Sonntag, 23. Februar 2014

Tipps vom 17.02. - 23.02.2014



NYMPHOMANIAC I - Es ist schwierig, nach über 4 Stunden Sichtung dieses 2-Teilers von Lars von Trier allumfassende Worte zu finden, die dem Werk an sich gerecht werden. Überwiegend bleibt aber die Erkenntnis, dass sich hier trotz aller vorgeschossener Skandal-Optik eine verhältnismäßig-feinfühlige Liebeserklärung (nicht bloß) an die Nymphomaninnen dieser Welt präsentiert, mit der Von Trier seinen Kritikern, die ihm spätestens seit seinem 'ANTICHRIST' aggressive Misogynie vorwerfen, Konter gibt und zudem ähnlich einem Manifest sein Sprachrohr in der Figur der Joe findet, doch dazu später mehr.

Aus dem Dunkeln heraus begegnen wir unserer zerschlagenen Protagonistin in einem mit leichtem Schnee eingehüllten, dunkel-klaustrophoben Hinterhof, dessen Architektur Von Trier eindrücklich zu umspielen gelingt, unterlegt mit den zerquetschenden Gitarrenriffs von Rammstein. Joe (Charlotte Gainsbourg) wird sodann vom gütigen Seligman (Stellan Skarsgård) aufgelesen, welchem sie in seine Wohnung folgt, auch wenn er lieber Krankenwagen und/oder Polizei für sie rufen wollte. Nichtsdestotrotz umsorgt er sie in seinem bescheidenen Heim und überlässt ihr das Wort. Ähnlich einer Beichte gibt sie schnell zu, dass sie ein schlechter Mensch sei, eröffnet dem gemütlich-verschrobenen Samariter ihre Lebensgeschichte und die damit verbundenen Sünden der fleischlichen Lust, welche sich bei ihr in einer allmählich entwickelten Nymphomanie manifestierten.


Ihr Zuhörer steht diesem Thema recht vorurteilsfrei, wenn auch unbeholfen-fasziniert & offen gegenüber und sucht ständig Parallelen zu ihn bekannten, teils weit hergeholten, aber passend-bezeichnenden Gebieten - wie z.B. der Fischerei und insbesondere der Mathematik - und infusiert mit jener Abwegigkeit ständig urige Comic-Relief-Fachkompetenz. Leichtherzig darf es ohnehin sein, beherbergen die ersten, kaum haltlos-schockierenden Kapitel von Joes Erzählung doch noch herzlich-anarchische und äußerst frivole Abenteuer in der schwül-sinnlichen Erforschung der Sexualität und dem Spiel mit dem männlichen Geschlecht anhand von Mutproben und kindlichen Konspirationen.

 
Dass sie darin beim Blowjob mit einem Zug-Fahrgast dessen Enthemmung aus dem sichtlichen Alltagstrott heraufbeschwört, wird sodann vom Seligmann als gütige Tat gelobt, auch wenn Joe deutlich macht, dass sie im Grunde nur Herr ihrer Selbstsucht war. 'Samariter' unter sich, da wird die moralische Wertungsfrage über freudenspendende/selbstbefriedigende Praktiken in sommerlicher Fasson der Vergangenheit zum amüsanten Wechselgespräch. Ohnehin versteht es Von Trier jene Erinnerungen (im Gegensatz zur heimeligen, stationären Beichte in der Gegenwart) mit luftiger Kinetik und strahlend-heller Lust zum Leben zu erwecken, lässt die Schönheit junger Körper intensiv darin erblühen wie einst Lasse Braun - auch wenn der berüchtigte Hardcore-Faktor des Nymph()maniac-Komplex nur dezent und höchst naturalistisch durchschimmert. Genüsslich und eigensinnig-peppig (u.a. im Einsatz von überlappenden Text- und Zahlenspielereien an der visuellen Oberfläche) ist das Geschehen auf jeden Fall, so oder so.

 
Aber auch Joe kriegt irgendwann zu verstehen, dass Liebe die geheime Zutat für guten Sex sei und bewandert den Versuch, jenen Weg im wiederholten Kontakt mit ihrem Entjungferer Jerôme (Shia LaBeouf) zu gehen, dem sie per Zufall des Öfteren auf ihrer Lebenslinie begegnet. Dieser Umstand des sich-wiederholenden Zyklus wird übrigens auch in einem Wanderweg aus ihrer Kindheit reflektiert, den sie bis zum heutigen Tage gleichsam-abarbeitend besucht, immer mit der Erinnerung an ihren Vater (Christian Slater) verbunden, der ihr als einzige wahre Bezugsperson den Zauber der Natur vermitteln konnte und ihr anhand jener innewohnender Bäume deutlich machte, dass Aussenseiter wie z.B. die Esche, einen verdienten Platz im Gesamtgefüge haben, auch wenn man sie teils als mit-Asche-überzogen sieht.

  
Folglich ist ihr vorsichtig-kindischer Liebesversuch mit dem sexuell-fordernden und narzisstischen Jerôme nicht gerade von Erfolg gekrönt, weshalb sie sich in ausgefallenere, körperlich-betonte Abenteuer stürzt, die ihr nichts weiter bedeuten als sexuelle Befriedigung und deshalb zum gewitzten Spiel mit den Gefühlen nach-Bestätigung-suchender Männerbekanntschaften mutiert. Allerdings läuft sie dabei auch Gefahr, das Leben dieser Männer zu zerstören und macht sich schlussendlich infolge der einschlagenden Begegnung mit einer der dadurch betrogenen Frauen, Mrs. H (Uma Thurman), außerordentliche, beschämende Schuldvorwürfe.


