gemüse, etc. - doch die bösen Golden Lions (und Frank Gorschin) wollen ihn tot sehen & verüben sogar recht drastische, stilechte Drive-by-Shootings alà BOYZ N THE HOOD, werden zu seiner größten Herausforderung, während seine Kräfte sogar langsam schwinden und sich seine Mitbürger vor Furcht gegen ihn entscheiden wollen, um ihre Nachbarschaft zu retten.

Der Film schwankt zwar nicht vollkommen stimmig zwischen harmloser Komödie, aufrichtigem Humanismus, krassem Ghetto-Crime-Drama und kindergerechtem Camp hin und her. Durchgehend präsent ist aber die Sympathie für den tollpatschigen, doch herzlichen Protagonisten, dessen Wandlung vom zurückhaltenden Feigling zum Aufopferungs-willigen Befreiungskämpfer recht nett gestaltet wurde - auch wenn die propagierte Spießigkeit/Sauberkeit dieser Märchengeschichte für erfahrene Zuschauer wohl schon etwas zu kitschig wirken dürfte (obwohl der Film teilweise doch seine "Härten" besitzt: Leute werden abgeknallt, Hunde geplättet, es wird sich blutig gekloppt).

Es ist nunmal ein waschechter Superman-Film, der besonders Afro-amerikanische Familien ansprechen sollte - und funktioniert an sich natürlich recht gut, auch wenn er etwas bieder ist - das Herz sitzt am rechten Fleck und unterhält ganz ordentlich. Zusätzlich kann man neben dem John-Williams-Imitat-Score auch ein paar schön typische 90er Jahre-Pop-Auswüchse auf dem Soundtrack hören - ein kleines Mekka für Nostalgiker.

Komischerweise fehlt dem Ende des Films noch ein ordentlicher Epilog, endet er doch auf einem zu vorgezogenen Standbild - laut imdb existiert dieser sogar, veröffentlicht wurde er aber (noch) nicht. So oder so, kein Grund sich den METEOR MAN nicht anzusehen, der ist doch ein ganz Netter :)




DIE HERRIN VON ATLANTIS - Mystischer Abenteuerfilm von G.W. Pabst, in welchem der Legionär Lt. Saint-Avit in Afrika auf der Suche nach seinem Freund Morange in eine Unterwelt unter dem Wüstenboden, Atlantis, hineingesogen wird - bevölkert von maskierten Wärtern, stummen Tänzerinnen und einigen gefangenen, karikaturhaften Europäern. Dort herrscht die betörende Antinea, die sich ihre Männer aussucht und mit dem Gift ihrer Liebe langsam in den Tod führt (versprüht dabei eine gehörige Portion Erotik, verbunden mit einem vergnüglichen Revue-Flashback ihrer weltlichen "Ursprünge").

Diese Welt wird dank der ausgezeichneten Kameraarbeit, den aufwändigen Kulissen und dem ganz behutsamen Schnitt so einvernehmend greifbar und dennoch unerklärlich vermittelt (da der Plot nur wenig Erklärung bereithält), dass man den Zerfall Saint-Avit's Psyche innerhalb der stimmungsvoll-ausgeleuchteten Katakomben und in den endlosen Wüsten (bis hin zu einer katharsischen Oasis-Vision) recht schön und traumhaft beobachten kann.

Eine surreale Trance, die ihn und Morange fast vollkommen geistesabwesend zurücklässt - war es wirklich geschehen oder erlagen sie bittersüßen Fieberträumen? Saint-Avit jedenfalls kommt aus dieser (Traum-)Welt nicht mehr zurück und bleibt im undurchdringbaren Sandmeer für immer und ewig verschollen, gefangen in Antinea's Bann.

Eine Schande, dass diese atmosphärische Erkundung der Unterwelt und des Unterbewusstseins (mit möglichen Anleihen an H.P. Lovecraft), sowie ein Abgesang auf den Kolonialismus durch G.W. Pabst, weder auf DVD noch auf BLU-RAY, lediglich auf einer alten US-VHS erhältlich ist.




BUMERANG BUMERANG - Anfangs anarchische Entführungsfarce von Geissendörfer, der eigentlich seiner Filmographie nach zu urteilen kaum für Komödien geeignet scheint, hier aber seine 80er-Jahre Dirty-Alltag-Ästhetik-&-Jugendproblematik von EDITH'S TAGEBUCH recht natürlich in das perfid-naive Juvenile-Lustspiel einsetzt (das nach Hanns Martin Schleyer und der zweiten RAF-Generation wohl bestimmt noch nicht p.c. war). Und dabei auch mit Kitsch, ähnlich seiner damals noch einigermaßen frischen Erfindung LINDENSTRASSE, nicht zurückhält (selbst in seiner tendenziös linken Haltung zur Politik) - welcher aber im stetigen Verlauf den "realistischen" Auswirkungen des Verbrechens weicht, konsequent ins Drama abdriftet.

Dazu gibt's nicht nur erquickend-schmalspurganoverisch/romantisch-naturalistisches Schauspiel von den noch sehr jungen Katja Studt und Jürgen Vogel, sondern auch wunderbar käsige ZDF-Synth-Klamaukmucke, Provinzkaff-Kulissen in Morgentau & maximal bläulichem Tageslicht (dank der MAZ-Qualität der Kinowelt-DVD), NDW-Klamotten und James-Bond-Anspielungen.

Diese Sachen sind aber nur die Grundlage für eine Handlung, die sich von einer frechen Komödie in ein fast schon Kammerstück-artiges Gesinnungs-Gerangel um Atomkraft verwandelt, was durchaus eine Menge potenziellen Spaß raubt, da die Politik in den Vordergrund gerät. Dafür entwickelt sich aber ein recht bodenständig-konfliktreiches Gewissensspiel zwischen den Protagonisten, das man durchaus als Coming-of-Age-Element betrachten darf inkl. einiger recht dramatischer Szenen.

Im Endeffekt sind diese cineastischen Machtkämpfe besonders für perspektivlose Jugendliche und verblendete Polit-Idealisten (von beiden Seiten) wertvoll diskussionsgeladen; erfahrene und erwachsene Zuschauer bekommen aber auch ein nettes, souveränes Stück Zelluloid-Kost serviert (das man allerdings nur so sehr genießen kann, wie sehr man die politische Agenda des Films toleriert) besonders insofern, wie Geissendörfer seine New-Wave-Teenie-Täter in einen nüchtern-pessimistischen Strudel der Verbrechens-Verantwortung wirft, ähnlich wie in seinem jüngsten Werk "IN DER WELT HABT IHR ANGST".

Aber das Beste zum Schluss des Films: Frechheit siegt. Salute!

Sonntag, 18. August 2013

Tipps vom 12.08. - 18.08.2013



SWING GIRLS - Sekiguchi ♥♥♥ Wer ein ganz breites Lächeln (und einige größere Lacher) auf den Lippen braucht, kann diese frech-fröhliche und auch erst recht herzliche Nippon-School-Band-Komödie echt gut gebrauchen. So unfassbar cute und unprätentiös-feelgoody! ♥♥♥




LOHN DER GIGANTEN - Weil auf ARTE die ungekürzte Fassung lief, inkl. bisher in der dt. (Rainer-Brandt-) Fassung fehlender, durchschnittlich-nachsynchronisierter Szenen:

LKW's sind tolle Maschinen - das weiß ich schon seit meinen Kindheitstagen, wo ich mit meinem Paps, der in der Branche tätig ist, mitfahren durfte - und es bestätigte sich ja auch desöfteren in der Filmwelt (allen voran: "OVER THE TOP").

Und auch Yves Montand als Henri zeigt hier mit seinen Volvo-Boliden, wie stark er sie einsetzen kann, beherrscht er das Handling ja noch aus "LOHN DER ANGST"-Tagen (übrigens sowieso der dt. Verleihtitel von "La menace": "LOHN DER GIGANTEN" - japp-japp ;D), auch wenn der "Truck"-Faktor hier lediglich den Rahmen für die perfide Thrillerhandlung liefert.

Denn Henri stellt sich der zweitgrößte Feind (nach der Natur) des Männertraums "Truck" entgegen: der Hass der Frauen. Und zwar will ihm seine Ex-Geliebte Dominique ans Leder, weil er eine neue Affäre mit der Kanadierin Julie angefangen hat. Sie will Julie loswerden, doch als sie erfährt, dass diese schwanger ist und ihr entkommen kann, bringt sie sich selbst um.

*SPOILER*

Jetzt stecken Henri und Julie trotzdem in der Bredouille, weil die Polizei und ein äußerst zynisch-daherblödelnder, unnachgiebiger Bulle (Jean-François Balmer, gesprochen von Brandt) Julie als Täter verdächtigt und schließlich festnimmt. Henri, der zu Anfang des Films noch ehrbar und unbestechlich auftritt, scheint zunächst alles daran zu setzen, dass sie auch ins Kittchen wandert, lügt und fingiert links & rechts Beweise - bis es aber langsam deutlich wird, dass er WILL, dass die Polizei ihm auf die Schliche kommt, um sie zu entlasten, da er weiß, dass ihr sonst keiner ihre Unschuld glauben würde. Ganz schön clever! Hier wird ein schönes Spiel mit den Erwartungen des Zuschauers getrieben - was zunächst wie die Erfüllung egomanischem Machotums anmutet, entpuppt sich als subversives Märtyrertum für die Liebe zu einer Frau, dass dem erwähnten Macho-Zynismus (erst recht explizit in Form des triebhaften Bullen) einen gewitzten Streich spielt. Welcher sogar soweit geht, dass Henri vorsetzlich nach Kanada flieht und einen Unfall mit seinem LKW inszeniert, dass alle glauben sollen, er sei dabei umgekommen. Er plant alles so durchdacht und legt jeden Anhaltspunkt so gewitzt zurecht, trotz der Kriminalität, die er sich selbst auferlegt, dass man hier eine bewusste anarchistische Freude erkennt, die der Film vermitteln will. Quasi auch das Freiheitsgefühl der Truckfahrer, zu denen Henri ja schon länger gehört, auf indirektem Wege spürbar macht. Schade nur, dass gerade die seinen Plan durchkreuzen müssen, da sie glauben, dass er ein Auftragskiller sei...

