Sonntag, 27. November 2016

Tipps vom 21.11. - 27.11.2016

Lliebe Lleser,
einen frohen 1. Advent wünsche ich! Das nenn ich mal eine schöne Aussicht, freut mich, dass ihr wieder so zahlreich am Start seid, wie geht's der Sippe? Macht's euch gemütlich, es sind noch Plätze frei! Ok, kennt jeder das Passwort? Gut, dann alle zusammen: Oy, was für eine Woche! Perfekt, haben wir den ganzen Kram schon mal erledigt. Nun denn, Zeit für Fil... oh, ihr wollt wissen, wie's mir seit letzter Ausgabe ergangen ist? Ach, eigentlich nicht der Rede wert, lief soweit alles tatsächlich ganz gut, also beruflich zumindest, schön einige neue Aufträge erhalten und wiederum einige alte erledigt, da mach ich mir gerade keine Sorgen. Zwischendurch gab es ohnehin noch allerhand zu tun, ein Tag mit Kino, Bücherhalle und Bäcker war auch wieder drin, am ehesten kann ich mich nur über meine Schlafrhythmen beschweren, man, was hatte ich da Freitag für ein Matschauge von. Hat sich inzwischen aber auch eingepegelt, keine Sorge. Und hey, wisst ihr, was ich mir ebenso gegönnt habe, weil mir wieder eingefallen ist, dass ich einen Toaster habe? Toastbrot! Dazu Leberwurst und Käse, wobei ich dieses Meistergericht nach dem Aufstrich immer nochmal kurz in die Mikrowelle stecke, damit ich so einen Pseudo-Grilled-Cheese erhalte. Aufregende Sache, nicht wahr? Und kennt ihr schon diese alte Telefonstreichgruppe The Jerky Guys aus den 90ern? Der Brüller, ich sag's euch! Oh, Fidel Castro und David Hamilton sind gestorben, das nenn ich mal...tragisch? Ich verlier da langsam den Überblick. Was ich aber weiß, ist, dass „Les Démons“ - ihr wisst schon, dieser eine Liebling meinerseits vom Filmfest Hamburg 2015 -, zu Weihnachten hierzulande endlich erscheint. Zwar nur als DVD, aber besser als nix, nicht wahr? Verflixt, jetzt sind wir doch schon beim Thema angekommen - aber gut, halten wir uns nicht selber auf, Politik besprechen wir später, in Ordnung? Gut, also fünf große Brummer stehen heute auf dem Plan, die könnt ihr nach diesen ersten Abschnitten wie gehabt meinetwegen sofort zentriert ins Auge fassen. Doch wenn ihr so lieb sein wollt, lasst uns kurz auch derer gedenken, die es trotz guter Ansätze aus welchen Gründen auch immer nicht geschafft haben, einen dicken, kritischen Text aus mir herauszukitzeln.


Nun bin ich mir sicher, ihr kennt alle Air Bud, oder? Wie der Zufall so will, hatte Smugfilm.com diese Woche einen Audiokommentar zum dritten Teil, „Air Bud 3 - Ein Hund für alle Bälle“, geschaltet und ich musste mich einfach damit beschäftigen, ohne extra noch die vorherigen Teile zu verinnerlichen. Kommt schon, soviel Zeit hab ich auch nicht immer. Der sportliche Streuner macht hier jedenfalls beim Fußball mit, so selbstverständlich wie alle erwartbaren Zutaten eines Hundefilms mit solch austauschbaren Prämissen. Interessant ist da vor allem, dass Bud sich in eine Dame seiner Spezies verliebt, zeitgleich aber auch dem Herrchen Josh sein Herz flattert. Die parallelen Verläufe von Mensch- und Hundeleben spielen sich hier einige gute Partien zu, so honkig hingegen auch auf dem Rasen gebolzt wird und was sich da an Screenshots ergeben hat, kann man sich wahrscheinlich auch gut vorstellen. Ein Blick auf die Hund-im-Film-Seite auf Facebook befriedigt da jede Neugier, möchte ich nochmal betonen! Und wer auf trockenen, unbedarften Humor steht, sollte sich natürlich auch die Zeit nehmen, den erwähnten Audiokommentar von Cody Clarke als Beilage zum Laufen zu bringen, ich hab mich kräftig amüsiert! So, dann hatte ich noch eine Begegnung mit „My Blue Heaven - Das Schlitzohr von der Mafia“, den ich mir hauptsächlich angeschafft hatte, um ein Werk mehr aus den Filmographien von Steve Martin und Rick Moranis abzuhaken. Zudem kommt dieser Film vom „Footloose“-Ass Herbert Ross angetanzt und besitzt wohl allein deshalb schon einige verlängerte Dancefloor-Choreographien, obgleich der Hauptfokus darauf liegt, wie FBI-Agent Barney Coopersmith (Moranis) versucht, den Mafia-Schergen Vincent Antonelli (Steve Martin, dessen Rolle wie in „Good Fellas“ auf Henry Hill basiert) lebendig durchs Zeugenschutzprogramm zu bringen, selbst wenn letzterer nur bedingt die Fassade aufrecht erhält, kriminelle Machenschaften en masse unter der Hand ausführt und trotzdem ein liebenswertes Milieu-Kuriosum abgibt. Schließlich muss man der lokalen Gesetzeshüterin Hannah Stubbs (Joan Cusack) ein bisschen Honig um den Mund schmieren, wesshalb sich freche Töne durchweg als sensible Samariter ausgeben, der neurotische Barney anhand des Mob-Lifestyles zudem noch eine Auflockerung erhält, die dramaturgisch einige Zwischenstopps in Kauf nimmt, aber mit sympatischen Resultaten und zündenden Witzen aus der Affäre zieht, wo ein „Reine Nervensache 2“ Krätze satt ergab.


Dann gab es da noch Andrew Niccols „Good Kill - Tod aus der Luft“. Nun bin ich bei dem Regisseur inzwischen so weit, nicht mehr zu erwarten, doch die Prämisse um den inneren Zwiespalt eines Kampfdrohnenpiloten namens Major Tom (Ethan Hawke, ohne Scheiß) versprach zumindest einiges Potenzial von den grundlegenden Konflikten her. Die steigende Anzahl an ultraplatten Erklärungsphasen und repetitiven Szenarien vor dem taktischen Display im Militärkomplex binnen Las Vegas machte jedoch allzu bald deutlich, dass diese Variante von Niccols Truman-Show-Paranoia nicht über den basischen Diskurs hinauskommen wird. Die Spannweite an Emotionen muss sich dementsprechend mit gerafften Statements, stupiden Grundsatzphrasen und stilisierten Bildern zu melodramatischer Musikuntermalung zufriedengeben, wo eigentlich eine kühle Ermattung per Schock und Trauma angebracht wäre, diese stattdessen jedoch in Allgemeinplätzen dysfunktionalen Familienlebens adaptiert wird. Und wenn das schon nicht standardisiert genug wäre, spielt die moralisch korrupte Regierung auch wieder mit, unschuldige Zivilisten in den Anti-Terror-Krieg mit hineinzuziehen, während ein von unserer Crew beobachteter, mehrfacher Vergewaltiger unversehrt davonkommt. „Leider nicht unser Scheißkerl“, oder auch gleich „Thanks, Obama!“. Die Schlussphase dazu, in der dann endlich das Richtige getan wird, zieht dem Ganzen erst recht die Schuhe aus, wie assig dieser Film seiner eigenen kritischen Moral ein Bein stellt. Zum Trost ist immerhin Zoë Kravitz bei allem zugegen. Besser schnitt dagegen der unterhaltsame B-Horror „The Evil Force - Böse Mächte“ ab, der als Roger-Corman-Produktion von James Cotten entsprechend einfache Muster verfolgt, um jugendliche Stereotypen der frühen 2000er mit Texteinblendungen wie The Goth, The Bitch, The Bitch's Friend, The Punk oder The Brotha in ein spukendes Gemäuer einzuladen. Mit der absurden Menge an beknacktem Nu-Metal und Ghetto-Slang mochte ich mich da eher anfreunden als mit „Königin der Verdammten“, so wie hier zumindest ein charakterliches Kennenlernen auf geerdeter Basis stattfinden durfte, die derben Atzen und Miezen mit ihrem sozialen Status ohnehin greifbarere Persönlichkeit ausstrahlen und kontinuierlich vom dämonischen Mysterium um sie herum Kenntnis nehmen. Der Anlauf Richtung Finale macht dann auch einiges an stockendem Tempo mit blutigen Schauwerten gut, sowieso gibt's durchweg reichhaltigen Trottel-Faktor und Bitch-Beef oben drauf, wenn die Stumpfnasen zur Selbsterkenntnis gelangen, welche zudem satanische Reinkarnationen aus geheimnisvollen Büchern schneidet, ehe unser Breakfast-Horror-Club klerikale Anti-Flüchen üben muss. Boo-yah, mit Betonung auf Boo, um es mit den Worten von „Ghostbusters 2016“ zu sagen. Apropos Comedy-Klassiker, ich hatte diese Woche noch den sehr schönen „Schmeiß die Mama aus dem Zug“ von Danny DeVito gesehen, aber ganz der Ausgangslage jenes Films angepasst, habe ich da eine gewisse Schreibblockade, was wohl am Billy-Crystal-Overkill der letzten Wochen liegen könnte, oder aber eher an der Tatsache, dass es sich wiederum um eine Komödie handelt, deren Witze und Konstellationen live erlebt statt erklärt gehören. Auf jeden Fall kann DeVito als Regisseur hier schon die komische Virtuosität antesten, die er im „Rosenkrieg“schließlich zur Höchstform pushen würde, wobei sein Schlagabtausch mit Crystal sowie deren unbeholfen ausgeführte Fantasien des arrangierten Doppelmords den Nukleus an Kurzweil schlechthin ergeben. Das kommt so gelungen und für den Zuschauer frustfrei-aberwitzig an, dass ich nicht umhin kann, meinen Segen auszusprechen und darüber hinaus nichts weiter zu erläutern, da ich sehe, wie nahe wir dem Hauptteil unserer heutigen Ausgabe schon stehen. Ah, meine Neurosen! Also dann, gehen wir es an, ich wünsche viel Spaß und gute (Weiter-)Empfehlung!




Solch ein Wiedersehen mit John Stockwell hätte man jetzt nicht erwartet, oder? So als Ringleader für die Neuverfilmung „Kickboxer: Die Vergeltung“? Er selbst versteht die ganze Aufregung ebenso nicht. Im Gegenteil, er macht sich wie gewohnt relaxed an das direkt aus den Achtzigern stammende Actionszenario heran, welches dem initiierten Starrummel um Jean-Claude Van Damme einiges an Kultstatus verlieh. In diesem Sinne ist jener Herr wieder mit von der Partie, avanciert als Muay-Thai-Trainer Durand jedoch zum geschmeidigen Bengel, der aufpasst, dass sein toller Hut nach jedem Gerangel stets galant auf dem Haupthaar zurück landet. Da hat man seinen Spaß dran, wie ohnehin viele lebhafte Auflockerungen binnen der ruppigen Martial-Arts-Rache ihre Aufwartung machen, schon zu Beginn dort eine Männer-Freundschaft etablieren, wo Kurt Sloane (Alain Moussi) eigentlich einen Beweis der Kernigkeit erfüllen soll. Letzteres schafft er ohnehin mit links, also warum das farbige Ambiente Thailands drum herum gleich schwarz-weiß malen? Der Antagonist Tong Po (Dave Bautista) sowie seine widersprüchlichen Auffassungen von Mut und Ehre melden sich schon früh genug im knapp 90-minütigen Prozedere, bis dahin versteht sich Stockwell via abgerundeter Kohärenz in eine beständige Transferleistung an Kicks, Schlägen und zwischenmenschlichen Sehnsüchten hinein zu murmeln. Die braucht sich dann auch nicht mit dem Pathos eines „Warrior“ an den Zuschauer klammern, vielmehr schaut man dem fließenden Strom so zu, wie man ihm auch in der Natur begegnen wollen würde. Ähnlich der Ruhe gegenüber einem krachenden Wasserfall gibt sich der Kampfgeist somit als Vergeltungsmaßnahme für den Mord an Kurts Bruder Eric (Darren Shahlavi, R.I.P.) binnen einer Dynamik, die ihre Topoi und Storyline bewusst reiterierend auffängt, wie aus einem Guss sodann wenig Erklärungsbedarf verlangt, wieso Kurt vom spritzenden Bruderblut aus in die tropische Trainingsphase Richtung Gerechtigkeit gerät.