Dies kulminiert im wohl intensivsten Kapitel des ersten Teils, dem schleichenden Tod von Joes Vater, der im Krankenhaus einer brutalen Demenz unterliegt, weshalb das visuelle Format in tieftristes, lähmend-festes Schwarz-Weiß eingetaucht wird. Wie sonst führt sich der Mensch denn auch die dunkelsten, erschütterndsten Erinnerungen seines Lebens vor Augen? In ihrer Verzweiflung versucht Joe auch, ihren Schmerz mit wahllosen Kerlen wegzuficken, aber jene körperliche Ekstase nützt nichts, wenn die Körperlichkeit des geliebten Menschen vor die Hunde geht und in unkontrollierbar-bemitleidenswerte Armseligkeit fällt. Im schlussendlichen Abschied erbarmt sich das Schicksal ihrer trauernden Seele und überwindet sich, ihr im Schmerz doch noch ein Hauch von Lust zu verleihen - ein folgenschwerer Ansatz.

 
Denn nach einer erneuten Begegnung mit ihrem universellen Jerôme - der sie trotz aller Männer dieser Welt, als einziger im Sinne von 'fill all my holes' komplett erfüllen kann (kongenial erklärt an der polyphonen Struktur von Bachs 'Choral Prelude in F Minor BWV 639' aus 'SOLARIS' - wieder mal eine von vielen Anspielungen Von Triers auf das Werk Tarkowskis), weshalb sie ihn auch heiratet und mit ihm ein Kind kriegt - verliert sie urplötzlich komplett jene orgasmische Lust in ihrer alles-bedeutenden 'Cunt' (wie Gainsbourg diese stets mit lasziven Schwung betont). Der Verträumtheit folgt nun der gnadenlose Albtraum.




NYMPHOMANIAC II - Joe sucht die verlorene Lust zunächst in weiteren, neuen sexuellen Variationen, muss aber schließlich eingestehen, dass die Rückkehr zum Orgasmus, dem Dreh- & Angelpunkt ihres Lebens, nur mit Leiden & Gewalt stattfinden kann, so wie sie es beim Tod ihres Vaters erlebte. Der Genuss wurde ihr nämlich vom Schicksal entzogen, aufgrund ihrer verschlingenden Selbstaufgabe an die eigene Sexualität und so durchlebt sie im (durch den Verleih forciert aufgeteilten) zweiten Teil des Nymphomaniac-Narrativs ihre Passions-Geschichte, angefangen im Kapitel 'The eastern and the western church (the silent duck)' - ein zersetzendes Leiden, das im Endeffekt Vergebung im Verständnis für ihre einzigartige Lebensweise übt.

 
Zunächst aber gerät sie in ihrer Verzweiflung an einen mysteriösen, kalten Mann namens K (Jamie Bell), der ihn-auflesende-Frauen sadomasochistisch bearbeitet. In seiner gnaden- und lieblosen Brutalität findet sie trotz intensiv-schwitziger und herausbrechender Angst ein Gefühl von Befriedigung wieder, welches ihr im familiären Zusammenleben nimmer begegnen wird, weshalb sie jenes vernachlässigt (was beinahe zu einer exakten Rekonstruktion des 'ANTICHRIST'-Intros führt) und infolgedessen von Jerôme erneut verlassen wird, für immer und ewig, zusammen mit ihrem Sohn.

 
Im darauffolgenden Kapitel mit dem bezeichnenden Titel 'The Mirror' (zusammen mit dem exzessiven Einsatz von Stock-Footage und einer göttlichen Schwebe-Vision der 12-jährigen Joe eine weitere, direkte Anspielung auf Von Triers Idol Tarkowski, speziell seinem 'SPIEGEL' von 1975) versucht Joe schließlich durch die erstrebte Umpolung innerhalb einer Selbsthilfegruppe ganz dem Sex zu entsagen und ihrer eigenen Persönlichkeit zu entkommen, trotz grausamer Entzugserscheinungen.

 
Der Selbstlüge kann sie jedoch nicht standhalten und ergreift ihre ursprüngliche, mentale Haltung mit aufbrausend-feurigem Stolz wieder, richtet diese gegen die sie verurteilende Gesellschaft und lässt sich beim Seligmann im philosophischen Gespräch ausgiebig darüber aus, wie verlogen und Persönlichkeits-unterdrückend die Menschen für sie erscheinen. Da meldet sich folgerichtig der umstrittene Von Trier, mit seinem offensichtlichen SPIEGELbild Joe, selbst zu Wort - spricht daher aber auch einvernehmend für die Ausgestoßenen unserer vermeintlich sozialen Zeit. Seligmann selbst findet ohnehin keine Schande in ihrem Handeln, entpuppt er selber sich doch als asexuelle Jungfrau - von daher besitzt er eine angenehm-objektive Sichtweise auf die Umstände.