*SPOILER ENDE*

Zwar kann man zum Schluss hin nicht wirklich von ausgleichender Gerechtigkeit sprechen, schließlich hätte Montand von filmischer und gefühlsmäßiger Seite her durchaus freies Geleit verdient gehabt, doch beweist der Film mit seinem schon recht bittersüßen Schluss wiederum nochmal, wie überraschungs- und facettenreich er von Anfang bis Ende doch ist. Ein schöner, französischer Thriller und unterschwellige Liebesgeschichte von Montand-Lieblingsregisseur Alain Corneau ("Police Python .357", "Wahl der Waffen").




JUSTICE LEAGUE - THE FLASHPOINT PARADOX - Jay Oliva hat nach seiner 2-teiligen DARK KNIGHT RETURNS-Zeichentrickadaption wieder zugeschlagen und präsentiert hier eine rasante (wegen dem FLASH, huh-huh) und sehr düster-brutale Umsetzung der FLASHPOINT-Storyline von Geoff Johns.

Hierbei steht erstmals im Großgefüge der DC-Animes Barry Allen als der "Rote Blitz" im Vordergrund, der mir vorher relativ egal war, hier nun aber bereits am Anfang eine sehr eindringliche, emotionale Backstory (weil recht "close to home") geliefert bekommt, die sofort zu Herzen geht.

Sein ebenso rasender Widersacher Prof. Zoom jedoch scheint eines Tages die Vergangenheit verändert zu haben und so wacht Allen in einem Paraleeluniversum auf, in welchem die Storyline jedes DC-Charakters eine völlig andere Richtung eingeschlagen hat (und er noch nichtmal seine Superkräfte hat).

Nun setzt er alles daran, die Verhältnisse wieder herzustellen und es kommt zu ekstatisch-zerstörerischen, finsteren Machtkämpfen und Superpower-Fistfights, die noch reizvoller wirken, wenn man bedenkt, wie atemberaubend sie in Realspielfilmform sein dürften (da hat MAN OF STEEL ja schon gut Vorarbeit geleistet).

Und auch sonst besitzt der Film eine inszenatorische Power, Virtuosität und Emotionalität (was hier alles für Opfer gebracht werden!), die schon durchaus an Oliva's DKReturns-Höhenflüge heranreichen - zusammen mit einer hart-apokalyptischen Stimmung und Gewaltausbrüchen, die das PG-13-Rating recht gut strapazieren.

Nicht nur für Fans ein eindringliches Mature-Comic-Fest, gibt es diesen recht frischen Trick-Actioner (und bisher gelungensten JLA-Film) bis jetzt nur als US-DVD/BLU-Import. Wer sich angesprochen fühlt, sollte aber zugreifen und genießen :)




LORNA THE EXORCIST - Linda (Lina Romay), frisch 18 Jahre alt geworden, träumt in den ersten 10 Minuten des Films vom Erblühen ihrer Sexualität, in einem zärtlich-sinnlichen und äußerst feinfühlig inszenierten Liebesakt (einer von vielen in diesem Film) mit einer begierigen, zugeschminkten Frau (begleitet vom verträumt-melancholischen Titelthema, das sich durch den gesamten Film in die Ohren nestet). Wie sich herausstellt ist diese Frau, von der sie geträumt hat, Lorna Green (Pamela Stanford), welche bereits eine andere junge Frau in ihren Bann gezogen und komplett desolat-sehnsüchtig zurückgelassen hat, zudem ihnen (ähnlich wie bei Renfield in Franco's "Nachts, wenn Dracula erwacht") telepathisch gebietet.

Linda's Vater Patrick (Guy Delorme) steht nach einem jahrelang-zurückliegenden, teuflischen Pakt in Verbindung mit Lorna und will verhindern, dass sie Linda kriegt (was Teil des Deals war) - schlägt ihr somit erst ab, ihren 18. Geburtstag in St. Tropez zu verbringen, aber lässt es dennoch zu, mit dem guten Gewissen, dass er und seine Frau ja mitkommen und auf sie aufpassen werden.

Doch die aus dem Jenseits enthobene Lorna, die sich bereits ein Imperium in St. Tropez aufgebaut hat, taucht in weiteren, erotischen Visionen Linda's auf, die sich wie jeder Teenager u.a. in der Badewanne selbst befriedigt. Nach einigen nicht allzu klärenden Gesprächen mit der gerissenen Lorna, in denen Patrick's Furcht und Paranoia zusätzlich zu ihrer häufiger willkürlich-auftretenden Präsenz immer mehr ansteigt, setzt er sogar mit Waffengewalt alles daran, Lorna abzuwehren, trotz greulicher Psychotricks ihrerseits (u.a. lässt sie mehrere, kneifende Krabben auf dem Körper seiner Frau erscheinen).

Linda's Unterbewusstsein jedoch ist ein Schloss ohne Riegel für Lorna und somit offenbart sie sich ihr schließlich als ihre psychische Mutter, verspricht ihr unfassbare Macht und gibt ihr lustvoll die Brust. Dringt sodann aus ihrem Unterbewusstsein in ihre leidlich empfängliche Lust- und Geburtspforte, ihrer Vagina, mit einem falschen Phallus ein (in einer Einstellung, welche das zärtliche Eindringen Lorna's in Linda's Körper beim träumerischen Anfang des Films brutal kontrastiert), entjungert sie somit. Was Linda schlussendlich natürlicherweise dann doch genießt - ihre Unschuld schwindet allmählich davon, da Lorna's Geist folgerichtig in ihren Körper wandert und sich dort verselbstständigt. Selbst als Patrick die physische Form Lorna's erschießt und sich siegessicher glaubt, erkennt er nicht, dass sie bereits die Kontrolle über den Körper seiner Tochter genommen hat, die ihn urplötzlich mit gespreizten Beinen erwartet. Er stürzt sich sogar gierig auf sie, kann er doch der Versuchung beim Anblick seiner nun herangereiften Tochter nicht widerstehen - bekommt von ihr dann aber ein Messer in den Hals geschoben und stirbt. In den letzten Momenten des Films wechselt Linda's Blick von purem Entsetzen in manischen Frohsinn - die Assimilation in eine erwachsene, unabhängige Frau ist vollbracht.

Im Vordergrund steht bei diesem Erotikdrama Franco's der Kampf des Vaters um das Leben bzw. die Sexualität seiner Tochter, dass er durch seine Verzweiflung bereits vor ihrer Geburt in Gefahr gebracht hat (diesem Kapitel wird ein äußerst detaillierter Rückblick spendiert) - hier erschafft Franco einen für sein Gesamtwerk ungewohnt zentralen, männlichen Charakter, der in der Schuld einer diabolischen Femme Fatale steht, welche die Unschuld in Person (Lina Romay) einvernehmen will, lehnt sich dabei häufig sogar explizit an Goethe's FAUST an. Doch diese Problematik verbindet er überaus natürlich mit dem Aufbegehren der sexuellen Entfesselung der Tochter. Durch ihre hormonelle Extase nämlich wird sie erst empfänglich für die sinnliche und sündige Aneignung durch den Teufel Lorna, sodass durch die Zerstörung des letzten Wirtes der Charakter in Linda weiterlebt und sie als Frau gedeihen kann.

Dabei sogar als letzten Befreiungsschlag ihrem Vater vortäuscht, ihn inzestuös zu begehren - er aber sogar gedankenlos darauf eingeht, selber lang gehegte/unterdrückte, inzestuöse Tendenzen auszuleben und schlussendlich dafür büßen muss. In dem Film geht es Franco freilich darum, der Männerwelt ihre eigene Verkommenheit entgegenzustellen - dass sie den weiblichen Körper nicht verstehen, ihn unbeholfen-unnötig tabuisieren und schlussendlich bei seiner Ansicht vor überschwenglicher Lust zusammenbrechen, selbst wenn es sich um die eigene Tochter handelt, von der man sich am Liebsten wünscht, dass sie nie erwachsen wird; doch sie können eben nicht verhindern, dass sie schließlich heranreift, ihrem Elternhaus entflieht und sich selbst entdeckt. Schlußendlich ist eben das der einzige "Exorzismus" Lorna's: die Vetreibung des inneren Spießertums.

Hilfreich mag Franco bei dieser Entmachtungs-Vision/Lehrstück-für-verklemmte-Männer auch gewesen sein, dass die Gesetze für erotische Darstellungen und Pornografie im Film zu der Zeit weltweit wieder ziemlich gelockert wurden und er somit alle Facetten des weiblichen Körpers vor die Linse bringen durfte, die Begierde und die Sinnestaumel um die ersehnte Befreiung der sanften Haut blutjunger Weiblichkeit, ihren Hormonen und ihren erogenen Zonen besonders greifbar vermitteln konnte - was dank der überaus intensiven Darstellung durch Lina Romay und ihren einnehmenden Augen umso stärker gelingt.
Er wird damit selbst zum Verführer, macht uns zum Voyeur, vermittelt dem weiblichem Zuschauer aber ein Selbstbewusstsein für ihre natürliche atemberaubende Schönheit, während er dem männlichen heimlich-versauten Spießer-Zuschauer von einst einen Denkzettel verpasst. Heutzutage sind wir gottseidank alle viel offener "versaut" und können diesen Film vollen Herzens genießen. Wer dahingehend noch nicht "exorziert" wurde, sollte es mit LORNA schleunigst nachholen.




SUCKER PUNCH - 2 1/2 Jahre nach Erstsichtung im Kino hab ich dem Film jetzt im Extended Cut nochmal eine Chance gegeben. Und Junge, ich muss damals ein richtiger Grießbatzen gewesen sein!