Die bestätigt ihr Dasein ohnehin mit dem höchsten Unterhaltungsfaktor, inwiefern Durand Montagen des Muskelaufbaus mit Kokosnüssen, nächtlichen Überfällen, Kneipenkloppereien, plötzlichem Regen und Zen-geschultem Oben-Ohne-Schlagabtausch motiviert. Die ortsansässige Kommissarin/Muse Siu (Sara Malakul Lane) kommt da ebenso aufreizend geschnitten ins Spiel, obwohl sie Kurt als Voice of Reason noch aus dem ganzen Schlamassel heraushalten will, vor jedem illegalen Match mit einem Dutzend Dienstfahrzeugen vorfährt. Tong Pos Leute funken dabei zwar ebenso ständig dazwischen, unterschätzen jedoch Kurts Spagat im Kampfgetümmel auf den Rücken von Elefanten, verzweifeln zudem schon an der alten Glasscheibentransport-Nummer. Diese Old-School-Selbstverständlichkeiten laden dann auch schlicht wie bestimmt zum Showdown von über 20 Minuten Länge ein, der sich weniger durch dramatisierte Pointen hervortut, als dass er sein Schauspiel harter Knochenschläge zur stringenten Gewaltenteilung stilisiert. Die scheint sich wie eine Blüte zu öffnen, wenn kontinuierlich mehr Blut fließt, umso schockierendere Ausmaße in der Beigabe von Glassplittern am Faustverband annimmt, obwohl die Vorlage über diesen Verlauf schon genügend Auskunft gegeben hat. Manche hier gezeigten tollen Kampfsporttricks kannte diese aber noch nicht, geschweige denn Stockwells Ansatz eleganter Wut, der das Genre zwar nicht gerade umzukrempeln versucht, doch zumindest vom zunehmenden Zynismus dessen fernab auf Herzensangelegenheiten hinweist, die einfach mal einen Gang zurückschalten und Sympathie per Leichtigkeit erringen wollen. Ein Lernprozess, der sich ganz logisch aus dem vermeintlich unvermeidlichen Genickbruch der Genre-Standards lösen kann. Nebendarstellerin Gina Carano hätte man in jener autodidaktischen Befreiung aber wenigstens auch noch eine Kampfszene gönnen können.




Dieser schön schmierige Film von Ernst R. von Theumer scheint seinerzeit gut herumgekommen zu sein, wenn man die Menge seiner zur Verfügung stehenden Titel bedenkt, mit denen er einigermaßen kulturelle Aneignung betrieb. Schließlich ergeben herumziehende Zigeuner den zentralen Diskussionspunkt im Narrativ, welches sich als Drama voller Exploitation in die moralische Verwahrlosung der Wiesen/Täler um Kitzbühel begibt und sogar so reißerisch vonstatten geht, dass der späte Alternativtitel „Der Irre vom Zombiehof“ beinahe repräsentativ wirkt. Getauft wurde das Werk jedoch schon als „Die Totenschmecker“, was einen nur bedingt auf die bitteren Zustände vorbereiten kann, die aus der ursprünglichen Heimatidylle seinerseits eine ethisch-implodierende Apokalypse erschaffen – der „Sternsteinhof“ lässt grüßen. Der Ursprung dafür liegt in einer Bauernfamilie, welche sich selbst sowie die Jüngste, Anna (Maria Beck), mit provinziellen Regelmäßigkeiten zu Geschlechterrollen, Xenophobie und schierer Dummheit füttert, während alle empathischen Funktionen - mal abgesehen vom etwas grundgütigeren Onkel Kurt (Herb Andress) - wie ausgeschaltet scheinen. Die kranke Großmutter (Claudia Bethge) z.B. vegetiert von ihrer eigenen Brut abgeschirmt in einer Hütte auf dem Hof dahin, kriegt im todschwarzen Gewand höchstens Besuch von Anna und deren Mutter Magd Rosa (Lore Graf), welche wiederum noch immer drauf zu warten hat, dass der grobe Felix (William Berger, tatsächlich mal im O-Ton zu hören) sie ehelicht, weshalb ihr Kind weiterhin als Bastard bekannt ist. Aber alles wird gut, so heißt es, sobald der Hof beerbt wird – von wem, steht binnen des unterschwelligen Konkurrenzdenkens allerdings noch aus. Bis dahin regiert der rustikale Vater der Boys (Peter Jacob), der als Oberhaupt natürlich jede konservative Brutalität schlechthin drauf hat und diese auch ausüben kann, wenn sich der geistig behinderte Filius Franz (Claus Fuchs) wieder mal an jemandem vergeht.


Verständnislosigkeit per Lederriemen ist dann angesagt - die Didaktik des Hasses schlägt um sich und blubbert auch auf der Tonspur à la „Buio Omega“ in Richtung zeitgenössischen Horrors herum, welcher sich zu ideal in den engen Mauern des urtümlich grellen Alpen-Kitsches abspielt. Die allzu reelle Sprache des Rassismus kommt da ebenso zur Geltung, doch Anna legt die Schmählieder schnell ab, sobald sie den knapp gleichaltrigen Joschi (Sony Kaikoni) sowie seine Verwandten vom Wohnwagen am See kennen und lieben lernt. Sie kann allerdings auch nicht verhindern, dass sich aus dem einfachen Wunsch nach Milch extreme Spannungen zwischen den Welten ergeben, sobald Franz eine der armen Damen tötet, sein Vater und die Brüder dieses sodann mit weiteren Morden zu vertuschen versuchen. Die Bestien meucheln und lügen dann soweit in ihrem heimeligen Kostüm, dass Rosa zum Schutz dieser sichtbar verzweifelt ebenso rassistische Neigungen über den Hof schreien muss, als die Männer der Sippe ankommen und zeitgleich mit dem Aufwind der Natur das Unheil offenbaren. Die Leichen türmen sich da schon zur Halbzeit in eine Eskalation, bei der auch die Großmütter beider Seiten durch die Hand der teutonischen Feiglinge sterben. Anstelle von Schuldgeständnissen wird sich dann auch immer tiefer in Lügen und Grausamkeiten gegraben; die Spannungskurve bleibt zudem stabil steil in der Bildsprache eines schäbigen Thrillers, der sich für kein Extrem zu schade ist und knalliges Blut über die Provinz-Visagen verteilt. Ob nun leuchtender Tannenwald oder mistiger Kuhstall: Der White Trash giftet gleichermaßen auf ranzigem Niveau um die Wette, kriegt da aber noch à la Edgar Allan Poe die Rache des Gewissens unter den Tönen Joschis hallender Geige zu spüren. Stiegl-Bier zur Verdrängung saufen, Feuer der Beweisbeseitigung und versehentlichen Blindheit wegen legen, Heugabeln in die Gurgel schießen: Was unter diesen Maßnahmen noch menschlich übrig bleibt, ist gewiss nicht zum Feiern zumute. Von Theumer konnte daraus immerhin eine Treibjagd ballern, die in ihrer Großspurigkeit echtes Entsetzen aus dem Tiroler Alpenland durchsickern lässt.




Eddy Saller, das war einer, sag ich dir – hat via „Schamlos“ anno 1968 die „Missachtung der menschlichen Kreatur dieser Tage“ in Österreich als monochromes Feuerwerk programmiert, welches aus der moralischen Abschreckung eher eine Anlaufstelle bombastischer Enthemmung ergab. Um alles Nennenswerte darüber loszuwerden, muss daher auch eine Extrawurst an Text nun vorstellig werden. Losgelöster als Sallers etwas beschränkte „Geißel des Fleisches“ (1965) steigert sich dieser Film also in den Moloch hinein, bietet allein anhand der Spruchdichte ein geballtes Aufgebot an Unterweltjargon, das im Lexikon folglich unter anderem auch Attentate und Striptease im laufenden Wechseltempo nebeneinander aufführt. In der Praxis setzen sich natürlich mehrere griffige Begriffe durch, dazu laden entsprechende Kulissen mit visueller Begleitung ein, wenn die finsteren Edel-Kabuffs Drinks und Teppiche zum Flachlegen verlosen, per Qualm das Nachtleben ankündigen sowie mit Pelz und Perlen aufgeilen – ganz gleich, wie wörtlich man diese definiert. Mitten drin: Alexander Pohlmann (Udo Kier, blutjung), gerade mal an die 20 und schon der Terror der Stadt, hält er diese doch mit Sonnenbrille und abgebrochenen Flaschenhälsen in Schacht – Handlanger Peitschen-Frankie (Edgar Wenzel) macht dazu seinem Namen alle Ehre. Für Rivale Richard Kowalski (Rolf Eden) ist der junge Sportsfreund noch eine kleine Nummer, doch die überlebensgroße Präsenz vonseiten der Inszenierung geht an ihm nicht allzu lange vorbei, auf dass er schon breitere Sonnenbrillen aus dem Etui anleiern muss. Size does matter – aber apropos: Wenn man einen Film an der Qualität seiner gezeigten Brüste messen müsste, wäre mit Nummerngirl Annabella (Marina Paal) schon die Höchstwertung erreicht. Fleisch allein wäre aber nicht die feine englische, weshalb sie auf dem gefühlten Siegerpodest des Films dann doch alle Medaillen umgehangen bekommen dürfte. Ihr Wesen hat es einfach drauf und reißt alles auf, dass die Kunstform Frau im Narrativ als wichtigste Ware unterwegs sein wird, selbst in Stellvertretung durch Dias allen die Show sowie vom Naturgesetz her alle Herzen stiehlt – trotz begrenztem Schauspieltalents.


Klar, das Östrogen wird dabei dem Umfeld gemäß vom Willen der Kerle abgehängt, doch genau diese Ketten an „üblen Schweinereien“ verketten schließlich einen Tod nach dem anderen, wenn jeder jedem einen Riegel vor den „steilen Zahn“ vorschiebt. Gleichsam bricht Annabella auf Berufswegen den fetzigen Wortschatz des feministischen Widerstandes vom Zaun, ehe im gemieteten Wohnwagen-Betrieb gehörig gehurt wird und sie dabei ungefähr so oft das Wort „Baby“ zu hören bekommt, wie frühere Landsfrauen in „Wegen Verführung Minderjähriger“. Das Aufmischen snobbistischer Restaurants gehört bei ihr zum Tagespensum ebenso dazu wie es jeder gute Film halten sollte, dabei sucht sie sich dann auch vor Ort den Schauspieler Hohenberg (Louis Soldan) der Karriere wegen aus, obwohl dieser als Kokser und Homosexueller wenig mit ihr anfangen dürfte. Sie will es trotzdem wissen und sucht auf Hochtouren nach der Liaison, parallel dazu verkehren die Zooms und Schwenks so schnell wie die Karren vor der Linse, was die Fäuste unter dem Motto „Lass dir lieber die Perücke stutzen“ ebenso zum Überholtempo anregt und gleich danach binnen des Nutten-Campings in Action umgesetzt wird - den Seidenkissen fürs flotte Petting sei Dank. Was hier überhaupt an verdorbenem Pomp abgeht; siehe insofern das Statement in Kowalskis Playboy-Domizil, das gleich firmeneigen mitten im Schrottplatz-Mief installiert steht - da kommt zusammen, was zusammen gehört, Abschaum höchster Güte in eingefickter Monetenmenge. Kein Wunder, dass man mehr Lampen statt Tageslicht sieht, aber ist ja nix Neues: Die Dunkelheit ist dem Kino sein bester Liebhaber, in diesem Film erst recht mehr als nur ein ONS. Nicht, dass die Tristesse zu lichter Stunde an Reiz verliert, eben Marke Kraftwerk, Pfützenschleim, Kargebaum und Co. hervorhebt sowie besonders gern die Dresche unter Wohnwagen-Gästen beleuchtet. Annabella mischt sich da ja ebenso fix unter die Sonne und lutscht auf dem Wochenmarkt spontane Bananen ab, die ihrer Verführungskunst zum psychedelisch-delikaten Sit-In auf dem LKW-Anhänger verfallen.