   
Die wird jedoch auf die Probe gestellt, als Joe ihm davon berichtet, wie sie fortan im Auftrag eines erpresserischen 'Schuldeneintreibers' (Willem Dafoe) die schmerzhaften Methoden ihres Sadomaso-Erleuchters K nachbildet, um dessen Opfer zu 'überzeugen'. In dem Sinne tut sie diesen Leuten aber nur unfreiwillig Gewalt an, sieht sie in jener Methodik doch die Werkzeuge, mit der sie wieder zur Lust gelangte und adaptiert diese jetzt auf jene, die sie damit zerschlägt. In ihrem Sinne entpuppt sich das erneut als 'Geben', obwohl sie es selbst durchaus auch als 'Nehmen' erkennen kann.

Da erbarmt sie sich schließlich auch einem Herren, den sie anhand der Offenbarung seiner sexuellen Neigungen demütigen wollte; schließlich als offenbar-Pädophilen enttarnt, und spendiert ihm aus empathischem Mitleid einen genüsslich-sensiblen Blowjob (nach dem Oralverkehr im Zugabteil vom ersten Part eine erneute, erbarmungsvolle Handlung ihrerseits). Seligmann sieht dieses Mal über diese Gnadenhandlung hinweg und befindet Pädophile als widerlich. Sie jedoch meint, dass der Herr eine 'verdammte Medaille' verdient hätte, da er seine verbotene Sexualität sein Leben lang so hart unterdrückt hielt und wahrscheinlich nicht mal selber davon wusste - da kann sie als Nymphomanin ganz klar mitfühlen. Ein durchaus provokanter und sicherlich nicht unbedenklicher Gedanke Von Triers, der sich dabei aber, über sein Sprachrohr Joe, erneut ausschließlich-stellvertretend für die Empathie mit dem (sexuellen) social outcast stark macht, ohne Ausnahmen.

 
Joe selbst findet in ihrem 'Geben' allerdings ganz bewusst keine Sexualität, schließlich befindet sie sich noch immer auf dem Weg der Buße. Doch eines Tages soll sie sich eine Nachfolgerin für ihre Profession suchen und findet diese im schüchternen Mädel P (Mia Goth), dessen kriminelle Eltern im Knast sitzen und das sich für ihr leicht verformtes, rechtes Ohr schämt. Die beiden nähern sich an und Joe macht auch P mit den Wanderwegen ihrer Kindheit bekannt, auf denen ihr Vater ihr auch seinen 'Seelenbaum', eine Eiche, zeigte. Joe ist verständlicherweise noch immer auf der Suche nach ihrem eigenen Seelenbaum, erhält aber trotz ihrer jüngeren Selbstaufgabe die erste Gnade vonseiten P's, die ihr seit langem wieder echte, sensuelle Liebe entgegenbringt - Liebe ist ja bekanntlich die geheime Zutat für guten Sex, sprich Joe's Seelenheil.


So bringt sie ihr bereitwillig auch die Methodik der leidenschaftlichen Gewalt bei und als Duo sind sie quasi unschlagbar. Eines Tages jedoch verschlägt es sie bei einem Auftrag, wie der 'Zufall' so will, zum ebenfalls älter gewordenen Jerôme, dem Joe die Qual ersparen möchte, weshalb sie P vorschickt, ihn ganz zahm zu behandeln. Da will sie nur das Gleichgewicht des Universums im Rahmen halten, wo sie doch trotz seiner Handlungen zu diesen einsichtigen Weg und schließlich sogar ihren einsam über den Bergen, krass entrückten Seelenbaum fand (eine der schönsten Sequenzen im Film übrigens).

 
Doch es stellt sich heraus, dass P mit Jerôme eine Affäre begonnen hat und somit Joe erneut ihrer einzigen Liebe beraubt wurde (nachdem er nicht nur sich selber ihr entzog, sondern auch ihren kleinen Sohn; im Gesamtgefüge zudem mitverantwortlich ist für ihre sexuelle Neigungen). Da vertieft sich der Film in seinem finsteren Showdown wieder in den furchterregenden Hinterhof vom Anfang dieser Geschichte, als Joe drauf und dran ist, Jerôme abzuknallen, jedoch hat die Waffe aus irgendeinem Grund Ladehemmung (göttliche Fügung bzw. Joe's eigenes Unterbewusstsein) . Die sprachlose Überraschung ihres Ex-Ehemannes im Angesicht dieses heimtückischen Mordversuchs verleitet ihn sodann dazu, endlos oft und widerwärtig auf sie einzuschlagen, wogegen sie sich nur schwerlich wehrt. Sodann nimmt er P vor Joes Augen so durch, wie er sie einst entjungferte und schlägt dabei nochmals mit aller Kaltschnäuzigkeit bei Joe und uns ein, wer er ihr ganzes Leben mit diesen 8 Stößen vorbestimmt und perfide vorgeführt hat. Liebe war ein Lügner!

  
Im ultimativen Umkehrschluss lässt sie sich zudem von P anpinkeln, welche dabei hämisch lacht. Joe wehrt sich nicht dagegen, wenn sie es denn könnte, sieht die Beiden nur davonschlendern und bittet mit zusammengeschlagenen Körper schlicht darum: 'Fill all my holes.' - ihre Passionsgeschichte findet sodann schließlich ihr kathartisches Ende mit dem göttlich-vergebenden Einsatz des himmlischen, leichten Schnees. Auch Seligmann findet befreiende Worte für seinen ausgestoßenen Schützling und mit dieser Gnade von allen Seiten erhält sie wieder die Kraft, ihrer Lebensart unverstellt und ungehemmt nachzugehen. Dazu gehört dann auch, den letztendlich lüsternen Anzüglichkeiten des Seligmann fatale Gewalt entgegenzusetzen. Sie lässt sich nun mal nichts mehr von sich 'nehmen'. Von Trier geht aufs Ganze, jetzt erst recht! Da bin ich doch immens gespannt, was er nach diesem Großwerk seiner erneut ausgesprochenen, künstlerischen Emanzipation noch alles anzubieten hat.