Endlich hab ich eingesehen, wieviel Selbstvertrauen Herr Snyder in sein eigenes Konzept gesteckt (das zugegebenermaßen im narrativen Konstrukt noch immer etwas unstimmig ist) und einen Film aus seinem Herzen heraus gemacht hat - selbst wenn manche seine Art von weiblicher Emanzipation schon wieder zu exploitativ finden, die Absicht ist deutlich.

Neben seinem Faible für cineastische Ultraschlachten, dass er hier auf der Fantasyebene in mehreren Episoden in mehreren Genres auslebt, liefert er nämlich auf der "realen" Ebene eine recht berührende Geschichte über von-außen-&-innen-gefangene Frauen, welche mich bereits in den ersten 10 Minuten mit-Gänsehaut-zitternd und feuchten Augen zurückließ.

Dabei setzt er nicht nur auf hyperstilisierte Bilder, sondern auch auf einen Soundtrack, der in seiner Lyrics-Lastigkeit, seinen Fokus auf Tanznummern und seinen Referenzen an bekannte Stücke (bzw. Remixes) geradezu an Musicals erinnert (besonders die Neufassung von "Where is my mind?", die sich als melancholisches Thema durch den gesamten Film zieht, hat es mir angetan).

Und ja, auch die Darstellerinnen fand ich 1a! Deren Charakterisierungen mögen zwar ein Stück simpel sein, aber das Feeling kommt dennoch rüber - erst recht, wenn sie mit solch verkommenen Unterdrückern wie Blue (Oscar Isaac) zu kämpfen haben. Ob jetzt die Fantasyebenen da wirklich was für sie bringen, ist zwar fraglich - schließlich entspricht der Exzess in ihnen nicht wirklich der Wirkung der "realen" Ebene - aber dort scheint eben der Wille Snyder's durch, diesen gequälten Seelen die Katharsis zu geben, die sie verdienen, in möglichst beeindruckender (Fetisch-)Gestaltung.




THE SPIRIT - Nach meiner positiveren Zweitsichtung von SUCKER PUNCH entschloss ich mich, auch diesem gefloppten, stilistisch sehr eigenen Phantastik-Film einem gepflegten Revisionismus zu unterziehen. Da ich in letzter Zeit mit THE DARK KNIGHT STRIKES AGAIN und ALL STAR BATMAN & ROBIN wieder etwas vertrauter mit Frank Miller's spaßig-bizarren Zynismus-Fieberträumen letzter Zeit war, konnte seine ganz besondere Regiearbeit THE SPIRIT ja auch nicht mehr so schlecht dastehen, wie ich ihn ursprünglich sah.

Und tatsächlich, bereits von Anfang an wird klar, wie stark sich Mister Miller an Gestaltungselemente seiner Herkunft hält, strukturiert er die narrative Ebene und ihre überstilisierten Visuals doch 1:1 nach Comic-Schema, besonders solche seines Werkes: Noir-sleazige Monologe, obszön-patschige Silly-Crime-Dialoge, schrullige Karikaktere, surreal-kinetische Backgrounds (dank exzessiven Greenscreen-Spielereien auf moderatem Budget), superdoofe Übersexualität, platt-parodistische Hau-Drauf-Machoismen und Looney-Tunes-Anarcho-Gewalt.

Und auch wie viele seiner letztjährigen Arbeiten ist auch dieses Miller-Piece so überzeichnet und wild, dass die eigentliche Handlung in den Hintergrund gerät und sich den dementen Panel-Kreationen unterwerfen muss. Auf die Dauer kann die recht Dramatik-freie "Spannungs"-kurve den unvorbereiteten Zuschauer natürlich zum Abdriften hinreissen. Doch der käsig-humoristische Unterhaltungsfaktor greift das Interesse dann im nächsten Moment wieder auf, so dass man durchaus von einer gelungen-albernen Comic-Strip-Farce sprechen kann.

Miller haut mit vollem Schwung auf die Kacke - erweckt ungehemmt schmerzfrei seinen ganz speziellen Pulp-Krawall, direkt dem zelebrösen Printquatsch entrissen, auf klobigst-digitalisierte Filmstreifen - liefert dabei (nicht nur visuell) einen so puren, kurzweilig-freiförmigen COMIC-Film ab, der der großen Masse nimmer gerecht werden konnte/wollte.

Wer psychotronischen Cartoon-Spaß ohne Reue und Ernst, dafür mit Hingabe und Kompromisslosigkeit sucht, liegt hier genau richtig. Crazy Frank darf ruhig mehr drehen, wenn's nach mir ginge, am liebsten sogar mit einem R-Rating.




SÉRIE NOIRE - Eine perfide, downward-spiral Gauner-Groteske (im Geiste späterer Coen-Bros. Filme) aus Frankreich ohne Schönfärberei, aber mit ganz viel schwarzem Humor, unbeholfen-fiesen Gewaltausbrüchen und zwielichtigen Gestalten. Über die gesamte Laufzeit manchmal allerdings doch ein Stück frustrierend, wie die/wegen der unkommunikativen Schönheit Mona im Film. Insgesamt jedoch ein herrlich böses Lustspiel mit dem nervösen, halbwegs-liebenswerten Loser & Lügner Frank (Patrick Dewaere), dessen immer tiefer in die Misere reinrasende Kriminal-Odyssee wir hier zähneknirschend verfolgen, bis hin ins bittersüße Make-Believe-Happy-End. Zur wahren Beglückung fehlte zwar irgendwas, worauf ich meinen Finger noch nicht ganz setzen will (schließlich gehört die Frustration durch Mona essenziell zum Filmkonstrukt), aber das muss euch ja nicht unbedingt genauso ergehen. Viel Spaß bei der "Schwarzen Serie" :)




TIEFLAND - Riefenstahl's zwar ästhetisch uneindringlichstes Werk (handwerklich dennoch recht ansprechend), dafür aber eine schön dramatisch-romantische Abrechnung mit diktatorischer Selbstgefälligkeit und Willkür (wer hätte gerade das von der Leni erwartet?), natürlich auch mit einem naiv-unbedarften Schäferburschen als charmanten Gegenpol, inmitten der eindrucksvollen Berge und Täler.

Wenn da bloß nicht diese Geschichte von den Dreharbeiten mit den aus KZ's-rekrutierten und wieder-zurückgeschickten Sinti & Roma-Statisten wäre, könnte man den Film sogar mit einem gänzlich freien Gewissen sehen.

Sei's drum: für sich alleine stehend, ist diese letzte Spielfilmarbeit Riefenstahl's eine lupenreine Opern-Adaption (auch wenn sie selbst für die Hauptrolle der Martha doch schon etwas zu alt wirkt) über die rücksichtslosen Machenschaften der Ausbeutung durch die selbsternannten Volksherrscher und dem Kampf des Guten gegen das Böse, ähnlich märchenhaft einfältig wie in ihrem Regiedebüt "Das blaue Licht" (der gute Hirte Pedro verteidigt bereits am Anfang des Films seine Schafe gegen einen Wolf - als der böse Großgrundbesitzer dann die Martha dem Pedro stehlen will, stellt dieser sofort fest: "Du bist der Wolf!" und es kommt zum Showdown unter Blitzgewitter) - schließlich gibt's auch ein strahlendes Happy-End. Geht vollkommen in Ordnung.

Sonntag, 11. August 2013

Tipps vom 05.08. - 11.08.2013



NIGHT OF THE HUNTED - Die wohl schönste, tragischste und packendste Liebesgeschichte, die ich seit langem genießen durfte!

Brigitte Lahaie, Dominique Journet und Catherine Greiner - hier werden sie zu zerbrechlichen, eindringlichen Leinwandgöttinnen, welche selbst die unsterbliche Falconetti stolz machen dürften. Sie wollen leben, lieben, den Moment für immer innehalten.

Doch ihr Schicksal holt sie ein - diese wunderbaren Geschöpfe, die man durchweg fest in seine Arme drücken will, werden uns weggenommen, sind verdammt (unfassbar intensiv) zu leiden:

Gefangen in diesem endlos-hohen, ausbruchssicheren Monolith des Vergessens, inmitten von Wolkenkratzerspießen der Großstadt - die Hölle auf Erden: erdrückende Korridore; spartanische Zimmer; Aussichten nach draußen ausschließlich bei Nacht; keine andere Menschenseele in Sicht, die einen befreien könnte.

Während sie komplett machtlos die Fähigkeit zum Leben verlieren, sich an ausgedachte Erinnerungen klammern müssen, zerbrechen und zerbrochen werden. Selbst der holde Retter aus der Aussenwelt kann nicht verhindern, welch unmenschliche Euthanasie mit ihnen dann getrieben wird. Doch er gibt nicht auf, auch wenn er seinen eigenen Verstand dafür verlieren muss...Hand in Hand in die Unendlichkeit...

Am Ende, bei der bittersüßen Erlösung dann, kann man nur plören.
Essenzielles, hypermenschliches Meisterwerk von Jean Rollin (R.I.P.).




VAMPYROS LESBOS - Eine hypnotische Liebesgeschichte, eingehüllt im Rot des Blutes, der Wollust, des Übernatürlich-Fremden, dass durch interdimensionale Glasscheiben, Tapetenformen, Deckengeflechte und vorallem hochsensible Sinnestore, in unsere Welt zu suppen versucht, für die Erfüllung dessen Sehnsüchte.

Hell erleuchtet von rot strahlenden Lampen und Kerzen, in lauen Swimmingpools und türkischen Striptease-Clubs schwelgend, feiern die makaber-mysteriösen Vampirdamen hier ihren Liebesrausch. Angeführt von der omnipräsent-betörenden Soledad Miranda als phantastisches Leitmotiv schafft Franco hier leidenschaftlich-traumhafte Euro-Magie, die seine unbelehrbar-egomanischen Männerfiguren nicht zu brechen vermag.

Der Übergang zu unserer Welt wird letzten Endes aber doch nicht vollzogen, so Leid es der menschlichen Protagonistin auch tut. Es darf einfach nicht sein (da ist sie noch zu sehr an die gesellschaftlichen Konventionen gebunden) - so endet auch diese Liebesgeschichte, ob nun real oder nur geträumt, tragisch.