Ihr dort arbeitender Vater Guido Romanelli (Vladimir Medar) hat da aber auch noch ein Wörtchen mitzureden. Der ist als Papa mit der besonderen Note „Porca Miseria“ inklusive formatfüllendem Bart gekennzeichnet - ein forsches Ekel alter Regeln, mit der Jugend auf Kriegsfuß und doch in der Sorge zur Tochter der schweren Verletzbarkeit seiner selbst fähig, wie es im Endeffekt jedem Herren hier ergeht. Der Beweis folgt auch bald im Schicksalsschlag: Der Mord an Annabella, die Gerichtsverhandlung zur Tat, der Freispruch für Hohenberg und alles dazwischen ereignen sich im fiebrigen Raffer zu moderater Klaviatur, doch jene Sprintmontage ist erst der Anfang. So wird die gute Frau über den Tod hinaus weiterhin anhand ihrer Dias zum Treibstoff für Grabscher, feierndes junges Blut und furchtbare Beat-Bands, unter deren Zeitgeist auf demselben Grundstück sodann mittelalterliche Gemäuer zu einem Gericht nach Hexenjagd-Manier umfunktioniert werden. Pohlmann will nämlich den wahren Mörder ausfindig machen, lässt da zusammen mit Papa Romanelli und weiteren Spießgesellen unfreiwillige Zeugen vorladen. Die Beihilfe von stilechten Zelluloid-Verschleißspuren ist da nur sinnig, wenn sich die erwachsene Wut und Selbstjustiz ein hitziges Nebeneinander zeitloser Kontraste mit den unbedarft jugendlichen Happenings erlauben, Glitzerdamen im keimigen Gewölbe Spirituosen servieren. Da darf man Annabella vor dem eigenen Vater auch als Sexbombe ausweisen, um dessen Verdächtigungen zu bestätigen, doch ausgerechnet das Verbrechen scheut sich nicht vor den wahren Hintergründen. Der Druck zum Ausdruck liegt dabei auch auf Pohlmann, seinen Geschäften und Gefühlen: So muss er das Gericht vollziehen, zeitgleich Kowalskis Leute ausschalten, die eigene Trauer überwinden und trotzdem durchweg Stärke zeigen – genauso krass verdichtet die Inszenierung ihre Schauplätze, steigenden Kämpfe und Emotionen, auf dass sich die Lösungen vielleicht nicht verkomplizieren, aber durchaus verhärten.


Dazu wird die Lebhaftigkeit der Dias wie die Erinnerungen zur Person Isabellas in Pohlmanns Kopf wiederholt, zudem seine Sehnsucht nach einer Liebe, die er nicht aufbringen konnte und nie mehr bekommen wird. Im Zuge dessen macht sie sich auch noch rückwirkend per Schmalfilm unsterblich, wenn sie sich auch der Vergänglichkeit eines unliebsamen Verbrecherzirkels preisgab, den sie damit zu erpressen versuchte. Wie kommen diese ganzen Komplexe schließlich doch noch zur Unmittelbarkeit des Sleaze? Nun, da gäbe es z.B. einen Ausschnitt aus Annabellas wilden Tagen als Fleischbeilage zum Rieseneierkuchen – eine Aktionskunst dadaistischer Endzeit, die im frivolen Wahnsinn mit Mehl um sich wirft, experimentell montiert für spontan schallendes Hirnbluten sorgt. Daraufhin melden sich noch markige Gangsterphrasen von Typen wie Mike an, die das Blei am fingierten Gericht der Gesetzlosen entlang strahlen. Wenn sich dann die beliebten Elemente Glasgeschlitze, Katakombenkloppe und schicker Rauch im Gegenlicht dazugesellen, macht dieser österreichische Film Noir bestimmt auch keine Anstalten, Finger in Augenhöhlen zu drücken und Puppen in den Tod stürzen zu lassen – darauf gebe ich euch mein Ehrenwort! Die oben genannten Revolverhelden ziehen schließlich dennoch Schicht für Schicht vom nihilistischen Mordsmysterium ab, verballhornen dabei zwar die eigenen Milieu-Mechanismen, drücken die Zigarette an deren Wange aber auch mit verzweifelter Wehmut aus, so brutal jede Offenbarung aufprallen muss und moralisch an keinem vorbei geht. Die Gerechtigkeit kann da nur zur Sprengung aller Parteien raten, hat dafür auch die eine oder andere MG-Salve als nachgeholtes Urteil der Bandenkriege im Ärmel. Allzu passend für ein Himmelfahrtskommando krimineller Kintopp-Energien, an dem man die Murmel des guten Geschmacks freiwillig abdreht, sich als Vereinsmitglied für den Zerfall aller Sitte und Moral anmeldet, wenn solche kuriosen Sausen dabei herauskommen. Und hab ich schon erwähnt, dass der Film nur unter 80 Minuten dauert?




Schon gehört? Der umstrittene Multimilliardär, Immobilienmogul und Reality-TV-Räude (gelegentlich auch Wrestler, Markenfleischadvokat, Golfer und As-Himself-Filmstar) Donald Trump soll der nächste Präsident der USA werden; dürfte zudem aller Wahrscheinlichkeit nach eine eher rechtskonservative Wende in der Politik jener Nation einleiten, die gelinde gesagt zum Kotzen klingt – das habe ich an dieser Stelle ja schon oft genug geäußert. Und dennoch: Vor knapp einem Jahr konnte man eine aus der Kandidatur Trumps hergeleitete Schlagzeile mancherorts wohl noch ganz groß als Witz verlesen, so wie man es hierzulande jetzt mit einem gewissen M.B. versucht und dort Aufmerksamkeit schürt, wo sie eigentlich nicht hingehört, da die Folgen erwiesenermaßen zu echt ausfallen können. Gut, man soll 2017 lieber nicht von Vornherein verprellen und mit dem gegenwärtigen Jahr vergleichen, vielleicht hilft es aber ein Stück weit, sich zu vergegenwärtigen, was für ein Mann da nun auf die Weltgemeinschaft zukommt, welche gefühlten und echten Realitäten ihn vorbereitet haben und was im Zuge unserer globalen Geschichte daraus zu erwarten ist, ergo weshalb Schiss und Hoffnung legitim erfühlt werden dürfen. Vorhang also auf für „Donald Trump's The Wall“, das Youtube-Projekt eines bis jetzt offenbar unbekannten Content Creators, dessen dokumentarisches Essay in Spielfilmlänge zu den Tönen von Pink Floyds Konzeptalbum „The Wall“ (1979) Leben und Wirken jenes notorischen Mr. T's interpretiert. Die transformative Konzeptverknüpfung zwischen den verschiedenen Medien und ihren durchgängigen Leitmotiven zum Diskurs von Einsamkeit, Image und Führungsqualitäten ist dabei unabhängig von der innewohnend interpretierbaren Politik schon eine tolle Brutstätte an Allegorien, Bild-/Tonscheren, Kontrasten emotionalisierter Kunst und menschlicher Stumpfheiten, Leidenschaften und positiv wie negativ belastender Einigkeit, an der sich vor allem die Kraft des Schnitts feststellen lässt.


Mag er nun propagandistisch emotionalisieren, objektiv auf eine Kausalkette des amerikanischen Traums im Verhältnis mit dem restlichen Erdball hinweisen, Sehnsüchte und Ängste von Massen wie Individuen zufällig/absichtlich auf den Punkt bringen, das Innere von Pink Floyds Album am Äußeren der Persona Trump parallelisieren und somit letztere wiederum an Intimität verstärken: Es geschieht alles zeitgleich mit einem Handwerk, das ich in meiner bescheidenen Position als selbstständiger Cutter ehrlich gesagt nur alle paar Jahre erlebe (selber gewiss noch längst nicht erreicht habe). Gesamtwirkende Reflexionen wie solche dieses Videos geschehen wohlgemerkt stets aus einer Mischung an Zufall und Planung, wobei hier der zweite Faktor in seiner Übergewichtung enorm durchscheint, von ehrfurchterregender Recherche via Archivmaterial zeugt und pervers viele Anschlusspunkte abseits der offensichtlichen Floyd-Wall=Trump-Wall-Relation zutage fördert. Wie markant allein schon die bewusste Ausklammerung des Tracks „Mother“ den geringfügigen Einfluss der Mutter in Trumps Leben suggeriert sowie in der später folgenden Darstellung seines Frauenbilds untermauert wird, ist da nur das schnellste identifizierbare Beispiel. Die schaurig passenden Zitate, die im Verlauf zur ursprünglichen Audiospur ergänzt werden, zusammen das Bild eines selbst-brutalisierenden Gefühlskomplex innerhalb der menschlichen Zivilisation ergeben, welches zudem erste bis dritte Welt so nah wie (un)möglich einander bringt und abstößt: Das sind kreative Herausforderungen und Erfolge, die reichhaltig Shock and Awe repräsentieren, eben auch in der jeweiligen Relevanz, die man mit jenem Begriff assoziiert. Alles wird gesagt, doch bei den ganzen offenen Wunden bleibt genauso gut alles am Zuschauer hängen, welche Schlüsse er zieht, wie er sich an den Film anpasst oder ob er dies überhaupt tun soll, was bei der Darstellung der Statussymbole und ihrer unbarmherzigen/tragischen Distanz sowieso zur Debatte steht. Auf jeden Fall dürfte das vielschichtiger und differenzierter agieren als die unvermeidlichen Trump-Biopics von Oliver Stone oder Adam McKay.




Apropos, werde ich jemals wieder einen amerikanischen Film unbelastet sichten können, also ohne die orangene Fratze im Hinterkopf? Unverhofft kurioser: Warum betrifft das insbesondere Komödien aus dem Land of the Free? Ich dachte, da könnte ich mich mit meinem kakophonischem Gelächter kurzzeitig von allem ablenken, was gerade so schief läuft. Das Problem fängt aber schon damit an, dass in diesen Filmen meistens alles schief läuft, um die Underdogs an Protagonisten irgendwann strahlend aus ihrer Misere austreten zu lassen. So auch geschehen im trotzdem nicht unsympathischen „Bronze – Kleiner Sieg. Große Fresse.“, der sein Herz exemplarisch für die Verlierer dieser Welt ausschüttet, welche in diesem Fall zudem von hoher sozialer Inkompatibilität und rüpelhaftem Umgangston gekennzeichnet sind. Der aus mehreren ähnlichen Filmen zu erwartende Wandel lässt ja bekannterweise eines solcher Charaktermerkmale intakt, weil man ja sonst eine Persönlichkeit zu verschenken glaubt (und dramaturgisch selten solche Experimente eingegangen werden) – das hier gerade das Arschlöchrige überlebt und liebenswert umgestaltet wird, macht dem jüngst vergangenen Wahlkampf wahrhaftig alle Ehre, obgleich jenes Ergebnis im Kontext des Films nicht ansatzweise so widerlich wirkt. Pluspunkte! Liegt garantiert an Protagonistin Hope Ann Greggory (Melissa Rauch, ebenso als Ko-Autorin am Start), die ihr ganzes junges Leben lang inflexibel im Ehrgeiz zur Athletik gefangen geblieben ist, sich seit ihrer Bronzemedaille bei den olympischen Spielen als amerikanische Heldin sieht und daher wie ein arrogantes Gör mit den Fetzen von einst durch den Alltag binnen Swing State Ohio schnorrt. Narzisstische Muster durchziehen da zudem jede Ader ihres zwischenmenschlichen Umgangs, der seine Dysfunktion beim nonkonfrontalen Vater Stan (Gary Cole) mit frecher Schnauze sowie aus seinem Postauto gestohlenen Briefinhalten anfängt, beim Wichsen via auf VHS aufgezeichneter Erfolge ihrerseits Ego und Beziehungsunfähigkeit fusionieren lässt. Der klassische Nerd an ihr, umgeben von Memorabilia und Plüschtieren im Keller des Elternhauses eingepflanzt (die Mutter war schon fünf Monate nach der Geburt weg vom Fenster – siehe oben „The Wall“), geht jedoch herablassender als typisch mit dem Mundwerk auf Touren, insbesondere launisch, sobald sich finanzielle Probleme im Haushalt aufzeichnen, zu deren Lösung sie ums Verrecken nicht beitragen will.