DAS FINSTERE TAL - Es dröhnt und knirscht unentwegt in den vernebelt-weißen Tälern und knochigen Wäldern dieses grimmigen, alpinen Westerns, welcher trotz/gerade aufgrund der unfassbar-präzisen Konzentration seiner Genre-Urart eine audiovisuelle Intensität in eisiger Härte heraufbeschwört und den Zuschauer geradezu sprachlos zurücklässt. Innerhalb des übermächtigen Terrors der herrschenden Brenner-Sippschaft zersetzen sich die Seelen der ihr untergebenen dörflichen Gemeinde in schweigend-bebender Furcht - keine Heimatidylle, stattdessen ein ewiger Alptraum im weißen trüben Dreck, welcher sich auch in der hier dargestellten, altertümlich-komplizierten Fotographie bezeichnender Weise für immer einfangen lässt.

 
Nur der Mythos des einsamen Rächers bringt die lähmende (nicht zelebrierte) Katharsis, auch wenn der Rächende in seiner beinahe gnadenlosen Umsetzung universeller Gerechtigkeit ebenso daran zerbricht und sich anhand seiner natürlichen Feinde zu Kreuze trägt - so wie es denjenigen geschah, denen er die letztendliche, spirituelle und doch bittere Genugtuung verschafft. Ein Martyrium in Blei und Blut, eingeschlossen in einer mit voranpreschenden Gift vermengten Schneekugel, fernab jeder Zivilisation - unter Menschen, welche machtlos in den Morast eingehämmert brachliegen, anhand rostiger Nägel einer bis-in-die-Knochen vereisten Moralverzerrung.

 
So bäumt sich sodann die erbarmungslose Natur zum Schlachtfeld eines unausweichlichen morbiden Machtkampfes zusammen, verallgegenwärtigt dabei Tod & Zerstörung in psychischer & physischer Präsenz und verschlingt jeden Einzelnen im geißelnden Weiß. Worte werden hierin überflüssig, die schnörkellose Konsequenz des bereits bekannten und schicksalhaften Narrativs zieht blank und fesselt sich mit wuchtig-brummender Elektrizität und intimster Kamera-Poesie ins Mark des Zuschauers, während der Score mit seinen radikal-schleppenden Flächen den Boden unter den Füßen hinwegschwemmt.

 
Lediglich einige zentrale, Genre-affine Chansons finden befreienden, Eis-durchbrechenden Ausdruck für die biblische Passion des Rächers - ähnlich pathetisch-melancholisch in die Seele heraufsteigend wie z.B. in 'KEOMA' oder Peckinpahs 'PAT GARRETT JAGT BILLY THE KID'. Eine vollkommen ironiefreie Stimme der Gestaltung, die in heutiger Filmkultur kaum noch Platz zu finden scheint und gleichsam wie das originäre, wahrhaftig-ehrliche Gesamtgefüge des leidenschaftlichen, kompromisslosen Werkes von Andreas Prochaska jede Beachtung verdient hat. Der erste, echte Western seit John Hillcoats 'THE PROPOSITION'.




ROBOCOP - Padilhas Robocop ist nicht unbedingt etwas, das sich mit der provokanten Präzision und zeitlosen Kurzweiligkeit des Verhoeven-Originals messen lassen kann. Satirischen Elementen wird auch nur noch wenig Platz geboten, ebenso grotesker Ultraviolence. Und anstatt einen gewissen Spaß in seinem High-Concept auszudrücken, erleben wir hier einen durchaus furchterregenden, amerikanischen Albtraum, der auch beim Zuschauer einige Spuren hinterlässt.

Solche Vereine wie Omnicorp sind ja inzwischen die Norm geworden - nicht nur in diesem Film, sondern auch in unserer Realität - und heucheln mit ihrem rücksichtslos-fatalistischen Roboter-&-Drohnen-Militarismus internationale Sicherheit vor, die sich ausschließlich als kalte, kalkulierte Gewalt entpuppt. Aber es macht sich auf dem Markt verdient - warum also nicht auch in der von den Medien manipulierten Heimat Amerika? Ganz einfach: wandelnde Waffen hat man nicht gerne um sich, höchstens im Auslandseinsatz, entscheidet der Kongress.


Omnicorp finden auf der Suche nach dem maximalen Profit allerdings noch eine Grauzone, in welcher sie einen Menschen in ihre Maschinen stecken können - quasi als Eingewöhnungsphase fürs Volk, bis man die weniger problematisch-kontrollierbaren Mechs loslassen kann. Ein Versuchsobjekt ist schnell gefunden in dem jüngst in die Luft gejagten Alex Murphy, der sich urplötzlich im mechanischen Suit wiederfindet, welcher natürlich stilecht im Outsourcing-Mekka China angefertigt wird.