DOWNTOWN - DIE NACKTEN PUPPEN DER UNTERWELT - Der pummelige Franco inszeniert sich selbst als hartgesotten-spruchreifen Hardboiled-Hero Al Pereira (gewitzt synchronisiert von Gerd Duwner, so dass die Niedlichkeit seines kleinwüchsigen Ulk-Detekivs umso drolliger wirkt), der sich in die drall-übersexte Cynthia (Lina Romay) verguckt, die in Nachtclubs strippt und in akzentreichem Englisch versaute Chansons säuselt (weniger wie die Monroe, mehr wie die Steeger ♥).

In einem schlüpfrig-blödeligen "Film Noir", der wohl kaum den ästhetischen Standarts des Genres gerecht wird, stattdessen auf saftig-versiffte Sex-Szenarien, bizarr-schrullige Off-Texte und lasziv-flapsige Flirt-Dialoge setzt, welche die sleazige Essenz der Mann/Frau-Verhältnisse solch altbekannter Detektivfilme schön plakativ und überaus körperbetont-exhibitionistisch herauskristallisiert, dabei oft ans Pornografische grenzt (nochmal ♥ ♥).

Aber auch eine höchstsympathische Entspanntheit strahlt der Film aus, innerhalb bunt-&-klobig-ausgestatteter Sets/Hotelzimmer und schwül-spanischer Urlaubsluft, die höchstens vom griesgrämigen Inspector Mendoza (Paul Müller) unterwandert wird, ihn aber gekonnt mit der nächsten, frivol-erregenden Sinnestat abweisen und läutern kann, zusammen mit dem verspielten Jazz-Geklimper des Soundtracks.

Zudem auch mit relativ süßen Szenen, in denen Franco ganz gemütlich mit Beni Cardoso (in der Rolle seiner Gelegenheitsdame Rita) im Bett liegt und über den Fall daherquasselt, innig und erwärmend. Witzigerweise ist sein Detektiv in der nächsten Szene aber, wie so oft, schon wieder komplett knülle.

Dieser Anachronismus geht dann auch gut einher mit dem ausserordentlich minimalistischen und mehr und mehr nebensächlich-inkonsequenten Krimi-Plot, dass man als Zuschauer stetig zum reinen Genießer, weniger zum Mitdenker des Geschehens wird...wenn man denn nichts gegen die 70er Jahre-typischen, einigermaßen behaarten Geschlechtsteile hat. Wer aber überhaupt bei diesem Film angekommen ist, dürfte sowieso schon längst daran gewöhnt sein und ihn folgerichtig richtig mögen.




EUGENIE DE SADE (DIE JUNGFRAU UND DIE PEITSCHE) - Maria Rohm liegt in ihrem Appartement herum und liest, mit einem verschmitzten Grinsen auf den Lippen, ein Buch vom Marquis de Sade (wie könnte es anders sein?). Ihre dunkelroten Gedankenzüge entfalten sich sodann auf der Leinwand - während Christopher Lee, augenzwinkernd zum Publikum, De Sade's Zeilen rezitiert, findet unter Mönchgesang die Opferung eines Mädchens statt - ihr wird das Herz rausgeschnitten und die Rohm langt als Erste zu, dessen frisch gezapftes Blut lustvoll zu verköstigen.

Inspiriert von diesen literarischen Sadismusfantasien, spielt sie die sinnliche Verführerin und lockt die unschuldige Eugenie (Marie Liljedahl) auf ihre dekadente Lustinsel, wo sie langsam, aber sicher in die Welt der Sinnlichkeit und unterwürfigen Perversionen hineingeführt wird - erst mit neckischen Fummeleien, dann mit Date-Rape-Drogen und Haschisch, unter den begierigen Blicken des offensichtlich impotent-devoten Jack Taylor - während die anderen, bereits-gebrochenen Untertanen der Beiden nur hilflos zuschauen können.

Bezeichnenderweise ist einer dieser bewährten Untertanen, Augustin, auch noch schwarz und muss widerwillig als Gitarre-spielendes Sextoy Rohm's herhalten, während Taylor meist ganz bubenhaft-verträumt, aber auch hinterlistig-selbstverliebt an den Jalousien herumspielt, die Bumsräume auch in gleißendes Rotlicht hüllt, während der Nicolai'sche Top-Easy-Listening-Score groovig-symphonisch dahinwabert.

Schließlich kommen noch andere Gäste (die Rohm's Folterfantasien entsprungen sind) auf die Insel, um ihre brutal-erotischen Greueltaten auszuspielen, was schon ziemlich deftige Ausmaße annimmt. Danach jedoch versichert Rohm ganz zärtlich ihrer Eugenie, dass sie diese Quälereien nur geträumt hat. Und tatsächlich: ihre zugetragenen Verletzungen sind verschwunden. Doch Traum und Wirklichkeit verschwimmen schlussendlich wie so oft bei Franco und ein Entkommen aus der Hölle, in die man sie hinterhältig hineingeworfen hat, scheint unmöglich.

Dabei setzt die gelungene Inszenierung vorallem dank der extremen, abgeschotteten Ausleuchtung auf die Aufbrechung der Dimensionen, eskalierend in einem infernalischen Finale, dass Eugenie - nackt und zerbrechlich - keinen Ausgang in ihre gewohnte Realität und Unschuld mehr zulässt. Auch geht jeder der Schauspieler in seiner Rolle wunderbar auf: Rohm als betörend-perfides Teufelsweib begeistert da am Meisten, bringt sie doch eine Lust und ein Körperbewusstsein in die niederträchtige Sphäre der Alptrauminsel, somit der zarten, unberührten Schönheit der blutjungen Marie Liljedahl in nichts nachsteht.

Die Männerfiguren sind wiederum meist der Lust der Frauen verfallen, trotten ihnen hinterher, quälen dafür aber auch nicht umso weniger besessen. Im Gegenteil, Christopher Lee, der zum Schluss hin als Herr zwischen Erde und Hölle steht, verdammt Eugenie auf ewiges Fegefeuer, nachdem er sogar die Folterung an seiner Jüngerin Rohm zugelassen hat.

Der lustvoll-ausschweifende Nihilismus ist dann auch so konsequent umgesetzt und auch noch recht ansprechend gestaltet, dass man hier wieder mal von einem gelungenen Franco-Frühwerk sprechen kann. 1975 sollte noch ein weiterer EUGENIE-Film von ihm folgen (den er schon 1970 drehte), diesmal mit Soledad Miranda in der Hauptrolle. Ich bin hochgespannt :)




MARQUIS DE SADE - JUSTINE - Eingeschlossen im lichtdurchfluteten Kerker entbrennt in Marquis de Sade's (Klaus Kinski) Geisteszustand ein "pompöser" Fieberwahn (angetrieben durch den abenteuerlichen Bruno-Nicolai-Score), bringt Frauengeister in Ketten und bunten Lichtern zum Vorschein - schon setzt er mit der Schreibfeder zu seiner neuesten Geschichte an. Stellt Franco sich hier in seinem eigenen kreativen Schaffensprozess dar? Schließlich kann man davon ausgehen, dass er sich am Ehesten mit dem französischen Erotik-Schriftsteller identifizierte, verfilmte er nicht nur einmal dessen Geschichten, begnügte sich auch desöfteren etlicher Sadomaso-Elemente seines Werkes.

In diesem Fall bringt er allerdings eine relativ leichtlebige Geschichte auf die Leinwand. Romina Power als titelgebende JUSTINE erlebt liebestolle Barockabenteuer in einem recht kurzweiligen Tempo. Wirkt dabei so naiv, unbeholfen und unschuldig (Franco meinte einmal, sie sei eine noch schlechtere Schauspielerin als Sabrina Siani - meine Meinung: wirklich überzeugend ist sie nicht) neben den anderen, aufgedreht-überzeichneten Charakteren, die sie auf ihrem Wege trifft (allen voran: Horst Frank, Howard Vernon mit Paganini-Perücke und ein delirierend-besoffener Jack Palance), welche alle sehnsüchtigst um ihren jungfräulichen Körper buhlen, ausgedrückt in schlicht-ulkiger Geilheit bis hin zur lustvollen Folter, dass man sich wahlweise an ein Jack-London-Jugendabenteuer, ein Coming-of-Age-Märchen oder eine Decameron-Geschichte erinnert fühlt - mit der ein oder anderen, perfiden Intrige, Brandmarkung oder Nadelpiekserei.

Die (offenbar ziemlich originalgetreue) Gestaltung des Films ist sogar recht angenehm für's Auge, authentisch ausgestattet (dank Harry Alan Towers' Finanzspritze) und solide fotografiert, lässt aber auch Raum für die Franco-typische Handschrift - nennenswert seien da natürlich die wilden Fieberfantasien Kinski's, die "extremsten" Episoden von Justine's Körpererfahrungen durch Jack Palance's geile Mönche, als auch die Bordell-Abenteuer von Justine's Schwester Juliette, gespielt von der obligatorischen, zeigefreudigen und hier auch lustvoll-rabiaten Maria Rohm.

Insgesamt bietet sich hier ein unterhaltsam-abwechslungsreicher und genüsslich-frivoler Streich um die Lösung der Virgin-Angst an, auf der Suche nach der ultimativen Lust und der wahren Liebe, in einer herrlich verkommenen Spritzer-Welt.




DIE VERGEWALTIGUNG DES VAMPIRS - Recht pessimistisches Vampirdrama und Debütfilm von Jean Rollin, in 2 Teilen. Wie die missverstandenen Kreaturen von der intoleranten Dorfgemeinschaft gejagt und getötet, schließlich durch ihre machthungrige Vampir-Königin wiedererweckt, doch wie Ausgestoßene von ihren veblendeten Artgenossen verachtet werden, sodass sie auch aktiv an einer Heilung vom Vampirismus arbeiten, doch für ihren Verrat unbarmherzig gequält werden, präsentiert sich unhaltbar brutal und tragisch - bis die Gepeinigten schlussendlich zurückschlagen, aber feststellen müssen, dass ihr vermeintliches Gegenmittel Vampire tötet und somit keine Chance auf Heilung mehr besteht.