Wie viele krasse Schutzmechanismen da wahrscheinlich wirken und den Problemen nur leidlich entkommen, wird der Film im Verlauf noch semi-sentimental auf den Grund gehen, bis dahin darf man aber noch zusehen, wie Hope bei aller Gegenwehr einen Posten als Coach annimmt, um an die Erbschaft ihrer verstorbenen Trainerin ranzukommen. Schützling Maggie (Haley Lu Richardson) hat das Talent und grenzenlosen Enthusiasmus, Hope dagegen null Böcke, weshalb sie Verfettung und Energieverschwendung am Boyfriend zum Trainingsprogramm erklärt. So einfach lässt es sich aber nicht durchhalten, wenn die Konkurrenz mit der Goldmedaille, Trainer Lance Tucker, erstmals einen Sebastian Stan mit sichtbaren Schauspielerqualitäten einführt (ich dachte, es wäre Michael Biehn) sowie ihre Chancen abzuluchsen versucht. Also fängt Hope dann doch an, eine energische Bitch zu sein, mit aufgehitzten Eiern Interesse wie Engagement zu heucheln und Maggie in Form zu bringen, was auch abseits des Sports einige Verbesserungen mit sich bringt: Leute erinnern sich an ihren Geburtstag, sie platzt nicht bei jedem verbalen Kontakt aus allen Nähten und zu alledem nähert sie sich auch noch dem Assistenzcoach Ben (Thomas Middleditch), der ungefähr am anderen Ende ihres kommunikativen Spektrums einzuordnen ist. Kleine urige Situationskomiken, ebenso kleine Kleinstadtarmseligkeiten/Pointen, eine Fülle vulgärer Attacken, Hopes Ponyzopf – das hält die 100 Minuten nur bedingt durch, muss sich dabei aber auch nicht blöd vorkommen, wenn der Interessenkonflikt des Sieges konventionellere Spuren verfolgt, während des dritten Aktes aber nochmal einige Wendungen durchnimmt, die damit spielen, wie Hope ihre eigenen Enttäuschungen und Zynismen auf andere projiziert, mit welchen Parteien sie es sich verscherzt und trotzdem der imperfekte Stolz ihres verträumten Nests Amherst bleibt. Bei der Auswahl der meisten Adjektive in dieser Kritik merkt man sicherlich schon, wie viel Formel um diesen Film pendelt, ihn folglich auch teilweise nebenbei laufen lässt, weil man ihn abseits des Heimkinos in hiesigen Gefilden nicht kennenlernen wird. Irgendwas Bestimmtes hat er aber noch mit mir angestellt, was ich bis jetzt noch nicht herausfinden konnte, aber zumindest schon mal diesen Text hier fabriziert hat. Lass ich mich etwa auch gerne anschreien, kommt das gar sexy? Oder sind die Drittplatzierten in ihrer Präsenz einfach ein stimmiges Zeichen unserer Zeit? Naja, Hope war immerhin mal ein Obama-Slogan – haltet den Traum am Leben!

Sonntag, 20. November 2016

Tipps vom 14.11. - 20.11.2016

Leser Liebe,
wir dürfen uns gegenseitig auf die Schulter klopfen, da wir es geschafft haben, eine weitere Woche lang zu überleben. Jede Sekunde zählt nämlich auf der Zielgerade über das horrende Schaltjahr '16 hinaus, dass man froh sei kann, wenn man beim ganzen Pessimismus und dessen Angstzuständen noch in der Lage ist, zumindest von Nacht zu Nacht einzuschlafen. Ich kann gewiss nicht für jeden sprechen, aber unabhängig von allen aktuellen Faktoren ist der späte Herbst an sich stets eine brutale Probe im Jahresrhythmus geblieben, auf eine Ära der Glücklichkeit zu hoffen, was sich sodann auch an den Klickzahlen dieses Blogs abzeichnen lässt. Die 200. Ausgabe von letzter Woche hat leider nicht ganz die hohen Wellen geschlagen, die ich mir binnen kühnster Träume erhofft hatte, was bei derer Filmauswahl dann wiederum doch nicht so verwunderlich war, denn wie kann es eine Feier zum Wesen des Blogs werden, wenn Billy Crystal fast jedes zur Besprechung ersonnene Beispiel anführt? Sicher wurde er dabei so unter die Lupe genommen, dass mir in der Kontinuität zu seinem Werk nicht unbedingt an den Oscar-Moderationskünsten jenes Mannes gelegen war, doch diese eine von vielen Baustellen einseitigen Elends hat mitunter auch die Mischung vermissen lassen, die ich so sehr am Medium Film schätze. Nun also halte ich eine Wiedergutmachung für nötig, so wie vieles innerhalb der letzten Tage erneut gute wie gütige Mengen an Optimismus, Familie (u.a. die lieben Eltern) und Freundschaft ins Spiel gebracht hat, das Motto vom geteilten Leid bestätigte und einige Sorgen für die nächste Zeit getilgt hatte. Ich bin mir sicher, vielen von euch ist es ähnlich ergangen, deshalb halte ich diesen Text so dramatisch vage, um die tighte Connection untereinander am fly sein zu lassen. Das kritische Resümee zu einer scheinbar wahllos zusammengetrommelte Filmreihe ist demnach genau das richtige, um relevante Gedanken innerhalb zufällig prophetischer Werke zu erläutern, wobei ich mich besonders bei Siegfried Bendix bedanken muss, der seinen Filmabend diesmal wieder so umwerfend kuratierte, dass im kreativen Schreiben erneut Überlänge angesagt war (lediglich der letzte Film von 8 wurde außerhalb dessen gesichtet). Im Folgenden werden wir alle also auf die unterschiedlichsten Zelluloid-Memoiren diesseits wie jenseits der Erhältlichkeit treffen, deren Gemeinsamkeiten mindestens so erstaunen wie das emotionale Spektrum zwischen 1950 - 2016 hochexplosive Umstellungen erfordert. Die bei mir beliebte Wortgruppe „Wechselbad der Gefühle“ bringt hier also die große Nummer, aber ich will euch nicht lange aufhalten - lest selbst und macht euch am Besten eine Checklist reiterierter Termini oder oberstarker Empfehlungen, wenn Der Witte wirklich ausnahmslos alles aufdeckt, was hoffentlich auch einige Leute außerhalb der jeweiligen Nischen wissen wollten.




Mit knapp einem Jahr Verspätung kam binnen dieses Septembers auch hier Jon M. Chus Verfilmung der Hasbro-Zeichentrickserie „Jem and the Holograms“ an und es stünde durchaus zur Debatte, warum jener Film in hiesigen Kreisen nur auf DVD gelandet ist, während sein Neustart vom August, „Die Unfassbaren 2“ eigentlich eher dort verweilen sollte. In den USA von ehemaligen Fans verprellt, ohnehin kassentechnisch wie kritisch ein Misserfolg, stellt das Abenteuer binnen des Songwriter-Familienkonflikts nämlich zweifellos den besseren Film dar und spielt den Vorlieben jenes Regisseurs ohnehin stimmiger zu, wo dieser doch bei klassischen Auflösungen recht verloren wirkt, im musikalischen Terrain jedoch souverän aufzumucken versteht. Wenn auch nicht von jeder Austauschbarkeit enthoben, kommt der kuriose Mix aus geläufiger Rise-Fall-Rise-Dramaturgie, Musikindustrie-Spekulation, Social-Media-Clipshow, Romanze und Daddy Issues via Roboter (!) entsprechend wild an, spaßfördernd und naiv, teilweise kurzatmig am Durchhängen, aber später wiederum eine Konkurrenz für den „Neon Demon“ oder Musikvideos/Filme eines Xavier Dolan. Die kleine Wundertüte dreht sich dabei um die Kleinstadt-Waise Jerrica Benton (Aubrey Peeples), die mit ihrer leiblichen Schwester Kimber (Stefanie Scott) sowie den Pflegegeschwistern Aja (Hayley Kiyoko) und Shana (Aurora Perrineau) unter der Fittiche von Tante Bailey (Molly Ringwald) haust. Als jedoch angekündigt wird, dass das Haus innerhalb eines Monats zur Zwangsvollstreckung freigegeben wird, hören die quer durch den Raum geworfenen Buzzwords Geil, Krass, Instagram und Fressnarkose mit ihrem #YOLO-Jam auf und legen innerhalb der fix etablierten Eigenschaften aller Familienmitglieder (Aja kann hacken, Kimber Pics snappen, etc.) fest, dass etwas dagegen getan werden müsse.


Prompt (und beachtlich fixer als „Sing Street“) wird ein Musikvideo geplant, weshalb man sich zufällig auch an der vor essenziellen Utensilien strotzenden Garage der Ersatzmom bedient, über die Spiegelreflex der Girls sodann schon früh klar wird, wie intensiv (und redundant) sich neue Medien mit dem filmischen Rahmen vermengen werden. Ein Jaume Collet-Serra dürfte sich freuen, das Spiel mit den Formaten blickt aber auch zur VHS zurück, wenn Jerrica dem Zusammensein mit dem Vater hinterher trauert, bis hierhin schließlich auch wenig Lust hat, am Video mitzuwirken. Des Nächtens ergreift sie jedoch der Mut und lässt sie für eine Soloperformance an der Gitarre derart in Schale werfen, dass man die Szenerie mit „Le Berceau de Cristal“ verwechseln könnte. Im Selbstzweifel will sie das Video löschen, doch Kimber lädt es spontan auf Youtube hoch, wo es im viralen Wirbelwind zur absoluten Sensation aufsteigt, bald das erste Angebot von Plattenfirma Starlight Enterprises (ein Name so platt, dass er nur aus den 80ern stammen kann) und deren Chefin Erica Raymond (Juliette Lewis) aufkreuzt. Die Zeit zum Verhandeln drängt, doch eine Bedingung kann man Jerrica nicht abstreiten, nämlich jene, mit ihren „geilen Schwestern“ zusammen in die Starvilla aufzusteigen. Erica geht damit konform, doch das Problem am Ganzen reckt schon früh seinen Kopf heraus, da die Marketingkampagne die jeweiligen Identitäten in der Truppe der Öffentlichkeit gegenüber geheim halten soll. Der Titel „Jem“ allein soll als eines der letzten Geheimnisse der Welt eben diese erobern, ferner die Personen dahinter beliebig austauschbar machen. Vorerst jedoch fetzen die Mädels ihre massiv besuchten Geheimkonzerte im permanenten Impromptu-Modus weg (Ankleide- und Hairstyling-Montagen inklusive), während Jerrica vor allem mit Aufpasser Rio (Ryan Guzman, „The Boy next door“ und wie dort für viele Honk-Momente eingesetzt) anbandelt und zudem herauszufinden versucht, auf welchen Pfad die Hinweise des vom Vater gebauten Roboters Synergy sie führen wird.


Vor allem letzteres hat klassischen Jugendfilm-Charakter, was sich dann noch mit einer Spontanität zum A-capella unter dem geschlossenen Rummelplatz ergänzt, wie es nur knapp hinter „Pitch Perfect“ stehen dürfte, gefolgt vom moralischen Konflikt im Haus-rettenden Solovertrag, der so alt wie das Duell Faust v Mephisto nachhallt, in der Enttäuschung der Mitstreiter aber auch eine Performance herausholt, die mit ihren Symmetrien und Neon-Bombast-Choreographien einen tollen Kontrast zelebrierend-schmerzlicher Selbstaufgabe ergibt. Selbst die VHS-Aufnahmen von früher treten dabei trauernd vom Geschehen ab, eine tolle transformative Montage (weniger glücklich übrigens die Einbindung einiger Viral-Videos, die den Soundtrack bestimmen sollen, aber noch als Quellennachweis aufpoppen, siehe auch Google Earth für Szenenübergänge)! Der Pfad der Selbsterkenntnis („Sei du selbst“, „Finde deinen Weg“ und Konsorten) über die Fesseln der Industrie hinaus bleibt Jerrica natürlich dann doch vergönnt, wenn zig Insta-Clips die Inspiration ihrerseits sowie die unterstützenden (megasimplen) Lyrics betonen, die Schwesternschaft wegen Love/Friendship/Family nimmer aufgibt und posthume Motivation vom Vater ohnehin direkt an den Herzenssträngen zupft – Tearjerker deluxe! Effektiv in der Ausführung, vielleicht dennoch etwas zu glatt auf vielerlei Standards hinsteuernd, kommt das Finale dann auch dort an, wo man's vermutet, hat für die Katharsis leider sogar den schwächsten Song parat, dafür aber auch ein drolliges Gesamtpaket der Einigkeiten und erfüllten Wunschträume, wie es für 2015 und dessen Präsenz an Kindgebliebenem beinahe schon selbstverständlich war. Nostalgie dafür zu empfinden ist doch noch nicht zu früh, oder?