Was mit ihm geschehen ist, kann er nicht verstehen, bis er seinen 'Erschaffer' Dr. Norton bittet, ihm den Zustand seines Körpers zu präsentieren, im Angesicht eines allumfassenden Spiegelbildes. Sobald alles Mechanische weggefallen ist, offenbaren sich unserem sichtlich verzweifelten Protagonisten dann die grausigen Ausmaße der körperlichen Zerstörung: er besteht nur noch aus Kopf, Lunge, Herz und Rachen - lediglich eine abseits gelegene Hand ist noch übrig geblieben, um menschlichen Entscheidungswillen beim Abzug einer Waffe zu suggerieren.


Fortan muss Murphy seine erstrebte Entmenschlichung erdulden, wird von seinem taktischen 'Ausbilder' zum unwürdigen 'Tin-Man' degradiert, der nur den Erfolg der wahren Roboter-Kampfmaschinen aufhält - für seine wartende, bangende Familie in den Staaten lässt er die Experimente und Kibernetik-Erweiterungen aber über sich ergehen, auch wenn er dafür zum perfiden, massentauglichen Werkzeug der Corporation umfunktioniert wird. Die hätte es übrigens äußerst gern, wenn man den menschlichen Faktor unterminieren bzw. ganz eliminieren könnte, der Zielgenauigkeit wegen.


Und so wird das Gehirn von Alex derartig manipuliert, dass es beim Kampfeinsatz glaubt, selber zu handeln, obwohl die Maschine die ganze Arbeit für ihn erledigt. Diese Genugtuung wirkt zwar auf unseren noch immer der Menschlichkeit verbundenen Robocop motivierend und lässt ihn sogar ein bisschen Spaß haben, doch er selber sitzt nicht am Hebel.

 
Sobald man ihn nämlich in den Dienst schicken will, wird er mit der polizeilichen Datenbank verbunden und erlebt dabei den Mordanschlag auf sich selbst nochmals in einem derartig System-verstörenden Phantomschmerz, dass man ihm per Drogeninfusion das Dopamin im Körper verringert, woraufhin vom menschlichen Willen kaum noch was übrig bleibt - nun hat vollends die Maschine übernommen, die weder Freund noch Familie erkennt, höchstens Unschuldige, Bedrohungen, Vorgesetzte und andere Ränge. Mit einem schnittigen Bike zischt der Cyborg sodann durch Detroit, löst schnörkel- und gnadenlos Verbrechen mit einer berechnenden, übermenschlich-kräftigen Kälte und Härte, nicht unähnlich den furchterregenden Kontroll-Bots im brutalen Iran-Intro - kein schöner Anblick.


Der Kontakt zur eigenen Familie wird vom System unterdrückt, aber dennoch vom leidenschaftlichen Auftritt der Ehefrau Murphys mit der Vergangenheit konfrontiert, die zunächst einstweilig von der einvernehmenden Maschinerie als Verbrechen ausgewertet wird und sodann zulässt, dass die Seele des innewohnenden Menschen erneut durchbrechen kann - Murphy ist also wieder da und macht sich auf die Suche nach seinen Mördern, behilft sich aber dank seiner neuen, imposanten Hilfsmittel einer horribel-mechanischen Gewalt, die im Endeffekt alle Gegner und schließlich auch seine Mörder niederballert. Erblüht daraus die ultimative Katharsis in Murphy, erst recht mit den neu hinzugekommenen Enthüllungen, dass Korruption im Polizeipräsidium mitverantwortlich für seinen Mord war?


Auch wenn Murphy schlussendlich Omnicorp und dessen Drahtzieher stellt, nachdem diese entschieden haben, ihn auszuschalten - da der Verbot von echten Robotern inzwischen, aufgrund der steigenden Popularität jenes Konzepts, aufgehoben wurde - und doch noch mit seiner Familie wiedervereint wird, hat sich der omnipräsente Horror eines Amerikas mit entmenschlichten Gesetzeshütern noch immer nicht verabschiedet. Regisseur Padilha schenkt seinem Robocop letztendlich ein verdientes Seelenheil in der Akzeptanz der lebenserhaltenden Mechanik, verarbeitet seinen Weg dorthin aber keineswegs als befriedigenden Befreiungsakt, auch wenn die Dringlichkeit des Murphys hunderte Barrieren durchbrechen kann.

Padilha geht nämlich durchweg aus dem Weg, einen distinktiven, besonders fiesen Antagonisten festzulegen - auch wenn die Chefs und Mitarbeiter von Omnicorp genug Verachtenswertes anstellen, sind sie doch ebenso nur stellvertretend dem Kommerz verpflichtet, der sich seit Anbeginn der Menschheit etabliert hat, hier im cleveren, doch zynischen Marketing-Denken die Ungerechtigkeit heraufbeschwört.

Und so gestaltet sich die Entwicklung zum Schlusspunkt des Films als befremdlich ausweglos, ohne klares Ziel, mit dessen Zerstörung alles wieder in Ordnung wird - da leitet auch in bezeichnender Ambivalenz 'I FOUGHT THE LAW' von The Clash den Abspann ein. Ich habe daher ehrlich gesagt schon seit langer Zeit keinen Film mehr gesehen, der mich so unsicher aus dem Kino entlassen hat und fortan die schockierenden Bilder der voranschreitenden Entmenschlichung herumschwirren ließ. Selbst wenn die Inszenierung ab und an merkwürdige Tempi & mittelmäßige Effektarbeiten an den Tag legt und sich anhand seines Scores in halber Beliebigkeit verliert, mangelt es dem Gesamtgefüge nicht an starken Actionszenen und bitteren Charakterentwicklungen.