Konsequent apokalyptisch und entmystifizierend, die Stimmung dieser vom Chaos der 68er-Studentenunruhen beeinflusste Genreperle - wird auch durch die kakophon-zerbrechende Musikuntermalung und der expressionistisch-düsteren Kamera- & Schnittgestaltung hervorgehoben.
Im Gegensatz zu späteren Rollin-Vampirgeschichten zum Hineinträumen denkbar ungeeignet, eher verstörend und verbitternd. Dennoch unbedingt sehenswerte Untoten-Tragödie!




TRANCE - ist recht wunderbar misslungen, da die audiovisuelle Gestaltung Boyle's eine ausserordentlich-artifizielle Beglückung hervorzaubern kann, obwohl die narrative Ebene unnötig verkompliziert, bemüht-logisch und letztendlich doch widersprüchlich entworfen ist.

Hinzu kommt, dass sich der Film zwar nur um reine Trickserei und Rollenspiele dreht, dann aber einige reißerische, "große Charakterentwicklungen" hineinzwängen will, die aufgrund der leidlich packenden (dennoch mit verschenktem Potenzial versehenen) Figuren aber häufiger im Sand verlaufen - was umso schader ist, da der Film im Verlauf deutlich Frauen-zentrierter erzählt wird.
Sinniger wäre gewesen, die vielen unnötigen Plottwists einfach rauszulassen oder auf ein Minimum zu reduzieren, da sie den Zuschauer doch eher von dem eigentlichen Genuss des Hypnose-Konzepts, zur Auffindung eines Gemäldes, ablenken.

Rollenspiele und suggerierte Fantasien (auch erotische), dank denen McAvoy in seinen Erinnerungen lockerer wird, wo sich die Gangster für seinen Komfort mal benehmen und ihm auch Schwäche vortäuschen müssen: das macht den eigentlichen Spaß des Films aus. Und passt zum schelmisch-bubenhaften Charakter McAvoy's, um dessen Erinnerungen gebuhlt wird.

Sein naiv-beschwingtes Bubentum spiegelt sich dann auch in Boyle's Inszenierung wieder, die auf wunderbar-verschrobene Kamerawinkel und einen sphärisch-treibenden, höchst-emotionalen Soundtrack setzt. Welcher in seiner teils schwebenden Ambient-Elegie besonders schön die Erlösung aus den Hypnosesitzungen akzentuiert. So entstehen einige wunderbar rauschhafte Sequenzen, die dann jedoch darauffolgend vom aufdringlichen, Mindfuck-versessenen Plot abgeknickt werden, die bezeichnenderweise McAvoy's Charakter vollkommen ins Perfide umkrempeln, Boyle somit auch ein Stück "kastrieren".

Die Intention hinter diesen Wendungen wird schnell ersichtlich, werden doch durch das phantastische Verwirrspiel verschrobener Gedächtnisdimensionen und die damit verbundenen, extremen Körperhorror-Schocks sowie bizarren Erotik-Wunscherfüllungen (Rosario Dawson: WOW!) Erinnerungen an das Kino David Cronenberg's hervorgerufen.

So kommen dann auch viele bekannte Elemente aus Werken wie CRASH, eXistenZ, NAKED LUNCH, EINE DUNKLE BEGIERDE und vorallem EASTERN PROMISES zusammen - dem Film, der das moderne London und dessen Doppelbödigkeit durch die Augen Cronenberg's zeigte, ebenfalls mit Vincent Cassel als Gangster mit Herz. Doch Boyle's Hommagen an PROMISES (allen voran dessen Thriller-Elemente) in diesem, SEINEN London-Film, arbeiten leider eher gegen die eigentliche Schönheit von TRANCE - welche zwar dennoch sehr oft und schön zum Vorschein kommt und begeistert, aber durch frustrierende narrative Zwischenstopps und Sackgassen geschmälert wird. Wunderbar misslungen eben.




MEAN GIRLS - Lohan, Seyfried, McAdams, Fey, Caplan, Poehler: *schwärm* ♥




YOUR VICE IS A LOCKED ROOM AND ONLY I HAVE THE KEY - Man mag sich nicht sofort mit dem vermieften Sadistico-Assi und seiner Prügelopfer-Frau als Protagonisten anfreunden, aber der weltgrößte Bruno-Nicolai-Score lässt schon erahnen, dass Hilfe auf dem Weg ist:

Die unübertreffliche Edwige Fenech, die einfach jedem sein Leben (vermeintlich) verbessert - wie Milla Jovovich in dieser einen EINE SCHRECKLICH NETTE FAMILIE-Folge. Na gut, Ivan Rassimov mit Lagerfeld-Haarhelm hätt's sowieso nicht gebracht.

Und trotzdem muss jemand wieder Stunk machen, da werden links und rechts Leute aufgeschlitzt, Katzenaugen ausgestochen, ein Teller voller Augen serviert, der Assi und seine Frau können sich noch immer nicht ab, etc.

Doch alles endet in einer schön verspielten Twistigkeit, wie es Martino schon (besser) in DER KILLER VON WIEN gelungen war. Und kann wie immer, neben einer ansprechenden Inszenierung und einer gewissen Spannung, mit einer ausgiebig-nackten Fenech punkten. Nettes Giallöchen.

Sonntag, 4. August 2013

Tipps vom 29.07. - 04.08.2013 (inkl. Jess-Franco-Special)



LIPS OF BLOOD - Ich kann Jean Rollin einfach nur dafür bewundern, wie konsequent und entfesselt er seine innersten Fantasien und schönsten Träume auf Zelluloid bannte, mit minimalistischsten Dialogen und Handlungen (obwohl die Grundidee allein schon einfach die pure Beglückung ist) und einer Riesenmenge eindringlichster Bilderwelten auf kleinstem Budget.

Umherwandelnde Vampire, die befreit werden wollen. Aus verwunschenen Burgen, an die unser Held (Thomas-Gottschalk-Lookalike Jean-Loup Philippe) sich aus Kindertagen sehnsüchtigst zurückerinnern will. Auf der Suche nach diesem heilig-gothischen Ort trifft er auf die göttlichsten Aktmodelle und Fotografinnen, die ihm sofort um den Hals fallen. Geht dann ins Kino und schaut sich LA VAMPIRE NUE von Jean Rollin an (^^).

Und dann erscheint SIE, sein Nosferatu-Traumgirl (Annie Belle), der er sofort hinterherläuft. Auf einigen der wundersamsten (und ausgiebig-traumhaft fotografierten) Wanderwege der Nacht, die sodann von weiteren, in schlichter Seide gehüllten, nackten Vampirinnen erfüllt werden. Schließlich jedoch verfolgt ihn ein Mörder mit Schalldämpfer, doch 2 eineiige, blonde Vampirinnen retten ihn mithilfe einer der größten Wasserfontänen, die sich gen Nachthimmel erstrecken durften.
Irgendwann erwacht die Nacht zum Tage, man weist ihn in eine Psychatrie ein, doch der schöne Traum ist noch nicht zuende: die Zwillingsvampire befreien ihn und sodann macht er sich per Zug auf den Weg in die Vampirburg, wo seine Mutter ihn zwingen will, seinen Traumvamp zu köpfen. Er "trickst" sie aber aus, befreit seine große Liebe und schlägt mit ihr, nackt entlang der Strandküste, den neuen Lebensweg ein, mit dem Sarg in den Liebesrausch des Meeres.

Ich hab mich verliebt :) BITTE MEHR ROLLIN, JETZT! (R.I.P.)




DES TEUFELS SAAT - Der Film hat genau das gemacht, was ich von ihm wollte - wie oft hat man das schon? :) Finster, angsteinflößend, perfide, trippig, mit viel Liebe zur Fantastik und zum Horror gestaltet - das Konzept rockt, ist durchweg konsequent und atemberaubend in seinen Bilderwelten, Effekten, Stimmungen und seinem Soundtrack. BTW, eine Fortsetzung vom Film wäre gar nicht mal so falsch gewesen^^




AUF DER REEPERBAHN NACHTS UM HALB EINS - Der wohl (bisher von mir gesichtete) herzlichste Hamburg-Milieu-Knaller Rolf Olsen's.

Die erste Stunde lang lernt man Hannes Teversen (Curd Jürgens) und seine Mitmenschen kennen, die sich nach 8 Jahren Zuchthaus wohl (o. übel) an ihn zurückerinnern und ihn wieder zu sich aufnehmen (o. ablehnen). Ihn, dem Unrecht getan wurde, der damit kämpft, seinen Namen reinzuwaschen, wieder Kapitän zu werden und wieder lieben zu können. Ihn, der 8 Jahre seines Lebens verpasst hat und mitansehen muss, wie seine Kumpanen ohne ihn schwere Zeiten durchmachen mussten.

Zusammen aber raffen sie sich auf und erschaffen wieder Lebensfreude für sich, können sogar ein paar Lieder beim Rundgang über die Reeperbahn trällern, ohne dass die eigentliche Krimi-Handlung des Films großartig dazwischen funkt - hier bleibt recht viel Raum für die Charaktere, die sich selbst vorantreiben. So muss es sein (und ich musste mir die ein oder andere Träne verkneifen).

Im letzten Drittel allerdings verschenkt Olsen ein gutes Stück emotionales Potenzial und liefert die reißerische Gangster-Action, die durchweg angedeutet wurde (sowie einige nette nackte Tatsachen und andere exploitative Elemente), hier aber den Hauptsitz einnimmt. Diese Auflösung passt zwar einigermaßen, bleibt aber weit hinter den Möglichkeiten zurück, wenn man bedenkt, was die erste Stunde alles menschlich angerissen wurde.

Aber schwamm drüber, die Lebensfreude siegt am Ende trotzdem und dafür lob ich sie mir, diese tolle Hamburg-Zeitkapsel mit dem sympathischsten Jürgens seit "langem". Bin gespannt auf das Original mit Hans Albers und Heinz Rühmann!