Nicht minder naiv scheint sich Rick Kings „Rollerboys“ von außen hin anzukündigen, schon im Intro mit hippen Skateboard-Tricks und Corey Haim auf besagtem Brett angereichert, dass eine honkige Sause anno 1990 anstehen sollte. Die Bahnen, die der Film daraufhin aber anfährt, sind von der Unschuld der „Jem“-Truppe jedoch in weite Ferne gerückt, denn der junge Dude auf Rollerblades lebt in einer Dystopie des modernen Amerikas, die prophetischer denn je nachklingt. Unter Gitarrenriffs der Marke „Stone Cold“, mit den Stars and Stripes im Hintergrund, hält der in blonder Vokuhila, silbernem Blazer und Immobilienmarktwerten verpackte Anführer der Rollerboys, Gary Lee (Christopher Collet), via TV eine Ansprache ans heruntergekommene L.A. über die Macht seiner Gefolgsleute, ihren geplanten Wiederaufbau Amerikas sowie deren Position zu „niedrigen Rassen“. Ausgerechnet der blue state Kalifornien hat nebenbei auch ständig mit den extremsten Ausmaßen an Bandenkriegen und ökonomischer Verrohung zu hadern, die im urbanen Kreise eine Postapokalypse nach Bartertown-Manier heraufbeschwören, Obdachlose in Konzentrationslager stecken, Elite-Unis mit jedem einzelnen Ziegelstein nach Japan pflanzen und zu alledem noch korrupte Bullen im Innern horten, um nur einige Faktoren der dampfenden Kacke zu benennen. Die Urängste der USA bei Anbruch der 90er, selbst vor Rodney King um Aufstände und Neonazis fürchtend, sind hier maßgeblich für die brutale Zukunftsvision, welche neben kontemporären Republikanersorgen wie Wirtschaftsübernahmen aus dem fernen Osten, Prostitution und Drogen auch die Xenophobie im Mantel des Kapitalismus ballen, was innerhalb jener Nation scheinbar zeitlos geblieben ist.


Schwere Zeiten also für Griffin (Haim), der mit seinem kleinen schlagfertigen Bro Miltie (Devin Clark) inmitten der Unruhen ringsum wohnt, zumindest bei dem alten schwarzen Vaterersatz Speedbagger (Julius Harris) untergekommen ist und sich doch nur mit einem Pizzalieferantenjob über Wasser hält, um in einem Zelt (!) wohnen zu können. Kein Wunder also, dass die Verführung im Umbruch durch die Rollerboys einem schwer auf die Pelle rückt, überall deren „Day of the Rope“ via Graffiti angekündigt wird, ihre Superdroge Nebel im Umlauf ist und Gewalt bei Nacht zur Tagesordnung gehört, so erhaben hasserfüllt sie in Gruppenformation durch die Straßen skaten und Partys feiern. Das „Uhrwerk Orange“ als pseudolegitimisierter Bote der Infrastruktur ist angesagt, doch obwohl Griffin Gary Lee noch als Freund von einst kennt, hegt er nur wenig Gegenliebe fürs kriegerische Gehabe im nationalistisch-anarchistischen Pre-Siegestaumel. Dennoch überredet ihn die Polizei unter Chief Jaworsky (J.C. Quinn), undercover in die Machenschaften der Warriors-in-spe einzusteigen, um zum einen seinen beeinflussbaren Bruder aus dem Drogenhandel der Boys rauszuhalten, subversiv das politische Gewissen des Zuschauers durchzusetzen und zum anderen an die kesse Maus Casey (Patricia Arquette) ranzukommen. Die gibt sich von außen hin leicht zu haben und wirft sich in zig verrückte Kostümierungen, ist aber ebenso als verdeckt ermittelnder Cop unterwegs, hadert als Kontakt für Griffin also stets hin und her, wie sie seine Annäherungsversuche („Bumsen wär viel geiler.“) aufnimmt bzw. in den Wind schießt.


Der Nebenplot hält sich jedoch bis zum Schluss etwas doll vage in seiner Motivation dessen, mehr Zeit wird hingegen dem Erkunden der Roller-Hierarchie gewidmet, ob nun in mörderischen Mutproben, Breaking-Bad-ähnlichen Drogenlabor-Wohnmobilen, Geldeintreibungsmanövern mit heuchlerischem Charity-Aspekt oder Fascho-Brandreden in finsterer Halfpipe. Durchaus starke Signale politischer Satire/Ängste von einem trotz allem reißerischen Produkt seiner Zeit, das dieser Tage im Grunde als Young-Adult-Stoff eingeschätzt werden könnte, wenn denn nicht noch die exploitativen Eindrücke aus Sex und Gewalt mitspielen würden, nicht unweit vom Paul-Verhoeven-Level abgetrennte Gliedmaßen, bestialische Kopfschüsse und Minderheitenmassaker auffahren. Das sorgt für einige abgebrüht spontane Schockmomente im mehr oder weniger jugendorientierten Narrativ, deren Kernigkeit im Straßenkämpfer-Chic hat dennoch mehr was von einem Bubblegum-Faktor innerhalb der mittelmäßig budgierten Heldensage, die im Verlauf einiges an Tempo, Schlagkraft und Kompromisslosigkeit einbüßt, obgleich Griffin als Charakter da nicht gänzlich auf gut oder böse definierbare Wege zufährt. So entwickelt er ein Vertrauen, sich in seinem Status unter Rollers zeitweise beinahe wohl zu fühlen oder dieses Gefühl gegenüber Vertrauten wie Speedbagger zu leugnen, zudem das Vergangene an Gerry Lee finden zu wollen, doch die Opportunistenphase legt er allein in der Sorge zum Bruder gleichsam schnell wieder ab („American History X“ lässt grüßen), ehe das rechtschaffene Action-Finale seine Skater-Skills und ethischen Werte abseits des Martialischen verlangt. In dem Kid steckt Hoffnung, im Film dazu eine grelle (nicht ineffiziente) Dynamik über die Auswüchse des Sozialpessimismus und wie cool der Widerstand dazu aussehen kann.




So ziemlich in der Endphase unserer hier schon des Öfteren aufgetretenen Cannon Group, genauer gesagt zwischen 1986 bis 1988, schafften Produzenten Menahem Golan und Yoram Globus binnen ihrer ohnehin obskuren Filmographie die Reihe der Cannon Movie Tales. Diese brachte klassische Märchen als eher minder erfolgreiche Verfilmungen einer ungesättigten wie ungefragten Marktlücke für Kinderspektakel zustande, die im Budgetrahmen jener israelisch-amerikanischen Marke entstanden und somit trotz mancher Starbesetzung ordentlich damit zu kämpfen hatten, irgendwie Fuß zu fassen – ein Kernsatz für die Geschichte der kurzzeitigen Filmmogule. „Hänsel und Gretel“ von Len Talan ergibt in jener Fassung sodann ein Paradebeispiel für große Ambitionen sowie dafür gescheute kreative Mühen. Letzteres kann man nicht unbedingt dem Produktionsdesign anlasten, doch wenn man dieses schon mal hat, wird es derartig auf die Laufzeit ausgewalzt, wie man es dem Cannonen-Tempo anhand kurioser Einfälle dann doch stets selten ansieht. In diesem Fall jedoch bleibt das Prozedere an einem inzwischen verzweifelten Wunschdenken des Mithaltens unter Hollywood sowie zielgruppengerechter Originaltreue gebunden, obgleich man auch versucht, die an sich kurze Vorlage auf 90 Minuten zu biegen und brechen. Jede Umsetzung versucht ja andere Wege, wie man das Geschwisterduo (Hugh Pollard und Nicola Stapleton) letztendlich in den Wald sowie zum Ofen der Hexe (Cloris Leachman) führt; im Cannon-Kanon hat man dafür eine relativ harmlose Variante gewählt, die sich ihren Eskapismus zudem aus der Musical-Umsetzung von Engelbert Humperdinck zieht und dessen schrecklich platte Songs ins Geschehen einbaut.


So schleppen sich die Nummern schon durch eine Anfangsphase, in welcher der arme Vater und Holzfäller Stefan (David Warner) die Kids zum Bäcker in die Stadt mitnimmt, dort seines mangelnden Durchsetzungsvermögen wegen um die volle Auszahlung geprellt wird, immerhin aber noch einige lausige Kuchenkrümel für die Kleinen abbekommt. Letztere hingegen verbringen ihre Zeit damit, zuzusehen, wie der Bäckergehilfe heimlich am Inventar nascht (Vorschau auf kommende Ereignisse!), finden am ehesten noch Spaß darin, dem Kasperle-Theater vor Ort beizuwohnen, welches ihnen zumindest ein Stück humaner Freundlichkeit auf den Weg mitgibt. Ansonsten haben sie davon gewiss nicht viel parat, was sich vor allem an Gretels erschöpfter Mimik abzeichnet sowie in der Mutter (Emily Richard) den Gipfel des Frusts findet. Weil es z.B. kaum was zu essen gibt und das Vorhandene dann auch noch der Aussage Hänsels entsprechend nach Waschwasser schmeckt, schickt diese ihre Brut mit den Worten „Betet, dass ihr einschlaft und nie wieder aufwachen müsst“ ins Bett. Als der Nachbar eines Tages aus Mitleid Milch sowie Kuchen mitbringt und Hänsel aus Versehen den ebenfalls mächtig hungrigen Esel ins Haus reinlässt, platzt der Mutter dann völlig der Kragen, weshalb sie ihre Kinder zum Beerensammeln im Wald verdonnert, obwohl sie selbst schon genug in den Korb gesemmelt hat. Von hier aus entwickelt sich die Mär dann nach gewohnter Manier in die empfangenden Arme des kinderfressenden Bösen, obgleich die Darstellung zynischer Armut zuvor am Meisten zusetzen wird, was man vom Film schließlich mitnimmt. Sie stellt nämlich zur Frage, warum ein Frank Capra den Stoff nie in Angriff genommen und somit eines der deprimierendsten Medien aller Zeiten hätte schaffen können, wenn man sich die verzweifelte Abhängigkeit vom Geld innerhalb der Familie anschaut, anhand derer allesamt ermattet ihr Dasein fristen.


In der zweiten Phase des Films jedoch kommt man ins Überlegen, ob der einst bei Cannon vertraglich untergekommene Tobe Hooper nicht den ideelleren Macher fürs Horrorszenario der bösen Hexe abgegeben hätte, so wie unter Len Talan nur noch wenig Gruselpotenzial stilisiert bleibt, obgleich weiterhin originalgetreu um den Durchmesser von Hänsels Finger gefeilscht wird, Gretel unter Hypnose in der Maloche Richtung Brudermästung ihr Sozialelend reiteriert und Hänsels Hungerstreik nur von kurzer Dauer währt, wenn die Hexe das Mordsmesser über der schlafenden Schwester hält. Die Inszenierung steht dafür zu blass im Licht, streckt sich wie erwähnt in müden Konventionen aus, schneidet zudem mehrmals irrelevant zum suchenden Vater, dessen Begegnung mit üblen Geisterstimmen noch am Ehesten als Albtraum ankommt und bietet zu alledem noch eine Synchronisation, die besonders in den Kinderrollen unfreiwillige Lacher hervorruft (Hänsel „nüscht“ sich nur so einen ab). Die eindrücklicheren Setpieces dieses um Stimmung bemühten Films sind dann auch ausgerechnet außen vor zu finden, sprich im Vorgarten voller Lebkuchenkinder, die sich so bewegen wie der Schneemann aus der 1954-Version, sogar dicke Tränen weinen und auf den Prüfstand stellen, ob die Hexe überhaupt Kinder isst, wenn sie diese insofern präserviert. Klingt leicht verwässert, doch die dickeren Flüssigkeiten kommen wie aus einem Vulkan geschossen, sobald die Hexe selbst im Ofen landet, blutroten Schaumstrahl aus dem Haus heraus über den Hof fluten lässt, weshalb dann noch gelbe und rote Farbeimer mitspritzen, damit Erinnerungen an „Shining“, „Story of Ricky“ und Co. nur vage erweckt werden. Mal ab davon bleibt vielleicht noch eine bewährt bösartige Hexen-Performance, die im verschleppten Prozedere aber auch nur dem genügsamen Standard entgegenkommen kann, was sich aber auch allen Aspekten zur Last gelegt werden kann – und das bei solch einem Grimm-Märchen haushohen Gräuels, wurde dieser Film etwa für Kinder gemacht?