Allein wie da über die Tonspur die schwere Imposanz des Roboteranzugs mit drückend-stampfenden Bässen versehen werden und brachial-nervöse Salven die Luft mit rasanter Dynamik durchsieben, zieht den Zuschauer in den Bann. Aber vorallem auch das unausweichliche Prozedere der unfreiwilligen Mechanisierung jenes unbedarften Sympathieträgers Alex Murphy, welcher seiner Körperlichkeit beraubt wird und anhand der versiert-zurückhaltenden Kamera eindrücklich vermittelt, wie der Umschwung vom menschlichen, warmen Körper (feinfühlig vermittelt in anbahnender, liebevoller Leidenschaft zwischen den Eheleuten Murphy) in kaltes, schwarzes und klobiges Metall auf die Psyche des Amputierten und seiner Angehörigen wirkt.


Es ist letztendlich kein Verhoeven-Film geworden, da lassen einem auch die wenigen, unglücklichen Anspielungen auf das Original im Dialog keine Zweifel - und das ist auch besser so. Wenn auch nicht so perfekt und genüsslich umgesetzt, so bleibt Padilhas Variante noch immer spannend als hardcore-sci-fi-character piece über das Streben des menschlichen Faktors innerhalb einer tödlichen Technik, unter dem Banner des modernen, nihilistischen Großkonzerns.




GOLD - (GESICHTET IM METROPOLIS KINO HAMBURG, IM RAHMEN DER HANS-ALBERS-RETROSPEKTIVE)

Hans Albers war einer der größten Sympathieträger des deutschen Films, ebenso zur Zeit des Nationalsozialismus, was er auch in diesem Film von Karl Hartl aus dem Jahre 1934 bewies, mit welchem er schon 'F.P. 1 ANTWORTET NICHT' und später 'DER MANN, DER SHERLOCK HOLMES WAR' drehte. Hierin gestaltet sich unter dem Banner aus 'GOLD' eine äußerst methodische, geradlinige Krimi-Geschichte mit frühem Sci-Fi-Touch, wobei genau jene beiden Genre-Aspekte relativ zurückgenommen agieren.

 
Der Film verfolgt nämlich in der Erschaffung einer Maschine, die aus Blei Gold herzustellen vermag (durch Atomspaltung - recht beachtliche Denkweise für jene Zeit), ein gedämpftes Tempo, das nach heutiger Sicht alles andere als stringend wirkt, aber keineswegs stört. Da macht sich Albers als Forscher Holk auf den Weg, die Mörder seines Mentors Achenbach zu richten, welche dessen Tod anhand von Industrie-Spionage herbeiführten und Holk nun für sich anwerben wollen. In Ganzkörper-Cord-Ausstattung (sprich Mütze, Mantel, Sakko und Hose - alles Cord!) begibt er sich auf deren einladende Pfade, treibt die Forschung dann so erfolgreich voran, dass das Experiment tatsächlich gelingt und zur Massenproduktion vorbereitet wird.

 
Die Schauwerte in diesem Sci-Fi-Krimi werden nur minimal eingesetzt, auch die Musikuntermalung von Hans-Otto Borgmann scheint nur in Nachrichten-Footage-artigen Montagen aufzutauchen (abgesehen von der Todessequenz Achenbachs, die in ihrer statischen, doch allmählich voranschreitenden Umnebelung den surrealistischen Höhepunkt des Films darstellt). Der wahre Fokus liegt nämlich auf dem naturalistischen Spiel des Ensembles, ob nun in feiner Gesellschaft oder unter dem Arbeitervolk - allen voran Albers erzeugt mit seiner schlagfertigen Luftigkeit stets kumpelige Atmo, welche dank der schnörkellosen Dialogkunst gleichzeitig pointiert und realistisch wirkt.


Ohnehin kann man die Rahmenbedingungen trotz der ausgefallenen Thematik gut abnehmen, erscheinen die Kulissen doch in ganz profaner und alltagstauglicher Fasson zwischen kontemporärer Großstadt, verlebter Industrieanlagen, Minenschächte und Villen. Alle erleben wir in einvernehmender Länge - in manchen Sequenzen passiert nichts anderes, als dass man den Charakteren auf den Weg von einer Location zur anderen beobachtet. Im modernen Film wäre sowas in derartiger Ausgedehntheit kaum noch denkbar (am ehesten könnte man 'GOLD' mit 'COMPUTER CHESS' vergleichen), fördert aber eine angenehme Vermittlung der räumlichen Gegebenheiten, anhand derer man schließlich die Größe des futuristischen Apparates der Gold-Maschine messen kann, welche übrigens 1:1 im Studio aufgebaut wurde und von den Schauspielern stets umlaufen wird.


Diese Größe zieht demnach ganz selbstverständlich unsere Protagonisten in ihren Bann, erscheint es doch schließlich so, dass Holk dem Glanz des Goldes erliegt und sich auch parallel dazu in die charmante Tochter seines großindustriellen Konkurrenten Wills, Florence (Brigitte Helm, bekannt aus 'METROPOLIS') verliebt. Doch obwohl jener Wills plant, dank der Erfindung den Markt mit Gold zu überfluten, will Holk nur das Erbe seines Mentors aufrechterhalten, der diese Innovation im Namen der Wissenschaft erschuf und plant daher, die Maschine mit der proletarischen Arbeitergruppe an seiner Seite zu zerstören, um eine nahende Inflation der Weltwirtschaft durch den Goldüberschuss zu verhindern.