CARLOS - Sehr ruhiger und impressionistischer Western von Hans W. Geissendörfer. Hier weicht der Heroismus launiger Cowboyhelden einer allgegenwärtigen Niedergeschlagenheit und einer hart-wehmütigen Todessehnsucht im Angesicht lähmensten Nihilismus, dass tatsächlich jede einzelne Verletzung, ob sie nun einem Guten oder einem Bösen widerfährt, diesen recht traurig und erschöpft zurücklässt und für den Zuschauer spürbar wird. Unterstützend sind hierbei die lethargischen Kamerafahrten Robby Müller's, der symphonisch-düstere Soundtrack und die hoffnungsfrei-gebrochenen Figuren dieses "Endzeit"-Westerns, in dem keinerlei Erlösung oder Spektakel geboten wird, konsequent bis hin zum finalen, unausweichlichen Schusswechsel, der eine ganze Familie zerstört.




DIE REGENSCHIRME VON CHERBOURG - Ein komplett zuckersüß-beschwingtes, über mehrere Jahre erzähltes, Liebes-Musical, dass mich in vielerlei (erst recht Story-technischer) Hinsicht an Andrei Konchalovsky's spätere Musical-Kitsch-Demontage "ROMANZE FÜR VERLIEBTE" (1974) erinnerte, nur eben dessen entzaubernden Realismus missen lässt - stattdessen selbst in den dunkelsten Momenten seine sehnsuchtsvolle Musikalität beibehält. Einfach zum Knuddeln - mit einem Gänsehaut-Finale der Extraklasse! :)




DAS MÄDCHEN, DAS DURCH DIE ZEIT SPRANG - Ganz, ganz schönes und leichtlebiges Anime-Zeitreise-Märchen, das viel Herzschmerz und übersympathische Charaktere mit sich bringt - eine Zweitsichtung ist wohl Pflicht^^




STRAY CAT ROCK: SEX HUNTER - *ACHTUNG - SPOILER* Inmitten einer japanischen, psychedekadent-verblendeten Jugendgang-Community, die rücksichts- und perspektivenlos ihre Umwelt unterwirft und verlottert, entbrennt aus allzu kindischen Gründen ein brutaler, gegen "Halbblüter" gerichteter, Rassismus, angezettelt von der halbstarken Männerfraktion, den "Eagles". Diese wird angeführt von einem gewissen "Baron", der mit diesen "Halbblütern" ein traumatisches Erlebnis verbindet und nun Jagd auf diese macht - insbesondere auf Kazuma, der seine verlorengeglaubte Schwester sucht. Zunächst lediglich skeptisch steht dem "Baron" die "Stray-Cats"-Mädelsgang um Mako (Meiko Kaji) entgegen, die ebenso eine durchweg narzistische Lebensauffassung um Parties, Drogen, Sex und Kleinkriminalität verfolgt. Auch als sich herausstellt, dass Kazuma's Schwester in ihren Reihen verkehrt, weißt diese ihn sichtlich bemüht-verleugnend ab. Dann jedoch erfahren sie ein Schlüsselerlebnis, als der Baron sie an die weißen US-Besatzer für eine "Rape-Party" verschärbelt. Sodann entschließen sie sich zurückzuschlagen und für die Gerechtigkeit zu kämpfen, doch die erhoffte Katharsis erstickt allzu schnell.

Der erste Eindruck, den ich zunächst vom Film hatte, war, dass er ein saubunter, frecher Gang-War-Exploitation-Streifen sein müsste, in dem ganz viel Sex, Gewalt und knallige Popsongs die Richtung bestimmen würden. Doch er entpuppt sich als ein durchaus kritisches Bild einer emanzipiert-haltlosen Jugend, die ganz naiv, anarchisch und selbstsüchtig um Territorien buhlt und Andersartige aus ihrer Clique und ihrem Turf verbannen will. Das äußert sich in einer Lynchjustiz und einem angehenden Faschismus, den der "Baron" mit seinen Mitläufer-Boys durchsetzen will, schlicht und einfach aus purem Hass. Zudem biedert er sich an die weißen Besatzer an, lässt seine Gang in G.I.-Trucks rumrasen, liest Jagdmagazine (deren Bilder er an Kazuma rekreiert) und organisiert die schon oben erwähnten Gangbang-Happenings für seine neuen Gaijin-"Freunde". Er ist absolut machthungrig und blind vor Hass, doch ein komplett einseitiger Charakter ist er nicht. Grund hierfür ist zum einen sein Hintergrund (das traumatisierende Erlebnis seiner Kindheit), dass ihn in diese Gangwelt hineingeworfen hat, und zum anderen seine wiederum kindliche Versessenheit auf Mako, dem einzigen Halt, den er sich wohl vom Leben noch erhofft, als Ersatz für seine zerrüttete Familie. Da sie sich jedoch schließlich für den "Halbblüter" entscheidet, rastet er vollends aus und schlägt einen fatal-selbstzerstörerischen Weg ein. Das ist für einen Bösewicht im Pinky-Violence-Genre schon recht tiefsinnig von der Charakterzeichnung her.

Auch sonst ist der Film mit recht ernsten Themen unterlegt und man kommt nicht umhin, Paraleelen zu einigen sozialkritisch-antirassistischen Melodramen Fassbinder's (oder eben dessen Vorbild, Douglas Sirk) zu sehen, erst recht da "Baron" vom Look und vom Charakter her dem Fassbinder und seinen Figuren durchaus verbunden ist, quasi aus demselben Universum stammen. Da STRAY CAT ROCK gerade mal von 1970 ist, ist es zwar recht unwahrscheinlich, dass Regisseur Yasuharu Hasebe wirklich vom Rainer-Werner beeinflusst wurde, denselben Geist haben sie dennoch irgendwie inne (auch wenn Hasebe eine zelebrösere Optik und flottere Inszenierung anwendet). Zentral dafür steht natürlich auch die Figur Kazuma's, dem ausgestoßenen "Halbblüter", der die sadistischen Spielchen der Eagles ertragen muss, getreten und niedergeschlagen wird und selbst in seiner "Heimat", der "Mama-Blues"-Bar, vor Hilflosigkeit und Enttäuschung erstarrt, wie seine anderen "Brüder" dort, die machtlos gegen die Gewalt der Eagles scheinen. Als einzigen Ausweg sieht er schlussendlich nur noch die Gewalt. Und obwohl Mako ihn davon abhalten will und die vermeintlich letzten Stunden mit ihm verbringt (sie säuseln noch ein letztes, trauriges Duett zusammen), kann sie auch das tragische Duell zwischen ihm und Baron nicht verhindern, in dem auch noch Kazuma's Schwester, die ihre Verleugnung doch noch entladend überwindet, ihr Ende findet.

So schließt sich dann der Vorgang um diesen vermeintlichen Exploitation-Kracher ganz bitter und melancholisch, in einer pessimistischen Auflösung, die jeden überlebenden Protagonisten in Sprachlosigkeit zurücklässt. Wow :D




A FIELD IN ENGLAND - Eine ruppige, minimalistische Medieval-Quest, auf der Suche nach einem Schatz, der Gewalt und Fegefeuer heraufbeschwört und den Protagonisten die Psyche zermatscht (auch dank Mushrooms). Es wird viel geflucht, die Helden sind von Kopf bis Fuß in Scheiße eingeschmiert, sind ihrer erdrückend-umnachteten Natur hilflos ergeben und verfallen frustriert in ständige Streiterei. Regisseur Wheatley inszeniert diese Burschen recht zynisch und kann mit keinem so richtige Sympathiepunkte erzielen. Umso erlösender wird es für den Zuschauer, sobald sie aufhören, sich anzukeifen. Denn dann verfällt Wheatley dem audiovisuellen Rausch, den man sich von den ersten Trailern erhofft hat und schickt den Zuschauer auf eine eindringliche, wenn auch meist leider viel zu kurze Reise ins cineastische Wunderland - am Besten wirkt da noch die letzte halbe Stunde, die sich dem Wahsinn vollends ergibt und der Logik ein Bein stellt/wegschießt. Vollends begeistern konnte er mich leider nicht...da wünscht man sich einfach mehr Bilder & Atmo, weniger Gerede - aber der Versuch war es wert :)


Und nun, weil ich in dieser Woche schon recht viel von Jess Franco gesehen habe, hier einige Empfehlungen von mir (Achtung: Beim Lesen werdet ihr womöglich angenehm überrascht sein, wieviel ihr von mir über Franco's Filme dabei lernt):




NECRONOMICON - GETRÄUMTE SÜNDEN - WARNUNG: wer SPOILER vermeiden will, sei auf den letzten Abschnitt dieses Kommentars hingewiesen, wo ich spoilerfrei auf den Gesamteindruck des Films eingehe.

*AB HIER SPOILER*

Schon nach wenigen Minuten (inkl. einer inszenierten Folter-Erotik-Show und einem privaten Striptease) entführt uns der Film für längere Zeit in die wunderbare Traumwelt von Lorna (Janine Reynaud), wo sie sich schwelgerisch von Ort zu Ort bis hin zu ihrer Traumburg fahren lässt, dort umherwandert und schließlich eine Liebes-Session mit Howard Vernon beginnt. Das Gefühl der Hemmungslosigkeit und Freiheit ist hier allgegenwärtig. Im nächsten Moment, wieder in der etwas grimmigeren Realität angekommen, wird ER ermordert aufgefunden - sie wendet sich verschreckt von diesem Horrorbild ab. Sucht dann Ablenkung in der Gesellschaft, in die sie ihr Liebhaber Bill (Jack Taylor) hineinführt: eine verblendete, im LSD-Rausch-verlorene Intellektuellentruppe, die sich an ihr ergötzt, wie an einem Stück Fleisch.