Als anspruchsvoller Cine-Coinasseur sollte man stattdessen mitunter den „Blood Father“ in Betracht ziehen, eine Art Comeback-Vehikel für den Darsteller Mel Gibson, das sich erträglicher als das Gros von Regisseur Mel Gibson anschauen lässt. Der auf einem Roman von Peter Craig basierende sowie von Jean-François Richet inszenierte Thriller gibt sich sodann dafür die Sporen, geradlinig durch New Mexico zu jagen, Vater und Tochter auf dem gemeinsamen Weg der Rehabilitierung im Kugelhagel zu versöhnen. Reichlich Stoff für politische Ambivalenzen gibt es angesichts des Schauplatzes und der Vergangenheit des zentralen Darstellers durchaus und da ist sich der Film nicht zu schade, genau diese explizit zu verarbeiten, das Image wieder auf Kurs zu bringen, ohne allzu sehr zu romantisieren, wie fehlerbehaftet das Konterfei/Private des Mad Mel um sich selbst zu ringen scheint. Der Exorzismus binnen der Kunst ist kein neues Konzept, bei einer bipolaren Persona non grata wie Gibson zumindest als Ventil verbaler wie brutaler Sprengkraft brauchbar, das hier Verantwortungsparameter des elterlichen Gewissens auf die Spitze treibt. Die Umstände sind dementsprechend noch kerniger auf der Todesliste unterwegs als „Hänsel und Gretel“, sobald sich die 16-jährige Lydia (Erin Moriarty) aus den Fängen ihres kriminellen Beaus und Kartelllakaien Jonah (Diego Luna) befreit, diesen allerdings mit offener Schusswunde am Hals zurücklässt und somit auf der Flucht vor seinen Schergen untertauchen muss. Zeitgleich hängen zig „Vermisst wird“-Plakate mit ihrem Gesicht drauf an den Wänden John Links (Gibson), der nach einer Scheidung sowie jahrelangem Strafvollzugsaufenthalt und Alkoholmissbrauch versucht, wieder auf die Beine zu kommen und den Kontakt zu seiner Tochter zu re-etablieren. Trotzdem steckt er wie ein Eremit im kargen Trailer Park fest, den Bewährungsauflagen Folge leistend innerhalb seines Wohnwagens mit Tattoo Shop, den er quer gegenüber seinem Sponsoren Kirby (William H. Macy) geparkt hat und in nächster Zeit bestimmt nicht wegkommen wird/will.


Hoffnung ist Mangelware im Wüstenstaat, umso länger wächst Links Bart, bis er dann doch Meldung kriegt von seiner Filia, die innerhalb seiner Behausung auch allmählich auf einen Entzug gefasst sein muss. Die zwischenmenschlichen Spannungen finden da schon aufbrausendes Gesprächsgut im Strudel verschleppter Distanzen, suchen aber den gegenseitigen Schutz, sobald Gangs und Sicarios sie aufsuchen und alles anballern, was in nächster Nähe noch dem Überleben zugute bereitsteht. Was dabei an Richets Gestaltung heraussticht und trotz pragmatischer Handkamera vom Konsens vieler familiären Hetzjagdgeschichten à la „96 Hours“ unterscheidet, ist der Verzicht auf sentimentales Kalkül, welches hier stattdessen in direkten Konflikt sowie Survival-Vertraulichkeiten mündet, die sich vor allem von Seiten des „Blood Fathers“ als angestaute Plattform entladener Wut und Schlagkraft äußern, geradezu tierisch um die Fassung seines Nachkommen Sorge tragen. Im zynischen Milieu weiß man sich eben anzupassen, gleichsam passiert die Balance durch Lydia, wenn der Zustand Amerikas insgesamt dazu infrage gestellt wird, wo der Film ohnehin schon potenziell zwischen den Stühlen steht, wie der kriminelle Anteil von Südamerika aus im Verhältnis zu dessen Bevölkerung steht. John hat lapidare Vorurteile parat, Sie dagegen Argumente mit dem Selbstverständnis der Menschlichkeit als Rückendeckung, weshalb das Prozedere ebenso noch vielerlei Grautöne weg von xenophoben Feindbildern aufnehmen wird. Durchaus ein differenzierter Gegenentwurf zu einem Amerika, das auf dem bestem Wege ist, horrende Spaltungen seiner selbst zu vollziehen.


Entschiedene Signale setzt man hier dann auch in der Begegnung mit dem sogenannten Preacher (Michael Parks), einen alten Weggefährten aus Links zweifelhaftem Umfeld der Unterwelt, der sein Geld damit verdient, Nazi-Memorabilien und Waffen an die „Loser“ (Zitat, Link) zu verhökern, was schlussendlich unter Einberechnung weiterer verächtlicher Handlungen mit einem schlichten Kopfschuss quittiert wird. Das Abknallen ist hier ohnehin eine Kunst/Katharsis für sich, ruppig im Einsatz und mit schicker Aufbaudynamik, gerne auch per Harley, am Zersieben – Knochenbrüche inklusive, in der Choreographie schön dreckig und brachial. Das bleihaltige Gorefest wird jedoch nimmer der Fokus in einem Gebilde der Flucht im eigenen Land, das sich über Umwege dann doch auszukennen weiß, für die Sicherheit der Tochter inhaftierte Kontakte abklappert und Kugeln austeilt, die wahre Schätzung jenes Menschen in der Intensität der Lage aber erst zum Schlussakkord hin einigermaßen ausdrücken kann, dann aber doch glaubwürdig knapp bleibt, wenn die Aufholarbeit in dem Rahmen kaum vervollständigt sein kann. Link hat es z.B. gerade erst hinbekommen, sich seinen Bart abzurasieren! Das ist alles erfrischend unzeremoniell aufbereitet, konkret durchs Fieber rasend sowie mit reichlich „Fucks!“ angeschrien, zumindest trotz manch konstruiertem Prozedere in der Milieubeobachtung eine kurzweilige Therapiesitzung im Kaputten mit Kaputten und denen, die sie liebhaben; ergo ein herzliches Abenteuer, das mit einem energischen Patriarchat zwischen den Fronten von White Trash und La eMe ums gegenseitig Verbindliche chargiert - nicht schlecht.




Um mal ein bisschen von den ganzen Daddy Issues der letzten Filme wegzukommen, sollte auch mal Sam Weismans „George – Der aus dem Dschungel kam“ gewürdigt werden. Die Disney-Komödie von 1997 hat jetzt vielleicht nicht derartig viel Substanz unter dem Schirm, wenn sie Brendan Fraser in perfekter Besetzung als besagter George auf eine Reise zur Fish-out-of-water-Situationskomik nach San Francisco schickt. Bis dahin bekommt man allerdings einen Dschungelurlaub geliefert, der in seinem unnachgiebigen Honkfaktor vielleicht zu den Höhepunkten des Blödelkinos gezählt werden darf. Das fängt schon mit der Erzählerstimme Jürgen Thormanns an, die mit voller Power durch ein Arsenal an Alliterationen kaspert und im Verlauf auch für Meta-Gags und filmische Insider-Kommentare sorgen wird, ehe man vollends die Umstände begreift, die Ursula Stanhope (Leslie Mann) und ihren Verlobten, den ausgewachsenen Schleimscheißer Lyle Van de Groot (Thomas Haden Church), binnen des Herzen Afrikas zu dem surrealen Spektakel führen, das bei George und Konsorten veranstaltet wird. Schließlich ist das Tempo aller Pointen dermaßen auf der Überholspur, dass die Verballhornung der Etepetete sowie die Montage aus übertriebenen Reaktionen, niedlichen Tieren, trotteligen Handlangern und sich darüber amüsierenden Fährtenlesern einheimischer Herkunft höchstens die Beilage zum Kern des Aberwitzigen ergeben. Nachdem das Titelthema in seiner Ohrwurmqualität nämlich klar stellt, dass George mit seiner Liane immer wieder in einen Baum krachen wird, ist die Tarzan-Parodie erst recht im Aufwind, sobald sich seine tierischen Begleiter per Bongophon (eine von vielen ortsgebunden beknackten Ideen dieses Films) versammeln und als reeller Cartoon dem Zuschauer stellen.


Ein gruselig per Spät-90er-CGI kreierter Elefant, der sich für einen Schoßhund hält, ist daher genauso vertreten wie ein hochintelligenter sprechender Gorilla namens Ape (John Cleese), der den gestrandeten George von Kindheit an mit erzogen hat, obgleich sich dieser seit jeher trotzdem nur per Urwald-Lingo verständigen kann, immerhin stets strahlend mit der Mähne auftrumpft. Wichtiger wiegt jedenfalls, dass er Ursula mit einigen tollen Tricks vor einem bösen Löwen retten kann, was sich ein (wie alle Tiere hier drollig vermenschlichtes) Kapuzineräffchen erfolgreich zum Vorbild nimmt und vor allem romantischen Eindruck bei Ursula schindet. Jetzt könnte man anhand dieser Beschreibungen meinen, dass es recht vereinfacht herauszufiltern wäre, was in diesem Film vor sich geht, doch die Sinnesattacke, die Weisman drum herum am Zuschauer vollzieht, wäre bei einem Jodorowsky keineswegs schlecht aufgehoben, so viel übersteuerter Schabernack mit dem Medium und den Topoi des Abenteuerfilms getrieben wird, dass man kaum noch ein und aus weiß, Ursula dann auch George statt Lyle mit nach Hause nimmt, welcher währenddessen vor Ort in Haft genommen wird. Wie das genau zustande kommt, möchte ich an dieser Stelle nicht verraten, ist es doch im Detail so abstrus und voller Unfassbarkeiten, dass man es schlicht erlebt haben muss, als es neutral erläutern zu können. Etwas nüchterner entfaltet sich hingegen die Ankunft in den USA, wo George innerhalb des modernen Chic als aufregender Supermann gehandelt wird, obgleich seine naturalistische Güte durchaus über seinem Grips steht.


Er ist in jenen Kreisen vielleicht ein Sexobjekt, aber stets ein Unschuldslamm, was diesen durch und durch naiven Film ohnehin auszeichnet, wenn seine größte politische Note darin besteht, dass reiche Ignoranten schlichte Witzfiguren sind. Dumm nur, dass ausgerechnet Ursulas Mutter Beatrice (Holland Taylor) jene Gruppe vertritt und auf die Hochzeit mit Van der Groot besteht, der Tochter den Kontakt mit dem mitgebrachten Gast verbieten will, nachdem George seine Fähigkeiten auf den gigantischen Großstadtdschungel umgesetzt hat. Als der treue Tukan Tuki George jedoch die Nachricht überbringt, dass Ape gekidnappt, nein, geapenappt wurde, reist er schnurstraks nach Afrika zurück und Ursula ihm hinterher, um einen Showdown anzuleiten, der in seiner bewusst absurden Ballung an Beklopptheiten ein Meisterwerk der komödiantischen Steigerung abgibt. Wie für Komödien gewohnt, sollte man den Witz nicht von Vornherein auflösen, deswegen lasse ich die Konstellationen zu diesem ungeniert irren Spektakel offen und verweise meine Leser stattdessen auf das garantierte Erfolgsrezept, Weismans Film in eine gute Runde an Freunden zu schleusen, die (am besten mitten in einem Filmabend ernsthafter Auswahl) völlig unverhofft mit dieser Bombe konfrontiert werden könnten. Ihr werdet es nicht bereuen, nüchtern oder gar mit einem Schüsschen Wermut im Bäuchlein in diese für Kinder erdachte und über-engagierte Supershow an Totalquatsch hineingeraten zu sein!