Dies kulminiert sodann in einem hitzig-effektvollen Finale, worin die elektromagnetische Kraft des Apparates die ganze Umgebung in Schutt & Asche legt und auch Wills unter sich begräbt, welcher der hypnotischen Macht des Goldes bis zum Tod untertänig war. Holk hingegen kehrt zu seiner wahren Liebe Margit Moller (Lien Deyers) zurück und schmeißt den letzten, verbliebenen Fetzen Gold ins Meer. Eine markige Ansage gegen die Verlockungen des Kapitalismus und auch hinsichtlich der treuen Arbeitergemeinschaft im Film ein äußerst sozialistisch(nicht unbedingt nationalistisch)-gefärbtes Werk.


Dennoch herrscht überwiegend eine beständige Unaufgeregtheit, angetrieben von einem tollen, trockenen Humor im genüsslichen Spiel der Figuren, die zum Großteil der Zeit einfach nur ganz gediegen daherleben und sich damit recht natürlich zu kernigen Kumpels (Albers) oder auch sympathischen Damenbekanntschaften (Helm) für den Zuschauer entwickeln. Von daher erhält man nicht nur ein frühes, sorgfältig ausgearbeitetes Genre-Werk, sondern auch eine gewitzte, sympathische Charakter-Schau, welche sich zum Schluss hin mit größter Spannung in das Unvermeidliche konzentriert und dennoch keinerlei Aufdringlichkeit herbeiführt, stattdessen von natürlicher Suspense getragen wird. Feine Sache!




LILO & STITCH - Knuddelige Kurzweiligkeit in Reinform - eine geschickte Parallelität zweier ausgestoßener Freigeister kommt für den ambitionierten, intergalaktischen Wiederaufbau einer gebrochenen Familie zusammen. Disney-tastische Thematik, klar, doch 'LILO & STITCH' beherbergt einen perfekt-abgestimmten, drolligen Fokus auf cleveren Anarcho-Spaß pointiert ausgearbeiteter Charaktere und haut das kindliche Herz an - mit grandioser, ins Leben explodierender Energie, in poppigen Pastellfarben hawaiianischer & außerirdischer Exotik. Super-sympathisches und auch nicht hyper-sentimentales Animationsfilmchen, mit allen Wassern und Zutaten unterhaltsamster Genres gewaschen.




LOBSTER - EPISODE 5: BLUT - Frühstück bei Familie Lobster beginnt dieses Mal nicht nur mit Kaffee, sondern auch mit einem Maß Bier. Da kommt sodann ein Anruf für einen Auftrag rein, es geht womöglich um Leben und Tod. Das ist nichts Neues für unseren Privatdetektiv, weshalb er ganz verschmitzt Ellen suggeriert, dass er den Job ja gar nicht annehmen müsse. Aber natürlich geht er doch zur Arbeit, dieses Mal sogar offenbar beschwipst - genauso ordinär gestaltet sich der darauffolgende Fall.


Die Tochter der Modedesignerin Corinna Wieland, Susan, ist verschwunden und hat dabei Schlaftabletten der Mutter mitgehen lassen. Wo könnte sie nur stecken? Hauptsache die Polizei weiß nichts von dieser Sache, damit kein möglicher Skandal für das Unternehmen in die Welt gesetzt wird, verdeutlicht ihm der gelackte Geliebte und Geschäftsführer Wielands, Heinz Gruber (DIE HARD Family?). Lobster merkt schon schnell mit leichtem Grinsen im Gesicht, dass hinter dieser Sache wohl wieder etwas mehr stecken wird, begibt sich sodann in Susans Zimmer und entdeckt dort Blutspuren.


Auf der Suche nach der Vermissten begibt er sich schnurstracks zu deren Freund Toni, der sie vor kurzem noch bei sich hatte. Ein Amulett ihrer Liebe an der Türklinke verrät ihm, dass wohl was Schlimmes passiert sei und tatsächlich: hinter seinem Anwesen finden sie die leblose Susan in einem Boot liegen. Ein fast schon poetisches Selbstmordszenario, das Geissendörfer hier am Ufer eines leicht umwehten Sees inszeniert. Mysteriös schwankt darin auch eine Jacke voller Blut, welches sich nicht als ihres entpuppt.


Die junge Dame ist auf jeden Fall gerettet, wird jedoch von der Mutter an einen geheimen Ort gebracht, zur 'Privatuntersuchung'. Wie viel forcierter kann man da die Spürnase des schnell aufschnappenden Lobsters heraufbeschwören, so wie der Herr Gruber ihn mit 3000 Mark Prämie abschütteln will? Jetzt geht er ja erst recht in seinem Element auf - bei diesem Job, den er zuerst fast gar nicht wollte - und findet im Badezimmer der Familie eine Scherbe von einer Whisky-Flasche. Da fragt er schon ganz übermütig-grinsend und mit geweiteten Augen nach der Leiche und behält die Sache trotz Abweisung seiner Auftraggeber weiterhin im Blickfeld. Ist Lobster tatsächlich endlich mal an einen Fall geraten, wo er komplett aufgehen kann, ganz dem Image eines perfekten Fernseh-Detektivs entsprechend - so kennt man diese Serie ja gar nicht!