Eifersüchtig zerrt Bill sie aber wieder zu sich und nimmt sie mit in eine dekadente Casino-Bar, wo sie bereits von einem Fremden (Michel Lemoine) beobachtet wird, der ihr erklärt, dass sie unter seinem Bann steht, dann allerdings wieder weitergeht. In diesen Sequenzen schon entblößt Franco, wie schein-"frei" Frauen in dieser so hochkultiviert-aufgeklärten Gesellschaft der 60er noch waren. Setzt es zudem mit einer weiteren Traumsequenz fort, in der Lorna's Leidenschaft nach der Liebe-einer-Frau durch plötzliche Gewalt, die sich aus der Realität in ihr Unterbewusstsein gedrängt hat, zunichte gemacht wird. Sie wacht auf und erblickt zudem eine tatsächliche Leiche neben sich. Kein Platz mehr zum Träumen. Schließlich reist sie auf Drängen Bill's mit ihm nach Berlin, doch aus einer wahllosen Laune heraus beschließt er ein Komplott, sie umbringen zu lassen, durch eben jenen Fremden aus der Casino-Bar, indem er sie in eine Falle lockt (war ihr letztes "Opfer" auch fingiert?).
Diesmal ist die Folter-Erotik-Show nämlich real und Lorna bringt unbewusst ihre zwei Kollegen um. Auf ihrer verzweifelten Flucht wird sie scheinbar erschossen, Bill sieht sich siegessicher und wandelt in sein Hotelzimmer zurück - wo sie allerdings schon wartet und ihm einen letzten, tödlichen Kuss verpasst. Dies wird überblendet mit Nahaufnahem der Augen des Fremden, der sie somit wohl tatsächlich in seinen Bann gezogen hat. Mit ihm jedenfalls schreitet sie in der Schlusseinstellung des Films in ihre Burg aus den Träumen, die jetzt höchst real erscheint, hinein. Ist er, der vermeintliche "Gebieter", letzlich der wahre Erlöser Lorna's aus der heuchlerischen, pseudoliberal-dekadenten Kulturgesellschaft?

*SPOILER ENDE*

In diesem Frühwerk von Jess Franco werden schon die pro-feministischen Grundsteine seiner späteren Filme bereitgelegt. Selten aber war die Optik seiner Werke so hochwertig, feinfühlig und reich ausgestattet wie hier (dank dem hohem Budget, dem erfahrenen Kameramann Franz X. Lederle und dem Input Karl Lagerfeld's) - da entstehen Sequenzen von anmutiger und schwelgerischer Qualität, dass man mit Lorna zusammen ins Träumen gerät. Selbst die sadistischen Showszenen und perfiden High-Society-Happenings leben von solch einer sehnsüchtig-genüsslichen Langsamkeit, dass der ziellose Narzismus der verlogenen Beatnik-Haute-Couture-Playboys allzu greifbar wird. Franco baut hier schon verstärkt auf Atmosphäre, traumtänzelt gleichsam auf süßem Sahne-Eis und zum-Aufspringen-gespannten Goldklingen. Zeichnet dabei das Bild einer sehnsuchtsvollen, erotisch ent-/gefesselten Frau, die aus der Männerwelt herauswachsen will, dafür unbequem beäugt/sabotiert wird und schließlich doch gewinnt. Ein kleines Meisterstück!




VENUS IN FURS (PAROXISMUS) - Gestrandet, abseits der Realität, im Angesicht eines Strudels aus fiebrigen und alptraumhaften Erinnerungen, die nach und nach angespült werden, wogegen das melancholische Spiel auf der Trompete nur schwer ankommt.

So ergeht es unserem, von Angst zerfressenen, "Helden" Jimmy (James Darren), der sein traumatisiertes Leben wieder in den Griff kriegen will, aber immer wieder davon gequält wird, ein- und derselben Frau (Maria Rohm) verfallen zu sein. Weil er deren grausamen Tod hilflos mitansah und nun in einem unausweichlichen Zyklus erlebt, wie sie immer wieder (im Grunde schon seit Jahrhunderten) auf die Erde zurückkehrt, um ihre Mörder als "Venus in Furs" in die Hölle zu schicken.

"We escaped from the real world into a dream world...that I never wanted to end..."

Franco pendelt hier losgelöst von den Fesseln Zeit und Raums, zwischen Istanbul, Rio und einer darüberliegenden Zwischenwelt umher. Zu berauschend-intensiven Bildern und zelebrös-verträumten Musikklängen (alleine schon im Intro bis hin zum göttlichen Titelsong). Surrealismus nimmt hier stimmungsvoll Überhand (auch wenn Jess sich mindestens eine Auto-Verfolgungsjagd nicht verkneifen konnte) - erschafft somit eine der schönsten & intensivsten Rauschfantasien im Gesamtwerk Franco's, bis hin zum erlösend-abgerundeten Finale.

"Venus in furs will be smiling"

"Venus in furs will be smiling"

"Venus in furs will be smiling" 




KÜSS MICH, MONSTER - Völlig unbedarft-erfrischendes, spaßig-kurzweiliges Frauen-Krimi-Abenteuer um 2 charmante, gefahrsuchende Globetrotter-Damen, die mit ganz viel Witz und Blödelsynchro einen allzu bizarren Fall mit vielen irren Wendungen lösen. Verbringen die Zeit am Liebsten damit, Musiknummern mit Striptease-Einlage aufzuführen, u.a. im Saxophon-Duett mit Glitzer-Frack und Zylinder.

Diese ulkige Actionkomödie von Franco sprüht geradezu vor Lebensfreude, mit sonnigen Sets, beschwingtem Soundtrack, flotten Schnitt-Tempi (75 Minuten Laufzeit :D) und überaus sympathisch-frechen Protagonistinnen. Zudem spielt Chris Howland in einer kleinen, trotteligen Interpol-Agentenrolle mit, stilecht mit dem bekannten Howland-Akzent.

Alles zusammen, bis hin zum frohlockenden Schluss, macht den Film extrem liebenswert und unterhaltsam, zudem ist er durchaus Damen-fixiert und zeigefreudig. Was ein schöner Spaß :)




DER TEUFEL KAM AUS AKASAVA - Schön spaßiges Pulp-Abenteuer mit einem für Franco recht ungewohnt flotten Tempo, welches ihm mit reichlich Zooms, chaotischen Schnitten und einem wild durchgewichsten Storytelling gelingt.

Zudem verliebt er sich zuhauf in extreme Nahaufnahmen seiner Darsteller, lässt ununterbrochen den verträumt-groovigen Easy-Listening-Score von Manfred Hübler & Sigi Schwab laufen und gewährt seiner damaligen Muse Soledad Miranda (R.I.P.) zwei verlängerte Stripteaseszenen allerfeinster Sorte.

Auch sonst stellt sie mit ihrer physischen Präsenz und ihrem Charme den Anker des Films da - der Stein, nachdem im Film gejagt wird, scheint eher nebensächlich im Vergleich zur Eroberung ihres Körpers, wofür sich der Held der Geschichte, Fred Williams, offensichtlich am Allermeisten interessiert. So kommt es dann auch ab und an mal vor, dass nach einem "Plotpoint" auf einmal im selben Take ohne Worte eine weitere Bumsszene zwischen den Beiden entbrennt. Hier wirken klar die Gesetze der Anziehungskraft!

Freilich ist das eine wahre Wonne und Franco bleibt auch oft länger da, als er sollte. Kein Wunder also, dass die eigentliche Hatz um den Stein in einem allzu fixen und bruchstückhaften Finale abgearbeitet wird und mega-inkonsequent bleibt - aber bis dahin hat man die Tour einfach so sehr genossen, dass es schlichtweg egal ist. Jess weiß eben, womit er am Meisten punkten kann.
Vom atmosphärischen Surrealismus seiner stärkeren Werke ist dieses hier zwar noch ein Stück weit entfernt, auch wenn der Kamera-"Dilettantismus" wie dort allgegenwärtig ist, aber als psychotronisch-vergnügte Geheimagenten-in-den-Tropen-Sause unterhält dieser TEUFELS-film ungemein.




DER TODESRÄCHER VON SOHO - Ein allzu konventioneller Bryan-Edgar-Wallace-Krimi - der zweite, den Jess Franco inszenierte, nach "Der Teufel kam aus Akasava". Die beiden Filme könnten unterschiedlicher kaum sein: In "Akasava" war Franco die Story schlicht egal, lieber stellte er seine Muse Soledad Miranda in den Vordergrund und war inszenatorisch freimütig-patzig, aber auch luftig-psychedelisch, wie in einem Liebesrausch. Im "Todesrächer" jedoch herrscht eine inszenatorische Reife und Zurückgenommenheit zum Zwecke der Publikumsfreundlichkeit, wo der Plot viel mehr in den Vordergrund rückt und sich die recht gewitzt-ulkigen Charaktere daran anpassen müssen.

Was war geschehen? Am 18. August 1970 verunglückte Soledad Miranda tödlich bei einem Autounfall mit nur 27 Jahren. Der Schock saß tief bei Franco, der seine Muse, beste Freundin und auch Lieblingsmotiv seiner Filme verloren hatte. Es hielt ihn zwar nicht vom Drehen ab (neben diesem "Soho"-Film kamen 1972 von ihm noch 8 weitere Filme raus), aber irgendwie musste er dieses tragische Ereignis verarbeiten. Und so drehte er Anfang 1971 diesen biederen Krimi, der einen recht klaren Bruch von früheren Arbeiten darstellte (aber nicht lange bestand bzw. sich weiterentwickelte): die Kamera schluderte nicht mehr mit unbeholfenen Zooms herum, konnte nun mit ganz netten Dollyfahrten und einer recht stimmungsvollen Beleuchtung punkten (abgesehen von den misslungenen "Nacht"-filtern). Und gleichsam wie flott der Schnitt in "Akasava" schon war, wurde er inzwischen sogar recht kohärent. Nun betrübt es einen aber, dass dieser recht unansprechende Krimiplot (an dessen Drehbuch Franco hier sogar mitschrieb) vieler "Wallace"-Verfilmungen die Überhand nahm im "Todesrächer", wo Franco doch "Akasava" noch seinen eigenen, impressionistisch-verspielten Stempel aufgedrückt hatte (hier gibt es relativ wenige Szenen, die noch daran erinnern, allen voran die Mordversuche des Glatzkopfes).