Der Western stirbt. Wann? Jetzt offenbar auf jeden Fall, aber eigentlich immerzu. Die Geschichte wählt ihre beliebtesten Zyklen wie binnen einer Favoriten-Playlist aus, drum bleibt ein Film wie „Gefährliches Dreieck“ aka „Exposed“ anno 1983 zeitlos im Raum aller politischen Dilemma hängen, die jede Generation durchzumachen hat: Terrorismus, Wohlstand, nationale wie internationale Spannungen, die Spaltung zwischen Bildung und Beruf sowie das Verständnis der Geschlechter. James Toback kriegt sie alle unter einem Hut und zeichnet hier den Weg vor, wie sich das Gewöhnliche in die Tragödie des Universellen hinein verlieren kann, Dualitäten gleichzeitig in Schönheit und Grauen münden. Um obengenannte These zu untermauern, wird dafür schon im Intro ein Restaurant im beschaulichen Paris zerbombt, mit Gliedmaßen und Toten gefüllt, ehe der Sprung in die USA nur scheinbar eine Entfernung von dieser Unmittelbarkeit suggeriert, welcher das Bildungswesen in der Theorie nahezukommen versucht, ohne seine Sicherheit aufs Spiel setzen zu müssen. Toback selbst ist da als Lehrer unterwegs, der den Zerfall des Gegebenen durch die Reflexion in der Kunst und dem Verbleib in der romantischer Liebe geglättet sieht, dazu auf Goethes „Leiden des jungen Werthers“ und dessen Todessehnsucht verweist, die den Schulterschluss mit der Einleitung sowie dem Ende des Films üben wird. Die Verknüpfungen zur Wahrheit werden sich noch ergeben, so prophetisch sie über dem Narrativ hängen und doch lose angegangen scheinen, wenn sich Elizabeth Carlson (Nastassja Kinski) als Bindeglied des Ganzen anbietet. Die ist als junge Studentin ein Wirbelwind der Ambitionen, ziellos, fordernd und höchst aufnahmefähig im Frust der stets zusteckenden Prozesse des Lernens und Erfahrens verankert, auf dass sie ihren Lehrer übertrifft, der die Amour im Intellekt sowie in geteilten Vorlieben vorbetet, aber genauso vulgär mit der flachen Hand zuschlägt, wenn sich die Erwartungen straucheln.


Also heißt es für sie vorzeitig zurück ins Elternhaus nach Wisconsin, wo das Patriarchat noch eisern vorherrscht, im Zeitalter des Postfeminismus wie noch lange davor zu verharren scheint und Elizabeth weiter nach New York ziehen lässt – dem hin- und hergerissenen Zuspruch der Mutter (Bibi Andersson) sei Dank. Das klassische Coming-of-Age zeigt hier natürlich auch seine Niedergänge auf, wenn sie zunächst ausgeraubt wird, in schäbigen Hotels unterkommt und verzweifelt auf Jobsuche gehen muss, doch innerhalb dessen offenbaren sich Muster im existenziellen Umgang, die sich Toback immer wieder zu eigen machen wird: Faszination, Begegnung und Offenbarung - in der Reihenfolge, mehrmals hintereinander. Im gehemmten wie losgelösten Eigensinn ihrer selbst - auf permanenter Tuchfühlung mit Enttäuschung und Chancen - zeigt jene Frau Carlson ihre überqualifizierten Talente und Anpassungsfähigkeiten zum Zwecke der Mietzahlung auf; sogar Schichten, die sie selbst nicht an sich erkennen mag, ein Mode-Fotograf wie Szenegröße Greg Miller (Ian McShane) aber umso deutlicher. Nicht, dass der Film selbst drauf aufmerksam machen müsste, so wenig er mit Nahaufnahmen arbeitet, eine Diskrepanz zwischen Mensch und Umwelt stilisiert, stattdessen erst in den Abzügen des Fotorealistischen Wahrheiten festhält und diese - wie überhaupt im Selbstverständnis des Mediums - per Künstlichkeit greifbar macht. Elizabeth steht fortan Modell, zeigt und lebt den erfolgreichen Verrat an einem selbst als kommerzielle Anmut projiziert, welche eine natürliche Schönheit wie Frau Kinski im Kontrast dazu freier lebt, zu Rock aus den 50ern abhottet und frei Schnauze ohne Etikette oder Gepose ins Business des Styles rutscht, auf dass die wahren Verehrer am meisten Gefallen an ihr finden, wenn kein Make-Up aufgetragen wird. Der echte Mensch hinter ihr trifft sodann auf den geheimnisvollen Daniel (Rudolf Nureyev) - wie sie ein Sammelsurium aus verschiedenen Herkunftsadern, Fähigkeiten und Interessen über Gegenwart wie Standort hinaus.


Der Reiz daran animiert sie in geballten Zufälligkeiten und wortwörtlichen Einbrüchen zum Entdecken, was ohne falsche Bescheidenheit auf hocherotische Entblößung hinausläuft, aber auch Wunden öffnet, die sich nun auf eine globale Ebene einstellen müssen. Elizabeths Lernprozess verleiht dem Fremden eine stets transformierende Identität, derer sie sich mit einem Flug nach Paris anschließen mag. Erst dort kommen dann die echten Namen und Motive zum Vorschein – ein Wandel, den sie nach dem ersten Schock zur Nutzung ihres Image verinnerlicht, da sie sich via Liebe oder schlichten Nervenkitzel in die Terrorzelle begibt, die ihr Beau seit längerem zu zerschlagen versucht. Die ideologische Fassade vermengt sich mit dem Status aus ihrem Abbild, was im Untergrund kurioserweise nicht anders läuft – erst recht, wenn Geld als ewige Konstante eine Rolle spielt. Die Anziehungspunkte mögen im Kontext der bloßen Synopsis einer vagen Logik folgen, doch wie Toback selbst in manchen Interviews erläutert, bietet das übergreifende Weltbild eben solche Konstellationen, in denen die unerfahrene Unschuld eine Anlaufstelle im Extremen, gar im Terrorismus vorfindet, erst recht, wenn die Zündung des politischen Bewusstseins Europa als Ort historischer Schmerzenszyklen herausstellen bzw. den Westen angreifbar machen kann. Kein Wunder also, dass der Terror hier nicht in Moscheen haust, sondern genauso gut bei McDonalds zu den Tönen von „Felicita“ diskutiert/motiviert wird, ehe der Besuch beim Anführer Rivas (Harvey Keitel) stattfindet, der bereits seinen nächsten Coup voller unschuldiger Toter plant, um ein Zeichen zu setzen. Die Eitelkeit kommt ihm selbst im Bomben gegen den Kapitalismus nicht abhanden, wenn er um seine Erscheinung in der internationalen Berichterstattung nachfragt, was aber auch eine fortgeschrittene Stufe zum Arrangement Elizabeths darstellt, das sie mit den Verkäufern/Käufern ihrer selbst eingegangen ist, weshalb sie auch umso leichter in den Widerstand hineinpassen kann.


Konträre Seiten der selben Medaille begeben sich sodann auf die Suche nach der Rechtschaffenheit im Gegeneinander, im Ausbluten und Demaskieren unter Männer und Frauen, mit allen brutalisierten Mitteln zurück zur Wahrheit und Zerstörung mit (allenfalls erhofftem) anschließendem Wiederaufbau. Wie gesagt ein Prozedere, das sich innerhalb unserer Präsenz auf diesem Planeten ständig zu wiederholen droht und in dem selbst Elizabeth als Einzelne den kleinsten, doch einflussreichsten Fixpunkt eines globalen Komplexes ergibt, in dem Jahrhunderte der Politik, Künste, Menschen und Ängste zusammenfließen, Leben und Tod allgegenwärtig im Nebeneinander wandern lassen. So selbstverständlich und ominös nimmt sich der Film dann schließlich auch seiner Schnittstelle New York – Paris an, wenn er über die Inszenierung von Tunneln, Bomben, Revolverkugeln, Blut und Regen die Leichtigkeit des Unwissens mit dem mörderischen Potenzial des Wissens (ob nun mit oder ohne Doppelbödigkeiten) bindet. In der Konsequenz wird anhand dessen Zeitgeschichte geschrieben, Farben auf die konkrete, letzte Wahrheit im Schwarz-Weiß hinunter gepegelt, so bitter das einem auch erscheinen mag und viele Beziehungen innerhalb des Plots verlieren/verloren lässt, womit allerdings auch alles gesagt ist. Wichtig dabei ist jedenfalls, dass Leben wie Film dadurch trotzdem in Bewegung bleiben, nachwirken, rekonstruiert werden können, vielleicht ein grausam permanentes Dasein aus Existenz und Sterben ergeben, aber auch feststellen, wo wir bereits waren, wo es uns hinführt so wie das Ich, mehrere Ichs und das schlichte Wir darin leben können. Fragt sich nur, ob Toback und Goethe mit dieser Weitsicht gerne leben oder gleich sterben wollen/wollten.




Zum Sterben ist es jedenfalls nie zu früh, wie uns Larry Cohen mit einem weiteren Besuch nach New York zeigt, auch wenn der deutsche Verleihtitel „Hollywood Kills“ einen anderen Schauplatz verspricht, aber dann doch die öffentliche Wahrnehmung des Mediums Film reflektiert, das unter der brillanten Oberfläche ebenso mit Gewöhnlichkeiten und menschlichen Tiefen zu tun hat. „Special Effects“ als Originaltitel arbeitet dann doch subversiver in die Perversionen skrupellosen Filmemachens hinein, wenn man den Kontext dazu erhält, doch ein Cohen ist weniger vorwurfsvoll in einer Kritik zur eigenen Branche unterwegs, als dass er die Spekulationen eines potenziell Außenstehenden überspitzt sowie trotz Anti-Exploitation-Gerüst in einen exploitativen Todesrausch umsetzen lässt. Allzu passend für einen Film von 1984 fängt dieser dann auch in einer Kulisse des Oval Office an, wo das Model Andrea Wilcox (Zoë Lund, „Die Frau mit der 45er Magnum“) ihren Körper in Posen via Red, White and Blue für einen Ring an Kameras und zynischen Sprüchen hergibt, ganz dem Arbeitsethos der Reaganomics bzw. dem des Präsidenten ab 2017 entsprechend. Nur einer funkt dazwischen: Ehegatte Keefe (Brad Rijn), der seine Frau an die Amoral und verruchte Porno-Industrie der Stadt verloren glaubt und alles daran setzt, sie wieder ins Familienleben mit Sohnemann zurückzuholen. Dass beide Optionen in graupeligem Winterschleier eingedeckt sind und ein verschlissenes Amerika zeichnen, ist dann nur einer der Gründe, weshalb sie sich energisch weigert, mit ihm mitzugehen, ihm überhaupt zu begegnen, so aggressiv Keefe um die vergangene Liebe kämpft, dass er als Bösewicht häuslicher Gewalt durchgehen könnte. Er wird sich später zudem nur schwer als Sympathieträger beweisen dürfen, auch innerhalb des Narrativs, das die Skepsis ihm gegenüber als Spannungsvehikel und Objekt medialer Projektion ausnutzt, was wiederum mit Regisseur Chris Neville (Eric Bogosian) zusammenhängt. Der große Name mit dem jüngsten großen Flop am Nervenkostüm ist das Thema der Stunde ringsum, gleichsam fix einen Anlass für Andrea ergibt, Keefe eifersüchtig zu machen, was für schweinische Karrierechancen sie sich bei Neville ergattern kann, dass sie daraufhin auch zu diesem hin flüchtet.