Wie sich nämlich herausstellt, hat die Sippschaft tatsächlich jemanden auf dem Gewissen - scheinbar soll Susan jemanden aus Notwehr umgebracht haben, die Leiche wurde irgendwo verbuddelt. Mutter Wieland selber war nicht dabei und ist sich unsicher über diese ganze Geschichte, sucht das 'Grab' des getöteten Ivan im Wald auf und wird dabei natürlich von Lobster verfolgt. Die entdeckt ihn zwar und flüchtet nervös, überlässt es ihm aber problemlos, Beweise aufzusammeln - lässt sich von ihm sogar bis in ein Hotel folgen, wo in einem der Zimmer Susan noch immer bettlägrig ist, aus keinerlei triftigem Grund. Lobster kann nach einigen Stunden die Aufseherin von Susan, eine gewisse Gudrun (den Namen mochte Geissendörfer offenbar sehr), abgreifen, welche ihm sodann bei einem profanen Zechgelage in der Hotelbar, mit Soul-Sängerin & Band im Hintergrund, die ganze Angelegenheit erklärt und ihm auch davon berichtet, dass der Herr Gruber in der Bude der Wielands gerne 'Rudelficken' veranstaltet.


Ganz schön lockerer, derber Umgangston für eine derartige, zeitgenössische Krimi-Serie des WDR, dann noch verbunden mit der hier ins schummrige Licht gerückten Säufernase Lobsters, dem schon vor Geilheit (aufgrund der nahenden Lösung) die Augen glühen. Seit letzter Folge scheint er wohl auf den Geschmack dieses ganzen Genre-affinen Gehabes gekommen zu sein, wo er doch dort den Fall beinahe komplett vorbildlich in der Tasche hatte, zieht er das jetzt voll durch und genießt im Umkehrschluss die gängigen Genre-Charakteristika eines durchschnittlichen Krimis: er kriegt vom Gruber eine Flasche über den Kopf, weiß danach dank Gudrun aber trotzdem, wo sie Susan daraufhin wieder hingebracht haben und bekommt von Gudrun sogar heiße Küsse spendiert, als wäre er James Bond.


Dies alles entwickelt sich auf den letzten Metern in weitere vorhersehbar-plakative Auswüchse. So findet er doch heraus, dass Susan den Toten, der sie vergewaltigen wollte (siehe das Rudelficken), zwar angestochen hat, aber Gruber diesen erst mit der Whisky-Pulle erledigte, weil der auf ihn wohl neidisch war. Gruber bedroht Lobster sodann mit einem Revolver, wie direkt aus der Puppenkiste, doch mit einem tollkühnen Ablenkungsmanöver kann er ihn schließlich unschädlich machen. Mit der Fassungslosigkeit der Mutter endet sodann schlagartig diese schnörkellose Folge und lässt den mit-dieser-Serie-vertrauten Zuschauer ebenso fassungslos zurück, da sie im Gesamteindruck doch jene besonderen Elemente der Reihe gegen eine verhältnismäßig exploitative Beliebigkeit eingetauscht hat.


Das zentrale Thema der Geissendörfer-Serie, nämlich Familienverhältnisse und insbesondere die Liebe zur Tochter, sind allerdings noch immer stark präsent, so sieht man Lobster doch zum zweiten Mal in Folge mit seiner Ellen gemeinsam frühstücken, scherzen und über Alltagskram, wie die Grundstückspreise in Kanada quatschen. Und auch in der Familie Wieland wird die Tochter Susan wie Heiligtum behandelt, nach dem Selbstmordversuch vor der Aussenwelt geschützt und in sauber-weißen Räumen zum Ausruhen ins Bett getragen, wo sie von keinem empfangen werden darf - ihre Unschuld muss bewahrt werden und natürlich entpuppt sich ihr fatales Handeln als jungfräuliche Notwehr, auf dass sie mit ihrem unbeholfen-naiven Beau Toni wieder zusammenkommen kann.


Ansonsten lässt diese Folge aber jene Feinfühligkeit vermissen, mit der man sich in den letzten Folgen angefreundet hatte: Lobster stieg der Alkohol wohl von Anfang an zu Kopf und legt sich wie ein Schleier über das gesamte Handeln des Privatdetektivs in diesem Fall, der nur noch bedingt Rücksicht nimmt auf die zunächst verängstigten Gefühle der Mutter; sofort weiß, dass etwas Perfides im Argen liegt und sich so ordinär gibt, dass sich der Plot genau dem anpasst und auch die Mutter selbst kaltschnäuzige Phrasen hinrotzen lässt, welche von ihm mit lautstarken Anschuldigungen quittiert werden - naja, sein Riecher hat ihn wohl nicht getäuscht. Aber das Verständnis bleibt da verständlicherweise auf der Strecke und verwandelt diesen LOBSTER in weit hergeholte, aber dennoch kurzweilige Reißer-Ware.

Hoffen wir nur, dass der liebe Herr Privatdetektiv in der letzten noch verbliebenen Episode wieder nüchtern wird und diesen eskapistischen Rausch ausgeschlafen hat, so dass auch Geissendörfer eine größere Poesie & Empathie in diesem von ihm entwickelten Konzept wiederfinden kann. Denn hier präsentiert er uns ganz ernüchternd, wie krass eine gewisse, übermütig-bierselige Einfältigkeit potenzielle Tiefe darin aufhalten kann. Ein durchaus lehrreicher Spin-Off, der klar macht, warum sein LOBSTER nicht so sein darf wie jeder andere auch.