Er wollte sich einfach bewusst ablenken von seinem Verlust und streute ganz viel Ulk in die Handlung ein, machte seinen Haupthelden Inspektor Ruppert Redford (Fred Williams, mit dem er auch schon "Akasava" drehte) zu einem luftig-frechen Sprücheklopfer mit Danneberg-Synchro, der allerdings Franco-untypisch keine Dame im Film erobert/erobern will. Nichtmal den offensichtlichen Miranda-Ersatz Elisa Montés in der Rolle der Helen Bennett, die zunächst auch noch sehr luftig daherkommt und höchstens neckisch mit ihm rumflirtet. In "Akasava" sah die Situation schnell anders aus, da gingen sich Williams und Miranda so notgeil an die Wäsche, so oft sie konnten.

Langsam, aber sicher ändert sich die Stimmung, sobald der zunächst unscheinbare, aber immer melancholischer werdende Charles Barton (Horst Tappert) immer weiter in das kriminelle Netz des Films hineinschlüpft und sich zudem entpuppt, dass er unter falscher Identität umherläuft. Es stellt sich nämlich heraus, dass er der totgeglaubte Ehemann von Helen ist, der vor Jahren angeblich bei einem Autounfall verstarb (!) und nun in ihr Leben zurückkehrt. Verwirrt, ratlos und unter Tränen beichtet sie es Redford, dass Barton, der inzwischen ganz rabiat 'BAD LIEUTENANT"-mäßig die Unterwelt aufmischt und nach Gerechtigkeit sinnt (was sie auch weiß und verängstigt), ihr Mann ist.

So kommt es dann zu diesem höchst bezeichnenden Dialog:

Redford: "Jetzt wo sie ihn wieder haben, glauben sie ihn noch zu lieben?"
Helen (zögernd und unter Tränen): "Nein..."

Man kann zwar nicht unbedingt davon reden, dass Franco danach komplett von seinem Leiden über seinen Verlust erlöst war (das vollendete sich erst wenig später, als er Lina Romay kennenlernte), aber eine klare Ansage und Verarbeitung/Abgesang bleibt es trotzdem. Der Film an sich geht jedenfalls gut runter, macht aber leider keinen so eindringlichen Eindruck wie andere Werke Franco's.




EINE JUNGFRAU IN DEN KRALLEN VON VAMPIREN - In diesem 1972 erschienenen Film verlor Franco sein Herz wieder an einige tolle herbstliche Kulissen, so unbedarft verspielt und frei mit der Kamera umherschweifend - fast so impressiv wie in seinen Filmen vor dem Tod seiner Muse Soledad Miranda's (ab Lina Romay erst gewann er diese Kräfte vollends zurück).

Kristallisiert dabei auch die fiebrigen Liebesspiele zweier Cousinen als Highlight des Films heraus, werden sie doch in minutenlangen und mit ganz nah-unter-die-Haut-gehenden Zooms, teilweise auch mit Zwischenschnitten zu romantischen Klavierklimpereien, untermalen.

Schade, dass diese Cousinen von Anne Libert (recht zauberlos) und Britt Nichols (totale Talentfreiheit) verkörpert werden, nicht gerade die beste Wahl für Franco, der sonst mit Maria Rohm, Shirley Eaton und selbst der ihm verhassten Romina Power weit bessere Optionen parat hatte.
Man merkt, der Mann war noch immer schwer gebeutelt über den Verlust seiner Muse Soledad. Nicht nur gestaltet er recht uninspiriert den eigentlichen Plot des Films, ein hanebüchen-langweiliger Krimi-Stoff um einen alten Grafen und durch "Dracula" (Howard Vernon in einem Cameo) ermordete Frauen - er spielt sogar selbst als ein vom-Leben-enttäuschter Experte-für-Übernatürliches mit, der sich nicht so recht anderen Menschen öffnen mag. Hier verarbeitet er auch wieder (vorallem in den letzten Minuten des Films), wie schon in "Der Todesrächer von Soho", seine Trauer, in dem er die Bitte Ana Kramer's (Yelena Samarina) - welche ebenso von ihren Geliebten verlassen wurde - sich mit ihr zusammen gegenzeitig wieder aufzubauen und Zeit miteinander zu verbringen/von dort zu verschwinden, schweren Herzens verneint.

Stattdessen hat er es sich selbst geschworen, die Pest der Vampire auszurotten (bzw. sinngemäß seine obligatorische Aufgabe des Filmemachens zu erfüllen). Und in der letzten Szene des Films, in der er mit der Polizei den Sarg eben jener vermeintlich letzten Vampirin verbrennt, schreitet er als Einziger ganz langsam und schwermütig, ähnlich wie auf einer Beerdigung, dem brennenden Sarg entgegen, auf dessen Großaufnahme der Film sein doch recht inkonsequentes Ende findet.

Es ist bemerkenswert, dass ihm trotz seiner traurigen Verfassung ein noch so leichtlebig-chilliger Vampir-Erotikfilm gelungen ist, der zwar nun wirklich nicht fesselt und auch fast konsequent ereignisfrei bleibt, aber immerhin ein gutes Zeichen für die Fortsetzung seiner persönlichsten, liebsten Stilmerkmale signalisierte.

Wird allerdings echt langsam mal Zeit, dass ich endlich aus den dunkelsten Perioden Franco's Filmschaffen rauskomme. In seiner Filmographie von 1973 erwarten einem u.a. seine Liebeserklärung an Lina Romay, EROTIKILL (den ich mir bereits auf Blu-Ray bestellt habe) und EINE JUNGFRAU IN DEN KRALLEN VON ZOMBIES, der erste Franco, den ich auf DVD besaß und noch immer recht schätze. Aber da wäre noch...




EINE JUNGFRAU IN DEN KRALLEN VON FRANKENSTEIN - In diesem Film vollzog sich ein (vorallem von mir) lang erwarteter Wandel in Franco's Filmschaffen.

Seine Filme aus dem Jahr 1972 zeigten einen gebeutelten Regisseur, der den Tod seiner über alles geliebten Muse Soledad Miranda hierin zu verarbeiten suchte. In dieser sehr freien Frankenstein-"Adaption" entwickelt er den Hauptplot sodann endlich um seine ultimative Suche nach ihrem Nachfolger.

Sein selbstbewusstes Alter-Ego tritt hier als Howard Vernon in der Rolle des unsterblichen Cagliostro in Erscheinung, der seinen Gebieterinnen (u.a. die hier bewusst gehandicapte Anne Libert) per eindringlicher Trance Befehle erteilt. Sodann schnappt er sich bereits am Anfang Frankenstein's Kreatur aus dessen Keller und fordert von ihr, blutjunge Frauen aufzugreifen, um aus denen neue Kreaturen einer "Master Race" zu erschaffen.

Britt Nichols, die Talentfreie aus "La fille de Dracula", spielt auch kurz mit, um nach wenigen Momenten schon umgebracht zu werden, was zeigt, dass Franco sie nicht mehr als potenzielle Nachfolgerin Miranda's sehen wollte (auch wenn er ihren Kopf auf die nächste Frankenstein-Kreatur setzt, bedient er sich ja nur ihrer einzigen Qualität, ihrem Aussehen). Größeres Interesse zeigt er wiederum bei der Figur der Vera Frankenstein bzw. ihrer Darstellerin Beatriz Savon, die er wahrlich ansprechend inszeniert. Leider war sie danach in keinem weiteren Franco-Film mehr zu sehen. Aber er hatte sich inzwischen für ein neues, schöneres Objekt der Begierde entschieden:

Denn erstmals schimmert in diesem Film seine zukünftige Muse und Ehefrau Lina Romay über die Leinwand, als unschuldiges Mädel Esmeralda, dass fernab der Ereignisse des Hauptplots plötzlich in Trance gerät und unter dem Bann Cagliostro's/Franco's steht, der telepathisch zu ihr spricht:

"Du bist auserwählt, die Dynastie und den unsterblichen Namen Cagliostro weiterzuführen..."

Zunächst erscheint sie noch vollkommen perplex und sucht in einigen recht surrealen Sequenzen (die mit nebelhaften Aufnahmen von in dunklen Wäldern umherwandelnden "Geistern" unterlegt sind) Rat bei ihrer offenbar hundertjährigen Mutter, die diese Verbindung schließlich bewilligt (auch mit Cagliostro ein Verhältnis hatte und ihm mit Esmeralda ein Kind gebar - steht die Mutter also für den Geist Miranda's, die in Franco's Augen die Romay als ihr Erbe würdig sprechen würde?). So ergibt sie sich ihrem Schicksal und sendet ihre mentale Bereitschaft an Cagliostro/Franco:

"Sag mir, was du willst und ich werde dir gehorchen, Meister..."

Im Hauptplot selbst nimmt sie dann zwar keine tragende Position ein, doch ihre Präsenz setzt eine markante Note auf das Ende des Films: Die Polizei kommt dem Cagliostro schlußendlich auf die Spur und vereitelt seinen monströsen Plan der Weltbeherrschung. Doch bei seiner Flucht per Kutsche und dem darauffolgenden Todessturz ins Meer, lacht dieser nur manisch. Denn er wird weiterleben, wie einige Zwischenschnitte auf Esmeralda in dieser letzten Sequenz beweisen - Franco hat seine neue Muse gefunden!

Was für ein optimistischer Schluss, verbunden mit einer wieder recht ordentlich-stimmigen Castle-Atmosphäre (die Cagliostro/Franco stolz und schwelgerisch betrachtet) und einer guten Menge Spaß (Pappmaché-Monster und quirlige Beleuchtungen an allen Ecken) ohne großartige Story, aber mit einigermaßen wieder-herrschenden Exploitation-Kurzweil, wie man es von Franco in früheren und folgenden Zeiten gewohnt war.