Der lässt sie sogar rein und wie es sich für ambitionierte/verzweifelte Schauspielerinnen schickt, landet sie für den Casting-Prozess in seinem Bett, obgleich der Mann nach seiner letzten Pleite eigentlich gar nichts zu reißen hat, mit seinem Milieu allein jedoch verführt. Die Verführung nimmt jedoch einen fatalen Ausgang, so symbolisch wie Neville die Dornen der Rose beibehält und mit aufs Bett legt sowie über einen durchsichtigen Spiegel die Kamera laufen lässt, während er Andrea zu Tode erwürgt. Er hat seinen ersten Spezialeffekt, seine Inspiration mit dazu eingeblendeter Title Card, seine unfreiwillige Darstellerin hingegen eine Leichenstarre auf dem Sitz ihres Wagens, mitten auf dem eingeschneiten Rummelplatz (der Kreis zu „Jem“ schließt sich erneut) von Coney Island. Besonders beachtenswert dazu auch die Musik von Michael Minard, die in solchen Phasen an die bitteren Erkenntnisse aus „Safe“ herankommt, ansonsten aber synthetischen Slasher-Konsens pur abliefert. Der Konsens für die Kripo ergibt jedoch zunächst den (durchaus verhärteten) Verdacht, dass Keefe der Mörder Andreas sei, was wir als Zuschauer besser einschätzen können, Neville ebenso, der in seinem kreativen Feuer jedoch die Kaution für den Verdächtigen auszahlt und diesem vorschlägt, sich in einer Art Doku-Fiction selbst zu spielen, so die Vorgänge zu Andreas Mord zu rekonstruieren. Daran mag sich die Polizei unter Leitung von Lieutenant Phillip Delroy (Kevin O'Connor) gerne als technische Berater beteiligen, um was vom Fame abzustauben sowie den verwirrten Keefe zu überführen, zeitgleich kommt dieser als Comeback-Sujet Nevilles in arge Gewissensbisse der Ausbeutung, die im Castingprozess umso ambivalenter nachwirken, als er ein genaues Ebenbild seiner Frau in Heilsarmee-Mitarbeiterin Elaine (ebenfalls Zoë Lund) vorfindet - auf jeden Fall eine passendere Besetzung als das eine Portfolio mit Tootsie vorne dran (einer der klassisch kecken Meta-Gags Cohens, der später noch ein Cameo bewältigt).


Im gemeinsamen Spiel verschwimmen demnach allmählich die allseits bekannten Grenzen von Realität und Fiktion, die einen vorbelasteten Keefe aggressiver erscheinen lassen, ihn zur Leidenschaft mit Double Elaine treiben; Neville hingegen einen inszenatorischen Vorteil verschaffen, die Schuld von sich zu schieben und seine eigenen Taten auf Keefe umzusetzen, bis der zweite Mord an Andrea auf der Dispo steht. Cohens Wechselspiel setzt dafür seinem Budget gemäß meist auf karge wie effektive Eindrücke der Low-Budget-Filmindustrie, begibt sich als unverbesserlicher Zelluloid-Guerilla oftmals auf die Straßen, unter die Menschen, in die Krisengebiete NYCs, um an deren Wurzeln zu ziehen, mit der Faszination zur ratternden Kamera zu locken und diese sodann einzubauen. Er bereichert sich dabei am urbanen Untergang, zeigt das Filmemachen an sich aber mit zwinkerndem Auge als Aufzucht der Unmenschlichkeit, mit der sich Autoritäten bestechen lassen und Freundschaften lediglich als Mittel zum Zweck dienen, ehe Neville seine Mitwisser per 35mm die Luftzufuhr abschnürt. Das fiese Werk bettet diese Satire in eine effektive, nicht immer clevere Suspense ein, spart aber genauso wenig an Herzblut, wenn sich die familiäre Psyche Keefes nach Heilung sehnt, Cohen wie ein Voyeur sodann auch in die Beziehung mit Andrea/Elaine Einblick erhält, zwar den zärtlichen Sex fokussiert, aber ebenso die verwahrlost kalten Apartments drum herum. Die Tristesse findet ihren brutalen Höhepunkt dann auch im zackigen Prunk der Erfolgsversprechungen binnen Nevilles Domizil, wo das Sujet seinen Regisseur aber letztendlich gleichsam kunstvoll überwältigen kann, bis sich ein vollkommen neuer Auteur am Abspann bewähren kann, den filmischen Rahmen vollends zur Farce seiner selbst macht. Hollywood wurde gekillt – warum auch nicht?




Obacht, es gibt wieder einen Höhepunkt aus dem Archiv des berühmt-berüchtigten „Heimatfilme“-Youtube-Kanals zu empfehlen, nämlich Eugen Yorks toll wandlungsfähiges Drama binnen des Hamburger Milieus, „Schatten der Nacht“ von 1950. Mitten in der Nachkriegszeit fängt die Reise wie erwartet in besagter Nacht an, genauer mit fingiertem Mord-Selbstmord-Pakt in Wachsstellung, welcher Zuschauer in etwa an die selbstzerstörerischen Impulse vom Ende der Nazi-Zeit erinnert, ehe sich die Insassen des Bunkers wieder ans bundesdeutsche Morgengrauen trauen. Für Spießgesellen wie Richard Struwe (Carl Raddatz) kündigt sich innerhalb dessen schon das nächste heiße Ding an, indem man eine Ladung Koks aus der Asservatenkammer der Davidswache entnimmt, während die Damen nebenan im Wachsfigurenkabinett/Räuberhöhle an der Umkleide arbeiten, für Freier sowie feine Gesellschaft die Reize einpacken. In solch einem Untergrund ist das glucksende Glück aber auch eher nur überspieltes Leid, wenn man auf die mitgehangene Elga (Hilde Krahl), die von Struwe ständig hingehalten wird, am Scheideweg zwischen Kriminalität und grenzenloser Sucht nach Liebe steht. Kann man ihr ansehen, muss nicht mal verkitscht werden – stattdessen findet Regisseur York wie so oft in seinem Werk die Sympathie zu seinen Gaunern, zur Zwischenwelt der Dirnen und Kneipen, die gerade im Zwielicht dem Freudentaumel erliegen können. Deshalb heißt es „Bäumchen wechsle dich“, wenn ordentlich Bewegung in nächtlichen Aktionen stattfindet, manch Witzbold auf der Feier allen Frauen mit derselben Geschichte Herz wie Brieftasche stehlt, während Struwe und Konsorten mit Hängeleiter den Einbruch ausüben, Straßenbeamte einen zur Ablenkung auch mal für eine Säufernase halten müssen.


Letzteres geht nach hinten los, doch der Drahtzieher entkommt mit austauschbarem KFZ-Kennzeichen, stiftet seine Elga stattdessen dazu an, den reichen Ernst Magnus (Willy Fritsch) in eine Falle zu locken, damit er dessen Geldbeutel erleichtern kann. Bei der Begegnung eröffnet ihr sich jedoch wortwörtlich ein Strudel der Schuld und Verzweiflung, der kameratechnisch ebenso ins Delirium übergeht und gewiss nicht die letzte Versinnbildlichung Yorks ergeben wird, wenn er ab hier die kadrierte Sinnlichkeit aus Film Noir und Schicksalsmelodram in die Wege leitet. Ihr Gewissen zum Fremden, der ihr zutraulich die Sorgen ansieht und zur Aussprache motivieren will, nagt besonders, wenn sie ihn zur verabredeten dunklen Gasse führt, ist nach dem Spannungsmoment der Erwartungsrotation pro Hausnummer aber umso befreiter an ihn gebunden, da Struwe rechtzeitig gefasst wurde, aber selbst dann den kumpeligen Schnack zu Tage fördert. Für Elga geht es nun denn auch ans Tageslicht, mit Magnus in kunstvoll raffender Montage in ein bereichertes Leben, das weiterhin an den guten Seelen des Wachsfigurenkabinetts festhält, aber bereits von neuen Freunden wie Edgar Elsberg (Hermann Schomberg, gerne auch mit nacktem Aktmodell anbei) in Stein modelliert werden darf. Das hält auf ewig, möchte man meinen, wie die Symbole der Bourgeoisie um ihren Kopf nur so flirren - von der Überblendungstechnik, reißenden Kamerafahrten und Wolfgang Zellers Musik her auf eine neue Stufe des Glücks gestellt, das sich auch noch einen Ausblick auf stürmende Wellen und heimelige Strandhäuser leisten darf. Doch unverhofft kommt oft, da die Jahre vergangen sind und Struwe seine Rückkehr vollzieht, hämisch und mit steigender Bedrohung Elgas neuem Reichtum hinterher rennt.


Für ihn hat sich die Zeit nicht fortbewegt, weshalb er nicht an ihre Liebe zu Magnus glaubt, eher den geschickt eingefädelten Deal an ihr erkennt, für den er eine Erpressung nach der anderen anleiert, damit die Motive von einst nicht aus den Schatten treten. Infolgedessen bleibt jedoch der Schatten Struwes an ihr kleben und verlangt Kapital, das mehrmals in seine geisterhaften Hände landet und die Frau soweit in Bedrängnis bringt, dass sie ihren eigenen Unfalltod vortäuscht! Und wieder springt der Film dabei kurzweilig durch die Jahre, kullert sogar mit Vorderantrieb am Nebel der Fluchten, Trauer und Abstiege entlang, der in diesen Dimensionen alle Parteien ins gewohnte Minus bringt, schließlich wieder zum Wachsfigurenkabinett führt. Untergetaucht als Prostituierte Nelly gelangt Elga sodann an den Punkt, der Fremde und Bekannte zu einerlei macht, Tag für Tag an der Vergangenheit zerbricht, diese aber trotz ihrer Präsenz als gestorben hinnehmen muss. Magnus ist Jahre später auch nicht über dieses morbide Verständnis hinweg, auch wenn sein Elsberg ihn doch eloquent darum bittet, sich die Gedanken von einer netten Deern wegbumsen zu lassen. Yorks Stoff nach Otto-Heinz Jahns Drehbuch hat durchaus einige Derbheiten, tolle Frechheiten und kernige Realitätseinblicke für seine Entstehungszeit parat, die brutal und doch in reflektierender Klangmalerei auf das Unterdrückte und Leidvolle jenseits des Standes achten, in verschämten Rollenspielen sogar einen grandiosen Schutzmechanismus organisieren, der bei Elga/Nelly noch mehr Überraschungen herausholt, als man vom Film ohnehin schon erhalten hat.


Schließlich brennt die menschliche Flamme in jeder Begegnung aufs Neue auf, dass Abzüge aus Wachs und Stein zu unwahrscheinlich lebendigen Erinnerungen mutieren und Magnus in seinem Verlust sodann - mit wortwörtlich kreisenden Erinnerungen unvergessenen Kopfkinos - den Irrglauben in Kauf nimmt, dass Nelly nicht seine verschiedene Gattin sei, als Imitation jedoch den Schmerz lindern könne. Dieser Kreislauf aus einer wohl nimmer abgeklärten Vergangenheit und ungewissen Zukunft, addiert mit der stets dazwischen geballten Tristesse fehlender und doch präsenter Menschen, kann aber auch nicht die Folgen verhindern, die Elga einst ebenso dem reanimierten Struwe zuteil werden ließ: Das Ablehnen der Existenz, die Verklärung der Wahrheit, die Verzweiflung im letzten Ausweg. Wo York dann sein Ende findet, ist logischerweise nicht wirklich eins in Sicht, über diesem filmischen Wege somit ebenso keine Entlastung fürs deutsche Gewissen im Zuge der Zeiten gegeben - eine Ehrlichkeit, die für mahnende Empathie jenseits wie innerhalb des Eskapismus sorgt, auch anhand unmittelbarer Topoi vom Kino des dritten Reichs und dessen Gefühlsbildern in vergängliche Ideale/Ausreden blickt, die jederzeit dem verfolgenden Schuldbewusstsein sowie der Selbstaufgabe wegen entrissen werden können. Falls also mal wieder die Wiederholung des menschlichen Versagens droht, lässt sich aus Yorks Film, der nach seinem „Morituri“ (erster dt. Spielfilm über den Holocaust) von 1948 entstand, ein Kernmotiv herleiten, ohne dass man den Humor an seinem Genre-Mix zu verlieren glauben muss: Gegen das Vergessen und für die Wahrheit, ehe es mit der Einsicht zu spät ist.